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The Flesh and Blood Show - Im Rampenlicht des Bösen (DVD)

The Flesh and Blood Show - Im Rampenlicht des Bösen
GB 1972, Regie: Pete Walker, mit Jenny Hanley, Luan Peters, Ray Brooks u..a.

Von Thomas Harbach

Mit Pete Walkers 1972 entstandenem ersten Horrorfilm legt E-M-S im Rahmen seiner Edition „Der Phantastische Film“ eine interessante Variation des Agatha-Christie-Themas „Zehn kleine Negerlein“ im Horrorformat vor. Wenige Jahre später nimmt sich „Theater des Grauens“ mit Diana Rigg und Vincent Price deutlich unterhaltsamer und satirischer einer vergleichbaren Prämisse mit einer etwas anderen Ausgangsposition an.
Nach fünf Softcore-Filmen und zwei Thrillern, von denen „Schrei nach Leben“ auf einer Prämisse eines Fredric-Brown-Romans basierte, sah sich der Selfmade-Regisseur Pete Walker in Bezug auf seine Arbeiten in einer Sackgasse. Auf der anderen Seite erkannte Walker das Potential im Exploitationmarkt, den Hammer nach dem frühen Tod Michael Reeves wieder zu beherrschen begann, und vor allem den Erfolgen billig produzierter B-Pictures in den amerikanischen Autokinos. Mit „The Flesh and Blood Show“ tastete sich Walker vorsichtig an den Trend heran. Für viele Fans ist dieser Streifen nur eine Fingerübung für seine Terror-Trilogie, die komplett auf DVD in Form eines Sarges in England erschienen ist. In diesen drei Streifen setzte er sich plakativ, aber auch kritisch subversiv mit den Grundpfeilern des britischen Staates wie Kirche und Justiz auseinander.
Für andere ist der Plot noch zu nahe an der „Zehn kleine Negerlein“-Thematik Agatha Christies. Dabei gehört der sich allerdings sehr zäh und langsam entwickelnde Plot trotz einiger Schwächen zu den interessantesten, mit denen Walker in seiner Anfang der achtziger Jahre plötzlich von ihm selbst beendeten Karriere es zu tun hatte. Es empfiehlt sich unter die Oberfläche des Streifens zu schauen. Als Thriller und Mystery nicht unbedingt überzeugend, gewinnt „The Flesh and Blood Show“ als zeitkritischer, aber auch in Bezug auf die Morde drastisch zynischer Kommentar auf die Jugendbewegung der Swinging Sixties.

Die Prämisse ist simpel. Eine Gruppe junger Schauspieler wird von einem unbekannten Produzenten eingeladen, ein Theaterstück für eine West End Produktion einzuüben. Die Proben finden in einem verlassenen Theater in einem kleinen Dorf außerhalb von London an der Küste statt. Die einzelnen Mitglieder der Truppe treffen nach und nach ein. Um Geld zu sparen, beschließen die jungen Leute, im verlassenen Theater zu übernachten. In der ersten Nacht verschwindet ein junges Mädchen. Nur der Regisseur entdeckt ihren abgetrennten Kopf und ihren Körper im Keller. Anscheinend ist sie auf der mehr als eine Requisite darstellenden Guillotine hingerichtet worden. Er informiert heimlich die Polizei, die nur eine Wachspuppe statt der Leiche findet. Trotz des Verschwindens des Mädchens gehen die Proben weiter. Nach und nach werden weitere Mitglieder der Truppe ermordet. Bei ihren eigenen Ermittlungen stellen die überlebenden Teammitglieder fest, dass ein Geheimnis das Theater umgibt, welches noch Auswirkungen auf die Gegenwart haben könnte.

