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Schattschneider, Peter: Selbstgespräch mit Protoplasma (Buch)

Peter Schattschneider
Selbstgespräch mit Protoplasma
Titelillustration von Jörn Bach und Atelier Bodoni
Mit einem Nachwort von Franz Rottensteiner
Waldgut Verlag, 2009, Paperback, 274 Seiten, 20,00 EUR, ISBN 978-3-03740-384-6

Von Armin Möhle

Der österreichische Physiker und Autor Peter Schattschneider hat in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen sowie Anfang dieses Jahrhunderts diverse Kurzgeschichten verfasst, die in „Selbstgespräche mit Protoplasma“ zusammengefasst und neu aufgelegt wurden. Langjährige SF-Leser werden sich vielleicht noch an seine Storysammlungen „Zeitstopp“ und „Singularitäten. Ein Episodenroman im Umfeld schwarzer Löcher“ erinnern, die 1982 bzw. 1984 in der „Phantastischen Bibliothek“ des Suhrkamp Verlags erschienen sind (als Nr. 76 und Nr. 129).


Die Titelgeschichte ist eine der originellsten Versionen des ersten Kontaktes mit einer nichtmenschlichen Lebensform. Die Emulanier sind Gewebeklumpen, die nach einem physischen Kontakt jede andere Spezies nachbilden können. Ein Reporter wagt das Experiment... Und sieht sich in eine verwirrende Diskussion über seine Identität verwickelt, bevor er eine Überraschung erlebt. Humoristisch ist auch „Pflegeleicht!©“. Zukünftigen Eltern werden viele Sorgen und Nöte bei der Erziehung ihrer Kinder abgenommen, aber auch neue geschaffen. Der „Diamantendeal“ ist ebenfalls ironisch: Ein galaktischer Händler übervorteilt sich selbst.
Die übrigen Kurzgeschichten in „Selbstgespräche mit Protoplasma“ beschreiben, der Profession des Autors folgend, die Auswirkungen, die das Informationszeitalter, die Kybernetik, die Informatik und die Biologie auf die Menschen der Zukunft haben können. In „Zwiedenker“ gerät der Protagonist, der in einer gleichgeschalteten, totalitären Welt lebt, in die Vergangenheit, als in der Gesellschaft noch Pluralität erlaubt war. Die Story bleibt etwas unklar, weil nicht deutlich wird, ob der Protagonist lediglich in einer virtuellen strandete oder tatsächlich in die Vergangenheit reiste, in der er die Grundlagen für das totalitäre System legen wird... „Das wirtschaftlichste aller Systeme“ beschreibt gleichfalls eine totalitäre Welt und ist noch unbefriedigender, weil sich die Entwicklung von der Demokratie zur Diktatur in wenigen Jahren und auf wenigen Seiten vollzieht.
Eingriffe in die Vergangenheit mit der Hilfe von Quanten- u. ä. leistungsfähigen Computern schildern „Schnippchen“ und „Tinkerbell“. In „Schnippchen“ hält es ein Hacker für reizvoll, sich bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Supercomputer zu beobachten, und löst dabei eine nicht unerwartete Kettenreaktion aus. Ob sie beendet wird, lässt der Autor offen. „Tinkerbell“ ist die anspruchsvollere Variante, mit erheblich mehr Fachterminologie (die z. T. erklärt wird) und einem konsequenteren Plot. Ein Diplomand stößt auf die Aufzeichnungen eines unbekannten Wissenschaftlers und wiederholt dessen Experiment. Mit demselben Ergebnis natürlich.
Aber auch menschliche Motive sind dem Autor nicht fremd. In „Hausmacht“ eskaliert ein Rosenkrieg, der mit informationstechnischen Mitteln ausgefochten wird. Ein Problemlösungsprogramm wendet sich in „GIPS Unlimited“ gegen seinen Anwender, als es von ihm erpresst wird und zum Mord an dem Liebhaber seiner Freundin gezwungen werden soll. „Ein Brief aus dem Jenseits“ schildert die Folgen, die der Protagonist nach seinem Ausstieg aus der Informationsgesellschaft spürt, als er enttäuscht in sie zurückkehren will.
„Die Welt am Draht“, besser: die Menschen am Draht, auch dies beschreibt der Autor. In „Exit to Paradise“ befindet sich der Protagonist mit seiner Freundin in einer Simulation, einem Computerspiel. Durch einen Widerspruch findet er heraus, dass er selbst in einer Simulation lebt – eine virtuelle Welt in der anderen. Die Story ist etwas schwerfällig; bereits die Tatsache, dass eine Festung über seiner Stadt schwebt, sollte den Protagonisten stutzig machen, nicht erst der fehlende Schattenwurf. „Emulitis“ ist die Symbiose zwischen Menschen und leistungsfähigen Computer, bei der die Maschine nicht den Menschen unterjocht, sondern beide profitieren, indem eine neue Spezies entsteht. „Das reduzierte Ich“ wird erforderlich für einen Schüler einer virtuellen Eliteschule, bevor er die Grenzen überschreitet, die ihm das System setzt. Hier erfolgt die Unterwerfung des Menschen unter die Maschine, und zwar kompromisslos.
Die beste Story in „Selbstgespräche mit Protoplasma“ ist „Superzyte“, eine weitere geniale Variante des Ersten-Kontakt-Themas, aber mit einem noch etwas ungewöhnlicheren Plot als die Titelstory. „Superzyte“ ist in eine Rahmenhandlung eingebunden, die nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre, aber die Beliebigkeit und die Austauschbarkeit vieler Romane und Kurzgeschichten in der SF kritisiert.

Das ist es auch, was die Kurzgeschichten in „Selbstgespräche mit Protoplasma“ nicht charakterisiert. Im Gegenteil, sie zeichnen sich durch ihre Einmaligkeit, ihre Originalität, ihre stringenten und konsequent erzählten Plots aus. „Selbstgespräche mit Protoplasma“ ist ein ausgesprochen eigenständiges Werk der (im Original) deutschsprachigen SF – und nicht nur dort!

hinzugefügt: December 8th 2009
Tester: Armin Möhle
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