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Der Dämon mit den blutigen Händen (DVD)

Der Dämon mit den blutigen Händen
GB 1958, Regie: Henry Cass, mit Barbara Shelley,Vincent Ball, Donald Wolfit u.a.

Von Thomas Harbach

Obwohl die neue E-M-S-Reihe „Der phantastische Film“ heißt, konzentriert sich das Studio mit den ersten vier Veröffentlichungen in erster Linie auf britische Filme. Dabei bemüht man sich, die gängigen Veröffentlichungen hinter sich zu lassen und auch eher unbekannte Streifen zu präsentieren. Mit „Blood of the Vampire“ aus dem Jahr 1958 legt E-M-S nicht nur einen der wenigen Streifen der Eros-Produktion in Zusammenarbeit mit Universal vor. Universal sollte auch der amerikanische Vertrieb der Hammer-Filme werden. Es ist cineastisch im Grunde das Verbindungsstück zwischen Streifen wie „Dead of Night“ oder „Horror Hotel“ zum gotischen Horror, den Hammer mit großen Erfolg produzieren sollte. Der Film entstand im gleichen Jahr - 1958 - wie der erste „Dracula“-Film mit Christopher Lee und von Terence Fisher in Szene gesetzt. Vom Kontext her fühlt sich der Zuschauer eher an die späten „Frankenstein“-Filme aus Fisher Karriere erinnert. Die einzige Vampirsequenz - sie spielt in Transsylvanien und eine Leiche wird gepfählt - lässt so viele Fragen offen, das man im Grunde nicht von einem klassischen Vampirfilm sprechen kann. Wie Romeros „Martin“ ein interessanter Außenseiter, der von Jimmy Sangster geschrieben worden ist. In den nächsten Jahren sollte sich Sangster nicht nur zu einem der Stammautoren Hammers entwickeln, sondern vor allem auch an den meisten innovativen britischen Fernsehserien mitschreiben. Motive dieses Films finden sich später in „Frankensteins Rache“ wieder und die hübsche Barbara Shelley sollte in den sechziger Jahren zu den Stammschauspielerinnen Hammers gehören. Trotzdem erinnert die Geschichte der verrückten Wissenschaftlers und seine menschenverachtende Forschung auch an eine Mischung aus „The Most dangerous Game“ - die Hunde, das abgelegene Schloss und der charismatische Schurke - und H.G. Wells originaler „The Island of Dr. Moreau“ Geschichte. Unabhängig von seinem beschränkten Budget, das deutlich unter dem Hammers gelegen hat und in einer Szene dazu führt, dass der Schauspieler die gemalte Leinwand hinter dem Fenster bewegt - ist „Der Dämon mit den blutigen Händen“ einer der originellsten Horrorfilme der 50er Jahre und kann sich trotz dieser technischen Beschränkungen auch wegen seinem originellen Script mit Fishers erstem „Dracula“ und noch mehr seinem ersten „Frankenstein“ messen.

Die Geschichte beginnt eher aufgesetzt in Transsylvanien, wo ein des Vampirismus verdächtiger Mann begraben und mit einem Holzpfahl durch die Brust endgültig getötet werden soll. Der Auftakt ist blutig, aber effektiv. Erst gegen Ende des Films schließt sich der Kreis, und der Zuschauer erfährt zusammen mit dem „Helden“ die wahren Hintergründe dieser Tat. Dass hier gegen die Vampirlegenden gearbeitet wird und vor allem die Erklärungen sowohl die Grenzen der Medizin als auch der Logik übersteigen, ist eine der wenigen Schwächen in Sangsters Scripts.
Nach diesem blutigen und eher der Hammer-Tradition entsprechenden Auftakt verfolgt man, wie der junge Arzt Dr. John Pierre wegen unerlaubter Experimente - er hat, um seine Patienten zu retten, Blut von einem Menschen zum Sterbenden übertragen - zu lebenslanger Haft verurteilt. Anstatt auf eine Gefängnisinsel gebracht zu werden, wird er nachts heimlich in das Gefängnis für geisteskranke Straftäter gebracht. Einem abgelegenen Schloss mit blutrünstigen Hunden, einem sadistischen Wächter - in der Eingangshalle hängt ein Mann, der offensichtlich ausgepeitscht worden ist, wie bei einem Piratenfilm - und einem charismatischen Gefängnisleiter: Dr. Callistratus. Dieser hatte die Forschungen John Pierres verfolgt und wahrscheinlich auch bei seiner Verhaftung die Hände im Spiel. Nach den ersten Tagen des Eingewöhnens - unter anderem werden auf dem umfangreichen Friedhof Gräber für Gefangene ausgehoben, die erst in der kommenden Nacht bei den Experimenten sterben! - macht ihn Callistratus zu seinem Helfer. Er wird von dem treuen, aber behinderten Karl bewacht. Karl erinnert sehr stark an die Frankenstein-Kreatur in einer Reihe von Filmen dieser Reihe. Es fehlt nicht viel und man glaubt, er wäre selbst von Callistratus operiert und neu zusammengesetzt worden. Zusammen wollen die beiden Ärzte das Geheimnis unterschiedlicher Blutgruppen finden und diese kompatibel machen. Pierre ahnt nicht die Zusammenhänge. Als sein Fall wieder aufgerollt werden soll, lässt Callistratus die Meldung verbreiten, Pierre wäre bei einem Fluchtversuch ums Leben gekommen. Seine Verlobte glaubt nicht daran und schleicht sich als neue Haushälterin in die Höhle des Löwen.

