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Wallner, Michael: Die Zeit des Skorpions (Buch)

Michael Wallner
Die Zeit des Skorpions
cbj, 2008, Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-570-16001-5

Von Irene Salzmann

In der nahen Zukunft ist die Erde nicht mehr so, wie man sie kennt: Das Ansteigen der durchschnittlichen Temperaturen ließ die Polkappen schmelzen und weite Landstriche in den Fluten der Ozeane versinken. Wo früher blühende Felder standen, breitet sich unaufhaltsam die Wüste aus. Ehemals unwirtliche Regionen sind die letzten Kornkammern der Überlebenden. Korruption, Machtstreben und Ausbeutung haben alle Gesetze abgelöst.
In einer solchen Welt wächst die 14-jährige Tonia auf. Nachdem ihr Vater starb, ist ihre Mutter gezwungen, eine Beziehung mit einem einflussreichen Mann einzugehen, um das eigene Überleben und das der Zwillinge zu sichern. Da es für Tonia keinen Platz mehr gibt, verkleidet sie sich als Junge, hoffend, dass sie ein Schüler der Tuareg wird, denn die erfahrenen Wüstenritter wollen ihr Wissen teilen - aber nicht mit Mädchen und Frauen.
Tonia bekommt ihre Chance, denn sie kann ein Attentat auf Dula verhindern. Allerdings wird sie dadurch genauso wie die Tuareg und alle ihre Helfer zu einer Gejagten der Trachtler, die nicht nur Rache sondern das Geheimnis ergründen wollen, das dem verdorrenden Europa die Rettung bringen könnte. Aber sie sind nicht die Einzigen, die eigensüchtige Ziele verfolgen: Eine bis an die Zähne bewaffnete Armee aus dem Norden hat sich in Bewegung gesetzt.
Natürlich kann Tonia nicht auf Dauer verbergen, dass sie ein Mädchen ist. Als Dula die Wahrheit entdeckt, treibt dies keinen Keil zwischen die beiden, im Gegenteil. Aber hat ihre Liebe eine Zukunft in dieser gefährlichen Welt? Dula befindet sich auf einer Mission, und ein Verräter führt die skrupellosen Verfolger auf die Fährte der Tuareg und der mit ihnen verbündeten Kirchenmänner…


„Die Zeit des Skorpions“ ist ein Jugendbuch, das der Endzeit-SF und Fantasy näher steht als dem Thriller, und es ist wirklich nicht nachvollziehbar, warum cbj das Buch diesem Genre zugeordnet hat, nachdem die abenteuerliche Phantastik schon seit einer geraumen Weile als gesellschaftsfein gilt.
Die Handlung spielt in der nahen Zukunft auf einer Erde, deren Gesicht von all dem geprägt ist, was zeitgenössische Umweltschützer in düsteren Visionen ausmalen. Manche Szenarien haben durchaus reale Vorbilder wie z. B. das Vordringen der Wüste Gobi, die immer mehr Ortschaften unter ihrem Sand begräbt, der fortwährende Verlust von Land ans Meer wie in Bangla Desh, die Verschiebung der Klimazonen, die den (eurasischen) Süden heißer und den Norden milder werden lässt. Wie die nicht-euopäischen Kontinente mit dieser Entwicklung fertig werden, ist hier allerdings kein Thema. Die Tuareg werden zwar zu Beinahe-Halbgöttern erhoben, verraten aber trotzdem nichts über die Geschehnisse in ihren Breiten.

