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1001 Nacht (DVD)

1001 Nacht

Von Thomas Harbach

Mit dem Erfolg der Neuverfilmung des „Diebs von Bagdad” durch Conrad Veidt entdeckte Hollywood in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs die Märchen- und Sagenwelt des Nahen Ostens für sich. Koch Media veröffentlicht auf dem ersten Teil der „1001 Nacht” Collection drei im Grunde typische Beispiele für die Herangehensweise der Amerikaner an diesen Stoff: damit das durchschnittliche amerikanische Publikum beim Besuch der Sonnabend Matinee nicht überfordert wurden, reduzierte der eifrige Produzent Walter Wanger die exotisch-erotischen Stoffe auf das Wesentliche, passte insbesondere die einzelnen Charaktere an die Erwartungshaltung des Zuschauers an, fügte ausreichende Dosen von Sword and Sorcery - insbesondere im ersten Film der Sammlung „Arabian Night” mit teilweise kindlich-kindisch Humor überzeichnet - sowie eines Liebesdreiecks hinzu. Farbenprächtige Hintergründe - die digitale Präsentation durch Koch Media ist so klar und deutlich, dass der Zuschauer inzwischen die Übergänge von den gelungenen Mattepainting zu den Kulissen ohne Probleme erkennen kann - und eine möglichst einfache Handlung.


Der erste Film der Sammlung, „Arabische Nächste”, aus dem Jahre 1942 unter der Regie von John Rawlins verfügt dabei über einige interessante, fast subversive Elemente, die aber niemals gänzlich ausgespielt werden. Sie gehören zum Ensemble des dicken, polternden, aber gutmütigen Zirkusdirektor Aladin und Sindbad. Beide sind inzwischen alte Männer geworden. Aladin ist auf der Suche nach seiner Wunderlampe und reibt an jedem Lichtgefäß, das ihm über den Weg läuft. In einer der schönsten Szenen des Films entsteht hinter ihm der wohlvertraute Schatten seines Geists. Dieser entpuppt sich wenige Augenblicke später als Abbild seines Chefs, der ihn zum wiederholten Male auf seine Faulheit hinweißt. Sindbad eröffnet jeden seiner wenigen Sätze mit dem Hinweis, als er noch zur See gefahren ist, wäre ihm folgendes passiert. Mehr kann er von seinen phantastischen Abenteuern nicht erzählen. Diese kleinen, eingestreuten Szenen fügen dem ansonsten eher eindimensional präsentierten Bild der Sagenwelt aus 1001 Nacht zumindest eine pointierte Note hinzu. Insbesondere im Endkampf hätten Rawlins und der Drehbuchautor diesen beiden liebenswerten „Running Gag-Figuren ihre entsprechenden Szenen zugestehen können, sollen und müssen. Der Filme wäre aus seiner bis dahin eher bodenständigen und bemüht magische Atmosphäre in eine andere Dimension übergewechselt. Insbesondere „Der Dieb von Bagdad” lebte ja von diesem magischen Realismus. Viele Jahre später wird Terry Gilliam seinem Baron Münchhausen diesen späten, zweiten Triumph gönnen. In „Arabische Nächte” wird dieses Potential nicht annähernd ausgeschöpft und Rawlins konzentriert sich auf die grundlegende Dreiecksgeschichte um Macht und Liebe.

Bodenständig solide, nur stellenweise wirklich inspiriert, erzählt Rawlins die Geschichte zweier Brüder, die um die Macht in Bagdad kämpfen. Zwischen ihnen steht Scheherazade, die legendäre Schönheit, der es prophezeit ist, an der Seite des Kalifen über Bagdad zu herrschen. Der Kalif Haroun-al Raschid - eine solide Leistung von John Hall, der später als der unsichtbare Agent in den cineastischen Zweiten Weltkrieg einstieg - hat seinen Bruder zum langsamen Tode am Kreuz verurteilt. Gleich zu Beginn zeigt der Film, dass er im Grunde ein weiches Herz hat und seinen Bruder begnadigen möchte. Kaum hat er sich entschlossen, stürzen Kamars Männer auf ihn, befreien ihren Anführer und verletzen den Kalifen. Nur der kleine Ali Ben Ali - dargestellt von Sabu, der im gleichen Jahr im „Dschungelbuch” für Furore sorgen sollte und seine Figur aus „Der Dieb von Bagdad” wiederholt - rettet den Kalifen, verbirgt ihn vor den Verfolgern und bringt ihn zu Scheherazade, der betörenden Tänzerin. Dieser beginnt sich in den aus ihrer Sicht mittellosen jungen Mann zu verlieben und muss später vordergründig zwischen Macht/Geld und Gefühl entscheiden. Dass sie am Ende mit der Wahl für den richtigen Mann, beides erhält, weiß ja nur der Zuschauer.

