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Hohlbein, Wolfgang: Die Tochter der Himmelsscheibe (Buch)

Wolfgang Hohlbein
Die Tochter der Himmelsscheibe
Titelbild von Geoff Taylor
Umschlaggestaltung Nele Schütz Design, München
Karte von Erhard Ringer
Piper Verlag, Hardcover, 940 Seiten, 24,90 EUR, ISBN 3-492-70068-3

Von Christel Scheja

Kein anderer Fund hat in Deutschland in den letzten Jahren so viel Aufsehen erregt wie die "Sternenscheibe von Nebra", die zunächst in die Hände von Raubgräbern geriet, ehe sie wieder in sachkundigere Hände zurückkehrte. Dieser Fund bewies, dass auch im Mitteleuropa der Bronzezeit, vor der Ankunft der Kelten und Germanen Völker lebten, die nicht, wie ursprünglich angenommen, nur tumbe Barbaren waren, sondern den der ersten im Mittelmeerraum beheimateten Zivilisationen zumindest in der Astronomie gleichwertige Kenntnisse besaßen.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich gleich mehrere deutsche Autoren von der "Sternenscheibe" inspirieren ließen und ihre ganz eigene Geschichte zu diesem Thema erzählen, so wie nun Wolfgang Hohlbein in "Die Tochter der Himmelsscheibe".

Arri und ihre Mutter Lea wohnen in einem Dorf in der Nähe des Flusses Zella. Neben ein wenig Ackerbau jagen und fischen die Bewohner hauptsächlich, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie dienen strengen Göttern, die von dem Schamanenpriester Sarn und dem ab und zu vorbei schauenden Hohepriester Nor vertreten werden.
Obwohl Arri und Lea nun schon einige Jahre in dem Dorf leben, sind sie Außenseiter. Das liegt nicht an der allgemeinen Furcht vor Fremden, sondern eher an dem Verhalten der Mutter. Denn Lea ist anders als die Frauen im Dorf. Sie ist unnahbar, freiheitsliebend und stark, kann sich nicht unterordnen und hütet mit Argusaugen ihre wenigen Schätze und ihr überlegenes Wissen. Der einzige Grund, warum sie die Bewohner des Dorfes noch nicht vertrieben haben, ist, dass sie mit ihren großen Heilkünsten und ihrem Wissen über Ackerbau und Viehzucht den Menschen ständig hilft und ihnen ein wenig Wohlstand gebracht hat. Allerdings hat sich Lea mit ihrem schroffen Wesen auch Feinde geschaffen, die nur auf einen Fehler von ihr lauern, um sie zu vertreiben oder Schlimmeres. Vor allem der Schamane Sarn arbeitet daran und lässt nichts unversucht, um Lea zu reizen oder sie zu einem Fehler zu treiben. Doch noch weiß Arris Mutter sich zu verteidigen - mit ihrer spitzen Zunge und einem außergewöhnlichen Schwert, das aus einem Material härter als Bronze besteht.
Weil die Gegner an Lea nicht herankommen, muss Arri für die Taten ihrer Mutter leiden. Die anderen Kinder des Dorfes meiden sie, Frauen und Männer haben nur Spott und Knüffe für sie übrig. Und Arri fragt sich, womit sie das verdient hat, denn ihre Mutter behandelt sie auch nicht viel besser als die anderen Menschen - sie teilt nur wenige Geheimnisse mit ihr, und schimpft sie oft aus.
Dann aber, als Sarn und seine Spießgesellen eine Chance sehen, weil durch Leas Versuche mit einem neuen Metall der Schmied erblindet ist und sie einen Jäger zum Krüppel macht, um sein Leben zu retten, ändert sich Arris Mutter plötzlich. Sie bringt ihr nicht nur bei zu kämpfen, sondern erzählt ihr auch ein wenig von ihrer Abstammung: Lea und Arianrhod - so Arris wirklicher Name - sind die letzten Überlebenden ihres Volkes, das von einer Insel im westlichen Meer stammt. Und die Mutter diente dort einst ihren Göttern als Hohepriesterin und erlangte einiges an Wissen. Das Schwert ist die letzte Erinnerung an dieses Leben. Doch noch scheint sie ihrer Tochter nicht ganz zu vertrauen, denn sie lässt das Mädchen allein zurück, als sie überraschend zu einem weit entfernten Handelsplatz aufbricht.
Arri hat genug von der Geheimniskrämerei ihrer Mutter und läuft dieser nach, denn sie fühlt sich erwachsen genug, um diese Last mit Lea zusammen tragen zu können. Sie will nicht länger nur für Dinge beschimpft werden, an denen sie nicht teilhat. Tatsächlich findet sie ihre Mutter - aber nur um in ein gefährliches Abenteuer zu geraten, in dem alte und neue Feinde ihr wahres Gesicht zeigen...

