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Träume 1: Coraline (Comic)

Träume 1
Coraline
Denis-Pierre Filippi (Text)
Terry Dodson (Zeichnungen und Farben)
Rebecca Rendon (Farben)
Aus dem Französischen von Tanja Krämling
Titelgestaltung von Dirk Schulz
(Songes: Coraline, 2006)
Splitter, 2007, Hardcover, 56 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-939823-43-8

Von Irene Salzmann

Die junge Coraline Doucet wird für den jungen Monsieur Vernère als Gouvernante engagiert. Als sie das riesige Anwesen betritt, öffnet sich für sie eine eigentümliche, bizarre Welt voller mysteriöser Maschinen – und ihr Besitzer ist noch sehr viel skurriler.
Sogleich tappt Coraline in das erste Fettnäpfchen, als sie Monsieur Vernère wie ein Kind behandelt, das er zwar ist, doch er ist zugleich ihr Arbeitgeber, der Erfinder all der wunderlichen Dinge, die das Schloss und die Parkalage anfüllen, und er ist altklug, arrogant, herrisch, launisch und so ganz anders als Jungen seines Alters. Spaß und Spiel interessieren ihn nicht; für ihn gibt es nur die Wissenschaften.
Obgleich Coraline ahnt, dass sie keine leichte Aufgabe haben wird, will sie ihr Bestes geben. Aber wird das genug sein? Ohne dass sie es merkt, vermischen sich Realität und Traum: In ihrem Kleiderschrank leben nachts zwei Schneider und kleiden sie passend für die Abenteuer ein, die sie hinter einer Fahrstuhltür erwarten. Mal sind es wilde Piraten, mal Eingeborene, die über Coraline herfallen. Zwar taucht stets ein edler Retter auf, aber in dem Moment, als er sich ihren ‚Dank’ holen möchte, verpasst sie ihm eine Ohrfeige – und wacht auf. Die beiden schrulligen Bediensteten scheinen anschließend immer recht enttäuscht zu sein…


Terry Dodsons Karriere begann mit der Comic-Serie „Mantra“ bei Malibu. Der Verlag wurde in den 1990er Jahren von Marvel geschluckt, die Serien wurden nach einem Relaunch eingestellt. Anschließend arbeitete der Künstler für Marvel (u. a. „Generation X“, „Marvel Knights: Spider-Man“, „Uncanny X-Men“), DC (z. B. „Teen Titans“, „Harley Quinn“, „Wonder Woman“) und Dark Horse („Star Wars“, „Ghost“). Gemeinsam mit Denis-Pierre Filippi („Das Buch von Jack“, „Die Nebelmänner“ etc.) schuf er in der Tradition francobelgischer Comic-Künstler „Träume“, eine jugendstilartig anmutende Serie, von der mit „Coraline“ der erste Band vorliegt.
Erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, die als Gesellschafterin den ungewöhnlichen jungen Herrn eines Schlosses unterhalten soll. Das Anwesen, auf dem es viele merkwürdige Maschinen gibt, die der intelligente, aber launenhafte Junge erfunden hat, wirkt genauso seltsam wie seine undurchschaubaren Bewohner: Der Butler beobachtet und filmt Coraline heimlich, und die Haushälterin scheint einfach alles zu wissen. Es gibt bestimmte Regeln, an die sich alle halten müssen, und trotz ihrer Bemühungen verstimmt Coraline Monsieur Vernère immer wieder oder erleidet ein Missgeschick.

Als Leser wundert man sich, was in dieser abgeschiedenen Welt gespielt wird, und als die sehr realistischen Träume beginnen, wird das Rätsel umso größer. Weder kennt man den Hintergrund der Protagonisten, denn nur Coraline ist sehr redselig, noch gibt es einen Hinweis darauf, was die anderen wirklich von ihr erwarten. Zweifellos hängt alles mit ihrem Verhalten in der abenteuerlich-erotischen Traumwelt zusammen, denn die Geschehnisse folgen stets demselben Muster und enden an der gleichen Stelle. Vage Andeutungen lassen ahnen, dass alles sehr viel mehr als nur ein Traum ist.

Man fühlt sich ein wenig an Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ oder Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ erinnert. Zudem finden sich Anspielungen auf den Untergang der Titanic, Edgar Rice Burroughs „Tarzan“, Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ u. v. m. Das täuscht zusammen mit all den Geheimnissen darüber hinweg, dass eigentlich nicht viel passiert bzw. scheinbar Alltägliches nach einem bestimmten Schema abläuft. Gern hätte man mehr erfahren, doch muss man sich gedulden, bis der nächste Band erscheint.
Trotzdem wird man keineswegs enttäuscht, denn die Handlung zieht einen genauso in den Bann wie die Titelfigur. Hinzu kommen die leichten, realistisch-idealistischen Illustrationen von Terry Dodson, die wunderbar koloriert sind, insbesondere das Spiel von Licht und Schatten berücksichtigen, als hätten die Maler des Naturalismus hierbei Pate gestanden. Der Stil passt ideal zum Setting/Genre – viktorianisches Zeitalter/Steampunk – und ist ein wahrer Augenschmaus.

Vor allem männliche Leser dürfen sich freuen, da Coraline nicht nur raffinierte Kleider und transparente Dessous trägt, sondern die Ereignisse darauf abzielen, dass sie regelmäßig die Hüllen fallen lässt. Das wird durchaus geschickt inszeniert und bringt eine dicke Portion Erotik mit. Französische Verlage gestatten dem Künstler weiterzugehen, als es in den gängigen Superhelden-Comics bislang erlaubt ist (von Ausnahme-Verlagen wie Avatar Press, die mit Titeln wie „Web Witch“ oder „Pandora“ gezielt ein erwachsenes, vor allem männliches Publikum ansprechen, einmal abgesehen).

„Träume“ ist, wie der Titel verspricht, eine wunderbar traumhaft erzählte und vor allem illustrierte, mysteriöse Comic-Geschichte. Man kann nur hoffen, dass die Fortsetzung nicht ewig auf sich warten lässt, sie auf die vielen offenen Fragen wenigstens ein paar Antworten geben und wieder mit so hübschen Bildern von Personen, Landschaften, Gebäuden und seltsamen Maschinen aufwarten wird.
Für Fans apart gezeichneter Alben ist der Titel ein Muss!

hinzugefügt: August 22nd 2009
Tester: Irene Salzmann
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