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Following (DVD)

Following
DVD
GB 1998, Regie: Chirstopher Nolan, mit Jeremy Theobald, Alex Haw, Lucy Russell, John Nolan u.a.

Von Thomas Harbach

Auf den ersten Blick wirkt Christopher Nolans „Batman Begins“ wie ein Fremdkörper in seiner bisherigen Filmographie. Auf den zweiten Blick ist das dunkle Portrait des einsamen Rächers mit seiner vielschichtigen, aber tief gespaltenen Persönlichkeit eine Fortsetzung seiner verschachtelten, zum Teil irrationellen Thriller. Sowohl sein intelligentes Remake „Insomnia“ als auch der interessante „Memento“ wirken im Nachhinein wie Stilübungen für das expressionistische Remake des ersten Tim Burton „Batman“ mit einem psychotischen Scarerow in der Antagonistenhauptrolle. Jetzt liegt Christopher Nolans erste Stilübung „Following“ - im Jahr 1998 entstanden - in einer prächtigen DVD-Edition vor.

Damit sein Erstling in dieser Intensität auch funktioniert, umgibt der Regisseur seine vier handelnden Personen nicht nur mit einer Art stilisierter und mystischer Aura, sondern er entwickelt im gegenwärtigen England für sie eine Art zeitlose Oase. Indizien aus verschiedenen Epochen des 20. Jahrhunderts fließen zusammen. Wenn sich an der Tür einer der Wohnungen, in die eingebrochen wird, das „Batman“-Zeichen findet und den Blick auf eine alte Schreibmaschine frei gibt, befinden sich die Zuschauer in einer Art drogenfreiem Burroughs Raum… eine moderne Interpretation der Verfilmung David Cronenbergs und nicht den ursprünglichen Romans.

Je weniger man in einer Besprechung von der Handlung preisgibt, desto besser und unvoreingenommener geht der Zuschauer an diesen an den Film Noir angelegten verschachtelten Lebens- und Leidensweg seiner Protagonisten heran. Ganz bewusst mit einem übergeordneten Erzähler ausgestattet, der aus seiner Perspektive dem Polizisten in Form eines Geständnisses die Ereignisse der letzten Tage berichtet, wird seine Beichte zum Versuch der eigenen Katharsis, da er viele Bausteine des Puzzles zu diesem Zeitpunkt weder verstehen noch zusammensetzen könnte. Insbesondere wenn man sich „Follwing“ zum zweiten Mal in der chronologischen Reihenfolge ansieht, wird erstaunlich klar, wie wenig Wissen der junge Mann – facettenreich als langhaariger Möchtegernschriftsteller und später als Abziehbild des jungen, dynamischen, aber ziellosen Yuppies ohne Geld von Jeremy Theobald dargestellt – über den eigentlichen Katalysator der Ereignisse weiß und wissen wird. Er lebt in seiner eigenen Welt. Arbeitsloser Schriftsteller mit zu wenigen Ideen und zu viel Freizeit. Also beginnt er Menschen zu beobachten, ihnen auf der Straße zu folgen. Dabei hat er eigene Regeln aufgestellt – hier erinnert die eiserne Gesetzmäßigkeit an den Beginn von David Finchers subversivem „Fight Club“. Die goldene Grundregel ist, niemandem zweimal zu folgen und diese Regel bricht er gleich am Anfang. Sein Opfer, der smarte Einbrecher Cobb – Alex Haw erinnert in seinem äußeren Auftreten sofort an David Lynchs „Eraserhead“ Charakter, er agiert sehr distanziert und stellenweise am Rand des Irrsinns, im Gegensatz zu Theobald gelingt es ihm aber nicht, eine Sympathieebene und Vertrauensbasis zu den Zuschauern aufzubauen – spricht ihn direkt an. Er ist ein besonderer Einbrecher, dem es weniger um Beute als die Identität seiner Opfer geht. Indem er bei seinen Taten in deren Sachen schnüffelt und ihnen oft unbedeutende Dinge stiehlt, will er sie aufgrund ihres erlittenen Verlustes zum Nachdenken über den Stand der eigenen Existenz zwingen. Seine festen Regeln wirken so surrealistisch und der gegenwärtigen Realität entgegenstehend, dass man zu erst an Traumsequenzen denkt. Zwischen die beiden jungen Gentlemanräuber die eine junge Frau – Lucy Russell in einer Monroe-Rolle mit blonden Haaren, Sexappeal und einer Vergangenheit – und ihr Freund, ein älterer Nachtclubbesitzer mit Beziehungen zum Rotlichtmilieu.

