Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Strahan, Jonathan (Hrsg.): The Best Science Fiction and Fantasy of the Year, Volume Three (Buch)

Jonathan Strahan (Hrsg.)
The Best Science Fiction and Fantasy of the Year, Volume Three
Night Shade Books, 2009, Paperback, 513 Seiten, ca. 14,95 EUR, ISBN 978-159780149-2

Von Oliver Naujoks

Als regelmäßiger Leser im dritten Jahr freut man sich, dass diese Jahresanthologie von Jonathan Strahan inzwischen ihren Platz auf dem Markt gefunden hat. Vielleicht auch aus diesem Grund musste eine sehr renommierte Fantasy- & Horror-Anthologie von Ellen Datlow (Horror), Kelly Link & Gavin J. Grant (Fantasy) letztes Jahr aufgeben, Ellen Datlow hat zumindest ihren Horror-Anteil retten können, der jetzt als Parallel-Band zu dieser Strahan-Anthologie dieses Jahr erstmals erscheint.
Strahan ist ein sehr lesenswerter Herausgeber, weil er ein sicheres Gespür nicht nur für Qualität, sondern auch für repräsentative Abwechslung hat, so dass man nach Lektüre seiner Anthologie jedes Mal das gute Gefühl hat, tatsächlich eine gekonnt getroffene Auswahl zu lesen.

Das gilt selbst dann, wenn man wie der Verfasser dieser Zeilen diese Anthologie im Wesentlichen wegen des SF-Anteils liest, da dem Rezensenten häufig ins märchenhafte ausschlagende Fantasy-Kurzgeschichten nicht so liegen und so Engel, Feen und Halbgötter Mühe machen, gewisse Geschichten zu beenden. Auch wenn man erst seit ein paar Jahren diesen Jahres-Anthologien wieder folgt, kann man inzwischen aufgrund der häufig wiederkehrenden Namen (Qualität setzt sich eben durch) inzwischen mitunter vorausahnen, was einen bei einem bestimmten Namen erwartet und bei vielen Autoren stellen sich schon aufgrund des Namens entweder Vorfreude ein oder aber auch die Aussicht, die Geschichte mit spitzen Fingern lesen zu müssen.

Letzteres gilt, wie eben schon angedeutet, insbesondere für den Fantasy-Part dieses Bandes.
So ist Peter S. Beagles „Uncle Chaim and Aunt Rifke and the Angel“ über einen Engel, der einem Künstler als Muse erscheint, nett geschrieben, aber auch nicht viel mehr. Das gilt ebenfalls für Autorinnen und Autoren, die Übliches abliefern wie Holly Black und Kelly Link, man ärgert sich über blöde Ideen wie eine Heirat, bei welcher Gott Helios seine Braut in Brand setzt, so dass „Marry The Sun“ von Rachel Swirsky eine nette Eröffnungszeile hat, aber auch nicht mehr, und richtig überzeugen als Fantasy-Geschichte konnte eigentlich nur „26 Monkeys, Also the Abyss“ von Kij Johnson über einen Zaubertrick mit 26 Affen, die auf der Bühne in eine Badewanne klettern und dort verschwinden. Diese Geschichte evoziert gekonnt eine Welt, die hinter unserer liegt und ist sehr gut geschrieben. Viele der Fantasy-Geschichten bedürfen aber nicht mal der Erwähnung, allzu viel Durchschnitt wird da geboten.

Gehen wir im nächsten, diesem Absatz, nun weg von bestimmten Genres und wenden uns kurz einigen Enttäuschungen zu, damit wir uns nachher noch steigern können. Die viel gelobte Eröffnungsgeschichte „Exhalation“ von Ted Chiang, einem unumstrittenen Star der SF-Kurgeschichten-Szene, war mühsam zu lesen und konnte nicht überzeugen, auch der bekannteste Autor des Bandes, Stephen King, enttäuschte bei „The New York Times at Special Bargain Rates“ mit einer Idee auf Schülerzeitungs-Amateurniveau. Hannu Rajaniemi bewies in „His Master's Voice“ trotz des schönen Titels, dass vollkommen abgedrehte Post-Singularity-Geschichten trotz ihres Ideen-Überflusses ihren Zenit auch schon überschritten haben und nerven können. Kein Wunder, dass selbst Charles Stross davon inzwischen weniger schreibt.

