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Rothfuss, Patrick: Der Name des Windes (Buch)

Patrick Rothfuss
Der Name des Windes
(The Name of the Wind)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jochen Schwarzer
Klett-Cotta, 2008, Hardcover, 860 Seiten, 24,90, EUR ISBN 978-3-608-93815-9

Von Irene Salzmann

Kote und sein Schüler Bast betreiben in einem abgelegenen Nest ein kleines Gasthaus. Es wirft nicht viel ab für die beiden, aber dafür kennt hier auch niemand Kotes wahren Namen. Endlich, so glaubt er, kann er alles hinter sich lassen. Doch er irrt: Skraels tauchen auf und verbreiten Angst und Schrecken. Bevor sie noch mehr Opfer fordern können, tötet Kote die gefährlichen Kreaturen. Zufällig verirrt sich ein Mann, den man nur ‚der Chronist’ nennt, an den Ort des Kampfes und wird, nachdem er sich eine Verletzungen zuzog, von Kote ins Gasthaus gebracht.
Als es ihm besser geht, offenbart der Chronist, dass er nach dem Magier, Wissenschaftler, Musiker und Sänger Kvothe gesucht hat und überzeugt ist, ihn gefunden zu haben. Er bittet seinen Gastgeber, die Geschichte seines Lebens zu erzählen, damit der Chronist sie für die Nachwelt niederschreiben kann. Kote ist alles andere als erfreut über diese Wendung der Dinge, aber er erfüllt den Wunsch.
Kote berichtet von dem Jungen Kvothe, der als Sohn fahrender Spielleute geboren wird und schon sehr früh Talent auf vielen Gebieten beweist. Seine unbeschwerte Kindheit endet abrupt, als Fremde das Lager seiner Sippe überfallen und jeden ermorden. Es sind die sagenhaften Chandrian, Wesen mit überlegenen Kräften. Viele glauben, sie wären lediglich eine Erfindung oder, wenn sie tatsächlich einmal gelebt haben, längst tot. Und doch fürchtet jeder ihren Namen und möchte nicht über sie sprechen.
Kvothe überlebt als Einziger und schlägt sich erst in den Wäldern, dann in den Ortschaften durch. Einige Jahre vergehen, bis er seinem Leben ein Ziel gibt. Er bewirbt sich an der Universität für Hohe Magie und wird mit viel Glück als jüngster Schüler aufgenommen. Durch seine rasche Auffassungsgabe macht er sich jedoch nicht nur Freunde unter den Lehrern und anderen Schülern, und mehr als nur einmal droht ihm der Rauswurf.
Für die Liebe hat Kvothe wenig Zeit. Zwar kreuzt die geheimnisvolle Denna immer wieder seinen Pfad, doch ist sie unstet und hütet viele Geheimnisse. So viel Kvothe inzwischen auch gelernt hat, als Liebhaber ist er schüchtern, unbeholfen und weiß nicht, was Frauen von ihm erwarten…


„Der Name des Windes“ ist ein Fantasy-Roman, wie man ihn selten findet. Ob er gefällt oder nicht, ist wirklich Geschmackssache, denn das Buch hat Stärken und Schwächen gleichermaßen.
Der Autor wartet mit einer Rahmenhandlung auf, in welche die eigentliche Geschichte eingebettet ist. Der Wirt Kote erzählt dem Chronist und seinem Schüler Details aus seiner Kindheit und Jugend, von seinen glücklichen Tagen mit seiner Familie, der schlimmen Zeit ab der Mordnacht, der vagen Hoffnung nach der Zulassung an der Universität, den von Denna verursachten Träumen. Es ist die ausführliche Schilderung eines wechselhaften Lebens, in dem Kvothe einmal hoch aufsteigt, dann wieder tief fällt. Nicht selten ist seine eigene Arroganz und Unvorsichtigkeit schuld, wenn er in Schwierigkeiten gerät.

Diese Erinnerungen sind in der Ich-Form und einem sehr persönlichen, weit schweifenden Stil geschrieben. Es ist, als würde der Leser selbst am Tisch in der Schänke sitzen und lauschen. Auf diese Weise wird man gelungen mit einbezogen; doch die Ausführlichkeit, die Kommentare und Reflexionen nehmen auch das Tempo aus der Handlung, die vielen, manchmal nebensächlich erscheinenden Details schaffen Längen. Man fühlt sich hin und her gerissen zwischen der Faszination, welche von der realistischen Darstellung ausgeht, die wie ein Film vor dem inneren Auge abläuft, und dem Wunsch, dass der Autor doch langsam zum Kern seiner Erzählung kommen möge.
Der Kern, das sind die Chandrian. Über sie weiß man nur das, was auch Kvothe bekannt ist. Er beginnt, Nachforschungen anzustellen und stößt auf Sagen und Lieder, die mitunter widersprüchlich sind. Zeitweilig verliert er sein Ziel, diese überlegenen Wesen zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen, aus den Augen, oder eine wichtige Informationsquelle wird ihm genommen. In Folge kommt Kvothe den Gesuchten in diesem Band nicht nahe, und auch das Rätsel um ihre Motive und die brutalen Morde bleibt ungeklärt.