Was „Der Dämon mit den blutigen Händen“ - am Ende des Streifens sieht der Zuschauer wirklich den Antagonisten in einer ausweglosen Situation mit blutigen Händen - auch heute noch zu einem interessanten Film macht, sind die überzeugenden Charaktere, welche Jimmy Sangster in seinem ausgezeichneten Script entwickelt hat. Dabei ist nicht alles originell. An einigen Stellen greift Sangster sehr geschickt auf die letzte Welle der Universal-Horrorfilme zurück, in denen verrückte Wissenschaftler anstatt Mumien, Monstren oder Kreaturen im Mittelpunkt standen. Historisch ist es allerdings ein wenig überraschend, dass Sangster zu Beginn des britischen Horrorfilms auf die letzten Produktionen der auslaufenden amerikanischen Vorkriegswelle zurückgegriffen hat. Alleine in Streifen wie „Captive Wild Woman“ ist eifrig am weiblichen Geschlecht herumoperiert worden und versetzt man Franjus „Augen ohne Gesicht“ in die Vergangenheit, lassen sich auch hier latente Ähnlichkeiten erkennen. Der größte Unterschied liegt allerdings in der Person des „Dämons“, des Schurken. Im Gegensatz zu den amerikanischen Wissenschaftlern experimentiert er nicht aus Forscherdrang an unschuldigen Opfern herum, sondern braucht eine komplette Blutwäsche zum eigenen Überleben. In seinem Labor sucht er verzweifelt nach einer Blutart, welche ihn auf längere Sicht am Leben erhält. Nach den Ereignissen in Transsylvanien scheint er seine Unsterblichkeit verloren zu haben. Er spricht zwar davon, dass er auch dort schon geforscht hat und damit sowohl in der alten als auch neuen Heimat kein klassischer Vampir gewesen ist, aber Jimmy Sangster baut diese Position in seinem flotten Manuskript nicht mehr aus. Donald Wolfit hat eine leichte Ähnlichkeit mit Bela Lugosi - auch wenn er deutlich kleiner ist - aber er ist ein rücksichtsloser und wenn notwendig brutaler Schurke. Über ihre gemeinsame Affinität zu Blut gibt es keine Ähnlichkeiten in Bezug auf die Persönlichkeit zwischen dem Aristokraten und dem modernen Wissenschaftler.
In seinen ersten Auftritten dominiert Wolfit die Szenerie. Der Zuschauer weiß inzwischen durch die Aussagen Pierres Mithäftlinge - dieser kurze Handlungsstrang erinnert natürlich an Dumas „Der Graf von Monte Christo“ - von den menschenverachtenden Experimenten. So überrascht er allerdings als intelligenter, durchaus schmierig charmanter Forscher, der mit einer Mischung aus Drohungen und Verführungen Pierre für seine Experimente gefügig machen will. Und dieser unterliegt auch bis zu einem gewissen Grad der Versuchung. Trotzdem ist der Originaltitel „Blood of the Vampire“ nicht unbedingt richtig gewählt. Dr. Callistratus ist eine Reinkarnation des Frankenstein, des Wissenschaftlers, der in diesem Fall nicht die Grenzen der Medizin erweitern möchte, sondern sich selbst zu heilen sucht. Der Unterschied zu vielen „Mad Scietist“-Streifen liegt in den Mitteln, welche ihm zur Verfügung stehen. So ist er nicht nur Leiter eines Gefängnisses für kriminelle Geisteskranke, sondern hat mit seinen Bestechungen Beamte in hohen Stellungen der Gefängniskommission unter Kontrolle, um seine Leichenberge zu verstecken.

Impliziert fragt Sangster nach der Moralität der Ärzte, auch wenn er diese intellektuelle Haltung kurze Zeit später schnell zu Gunsten einer Reihe brutaler Szenen aufgibt. Wolfit spielt den arroganten, selbstverliebten Wissenschaftler sehr nuanciert und gibt seiner Persönlichkeit eine ungewöhnliche Tiefe. Dagegen wirken der teilweise ein wenig zu naive, dann wieder mutige Arzt - Vincent Ball scheint selbst im dunkelsten Verließ seine distanzierte Haltung nicht zu verlieren - Pierre und seine Verlobte - Barbara Shelley zu Beginn des Streifens unauffällig, dann in Reich des Bösen entschlossen und schließlich passiv unfreiwilliges Oper - eher klischeehaft gezeichnet. Victor Madden als Mithäftling, der später in dem Showdown eine entscheidende Rolle spielen wird, kann hier mehr Akzente setzen.