Auf über 900 Seiten entfaltet Wolfgang Hohlbein das Panorama der bronzezeitlichen Welt Mitteleuropas. Er erzählt von dem Leben der Menschen in einem kleinen Dorf, denen Veränderungen oder Dinge, die sie sich nicht erklären können, wie Magie erscheinen müssen, obwohl es natürliche Phänomene sind.
Zusammen mit Arri erfährt der Leser nach und nach die Geheimnisse, die Lea und ihr besonderes Schwert umgeben - die Himmelsscheibe als solche wird er aber vergeblich suchen, denn stellvertretend für die schwere Bronzescheibe ist das Abbild des Sternenhimmels nur in den Knauf der Waffe eingebettet - wie das Titelbild verrät.
Ansonsten erzählt Wolfgang Hohlbein eher eine klassische Geschichte - Außenseiter müssen sich in einer Welt behaupten, in denen man ihnen nicht traut, weil sie selber nicht alles von sich preis geben, und ihre Feinde versuchen, mit Intrigen oder Gewalt, das verborgene Wissen zu erlangen, das ihre Machtposition gefährden könnte. Nicht zuletzt muss die jugendliche Heldin über sich hinaus wachsen und ihre verborgenen Qualitäten entdecken, um gegen alle Gefahren bestehen zu können, auch wenn sie dafür am Ende einen hohen Preis zahlt. Die Charaktere sind - für den Autor typisch - durchwachsen und zeigen ausgiebig ihre guten und schlechten Seiten, so dass keiner so richtig sympathisch wirkt.
"Die Tochter der Himmelsscheibe" enthält keine magischen oder übernatürlichen Elemente und ist damit ein waschechter historischer Roman, der sorgfältig recherchiert wurde und damit das Leben vor drei- bis dreieinhalbtausend Jahren vorstellbar macht. Geschickt bindet der Autor auch beliebte Elemente aus Klassikern des Genres ein - denn man rätselt lange, woher denn Lea nun eigentlich kommt und wie nah sie etwa Marion Zimmer Bradleys oder Diana L. Paxons vorgeschichtlichen Heldinnen steht.
Allerdings nehmen die Schilderungen und das Hickhack zwischen Lea und den ihr feindlich gesinnten Dorfbewohnern so viel Raum ein, dass die Handlung erst im letzten Drittel des Buches so richtig anläuft und den Leser mit spannenden Actionsequenzen fesselt, wobei das Ende enttäuscht, da nur wenige der aufgeworfenen Fragen geklärt werden.
Damit ist der Roman zwar eine gelungene Schilderung bronzezeitlichen Lebens, fordert dem Leser aber gerade in der ersten Hälfte durch seine Langatmigkeit einiges an Durchhaltevermögen ab und weiß gerade am Ende nicht zu überzeugen.

Damit kommt "Die Tochter der Himmelsscheibe" über soliden Durchschnitt leider nicht hinaus.

hinzugefügt: May 17th 2005
Tester: Christel Scheja
Punkte:
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Hits: 2810
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