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Carey, Jacqueline: Das Zeichen - Kushiel 1 (Buch)

Jacqueline Carey
Das Zeichen
Kushiel 1
(Kushiels Dart)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Ann Lecker
Titelillustration von John Jude Palencar
Heyne, 2009, Taschenbuch, 954 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-453-52256-5

Von Carsten Kuhr

Dieser Roman ist ein wenig, nein gewaltig anders, als die gängige tolkienesque Fantasy-Kost, die uns zumeist von den Verlagen angeboten wird.

Wir befinden uns in Europa, einem Europa aber, das sich so ganz anders präsentiert, als unsere Geschichtslehrer uns dies vermittelt haben. In der mittelalterlichen Welt von Terre D'Angle verehren die Menschen nach wie vor den dort aufgetauchten menschgewordenen Messias und seine Jünger. Auf Jesus folgten noch weitere Engel, die sich mit den Menschen vermischten und eine vielschichtige Religion schufen. Mittlerweile existieren 13 Häuser, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Götter mit ihren freiwilligen Liebesdiensten zu ehren.
Phèdre, unsere Erzählerin, wird mit einem scheinbaren Makel geboren. In ihrem Auge findet sich ein roter Sprengsel - ein Zeichen, dass die Götter sie als masochistische Liebes-Dienerin gezeichnet haben die im Schmerz die höchste Erfüllung findet. Phèdre wächst zunächst in einem der großen Häuser auf, in dem sie die Erziehung zur gesellschaftlich hoch angesehenen Kurtisane durchläuft.
Delaunay, ein mysteriöser Edelmann, nimmt sie in seinen Haushalt auf, und bildet sie zur Spionin aus. Wer könnte ihren hormongeplagten Peinigern besser deren bestgehütesten Geheimnisse entlocken, als die bezaubernde junge Frau?
Doch dann fällt ihr Freund und Gönner einem Mordkomplott zum Opfer. Zusammen mit ihrem Leibwächter, einem Mönch, wird Phèdre in die Sklaverei verkauft. In den eisigen Nordlanden müssen unsere zwei so ungleichen Helden nicht nur überleben, es gilt die drohenden Pläne der Invasion ihrer Heimat durch die Barbaren und den Verrat auf höchster Ebene aufzudecken. Eine Flucht scheint unmöglich und doch unabdingbar - sonst droht der Untergang ihrer Heimat ....


Langsam, fast zögerlich, offenbart sich im Verlauf des Bandes eine gigantische Intrige. Während zunächst sehr ausführliche, ja langatmige und damit auf mich langweilig wirkende Beschreibungen von barocken Kleidern und Einrichtungsgegenständen breiten Raum einnahmen, nimmt das Tempo im Verlauf des Romans deutlich zu. Dabei wirkt der Text in den mannigfaltigen Szenen sexueller Ausschweifungen nie pornographisch.
Nicht etwa gewalttätige Auseinandersetzungen und gefährliche Abenteuer stehen im Mittelpunkt der Erzählung, sondern ein Thriller-ähnliches Geheimnis, das sich quälend langsam vor unseren Augen offenbart. Menschen kommen um, doch deren Tod und die Art und Weise ihres unnatürlichen Ablebens steht nie im Mittelpunkt des Geschehens, wir konzentrieren uns mehr auf das »Warum und Wer« und die direkten und langfristigen Folgen des Verbrechens.

Jaqueline Carey hat in den USA mit ihren Romanen für Aufregung gesorgt. Eine Protagonistin, die ihre Erfüllung in sadomasochistischen Praktiken findet, das ist neu, noch nie dagewesen. Terry Goodkinds »Schwert der Wahrheit« hat einige wenige entsprechende Ansätze, aber in dieser Konsequenz hat dies noch niemand beschrieben. Und, was wichtiger ist, wir nehmen der Autorin ihre Beschreibungen ab. Nicht, dass Carey uns nun alle in s/m-Anhänger verwandeln will - aber die Darstellung der Persönlichkeit ihrer Hauptperson ist, inklusive ihrer eigenen Neigung, überzeugend und stimmig.
Obwohl ich persönlich aus eigenem Empfinden die schmerzvolle Art der Liebe und Unterwerfung nicht nachvollziehen kann und will, ist mir die beschriebene Person wahrlich nicht unsympathisch. Carey schildert uns eine glaubwürdige Entwicklung vom jungen Mädchen hin zu einer erwachsenen, vom Schicksal geprüften und an den Fährnissen gereiften Frau, die ihre Grenzen kennt. Sie ist eben nicht die glänzende Siegerin, der alle Triumphe zufliegen, zu viel Leid - fremdes wie eigenes - pflastern ihren dornigen Weg.
Mühelos schlüpft man als Leser in ihre Rolle, taucht ein in eine faszinierende Welt die so ähnlich und doch in den Details so anders ist, als unsere Vergangenheit.
Gleichzeitig offeriert uns die Autorin aber auch weitere Gestalten, die uns zu faszinieren wissen. Der selbsternannte König eines zigeunerähnlichen Volkes, die wilden, stolzen, ihre Ehre über Alles stellenden Nordmänner, ihren Gönner Delaunay, dessen homoerotischen Neigungen sich langsam offenbaren, und nicht zuletzt den Klosterbruder, der zu ihrem Schutz abgeordnet wurde. Dessen Sündenfall ist absehbar und in den Details doch wieder überraschend - Carey gelingt es hier, starke Personen zu kreieren, die ein wenig anders sind, als die sonst verwandten Archetypen, etwas, das modernen Autoren viel zu selten gelingt.

Hätte John le Carré einen Fantasy-Roman geschrieben, dann könnte er, mit Abstrichen was die ausführliche Schilderung von Bekleidungsstücken anbelangt, so aussehen.
Und das Beste ist, dass die beiden die erste Trilogie abschließenden Romane noch folgen werden!

hinzugefügt: March 8th 2009
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Heyne
Hits: 2623
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