Henry Cass ist eine gänzlich unbekannte Größe im phantastischen Genre. Trotzdem hat er sich bei der Inszenierung an die Spielregeln des Gothic Horror gehalten. Auch wenn an vielen Stellen das niedrige Budget durchscheint und insbesondere einige der Hintergründe sicherlich auch aufgrund der technischen Überarbeitung für die DVD inzwischen als gemalt zu erkennen sind, hat er aus den vorhandenen Mitteln sehr viel gemacht. Wenn Pierre das Gefängnis betritt, öffnet sich eine riesige Halle mit niedrigen Decken vor ihm. Das Laboratorium öffnet sich - wieder eine dieses Mal zu deutlich erkennbare Leinwand - in die unendlichen Katakomben und das Schloss wirkt so bedrohlich wie die Karpatenburg. Alleine in diesen Szenen zitiert der Regisseur „Das Kabinett des Dr. Caligari“, „Das Phantom der Oper“ und schließlich auch den ersten „Dracula“. Unabhängig davon bemüht sich Cass, das Tempo in seinem mit zweiundachtzig Minuten kurzen Film zu variieren. Nach dem blutigen Auftakt auf dem Friedhof stellen Drehbuch und Regisseur in kurzer Folge die tragischen „Helden“ der Geschichte vor. Der Antagonist bleibt fast bis in die Mitte des Streifens unsichtbar. Es wird nur in der Tradition der Monsterfilme seine Name ehrfurchtsvoll erwähnt und der Zuschauer kann zusammen mit Pierre seine Taten verfolgen. Darum ist die Überraschung, wenn Dr. Callistratus sich als Gentlemen - alles Berechnung - präsentiert umso überraschender. Auch die passive Liebesgeschichte zwischen Barabara Shelley und dem stummen, verkrüppelten Diener Karl als Hommage an „Der Glöckner von Notre Dame“ wird frühzeitig angelegt. Dieser Handlungsstrang folgt allerdings sehr schematisch den Gesetzen des Genres und negiert am Ende die eigentliche Konfrontation zwischen Protagonist und Antagonist.
Nach einem rasanten Auftakt nimmt Cass im Mittelteil das Tempo aus dem Film und bemüht sich, im Gefängnis eine nihilistische Atmosphäre aufzubauen. Dabei übertreibt er es mit den Bluthunden und natürlich dem menschenverachtenden, sadistischen Aufseher ein wenig zu sehr.
Am Ende des Films überschlagen sich nicht immer logisch die Ereignisse. So erkundet Pierre den Gefängnishof, um seine Vermutung zu beweisen, wird gestellt und muss auf dem abgeschlossenen Gelände fliehen. Als die Wachen ihn suchen, kann er aus einer anderen Richtung zurückkommen. Auch liegt es Pierre, wie der Klappentext suggeriert, weniger daran, das Geheimnis Dr. Callistratus - stellt der Name eine Hommage an Dreyers Meisterwerk dar? - zu lüften, sondern zu entfliehen und den Behörden von den Zuständen im Gefängnis zu berichten. Hier lässt Pierre eine Reihe von Chancen vergehen, Callistratus in seine Gewalt zu bringen und damit seine Flucht zu erzwingen.

Unabhängig von diesen plottechnischen Schwächen ist „Der Dämon mit den blutigen Händen“ ein interessant inszenierter Film, der von einem dynamischen, wenn auch nicht immer zwingenden Manuskript lebt. Oft ist ja die Frage gestellt worden, welchen Einfluss insbesondere die Hammer-Produzenten wie Hinds auf die Scripts und die Regisseure gehabt haben. Mit dem vorliegenden, nicht für Hammer produzierten Script von Jimmy Sangster, lässt sich diese Frage sehr gut beantworten. Zumindest bei Sangster, der später Kriminalromane geschrieben hat und dessen Autobiographie einen interessanten Einblick hinter die Kulissen Hammers gibt, nicht. „Der Dämon mit den blutigen Händen“ stellt ein sehenswertes Gegenstück zu dem gleichzeitig gedrehten „Dracula“ von Terence Fisher dar und unterstreicht, dass Hammer nicht alleine den Horror wieder zurück ins 19. Jahrhundert geführt hat. In den USA und später England drehte Roger Corman ja zeitgleich seine Edgar Allen Poe-Verfilmungen.

Insgesamt eine interessante und empfehlenswerte Neuentdeckung. Die technische Qualität der DVD ist aufgrund der eher schwachen Vorlage akzeptabel. An einigen Stellen lassen sich am Rand noch Beschädigungen des Originalmaterials erkennen. Da der Film in Eastmancolor gedreht worden ist, wirken die Farben nicht mehr so kräftig und wie mit einem leichten Grauschleier überzogen.
Beide Tonspuren sind hörenswert, insbesondere die deutsche Spur ist sehr gut abgemischt worden. Zu den Extras gehört eine Bildergalerie mit einigen Filmnotizen.

DVD-Facts:
1,85:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 1.0 Mono, englisch Dolby Digital 1.0 Mono
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Bildergalerie, Filmnotizen (Booklet nur in Erstauflage)

hinzugefügt: May 11th 2008
Tester: Thomas Harbach
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Hits: 2682
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