„Arabische Nächte” ist reinste Hollywoodunterhaltung im besten wie auch schlechtesten Sinne. Die Vorlage ist aufs Notwendigste reduziert worden und teilweise versucht das Drehbuch, die offensichtlichen logischen Lücken mit Handlungssprüngen zu überdecken. Dazu kommen eine Reihe von atemberaubenden Actionszenen, welche zwischen aber immer wieder auf das Niveau der „Three Stooges”-Filme reduziert werden. Wenn schließlich der Anführer der Vaudevilletruppe in den Kämpfen seine Gegner mit seinem Bauch wie mit einer Faust zur Seite drückt, negiert Rawlins die teilweise märchenhafte Atmosphäre, welcher er in den vorangegangenen Szenen mühsam aufgebaut hat. Insbesondere wenn man vorher ihre Flucht aus dem unmenschlichen Sklavengefängnis verfolgt hat. In dieser Sequenz kommt die magische Atmosphäre des „Anything Goes” auf, welche die Märchen auszeichnet. Produzent Wagner hat wahrscheinlich den größten Teil des nicht kleinen Budgets dazu verwandt, Bagdad auf die Leinwand zu zaubern. Erst die DVD Restaurierung macht die bonbonfarbene und damit dem Märchencharakter entsprechende Farbgestaltung in vollem Glanz sichtbar. Von den Mauern Bagdads über die Zeltstadt, von den einfachen Kostümen auf den Märkten bis zum berühmten Schleiertanz der Scheherazade - allerdings nur mit einem und nicht den sieben Schleiern - ist alles vorhanden, was das Auge begeistert.

Obwohl Rawlins auf eine Reihe von soliden Schauspielern zurückgreifen konnte, wirkt ihr Spiel stellenweise hölzern und unmotiviert. Maria Montez als Scheherazade ist nicht die bildschöne Frau, als die sie immer gepriesen wird. Sie ist eine sportliche, durchtrainierte Frau mit einem ansprechenden Gesicht. Aber ihr fehlt die Weichheit, die Verletzlichkeit in Kombination mit ihrem hervorstechenden Merkmal Entschlossenheit, welche den fiktiven Charakter auszeichnet. In „Cobra Woman” wirkte sie exotischer als im vorliegenden Film. John Hall in der Rolle des Kamar wirkt zu nett, zu smart und scheinbar alles im Griff habend für seine Rolle und vor allem seine teilweise unsinnigen Aktionen. Seine Verkleidungen, um seinen Bruder und dessen Gefolgsmänner zu täuschen, sind ein Witz. Immerhin funktionierte die Chemie zwischen Hall und Montez so gut, dass sie noch siebenmal in Filmen miteinander auftreten sollten. Während Hall in den meisten dieser Werke seinen jugendlichen Charme spielen lassen konnte, versuchte die Montez ihre schauspielerischen Defizite durch ihre körperlichen Vorzüge auszugleichen. Am wohlsten fühlt sich Leif Erikson in der Rolle des Schurken Kamars. Er schöpft aus dem Vollen. Schmierig gierig benutzt er seine Untertanen, geifert nach der schönen Scheherazade, welcher er nicht nur wegen ihrer tänzerischen Fähigkeiten als erste unter vielen seinem Harem hinzufügen möchte. Es spricht sehr viel für seine Figur, dass nicht sein Bruder ihn schließlich töten wird, sondern aus dem Hinterhalt eine der unscheinbaren Nebenfiguren. Erstaunlicherweise wird sich diese Art des Töten in „Die schwarzen Teufel von Bagdad” wiederholen, als wenn es einen moralischen Code in Hollywood zu dieser Zeit gegeben hat, dass die echten Helden nicht die Schurken eigenhändig selbst im Duell töten dürfen. Aber insbesondere die weiteren Nebenfiguren fallen deutlicher ab. Zu Beginn und am Ende des Films hat Rawlins eine Handvoll von Haremsdamen dem Hüter des Harems gegenübergestellt. Alle lesen aus „Arabische Nächte”, machen aber nicht den Eindruck, als können sie zwei oder drei Worte hintereinander fehlerfrei aussprechen, geschweige denn lesen.