Aus den Charakteren hätte man durchaus mehr machen können:
Tonia ist – wie so oft bei männlichen Autoren – ein junges Mädchen, das sein Schicksal selbst in die Hände nehmen muss und sich auf ein Abenteuer einlässt, dem es nicht gewachsen ist. Zum Glück wird sie von jenen beschützt, nach denen sie suchte; deren Kenntnisse und wundersame Fähigkeiten bieten immer wieder eine Lösung für so manche ausweglos erscheinende Situation. Es sind nicht Tonias eigene Aktionen sondern die Sympathien und Pläne derjenigen, die das Sagen haben, die es ihr ermöglichen, immer im Brennpunkt zu bleiben.
Dula und vor allem Muganabe bleiben mysteriöse Charaktere mit speziellen Talenten, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn es keine logische Alternative gibt. Schade, dass man nur sehr wenig über ihren kulturellen Hintergrund erfährt.
Die anderen Figuren erfüllen ihre Rollen, ohne mehr Raum einzunehmen, als unbedingt nötig. Was man über sie wissen muss, wird in einer kurzen Zusammenfassung erklärt oder aus dramaturgischen Gründen nach und nach enthüllt. Aus diesem Grund weist der Roman zwar keine Längen und offenen Fragen auf, sondern strebt geradlinig auf das Finale zu, doch bleiben die Protagonisten schablonenhaft.
Den Guten, die ausgebeutet werden und von einem besseren Leben träumen, stehen die Bösen gegenüber, in deren Hände die letzten Ressourcen gefallen sind. Wissenschaftler, Militärs und Männerbünde (in den Trachtlern erkennt man unschwer die Schützenvereine, die sich zu reaktionären, fanatischen Wehrsportgruppen entwickelt haben) wollen ihre Stellung absichern und keine Veränderungen zulassen. Die katholische Kirche nimmt in dieser degenerierten Gesellschaft eine exponierte Stellung ein. Ihre Repräsentanten sind normale Menschen, die die Furcht kennen und nicht frei sind von persönlichen Ambitionen. Die einen passen sich den Zwängen an, die anderen leisten Widerstand und kämpfen für eine bessere Zukunft.
Frauen zählen wenig in dieser von Männern dominierten Welt. Ihnen wurde der traditionelle Platz im Haus zugewiesen, wie schon in früheren Zeiten. Aus diesem Grund muss Tonias Mutter die Mätresse eines Forschers werden, den sie verabscheut, und Tonia sich als Junge ausgeben, um Akzeptanz zu finden. Die Begründung lautet lapidar, dass Frauen zu schwach sind, um in der Wüste zu überleben und den Schutz der Männer benötigen. Dula formuliert es etwas freundlicher, indem er sagt, dass Frauen etwas Wunderbares sind; sie sollen nicht kämpfen, sondern beschützt werden.
Die keimende Romanze nimmt nur wenig Raum ein, denn „Die Zeit des Scorpions“ ist ein Jugendbuch, in dem die Liaison einer Vierzehnjährigen mit einem jungen Mann nicht über Händchenhalten und zärtliche Küsse hinausgehen darf. Auch auf die Probleme, die sich durch die Verkleidung ergeben (wie kann Tonia in einer baum- und strauchlosen Wüste ihre Toilette erledigen, ohne entlarvt zu werden?), wird nicht näher eingegangen.

Als Leser wird man schnell in die Handlung hinein gezogen. Neugierig begleitet man Tonia auf ihren Reisen durch eine Welt, die sich drastisch verändert hat. Der Autor offeriert eine Mischung aus Abenteuer, Gesellschaftskritik, Romantik und Phantastik, bedient sich dabei jedoch weitgehend bekannter Elemente. Gerade auf die Punkte, die weniger verbraucht und daher besonders interessant sind, wird weniger eingegangen wie z. B. auf die Kultur und Motive der Tuareg und die Entwicklungen in anderen Regionen.
Die Zielgruppe wird sehr gut von „Die Zeit des Skorpions“ unterhalten, und auch das reifere Publikum darf sich an einer kurzweiligen Lektüre erfreuen, wenn es im Hinterkopf behält, dass der Roman für Mädchen und Jungen zwischen 12 und 16 Jahren geschrieben wurde.

hinzugefügt: December 28th 2008
Tester: Irene Salzmann
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