Nolan spielt seine Karten erst nach und nach aus. Durch die verschiedenen Zeitebenen ist der Zuschauer manchmal insbesondere Theobald deutlich voraus, ohne es selbst zu wissen. Auch wenn er im Laufe der Handlung sein Aussehen sehr stark verändert, ist es für einen Außenstehenden unmöglich, ohne die wichtigen Informationen zum Schluss die einzelnen Bausteine zusammenzusetzen. Bevor näher auf dieses Handlungsgeflecht eingegangen werden soll, eine kurze Außenbetrachtung. Neben den Thriller-Elementen setzt sich Nolan immer wieder mit der Entfremdung einzelner Menschen in Großstädten und eine fortschreitende Anonymität auseinander. Dank der oft mit bescheidenen Mitteln kameratechnisch sehr inszenierten Stilisierung – Weichzeichner, extreme Perspektiven, Close Ups , harte, scharfe Übergänge – distanziert er den Zuschauer noch weiter von seinen im Grunde namenlosen Stillleben. Insbesondere beim Autoren Theobald ist schwer zu erkennen, ob er wirklich die Einbrüche mitverübt oder seiner Phantasie an der Schreibmaschine freien Lauf lässt. Ihm fehlt ein notwendiges Element, um ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden: nicht das Talent sondern ein eigenständiges Leben. Hier erinnert er in seiner Konzeption fast schon an die mehr und mehr intelligenter werdenden Zombies an George Romeros letzten Film „Land of the Dead“ oder an Joe Dantes Kreaturen aus seiner Master of Horrors Folge „Homecoming“. Theobald ist – wie sich später herausstellt – eine Art leblose Maschine, deren Handlungen scheinbar bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar sind, auf der Suche nach einem Leben, das er adaptieren kann. Nicht zuletzt dank oder wegen der äußerlichen Veränderungen seiner nicht vorhandenen Persönlichkeit, liefert Theobald den Beweis, dass jemand ihn nicht nur als Opfer auserkoren hat, das diese Einschätzung richtig und für ihn folgenschwer sein wird.

Was den Film allerdings aus dem klassischen Thrillergenre und dem Film Noir Bereich heraushebt, ist die Aufhebung der Komponente Zeit. Nicht nur die Integration dreier Zeitebenen in einem sehr kompakten Handlungsstrang mit fließenden Grenzen – oft zeigt Nolan fragmentarisch zukünftige Ereignisse, ohne das sich ein Hinweis auf den Hintergrund findet und erschafft so mühelos eine stetig vorhandene latente Bedrohung – erinnert ein wenig an einen Mysterythriller, sondern die Unabänderung des Schicksalswege. Einige Ansätze in seinem Film funktionieren wirklich nur, wenn der Zuschauer an Bestimmung und Fatalismus glaubt.