Geschickt hat Walker das Seebad Brighton und den berühmten Westpier zu seinem Theater gemacht. Die berühmte Brücke kommt in einer Reihe von Filmen vor.
Zusammen mit dem erfahrenen Drehbuchautoren Alfred Shaughnessy hat Walker das Drehbuch entwickelt. Dabei haben sich die beiden Autoren immer wieder auf die Wurzeln des Thrillerkinos konzentriert und eine Reihe von erkennbaren, das Vergnügen aber nicht mindernden Hommage in die stringente, teilweise sehr gedehnte Handlung integriert. Der Bogen reicht natürlich von den Agatha-Christie-Verfilmungen wie „And Then There were Nones“ (aus dem Jahre 1945) über „The Brighton Strangler“ (1945), welcher plottechnisch für den Rückblick verantwortlich ist, bis zu „A Double Life“ (1947). Shaughnessy selbst hat ähnliche Themen in den von ihm geschriebenen Streifen „The Impersonator“ (1961) und ein Jahr zuvor in „Crescendo“ (1971) für Hammer verwandt. Zu Shaughnessy bekanntesten Arbeiten gehört „The Cat Girl“ aus dem Jahre 1957. Für diesen Streifen hat er das Drehbuch geschrieben und gleichzeitig Regie geführt. Der Streifen erinnert an Val Lewtons Horrorfilme aus den vierziger Jahren.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass die ursprünglich in 3D gedrehte, aber hier flach wiedergegebene Rückblende, zu den intensivsten Szenen des Streifens gehört. Zum einen beginnt sie mit männlicher Nacktheit. Insbesondere für das prüde Amerika eine Sensation. Danach folgt eine Reihe von verstörenden Bildern, in denen Kinder – durch die Zwischenschnitte angedeutet – Erwachsenen beim Sex zusehen. Die Bestrafung der Ehebrecher folgt auf eine perfide Art und Weise.
Walker inszeniert diese zu den Höhepunkten des Streifens gehörende Sequenz mit der Eleganz eines Stummfilmregisseurs. Die teilweise dann übertriebenen Dialoge negieren die bedrohlich-phantastische Atmosphäre, welche Walker in diesem kurzen Handlungsabschnitt so meisterhaft und eindringlich aufbaut. Auf diesen Höhepunkt folgt in der Tradition eines Alfred Hitchcocks noch ein perfider Epilog, welcher den Zuschauer ganz besonders fordert. Die überlebenden Teammitglieder stellen im Gegensatz zur Polizei fest, dass der überführte Täter einen Mord nicht begangen haben kann. Die Subversivität, mit welcher Walker in diesen letzten Minuten gegen die Klischees des Thrillerkinos argumentiert, ist bestechend und lässt „The Flesh and Blood Show“ auf einem weiteren Höhepunkt enden.

