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Langer, Siegfried: Alles bleibt anders (Buch)

Siegfried Langer
Alles bleibt anders
Titelillustration von Timo Kümmel
Atlantis, 2008, Paperback, 240 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-936742-95-4

Von Carsten Kuhr

Was wäre wenn – eine Frage, die sich so mancher von uns, aber auch Autoren gerne stellen. Was wäre zum Beispiel, wenn die Invasion der Alliierten in der Normandie gescheitert wäre, wenn der Endsieg nicht nur eine Spinnerei verrückter NSDAP-Größen gewesen wäre, sondern Realität?


Wie sähe unsere Welt dann aus – ein Deutsches Reich vereint unter der Hakenkreuz-Fahne zwischen dem Ural und Gibraltar, von Deutsch-Ägypten bis nach Grönland. Ein Reich, in dem ausschließlich Deutsch gesprochen und gedacht wird, in dem die slawischen Völker aufgrund geheimer Bestrahlung mit Röntgenstrahlen bei dem vorgeschriebenen Behördengang aussterben, in dem Germania, die Reichshauptstadt, nach Entwürfen von Speer und Hitler selbst erbaut wurde. Der erste Mann auf dem Mond, Karl-Herbert Ernsting, natürlich ein Germane.
Die SS und die Gestapo sorgen dafür, dass auch ja kein arischer Gefolgsmann aus der Reihe tanzt, der selten aufflackernde Widerstand wird brutal und menschenverachtend niedergeschlagen. Kein Wunder, dass sich die Rekruten der Ostfront nach ihrem vierjährigen Einsatz für Führer und Vaterland ihren Studienplatz aussuchen können – ein Bonbon, das über die Grauen der Besatzung, über Unmenschlichkeit ihrer Vorgesetzten und die erlittenen Traumata hinwegtäuschen sollen.
Frank Miller, unser Erzähler, ist ein solcher Rekrut. Eigentlich wolle er Medizin studieren, doch als Sanitätsgefreiter hat er solche Gräuel miterlebt, dass er doch lieber in den vermeintlich sicheren Gefilden der Physik Aufnahme sucht. In Oxford schreibt der gebürtige Germanianer sich ein und trifft auf eine Widerstandsgruppe, der er sich anschließt. Das Ziel ist klar, mittels einer Zeitmaschine die Vergangenheit zu ändern, um den Endsieg der Nazis, so wie ihn die Welt kennt, zu verhindern. Doch was wird aus der Welt werden, wenn die Invasion der Alliierten tatsächlich um einen Tag verschoben wird, und kann man das braune Gedankengut wirklich so einfach auslöschen?


Siegfried Langers Debütroman bedient sich eines beliebten Themas der SF. Alternativwelt-Romane gehören seit jeher zu den interessantesten und, so sie denn in sich überzeugend aufgebaut sind, faszinierendsten Romanen des Genres.

Dabei nutzt Langer eine ungewöhnliche Herangehensweise, um uns seine Geschichte zu erzählen. Er beginnt nicht etwa im Großen Reich der NSDAP, sondern in einem Deutschland, das eher an die Wilhelminische Ära erinnert. Motorisierte Gefährte gibt es auch 2008 kaum, Straßenbahnen, Pferdekutschen und Züge befördern die Menschen. Hier kommt ein junger Mann auf den Bahngleisen zu sich, der zunächst nicht weiß wer er ist oder wie er hierher kommt. Nach und nach erschließt sich ihm seine Vergangenheit, und über diesen Umweg gelangen wir dann in die eigentliche Welt aus der er stammt. Geschickt baut der Autor hier durch Andeutungen und Nachfragen seines Protagonisten das Bild seiner Welt auf, schildert uns in Alltagsszenen das Leben in einer vermeintlich heilen Welt ohne großen Stress oder Hektik. Alles wirkt zunächst beschaulich, zurückhaltend, nicht so grell und hektisch, so plakativ und oberflächlich, wie unsere moderne Zeit. Dass auch hier nicht alles Gold ist, was glänzt, die Kehrseite der Medaille, wird angedeutet, bevor Langer sich dem Reich der Führer nach Hitler zuwendet. Erneut berichtet er uns aus Sicht des kleinen Mannes von den Repressalien, den Bespitzelungen und der Gewalt, mit der die Gestapo und SS den Machtanspruch der Partei sichern. Ohne den erhobenen Zeigefinger, rein durch eine fast nüchtern, ja teilweise unterkühlt zu nennende Berichterstattung lernen wir den Unterdrückungsstaat kennen und fürchten. Das wirkt gerade wegen seiner Alltäglichkeit verstörend und beklemmend, beängstigend real.

Atmosphärisch dicht, stilistisch flüssig, auch wenn mich die teilweise abrupten Szenewechsel doch ein wenig gestört haben, zeigt Siegfried Langer, dass man nicht immer lauten Kanonendonner braucht, um warnend seine Leser zu mahnen, ob der Gefahr die unauffällig schlummert und sich immer einmal wieder regt – die Gefahr der Intoleranz, der Indoktrination und des Radikalismus, die unabhängig welche Ideologie sich dahinter versteckt die Menschen in den Untergang reißt.

hinzugefügt: December 30th 2008
Tester: Carsten Kuhr
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