Weiterhin macht der Film aus der rationalen Perspektive eines Thrillers/Film Noir zumindest im letzten Drittel wenig Sinn. Zu viele vorgeblich überraschende Informationen über die Motivation der einzelnen Charaktere strömen auf den Zuschauer ein. Leider suggeriert Regisseur und Autor Christopher Nolan, dass Menschen, die man vorher nicht genau studieren kann – in diesem Fall wird das Element Zufall durch eine scheinbar belanglose Begegnung wenige Tage vor der Auflösung des komplexen und komplizierten Plans signifikant herausgestellt und als Katalysator der Ereignisse identifiziert – in ihren Handlungen derart vorhersehbar sind, dass nur eine Auflösung möglich ist. Aus dieser Perspektive machen einige Passagen – so faszinierend sie auch zu betrachten sind – keinen Sinn. Überträgt man allerdings die Handlung in den Bereich des Mystery und betrachtet alles aus der Perspektive der unabänderlichen Vorherbestimmung, ergeben sich fesselnde Beobachtungsmöglichkeiten. Es stellt sich die Frage, ab welchem Punkt eigenständiges Handeln aufhört und man sich einem größeren Plan unterordnen muss. Theobald verletzt seine eigene Regeln – und im übertragenen Sinne auch die Benimmregeln einer modernen funktionierenden Zivilisation – und gerät in Schwierigkeiten. Sein Bemühen, Gutes zu tun und der Versuchung zu widerstehen – obwohl er einmal diesem Reiz noch unterliegen muss, um den Plan auszuführen – wirkt wie eine Simulation, ein durchlaufendes Computerprogramm einer höheren Macht, in der verschiedene Variationen getestet werden und das Ergebnis immer das Gleiche ist. Die Kombination des Drehbuchs mit einer weiteren Variante „Followings“ und die Möglichkeit, den Film chronologisch zu sehen, unterstreichen diese These. Unabänderlich und vorbestimmt läuft das Geschehen mit wenigen Variationen ab und führt immer zum gleichen, fatalistischen Ende. Nicht umsonst bemüht sich Theobold unabhängig von den Folgen für sich selbst, den Pfad zu verlassen und sein Gewissen durch eine Beichte bei der Polizei zu erleichtern. Diese reinigende Geste führt im Grund zu seiner eigentlichen Bestrafung. Mit zurückhaltendem, aber deutlich spürbarem Zynismus kommentiert damit Christopher Nolan eine Gesellschaft, ein Programm, das aus seiner natürlichen Ordnung herausgelaufen ist. Die einzige Lösung könnte eine radikale Löschung der krankhaften Komponenten sein. Diese Thematik wird er in seinem herausragenden „Batman Begins“ wieder aufnehmen und auf verschiedenen Ebenen die Korruption des Systems – selbst die Krieger der tibetanischen Geheimsekte in ihrer radikalen, gut gemeinten, aber missbrauchten Intention sind im Grunde korrupt und von ihrer Macht besessen – und den Nachklang im einzelnen Individuum untersuchen. In „Following“ konzentriert er sich in diesem Kammerspiel noch auf das eigentliche System, da alle Charaktere schematisch angelegt und austauschbar sind. Er verzichtet fast gänzlich darauf, ihnen individuelle Züge zu geben. Dieses Vorgehen verstärkt nicht nur dank der fast dokumentarfilmhaften Aufnahmetechnik die bedrückende Atmosphäre des Films, sondern macht in der Tradition des Paranoia-Kinos Angst. Jeder kann Täter und Opfer sein. Mit dieser subversivem Einstellung modernisiert er Filme wie „Mann beißt Hund“ und auch „Henry - Portrait eines Serienkillers“. Während diese ihre Taten auf Video aufgenommen haben, um den Voyeur im Publikum zu verführen, findet Nolans Beziehung zwischen Täter und Opfer nur noch ausschließlich im Kopf statt. Was auf den ersten Blick wie ein Rückschritt wirken könnte, ist die logische Folge und ultimative Synthese zwischen gut und böse zu einem nicht mehr zu differenzierenden Grau.

Christopher Nolans Audiokommentar – er spricht sehr ruhig, an manchen Stellen fast lethargisch - zeigt von Anfang an auf, dass der Zuschauer es mit einem Non-Budgetfilm zu tun hat. Nolan hat das Drehbuch für ein kaum vorhandenen Budget geschrieben, nur die Idee einer nicht linearen Geschichte bestand und die Notwendigkeit, als eigener Kameramann auf die Guerilla-Taktik der Handheld-Kamera zu vertrauen. Daneben beherrscht ihn die Idee der Einsamkeit einzelner Menschen in einer Großstadt, umgeben von Millionen anderer Menschen, Nach einer kurzen Einführung verliebt er sich wieder in seinen eigenen Film. Immer wieder zieht er Vergleiche zwischen seinem eigenen Leben und seinen eigenen Erlebnissen und den Dialogen/Absichten der einzelnen Charaktere. Dass Nolan trotz des kaum vorhandenen Budgets mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Absicht, einen originellen Film zu drehen, an diese Aufgabe gegangen ist, zeigt seine detaillierte Vorbereitung: Die Hauptdarsteller haben sechs Monate ihre Rollen trocken geübt. So verhinderte der Regisseur bei den eigentlichen Dreharbeiten unnötige Takes. Die einzige Szene, die er improvisieren ließ, gehört zu den unterkühlten, aber emotional überzeugenden Momenten, in denen sich zwei der Charaktere bei einer Tasse Kaffee einen kleinen Schritt näher kommen. Am Ende des Films wird der Zuschauer erkennen, dass ausgerechnet in dieser Szene mit am meisten gelogen wird und die Emotionen sich als leer und vorgespielt entpuppen werden. Es ist erstaunlich, wie überzeugend bodenständig und doch konzentriert viele der sehr stilisiert gefilmten Darstellungen insbesondere bei wiederholtem Ansehen des Films wirken. Nachdem man sich beim ersten Mal vom Plot und der Komplexität der Handlung/des Plans hat überraschen lassen, empfiehlt es sich, auch auf das gelungene Licht- Schattenspiel und die wirklich teilweise aggressive Kameraarbeit bei diesem in schwarzweiß gedrehten Film zu achten. Es ist immer wieder überraschend, wie minutiös sich Nolan im Vorwege mit technischen Möglichkeiten, aber auch Beschränkungen, dem zur Verfügung Filmmaterial und schließlich auch seinen Akteuren beschäftigt hat.