Trotz dieser Schwächen ist „Arabische Nächte” aus heutiger Sicht leichte Unterhaltung und fügte Hollywoods Kriegsproduktionen eine weitere, heute eher goutierbare Facette hinzu. Märchenhafte Unterhaltung Marke Hollywoods. Rawlins kümmert sich nicht weiter um Logik oder Kontinuität, sondern bemüht sich eine atemberaubende Abfolge von unterschiedlichen Abenteuern zu erzählen. Dabei wechseln sich lustige bis lächerliche Szenen mit guten und teilweise sehr überzeugend inszenierten Actionsequenzen ab. Zu den Höhepunkten des Films gehören zu Beginn die dunkle Sequenz, in welcher Kamar seinen am Kreuz hängenden Bruder besucht und ihm aus Mitleid Wasser gibt, was dieser ihm ins Gesicht spuckt, die imposante Sklavenanlage, aus welcher die bunt zusammen gewürfelte Gruppe von „Helden” rechtzeitig entkommt, um Scheherazades Verkauf an den neuen Kalifen zu verhindern und der Endkampf, welcher wirklich atemberaubend inszeniert worden ist. Dazwischen muss sich der Zuschauer allerdings auch mit einigen unnötigen und teilweise fast peinlichen Slapstickeinlagen auseinandersetzen und allerlei hölzernes Liebesgeflüster ertragen. Der Schleiertanz ist so erotisch wie möglich in Szene gesetzt worden. Alles in allem ist „Arabische Nächte” ein Film, der an seinen eigenen Ansprüchen scheitert und nicht an den naiven Charme des „Dieb von Bagdad” heranreicht. Vieles wirkt zu geplant und teilweise zu stilisiert, um wirklich überzeugen zu können. Während seiner Erstaufführung 1942 stellte „Arabische Nächte” aber die Art von Hollywoodtraum dar, welche das Publikum für knappe achtzig Minuten aus den immer dunkler werdenden Wolken des Zweiten Weltkriegs in eine märchenhafte - nach Hollywood Maßstäben - Irrealität entführte.


Mario Montez und Jon Hall treten auch in „Ali Baba und die vierzig Räuber” auf. Wobei Hollywood in diesem 1944 gedrehten Abenteuerfilm aus den Titel gebenden vierzig Räubern nach wenigen Minuten eine Gruppe Freiheitskämpfer gegen die Bagdad besetzenden Mongolen gemacht hat. Die lassen sich auch gut kulturlose Hunnen bezeichnen, womit der Bogen zum aktuellen Kriegsgeschehen geschlagen wird. Und Ali Baba ist natürlich der Sohn des Kalifen, der durch Verrat seinen Thron und wenige Augenblicke später sein Leben verloren hat. „Ali Baba und die vierzig Räuber” ist vielleicht die Geschichte aus „1001 Nacht“, welche Hollywood am meisten dem Zeitgeschehen angepasst und damit eine wundervoll naive, manchmal pathetisch verklärte Phantasie erschaffen hat. Wenn die vierzig Räuber und Ali Baba von einem Kriegszug gegen die Mongolen zurückreiten und dabei herrlich falsch ihre persönliche Hymne schmettern, bleibt dem Betrachter nichts anderes übrig, als über diese Hollywoodnaivität zu lächeln. In schnellen Schnittfolgen zeigt der Film, wie sie auf der einen Seite ihre Beute unter der leidenden Bevölkerung aufteilen, auf der anderen Seite aber die Schätze in ihrer Höhle nicht weniger, sondern eher mehr werden. Als die vierzig Räuber aber ausgerechnet die Braut des Mongolenführers – Lady Amara, dargestellt von Maria Montez – stehlen, bricht dieser Männerbund auseinander. Ihr Vater hat damals den Mongolen die Tore geöffnet und den Kalifen verraten. Ali Baba verliebt sich in die hübsche Frau, ohne ihre wahre Herkunft zu ahnen und tötet sie nicht, wie dem Feind angedroht, zur bezeichneten Stunde. In einem tollkühnen Streich wollen die Rebellen die Festung der Mongolen stürmen und deren Schreckensherrschaft ein Ende setzen. Sie ahnen aber nicht, dass der Feind auch über Spione verfügt, welche den waghalsigen Plan zu durchkreuzen suchen.