Kommen wir nun zu Geschichten, die zumindest erwähnt werden sollen: „Fixing Hannover“ von Jeff VanderMeer bietet eine üblich abgedrehte, herrliche Geschichte von diesem Autor (zu viel soll hier nicht verraten werden). Eine interessante, aber auch inzwischen etwas überschätzte Verschränkung von Rassismus, Historie, dem Dritten Reich und Lovecrafts Monstren bietet „Shoggoths in Bloom“ von Elizabeth Bear, die sich etwas zu viel darauf einbildet, dass der die Lovecraft-Monstren untersuchende Wissenschaftler schlicht eine schwarze Hautfarbe hat; das alleine ist eigentlich noch nicht tragfähig, wird aber so verkauft. In „Turing's Apples“ von Stephen Baxter erzählt dieser Autor mit einem der größten Faszinationsvermögen der Zunft eine wunderbare SF-Geschichte um den Empfang eines komplizierten, schwierig zu entschlüsselnden Signals von Aliens, vermischt mit einem Bruderkonflikt. Baxter schreibt SF so, wie sie sein muss; auch wenn diese Geschichte wohl nicht zu seinen besten gehört, weil das Ende etwas mäßig ausgefallen ist, ist sie sehr gut zu lesen. Die vielbeachtete „Five Thrillers“ von Robert Reed erzählt tatsächlich genau das, wobei diese Mini-SF-Thrillervignetten raffiniert verschränkt werden und durch rasantes Tempo und Kaltschnäuzigkeit eine lesenswerte Achterbahnfahrt darstellen. „Special Economics“ von Maureen F. McHugh würde auch ohne ihre dezenten SF-Elemente als hervorragend geschriebene Zustandsbeschreibung asiatischer Wirtschaftskultur funktionieren, die Autorin muss man sich mal merken.

Damit sind wir nun bei den sechs Höhepunkten dieses Bandes angekommen, die wir in aufsteigender Reihenfolge gebührend loben und feiern wollen.

Liest man eine gewisse Menge an solchen Anthologien, sorgen gewisse Autoren einfach schon vom Namen her für Vorfreude. Dazu gehört definitiv M. Rickert, von welcher man häufig in Autorenbeschreibungen nicht den Vornamen erfährt und daraus von ihr nur weiß, dass sie eine schwere Kindheit hatte. Bei M. Rickerts Geschichtern weiß man immer vorher schon drei Dinge: Sie erzählen 1. grauenhafte Dinge so 2. nüchtern und beiläufig, dass einem die Haare zu Berge stehen, und sie sind in der Regel ohne Abstriche 3. großrtig. Dies gilt auch für „Evidence of Love in a Case of Abandonment“, in welcher in einer zukünftigen USA das Homeland Security-Ministerium hauptsächlich dafüt verantwortlich ist, Mütter, die abgetrieben haben, zu exekutieren. Deshalb gibt es inzwischen unzählige Kinder, die deswegen als Halbwaise aufwachsen, da aufgrund der schieren Anzahl der Fälle in jeder größeren Stadt in Serie exekutiert wird. Von einem dieser Kinder erzählt diese Geschichte. Wie gesagt, auch diese Geschichte lässt einem die Haare zu Berge stehen, und sie ist großrtig.

Inzwischen tritt fast etwas Gewöhnung ein in die Indien-Geschichten von Ian McDonald, wie er aber auch diesmal wieder in „The Dust Assassin“ dynastische Fehden in einem zukünftigen Indien beschreibt, ist in seiner Verschränkung traditioneller und futuristischer Elemente und stilistisch, wie üblich bei diesem Autor, meisterlich, der einmal mehr seinen Status als einer der Genre-Großmeister im Moment festigt.
Noch auf dem Weg zu so einem Großmeistertitel ist der Kurzgeschichten-Shooting-Star Paolo Bacigalupi. Seine für seine Verhältnisse fast harmlose Beschreibung zukünftiger Nachrichtenagenturen in „The Gambler“ ist in ihrer klarsichtigen, elektrisierenden, flirrenden Hektik einmal mehr glanzvoll.

