Gößling, Andreas: Das große Buch der Feen und Elfen (Buch)

Andreas Gößling
Das große Buch der Feen und Elfen
Mit vielen farbigen Illustrationen von Friedrich Hechelmann
Knaur, Hardcover, 382 Seiten, 22,90 EUR, ISBN 3-426-66124-1

Von Gunther Barnewald

Selten kommt es vor, dass sich ein Verlag der Mühe unterzieht oder mutig genug ist, ein “Hybridbuch” herauszubringen, welches sowohl Sachbuch und Kurzgeschichtensammlung ist, als auch (und vor allem) einen herrlichen und formidablen Kunstband darstellt.

Das große Buch der Feen ist ein solches Werk, und man muss es als rundum gelungen bezeichnen, auch wenn die penetrante Eigenwerbung des Autors Andreas Gößling für seine anderen Werke schon im Vorwort nervt. Dies bleibt jedoch das einzige Manko, berücksichtigt man, dass das unhandliche Format der Größe der tollen Bilder geschuldet ist, somit deren bessere Auflösung auf Kosten der Handhabbarkeit des Buches beim Lesen geht. Dies ist aber völlig in Ordnung und gut so.
Schon die sorgfältige Auswahl der Papierqualität fällt bei dem vorliegenden Werk auf und unterstützt die grandiosen zahlreichen Gemälde, in denen sich der Maler Friedrich Hechelmann selbst übertroffen hat. Auf über 50 ganzseitigen Farbtafeln beweist Hechelmann sein Talent und entwirft entrückte Fantasywelten und magische Naturstudien, die in dieser Schönheit ansonsten nur von Hans-Werner Sahm kreiert werden. Egal ob Naturstudien, lichtdurchflutete Idyllen oder magisch entrückte Architektur, immer geht von Hechelmanns Bildern ein wunderbarer Zauber aus.

Andreas Gößling hat, neben einem Glossar gegen Ende des Buches über Feen, Trolle und ähnliches, 49 Geschichten gesammelt und nacherzählt, die aus dem Sagenschatz der Menschheit stammen. Dabei dominieren zwar britische (v. a. irische) Mythen, jedoch kommen auch andere Völker und Kulturen zu Wort.
Neben kontinentaleuropäischen Märchen findet sich auch eine alte Indianerlegende, ein Märchen die in der Zeit der Maya spielt und eine nordafrikanische Erzählung in dem Buch. Daneben gibt es Geschichten des klassischen Altertums genauso wie alte deutsche Sagen oder orientalische Märchen zu lesen.

Diese bunte Mischung sollte trotzdem besser nicht am Stück gelesen werden, denn manchmal verblüfft es den Leser schon, dass z. B. in einer kroatischen und einer deutschen Legende genau das gleiche Ereignis vorkommt. So erzählt “Konrad und die Schwanenfrau”, ein Märchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen, von drei Erben dreier magischer Gegenstände, die sich nicht einigen können, wer welchen Gegenstand erhalten soll. Dies macht sich der Protagonist zu nutze, schickt die drei Erben auf ein Wettrennen und eignet sich in deren Abwesenheit deren Schätze an. Genauso verfährt der Protagonist des kroatischen Märchens “Die Geliebte des Trolls”.

Die vorliegende Märchensammlung wurde in sechs Teile aufgeteilt, welche folgende Themen repräsentieren sollen: Besucher in Elfenwelten, Ehen mit Feen, Elfen-Eros, Menschenskinder und Wechselbälger, Schatz- und Schutzfeen und Elfenzorn und Feenbann. So gut diese Grundidee auf den ersten Blick erscheint, so sehr erweist sich diese Trennung in der Praxis als allzu schwammig, denn z. B. die Geschichten “Prinz Ahmed und die Fee Peri Banu” und auch die Indianerlegende “Die Büffelfrau”, die dem Kapitel Elfen-Eros unterstellt sind, wären im Kapitel Ehen mit Feen mindestens ebenso gut aufgehoben. Trotzdem ist eine Untergliederung angesichts der vielen Geschichten sicherlich sinnvoll. Etwas mehr Sorgfalt in diesem Punkt hätte sicherlich nicht geschadet.

Ansonsten überzeugen vor allem die exotischen Märchen. So erklärt z. B. die Indianerlegende “Die Büffelfrau”, warum der Mensch Büffel jagt und verspeist. Denn in früheren Zeiten soll es umgekehrt gewesen sein, die Büffel waren aggressiv und töteten die Menschen. Erst ein Mann, der sich in eine Frau verliebte, die sich als magisches Büffelweibchen entpuppte und ihre Gestalt verändern kann, bringt durch seine Loyalität, Beharrlichkeit, Liebe und seinen Mut die gefügte Ordnung ins Wanken und kehrt die Machtverhältnisse um.

Während “Der Elfenkönig von Uxmal” vom magischen Aufstieg und Fall der bekannten Mayastadt berichtet, erzählt die nordafrikanische Legende “Die Affenfee” vom jüngsten Sohn eines Emirs, der sich in jugendlichem Leichtsinn eine Affenfrau zur Braut wählt, die seine Warmherzigkeit unerwartet belohnt und ihn sogar zum Nachfolger des Vaters macht.
Aber auch die europäischen und orientalischen Märchen sind durchaus interessant und fesseln den Leser.
Lediglich die allzu reichlichen britischen Märchen erscheinen in ihrer Häufung etwas überbewertet, was aber sicherlich am Thema liegt, denn schließlich erwarten die meisten Leser beim Thema Feen wohl meist typisch irische Mythen und Legenden. Märchen aus exotischeren Gegenden der Erde, sofern zum Thema passend, wären aber zweifellos wegen ihrer Exotik erfrischend und willkommen gewesen.

Insgesamt ist "Das große Buch der Feen und Elfen" trotzdem ein echtes Highlight unter den Neuerscheinungen im Bereich der Phantastik, was vor allem an der gediegenen Ausstattung liegt. Insbesondere die tollen Bilder Friedrich Hechelmanns machen dieses Buch zu einem Prachtband, der sich nicht nur als ideales Geschenk eignet, sondern auch für alle Kunstfreunde einen absoluten Leckerbissen darstellt.

hinzugefügt: July 14th 2004
Tester: Guido Latz
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