Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Finney, Jack: Zeitspuren (Buch)

Jack Finney
Zeitspuren
(Time and Again, 1970/From Time to Time, 1995)
Deutsche Übersetzung von Karl-Heinz Ebnet, neu durchgesehen und vollständig überarbeitet von Angela Herrmann
Mit einem Vorwort von Wolfgang Jeschke
Heyne, 2008, Taschenbuch, 894 Seiten, 10,95 EUR, ISBN 978-3-453-52431-6

Von Gunther Barnewald

Simon Morley, kurz Si genannt, ist mit seinem Leben eigentlich recht zufrieden, als er eines Tages die Möglichkeit erhält, an einem geheimen Regierungsprojekt mitzuarbeiten.
Man versucht Menschen, die dafür psychisch besonders geeignet erscheinen, in eine Art selbsthypnotische Trance zu versetzen, um ihnen eine Zeitreise zu ermöglichen.
Da Si sich schon immer für die Vergangenheit interessiert hat, ihn auch der Versuchsaufbau reizt, in der er längere Zeit leben soll wie vor knapp 100 Jahren (inklusive historischen Räumlichkeiten, Kleidung, aktueller Tageszeitung von 1882 und ähnlichem), willigt er schließlich ein.
So zieht er ins historische Dakota-Building in New York und tatsächlich findet er sich eines Abends für kurze Zeit im Jahre 1882 wieder. Von da an gelingen ihm immer längere und vor allem dauerhafte Übertritte in die Vergangenheit, sogar seiner Freundin Katherine gelingt es, mit ihm zu gehen.
Im Jahre 1882 wird er Zeuge einer Erpressungsaffäre, was ihn dazu bringt, die Anweisung, wonach er sich keinesfalls in den historischen Ablauf einmischen soll, um kein Zeitparadoxon heraufzubeschwören, zu ignorieren.
Si entscheidet sich zum Handeln, zumal er bald erkennen muss, wer wirklich hinter dem Regierungsprojekt steht und welche Zeitkorrektur geplant ist, die den Ablauf der Geschichte für immer verändern würde. Morley beschließt, dies zu verhindern, sollte ihm dies möglich sein, und zwar endgültig...


Jack Finneys erster Roman um Si Morley ist einer der besten Zeitreiseromane aller Zeiten. Keinem anderen Autoren ist es bisher gelungen, ein dermaßen authentisch wirkendes Bild einer vergangenen Epoche herauf zu beschwören. Finney hat hier nach jahrelanger Recherche ein Werk komponiert, welches an Atmosphäre kaum zu übertreffen ist, die vielen im Buch abgedruckten Bilder, die der Autor nach akribischer Spurensuche aufgestöbert und dem Roman beigegeben hat, runden das Bild eines perfekten Lesevergnügens ab.

Jack Finney, Autor eines der bekanntesten SF-Romane überhaupt (gemeint ist „Invasion of the Body Snatchers“, welcher inzwischen sage und schreibe viermal verfilmt worden ist), ist mit dem ersten der beiden hier abgedruckten Werke sein absolutes Meisterstück gelungen.
Zwar ist auch die ebenso aufwendig recherchierte Fortsetzung sehr gelungen, reicht aber nicht mehr ganz an das erste Abenteuer Morleys heran. Auch wenn der Protagonist hier zeitlich etwas später sogar auf die Titanic trifft, so ist doch der Neuigkeitswert der Geschichte etwas verpufft.
Beide Romane beschreiben jedoch mit unglaublicher Akribie eine ferne Zeit und überdecken so die primitiv wirkende Idee der Zeitreise, die bei Finney völlig ohne Technik auskommt. Hier zeigt sich des Autor stilistische Brillanz, denn trotz unglaublichen Prämissen schluckt der Leser alle Vorgaben, wenn Jack Finney beginnt zu erzählen.
Die wunderbar entwickelten Protagonisten, die historische Atmosphäre, die sich auch nicht um das damalige Elend, die Verarmung und das Elend gewisser Bevölkerungsschichten herumdrückt, und die Erzählweise des Autors sind dermaßen bestrickend, dass man Finney alles abnimmt, sogar eine Zeitreise aufgrund psychischer Manipulationen.
Schade, dass es Wolfgang Jeschke im Vorwort nicht gelingt, diesen Reiz deutlicher zu machen. Hier hätte die Einführung ruhig etwas länger, gründlicher und vor allem kompetenter ausfallen können, die von Jeschke erwähnten Referenzwerke, die hier als bedeutendste Hervorbringungen des Subgenres Zeitreiseroman erwähnt werden, sind sicherlich nicht über jeden Zweifel erhaben (manch wichtiges Werk fehlt, dafür sind Bücher gelistet, die man nicht unbedingt als Meisterwerk ansehen muss).

Der erste Roman erschien übrigens 1981 erstmals in der Übersetzung von Thomas Schlück als Heyne-SF-Taschenbuch 3800 unter dem Titel „Das andere Ufer der Zeit“, 1990 erneut in gleicher Übersetzung und unter dem gleichen Titel als Heyne-SF-Taschenbuch in der Reihe SF-Bibliothek mit der Nummer 80, bevor 1995 die hier vorliegende Übersetzung unter dem Titel „Von Zeit zu Zeit“ als Tradepaperback 28225 bei Bastei Lübbe erschien, gefolgt im gleichen Jahr von der Fortsetzung unter dem Titel „Im Strom der Zeit“ mit der Erscheinungsnummer 28228, welche hier erstmals in Deutsch erschien.

Für den Erstleser ist „Zeitspuren“, welches die beiden Romane in einem Band vereint, aber zweifellos eine große Entdeckung, alle anderen dürfen mit Si Morley noch einmal in „die gute alte Zeit“ zurückreisen, die eigentlich gar nicht so gut war, wenn man sich die Lebensumstände armer, nicht privilegierter Menschen vor Augen führt, auch und gerade im New York der vorletzten Jahrhundertwende.

hinzugefügt: July 8th 2008
Tester: Gunther Barnewald
Punkte:
zugehöriger Link: Heyne
Hits: 2810
Sprache:

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]