Das gleiche gilt für die Romanze, die zwischen Kvothe und Denna keimt. Sie zieht sich als roter Faden durch das Buch und beeinflusst sein Handeln. Dennoch wirken die beiden mehr wie Kameraden, da die Beziehung ab einem bestimmten Punkt stagniert. Kvothe weiß nicht, wie er mit einer Frau umzugehen hat, und Denna verfolgt eigene Pläne. Darüber, wie viel sie vor ihm verbirgt und ob sie ihm stets die Wahrheit anvertraut, darf man spekulieren.

Die anderen Figuren, die Kvothe durch einige Abschnitte seines Lebens begleiten, geben die üblichen Impulse, um die Handlung voran zu bringen und sie mit kleinen Höhepunkten zu garnieren. Zunächst sind es die Spielleute und Gelehrten, die dem Protagonist in seiner Kindheit vieles beibringen, später die anderen Straßenjungen und Zufallsbegegnungen bzw. der Personenkreis an der Universität. Sie alle stehen ganz in Kvothes Schatten.

Und das ist tatsächlich einmal etwas anderes: Während sonst die Hauptfiguren mit dem Schein der Durchschnittlichkeit ausgestattet werden und ihre besonderen Fähigkeiten erst im Laufe der Quest entwickeln, damit sich die Leser leichter mit ihnen identifizieren kann, stattet der Autor Kvothe reichlich mit Superlativen aus. Von Anfang an gilt er als ungewöhnlich begabt auf vielen Gebieten, und er ist sich dessen auch bewusst. Natürlich überschätzt er sein Können hin und wieder, manchmal bleibt ihm das Glück bei einer Handlung versagt, oder Dritte intervenieren unerwartet – zumindest ist er nicht unfehlbar und erhält sich durch diesen menschlichen Zug die Sympathien.
Der eigentliche Höhepunkt des Bandes ist der Kampf gegen den Drachen, der jedoch nicht annähernd so spannend zu lesen ist wie die Intrigen an der Universität. Die entsprechenden Szenen werden nun durch die Ausführlichkeit zerredet, und der Mangel an Tempo macht sich nachteilig bemerkbar.
Die Rückblende kommt in „Der Name des Windes“ nicht zum Abschluss; man muss auf die Fortsetzung warten, will man erfahren, ob Kvothe seine Studien erfolgreich fortsetzt, ob es ein Wiedersehen mit Denna gibt und ob er die Chandrian aufspüren kann. In der Rahmenhandlung werden die Weichen für eine Schwerpunktverlagerung gestellt, denn die Vergangenheit, die Stück für Stück aufgerollt wird, holt Kote ein, und Bast scheint Einfluss auf die weiteren Entwicklungen nehmen zu wollen.

Man muss sich schon selbst ein Bild von diesem Roman machen: Den einen dürfte er zu zäh, zu ausführlich und handlungsarm sein; den anderen wiederum wird die realistische, filmreife Aufbereitung eines Lebens gefallen, die weniger auf Action setzt als auf eine interessante Figur, um die herum eine dichte, nachvollziehbare Geschichte gewoben wird.
Hat man nach einigen Seiten Zugang zu dem Buch gefunden, dann lässt es einen nicht mehr los. Man möchte wissen, wie es weiter geht und stellt mehr und mehr Fragen, die hier noch nicht beantwortet werden.
Ob „Der Name des Windes“ ganz einfach der beste Fantasyroman der letzten zehn Jahre ist, wie das Zitat auf dem Klappentext behauptet, sei dahin gestellt. Der Autor hat sich sehr viel Arbeit gemacht und ist spürbar in seinem Buch aufgegangen. Auf jeden Fall ist es ein interessanter, lesenswerter Titel, der fesseln kann und beweist, dass es auch ohne Elfen und Orks, die einander blutig bekriegen, oder Amazonen und Priesterinnen, die zum Heimchen am Herd mutieren, kaum dass ein Mann in ihr Leben tritt, geht.
Ein Glossar erläutert die Währungen und den Kalender, eine Karte veranschaulicht die Welt Kvothes. Das Buch ist als stabiles Hardcover mit Schutzumschlag, Titelzug in Foliendruck und Lesebändchen erschienen; das Papier ist dünn, aber fest, der Druck sauber und fehlerfrei. Die Optik rundet den Inhalt gelungen ab.

Fantasy-Freunde, die nach Abwechslung suchen und epische Erzählungen schätzen, sollten diesem Roman eine Chance geben.

hinzugefügt: December 6th 2008
Tester: Irene Salzmann
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