Farmer, Nancy: Das Skorpionhaus (Buch)

Nancy Farmer:
Das Skorpionenhaus

Originaltitel: The House of the Scorpion (2002).
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Martin Baresch.
Bindlach: Loewe Verlag 2003.
406 Seiten. 14,90 Euro.

ISBN 3-7855-4634-3


von Gunther Barnewald


Eigentlich ist der Loewe Verlag ja für Jugendbücher zuständig, doch vielleicht ist es symptomatisch für die heutige Zeit, dass die großen und guten SF-Romane gar nicht mehr nur bei Heyne oder Bastei Lübbe erscheinen, die vornehmlich eine Serie nach der anderen veröffentlichen, sondern eben in Verlagen, in deren Programm man hervorragende Sciencefiction nicht unbedingt erwarten würde.
Wie schon bei Kai Meyers toller Fantasy-Trilogie um die kleine Merle und ihre Abenteuer so erweist sich auch Nancy Farmers Das Skorpionenhaus als tolles Buch, welches durchaus eine Nominierung für den besten ausländischen SF-Roman beim Kurd-Lasswitz-Preis verdient hätte.
Keine geringere als Ursula K. LeGuin schreibt über dieses Buch: “Ein utopischer Roman, der von wahren und starken Charakteren lebt”.
Damit hat die amerikanische Autorin völlig recht, denn der Protagonist und auch die Figuren um ihn herum werden von der Autorin glänzend ausgearbeitet und heben das Buch deutlich über die meisten gängigen SF-Schmöker hinaus.
Zur Geschichte: Der kleine Matt wächst bei der Köchin Celia auf. Hier lebt er abgeschottet von der Umwelt und sieht veraltete Fernsehprogramme. Als Matt sechs Jahre alt ist, dringen andere Kinder in sein abgelegenes Reich ein und Matt wird ins Haus der mächtigen Familie Alacrán gebracht, wo er nach und nach die Wahrheit erfährt.
Denn Matt ist ein Klon des mächtigen Familienpatriarchen Matteo Alacrán. Dieser ist über 140 Jahre alt und nur durch ständigen Nachschub an organischen Ersatzteilen kann er am Leben erhalten werden.
Normalerweise werden die Gehirne von Klonen gleich nach der Geburt zerstört, damit sich mit den “Ersatzteillagern” keine Probleme ergeben. Matteo Alacrán ist jedoch so mächtig, dass er diesen Eingriff verhindert hat, will er doch seinem Klon eine “glückliche” Jugend schenken.
Deshalb wächst Matt relativ normal heran, anfänglich gehütet von der Köchin Celia und dem aus Schottland stammenden Leibwächter Tam-Lin, die er bald als Vater und Mutter ansieht. Da der alte Patrón Matteo für seinen Klon das Beste will, genießt er Vorzugsbehandlung im reichen Haus der Alacráns.
Denn diese sind Drogenbarone, die ihr Land zwischen Mexiko und den USA haben. Mit den USA haben sie und andere Drogenpflanzer einen perfiden Deal abgeschlossen, denn einerseits haben sie sich verpflichtet, keine Drogen in die Vereinigten Staaten zu liefern und versorgen so nur Europa und Asien, andererseits fangen sie alle mexikanischen und mittelamerikanischen Emigranten ab, die in die USA fliehen wollen.
Diese werden vermittels eines Gehirnimplantats quasi zu willenlosen und gehorsamen Robotern umfunktioniert, die brav ihre Sklavenarbeit erledigen.
All dies erfährt Matt erst nach und nach. Als er 14 Jahre alt ist, kollabiert das Herz von Matteo Alacrán und viel zu spät merkt der Junge, dass es sein Herz ist, auf welches der Patriarch scharf ist, kann ihm doch nur dieses sein überlanges Leben nochmals verlängern. Matt steht plötzlich an der Schwelle des Todes und nur ein Trick von Celia, die den Jungen liebt wie ihr eigenes Kind, kann vielleicht Matts Schicksal noch verhindern....
Nancy Farmers Buch, im Thema Michael Marshall Smiths Roman Geklont ähnlich, ist nicht nur spannend, sondern auch über alle Maßen fesselnd und bewegend. Die hier gezeigte Zukunft wirkt authentisch und wird überzeugend dargestellt.
Auch wenn die Geschichte zwischenzeitlich ihre Längen hat, packt sie den Rezipienten immer wieder aufs Neue. Dafür sorgen vor allem die erstklassig ausgearbeiteten Charaktere, die eine Identifikation des Lesers mit ihnen erleichtern.
Die hier geschilderte Umwelt mit ihren Mohnfeldern und dem gewaltigen Anwesen der Familie Alacrán, die selbst oft wie Opfer ihrer Gier und ihrer kriminellen Geschäfte wirken und alles andere als glücklich sind, entsteht plastisch vor den Augen des Lesers.
Eine weitere Stärke des Buchs ist die fast an Kriminalromane erinnernde Technik, Matt Stück für Stück das Geheimnis seiner Existenz, aber auch die äußere Umwelt der nahen Zukunft und deren politische Gegebenheiten erfahren zu lassen, die sich deutlich von unserer heutigen Welt unterscheidet.
Dies alles erhöht die Spannung und summa summarum ist Das Skorpionenhaus sicherlich einer der besten SF-Romane des Jahres 2003 in Deutschland.

hinzugefügt: September 2nd 2004
Tester: Gunter Barnewald
Punkte:
Hits: 3890
Sprache: albanian