Zwei eigentlich nicht zusammen gehörende Dinge zu verschränken ist per se noch nichts besonderes und nach „Pride and Prejudice and Zombies“ könnte man es fast schon als öden Nachfolger bezeichnen, wenn John Kessel in „Pride and Prometheus“ Jane Austens „Pride and Prejudice“ und Mary Shelleys „Frankenstein“ miteinander verbindet. Was diese Geschichte zu nicht weniger als einem kleinen Meisterwerk macht, ist die organische Natürlichkeit, mit welcher beide Romane (die tatsächlich in sehr kurzem zeitlichen Abstand damals erschienen) in diesem Text zusammen geführt werden, Kessels Geschichte liest sich tats#hlich exakt so, als hätten die beiden Damen Austen und Shelley zusammen gesessen und diese Geschichte hier erdacht. Die Gerechtigkeit, die beiden Stoffen widerfährt, die tatsächlich nebeneinander und zusammen in dieser Geschichte absolut natürlich atmen, macht Kessels Story meisterlich.

Die zweitbeste Geschichte von Strahans Jahresanthologie dieses Jahr trägt den sicherlich schönsten Titel: „From Babel's Fall'n Glory We Fled“, und stammt von Michael Swanwick. Erzählt wird vom nebeneinander von Menschen und einer insektoiden Alien-Kultur, die auf Vertrauen aufgebaut ist, auf dem Mond Europa. Wer Swanwick kennt, fragt jetzt: Das soll schon alles gewesen sein? Natürlich nicht: So ist Erzähler der Geschichte der Raumanzug(!!) des Helden, und Swanwick versucht sich erfolgreich an der Wiedergabe einer völlig fremden Alien-Sprache durch logische Gleichungen(!!). Nebenbei erzählt er schlankerhand eine komplette Space Opera packend und berührend auf wenigen Seiten. Swanwick beschämt einen Großteil seiner Kollegen, weil er in wenigen Seiten mehr Ideen hat, als andere in ihrem ganzen Leben, und wofür andere Autoren mehrere Trilogien bräuchten, das erzählt er in nicht mal 20 Seiten, ohne dass es an Wirkung verliert! Glory? Swanwicks Geschichte ist mal wieder glorreich.

Wenn ein ausgewiesener, naturwissenschaftlich unbeleckter Hard-SF-Muffel im Allgemeinen und schwer mit Greg Egans Werk im Besonderen fremdelnder Rezensent eine Egan-Geschichte als Höhepunkt einer Jahresanthologie erklärt, dann muss das wirklich etwas heißen. Greg Egans „Crystal Nights“ ist der Höhepunkt dieses Bandes und erzählt von dem Versuch, künstliche Intelligenz durch Evolution über unsere menschliche Intelligenz hinauswachsen zu lassen. Erzählt wird von einer Simulation eines (Krabben-)Volkes in einem Computer, das halt nicht vom Einzeller zur Hochzivilisation durch Abkürzungen und Cheats hochgezüchtet (hochgezüchtet übersetzen jüngere Leser mit aufgelevelt) werden, sondern durch dezente Vorgabe von Umständen und Variablen (und natürlich einem Zeit-Beschleuniger) auf alles selbst kommen soll - bis sie uns Menschen übertreffen. Was irgendwann dann mit unabsehbaren Folgen passiert. Die Faszinationskraft dieser raffinierten, sagenhaft interessanten und auch berührenden Geschichte ist eine weitere wichtige Antwort darauf, warum man SF lesen sollte, ja muss. Das Lesevergnügen, das solch meisterhafte SF bereitet, ist kaum in Gold aufzuwiegen und bringt ganz bestimmte Saiten wundervoll zum Schwingen, das hat fast was Transzendentales.

Bei dem Preis und der Ausbeute dieses Strahan-Bandes kann auch diesmal wieder das Fazit nur lauten: 1. Kaufen, 2. Auf den nächsten Band freuen.

Wie letztes Jahr soll auch diesmal statt einer Gesamtnote die Top 5 der Geschichten noch einmal rekapituliert werden, und da wir uns nicht entscheiden konnten, erweitern wir das Feld dieses Jahr auf sechs Highlights der 28 Geschichten insgesamt:

1. „Crystal Nights“ von Greg Egan
2. „From Babel's Fall'n Glory We Fled“ von Michael Swanwick
3. „Pride and Prometheus“ von John Kessel
4. „The Gambler“ von Paolo Bacigalupi
5. „The Dust Assassin“ von Ian McDonald
6. „Evidence of Love in a Case of Abandonment“ von M. Rickert

hinzugefügt: October 18th 2009
Tester: Oliver Naujoks
Punkte:
zugehöriger Link: Night Shade Books
Hits: 2317
Sprache: catala

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]