Insbesondere im Mittelteil seines Audikommentars hat Christopher Nolan Probleme, den Zuschauern/Zuhörern wirklich neue Informationen zu geben, ohne den Plot zu verraten. So verrennt er sich ein wenig im Lob für seine Schauspieler, das wiederholte Betonen der sehr einfachen, aber effektiven Sets – Wohnungen von Freunden, Bekannten und Eltern – und das Kommentieren der Geschehnisse auf dem Bildschirm. Spätestens hier hätte Nolan mehr über sich selbst, seine Intention als Regisseur, seine Faszination mit dem Medium Film und seine Vorbilder berichten können. Im Grunde bleibt uns der Erzähler genauso fremd wie seine distanzierten Figuren auf der Leinwand.

Erst gegen Ende seines Kommentars geht er auf die Schwierigkeit ein, das Tempo der einzelnen Szenen mit seinem fertigen Drehbuch in Einklang zu bringen. Viele Kleinigkeiten des No- Budget Filmes fallen dem Zuschauer erst dank des Kommentars auf: so findet keine Nachsynchronisierung statt. Nicht wie vielleicht vermutet, um den dokumentarartigen Stil der Erzählung zu unterstreichen, sondern weil einfach das Geld fehlte, es professionell zu machen. Wie bei „Henry - Portrait eines Serienkillers“ und „Man bites Dog“ unterstreicht diese Kargheit die Intention des Filmemachers. Alles in allem hilft der Audiokommentar dem Zuschauer, einige neue Informationen über die Entstehung und die Absichten des Films zu erhalten, er bringt allerdings dieses einzigartige Werk seinem Publikum nicht näher.

Den Abschluss der Extras bildet ein eher oberflächlicher Trailer, der Christopher Nolans „Memento“ in den Vordergrund stellt und die Möglichkeit, das Drehbuch mit einer Multiangle Funktion zu lesen. Im Grunde eine dritte Version von „Following“, auch wenn die Änderungen nicht wirklich sonderlich groß sind, sondern auf einen oberflächlichen Blick so erscheinen. Welche komplexe Leistung Nolan mit Script, Produktion und schließlich Regie abgeliefert hat, wird am ehesten beim erneuten Betrachten des eigentlichen Hauptfilms erkennbar.

Wie „Memento“ gehört Christopher Nolans „Following“ zu der kleinen Gruppe von Randbereichthrillern, die das Spektrum des Genres erweitern und seinen Bezug zu anderen Subgenres analytisch untersuchen. Hier setzt sich der Regisseur neben seinen erzählerischen Raum/Zeitexperimenten mit Beziehungen zwischen Individuen und ihrer Umwelt auseinander. In „Memento“ sucht der Protagonist nicht nur seine verschwundene Frau, sondern seine eigene Identität. Da sein Kurzzeitgedächtnis zerstört worden ist, muss er mit sich selbst über ein Tagebuch und Notizzettel kommunizieren. In „Following“ suchen die einzelnen Charaktere weniger nach ihren Identitäten – sie haben keine und werden auch keine erhalten -, sondern nach einer Möglichkeit, sich ihrer anonymen Umwelt als Persönlichkeit zu zeigen und aus dieser Begegnung einen gewissen Kick zu ziehen. Diese Sucht macht insbesondere „Following“ zu einem beunruhigenden Film, zu einem verstörenden Erlebnis. Denn niemand ist vor diesen Menschen sicher. Nichts ist vor ihnen und ihrer Sucht sicher. Nicht umsonst beendet Nolan seinen Film mit einer Wiederholung der ersten Szene.

DVD-Facts:
Bild: schwarzweiß, 4:3 Vollbild (1,66:1)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: deutsch, englisch

DVD-Extras:
Audiokommentar des Regisseurs, Film in chronologischem Ablauf

hinzugefügt: June 6th 2006
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: flax film
Hits: 3232
Sprache: german

  

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