Der Weg dahin ist allerdings trotz einer Laufzeit von knapp 92 Minuten in dieser ungekürzten Fassung deutlich zu lang. Walker vertraut auf Schauspieler, mit denen er überwiegend schon bei seinen ersten Gehversuchen zusammengearbeitet hat. Sie scheuen sich nicht, vor der Kamera ihre Kleidung abzulegen und die diversen aufgesetzten Nacktszenen sollten in erster Linie das amerikanische Drive-in.Publikum ansprechen. Hier negieren sie die teilweise sehr dünnen Charakterisierungen der einzelnen Protagonisten und bringen die bis weit in die erste Hälfte des Streifens nur aus falschen Spuren bestehende Handlung zum Stillstand.
Natürlich kommentiert Walker die Steifheit des britischen Publikums, wenn er einen verklemmten, wahrscheinlich auch psychopathisch veranlagten Schauspieler stellvertretend für das Publikum bei den offensichtlich lesbischen Spielen zweier hübscher Frauen zusehen lässt.
Natürlich ist es ein bissig-ironischer Kommentar, wenn eine andere junge Frau gleich einen attraktiven jungen Mann auf ihr „Zimmer“ im Theater nimmt und der Regisseur so die Zügellosigkeit der Jugend aufzeigt. Nicht umsonst wird sie im Gegensatz zum männlichen Darsteller in der Tradition des Slasherkinos, zu deren Vorläufern Walkers Streifen eindeutig gezählt werden kann, mit dem Tode bestraft.
Im Gegensatz allerdings zu so markanten und empfehlenswerten Filmen wie „Peeping Tom“, welcher den Voyeurismus pointiert und seiner Zeit um viele Jahre voraus aufs Korn genommen hat, geht es Walker um das provokante Zeigen. Die hemmungslosen Schauspieler genießen das Leben ohne Verantwortung in vollen Zügen, leben ihre Sexualität voll aus und kümmern sich nicht um die Zukunft oder ihre Mitmenschen. Dass sie es auf der Bühne der großen Kunst „treiben“, ist der Katalysator ihrer Bestrafung.
Walker macht es sich zusammen mit seinem Drehbuchautor in Bezug auf die teilweise zu aufgesetzte Botschaft von fehlendem Anstand und niedriger Moral zu einfach. Im Grunde versucht er weniger, unter dem Mäntelchen des Exploitationkinos ernsthaft über Kunst zu diskutieren. Natürlich agieren seine Protagonisten so übertrieben schamlos, weil Walker zeigen möchte, auf welches niedrige Niveau die Bühnenkunst gesunken ist. Aber genauso natürlich müssen sie in diesem künstlichen Vakuum agieren, weil Walker nicht nur ein handwerklich solider Regisseur, sondern vor allem ein Geschäftsmann ist, der später seine eigenen Streifen mit seinem Geld produzierte. Sex in einer ungesunden Mischung mit Gewalt verkauft sich deutlich besser. Insbesondere zu Beginn des Films mischt Walker diese beiden Extreme. Zwei halbnackte Frauen begegnen einem mit einem Messer erstochenen Mann, im Theater finden die jungen Schauspieler eine halbnackte Frau und einen Mann übereinander liegend, auf den ersten Blick tot. Alles falsche Spuren, welche Walker leider im Überfluss und um die Handlung zu strecken im ersten Drittel des Films legt. Anstatt diese Hinweise zu verteilen, wird der Zuschauer mit dem ersten echten Mord darauf hingewiesen, dass aus dem Spiel blutiger Ernst geworden ist. Aber Walkers Intention ist ambivalent. In Gesamtkontext seines Werkes mit seiner durchaus berechtigen Kritik an einer Gesellschaft, die zwischen den Extremen führungslos hin- und herschwankt, ist „The Flesh and Blood Show“ nicht nur ein billig herunter gedrehter plottechnisch teilweise apathischer Thriller. Die Auseinandersetzung mit Realität und Illusion führt Walker nach seinem phlegmatischen Auftakt in einer Reihe verstörender, aber interessanter Szenen sind. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Aufdeckung des Täters sich des Themas des Unverständnisses zwischen den Generationen annimmt. Immer wieder greift das Drehbuch ein interessantes Thema zwar oberflächlich, aber nachvollziehbar auf: wo hört das Spiel auf und wo beginnt das Leben? Oder aus der heutigen Sicht, wann wird das Leben zu einem Spiel. Die Reality- und Castingshows lassen grüßen, in denen die Übergänge nicht mehr fließend sind, sondern ganz bewusst von den Produzenten verwischt werden.
Zwischen den Zeilen gelingen Walker eine Reihe verstörender Szenen, in denen er Dummies mit Menschen ersetzt bzw. andersherum. Kontinuierlich – zu Beginn eher sperrig, dann im Verlaufe des Streifens deutlich überzeugender - vermischt er die Irrealität des Theaters mit der Realität der Schauspieler. Es ist nicht nur handlungstechnisch hilfreich, dass sie im Theater übernachten. Die wenigen Szenen, in denen der Zuschauer ihnen beim Proben zusehen kann, zeigen ein unverständliches Experimentierstück, in welchem die einzelnen Protagonisten nicht miteinander kommunizieren. Mehr und mehr wird ihr Leben zu einem Stück, geschrieben von einem verrückten Narren. Es ist sicherlich kein Zufall, dass nur der Regisseur des Theaterstücks stellvertretend für Pete Walker den Killer aufhalten kann, indem er die Vergangenheit wie in einer atypischen Zeitschleife wieder zum Leben erweckt. Mit diesem Trick verbindet der Brite ungewöhnlich geschickt die stringente Ideologie des Theaters mit seinem anarchistischen, aber teilweise schon sehr cineastischen Inszenierungsstil.

Walker sieht seine Art des Kinos als natürlichen Nachfolger des aus seiner Sicht nicht mehr zeitgemäßen Theaters. Seine Filme wollen das Publikum schockieren und gleichzeitig aufklären. Diese Botschaft wird er in seinen späteren Streifen teilweise ein wenig zu dick auftragen, in seinem ersten Horrorfilm geht er noch deutlich nuancierter zu Werke.

Pete Walkers Filme haben sich niemals durch eine fließende Kamera ausgezeichnet. Ganz bewusst versucht er immer, seine Streifen möglichst nahe an der Realität abzulichten und verzichtet über weite Strecke auf Sets, welche die Zuschauer ablenken. Nur in einer sehr effektiven Sequenz spielt er mit den Erwartungen des Publikums, indem er mittels eines einfachen Scheinwerfers und geschickten Zwischenschnitten erst den Charakteren und dann dem Publikum klar macht, das der Mörder hier ein perfides Spiel begonnen hat. Seine Schauspieler agieren teilweise sehr statisch in ihren nicht unbedingt nuanciert oder überzeugend geschriebenen Rollen. Die Frauen sind natürlich sportlich und schön, werden aber teilweise ein wenig zu naiv beschrieben. Einzig der Regisseur Ray Brooks wirkt wie ein erwachsener Mann. Es ist kein Zufall, dass er die erste Leiche findet. Weiterhin ist er auch der einzige erwachsene Protagonist, der Frauen nicht nur als Lustobjekte betrachtet.
Erstaunlicherweise fühlen sich einige von Walkers weiblichen Figuren aber genau in dieser Rolle sehr wohl.

„The Flesh and Blood Show“ ist eine Low-Budget-Produktion. Pete Walker macht aus den vorhandenen Sets erstaunlich viel. Stimmungstechnisch gelingt ihm neben dem Rückblick eine Reihe von überzeugenden Szenen. Der langsame bis langweilige Auftakt mit den eher eindimensionalen Charakteren erfordert etwas Geduld vom Zuschauer. Nicht umsonst sind in erster Linie für die bisherigen Auswertungen überwiegend Dialogszenen gekürzt worden, welche E-M-S untertitelt wieder eingefügt hat.

„The Flesh and Blood Show“ ist als Einführung in Pete Walkers eigenwilliges, aber interessantes Werk eine Notwendigkeit. Historisch gesehen ist der Streifen der Übergang von den eleganten Giallos Italiens zu den eher kruden Slasherfilmen wie „Freitag, der 13“.
Walker hat den Film mit einer Reihe von interessanten Ecken und Kanten inszeniert, in der Tradition des Grand Guignol mit einigen auch heute noch schockierenden Szenen.

Zu den Extras gehört das wenig aussagekräftige Booklet, eine schöne Bildergalerie und ein Trailer. Das Bild ist zwar im richtigen 1.85:1 Format, aber die Qualität lässt zu wünschen übrig. Stimmungstechnisch unterstützt die eher durchschnittliche Wiedergabe die Atmosphäre eines Pete-Walker-Films. Über Jahre sind diese Filme in verwaschenen und ausgebleichten Videokopien von Hand zu Hand gewandert. Und so präsentiert sich auch das Bild. Teilweise ein wenig milchig, die Konturen sind nicht immer scharf, die Farben ausgeblichen. Einige Störungen in der Vorlage sind auch nicht beseitigt worden.
Die Tonspuren – sowohl deutsch. als auch englisch – sind dagegen in Dolby Digital 1.0 überzeugend.

DVD-Facts:
1,85:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital Mono 1.0, englisch Dolby Digital Mono 1.0
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Booklet, Trailer, Bildergalerie

hinzugefügt: June 1st 2008
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: ems
Hits: 2717
Sprache:

  

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