Auch wenn die zugrunde liegende Story insbesondere im Vergleich zu den beiden „Ali Baba und die vierzig Räuber“ begleitenden Streifen sehr simpel, geradlinig und stellenweise sehr holprig ist, verzichtet das Drehbuch auf den üblichen Klamauk. Es gibt natürlich einen fortlaufenden Witz, in welchem ein Räuber immer das Kindermädchen für den jungen Ali Baba wie auch den späteren Mann spielen soll und sich langsam an die Rolle gewöhnt hat. John Hall in der Rolle Ali Babas ist nur teilweise effektiv. Der Kalif steht ihm besser zu Gesicht als der entschlossene und intelligente Räuberhauptmann. Auch stimmt die Chemie zwischen Maria Montez und ihm überhaupt nicht mehr. Das er in der schönen Frau erst spät, fast zu spät seine Jugendliebe erkennt – hier wird der Bogen zum Anfang des Films geschlagen – ist ebenso unglaublich wie die Tatsache, dass er überhaupt mit seinen vierzig Räubern in vierzig Fässern – zahlentechnisch nicht möglich, da einige der Räuber schon vorher in die Stadt eingedrungen sind – die ganze Mongolenarmee angreifen will. So spektakulär und waghalsig dieser Plan auf den ersten Blick erscheint, wird er zwar optisch stimmig, über inhaltlich hanebüchen umgesetzt. Wie in den Basil Rathebone/Nigel Bruce-Filmen wimmelt es von Spionen und Gegenspionen, die sich schließlich so lange selbst aufs Kreuz legen, bis das Gute siegen kann und muss. Der Endkampf ist genauso spektakulär inszeniert wird man es von einer A-Produktion Hollywoods dieser Zeit erwarten kann. Insbesondere das Drehbuch hält das Tempo unglaublich hoch. Vom Überfall bis zum Verrat und Ali Babas Flucht durch die Wüste vergehen keine zehn Minuten, in denen die Welt des jungen Thronerben komplett auf den Kopf gestellt wird. Mit der Begegnung zwischen den Räubern und Ali Baba wendet sich die Handlung komplett vom Märchen zum radikalen Freiheitsfilm. Da die Darsteller ihre Rollen eher hölzern spielen und stellenweise insbesondere im Original ihre Dialoge nicht sonderlich ernst nehmen, verflacht die Handlung im zweiten Drittel des Streifens. Zu vorhersehbar bewegen sich die einzelnen Gruppen aufeinander zu. So stellt sich die Frage, warum der mongolische Eroberer zu Beginn jeden Tag hundert Menschen foltern und töten lässt, um den Aufenthaltsort des Kalifen zu erfahren, auf die Bande später aber nur ein Kopfgeld aussetzt? Warum die Mongolen schnell erkennen, dass sie bei einer fehlgeschlagenen Aktion nicht nur Ali Baba, sondern vor allem den Sohn des getöteten Kalifen inklusiv des Herrscheramuletts in Händen haben, diese gute Position aber amateurhaft wieder aufgeben? Das letzte Drittel wird natürlich von dem farbenprächtig und stellenweise sehr packend gedrehten Schlusskampf beherrscht. Da die Geschichte um Ali Baba und die vierzig Räuber sehr bekannt ist, schaut man den Film mit einer wahrscheinlich eher gedämpften Erwartungshaltung und wird angenehm überrascht, welche Elemente aus dem Märchen die Drehbuchautoren gelassen haben und mit welch teilweise guten Ideen sie den stringenten, teilweise wirklich gut inszenierten Film aufgefüllt haben. Nicht alle fügen sich in ein logisches, nachvollziehbares Muster, aber im Vergleich zu „Arabische Nächte“ ist „Ali Baba und die vierzig Räuber“ weniger stark gealtert und die einzelnen Charaktere wirken – zumindest aus amerikanischer Sicht – greifbarer und abgerundeter. Insbesondere die Liebesgeschichte funktioniert überhaupt nicht, da sowohl „Arabische Nächte“ als auch „Die schwarzen Teufel von Bagdad“ über charmante, charismatische Schurken verfügten, weil die Mischung aus Verführung und Erpressung souverän beherrschten. Der Mongolen-Khan ist zu eindimensional, zu verschlagen und zu klischeehaft dargestellt, um Ali Baba wirklich in Bezug auf die Dame Konkurrenz machen zu können. Und wenn sie aus Angst vor ihrem Vater, dem Verräter, in die Hochzeit einwilligt, ist dem letzten Zuschauer klar, dass das Schicksal des Khans besiegelt ist. Mit einem überzeugenderen Schurken hätten insbesondere die Längen – sicherlich ein kleiner Widerspruch, wenn man berücksichtigt, wie viel Handlung in den achtzig Minuten langen Streifen im Vergleich zu gegenwärtigen Produktionen fließt – nach dem rasanten Auftakt besser gefüllt werden können. Eine frühe Konfrontation zwischen Khan und Ali Baba hätte die Positionen abgesteckt, so agieren die Räuber zu Beginn des Films in einer Art cineastischen Nirwana und werden von den Mongolen fast unbehelligt ziehen gelassen. Hier fehlt dem Streifen klassisches Westernblut. Alles in allem insbesondere unter Berücksichtigung der historischen Umstände ein interessanter, wenn auch nicht gänzlich befriedigender Streifen, in welchem allerdings die Handlung und der exotisch farbenprächtige Hintergrund die Hauptdarsteller ausstechen.


Auch wenn sich wieder eine Frau zwischen zwei Männern entscheiden muss, gehört „Die schwarzen Teufel von Bagdad” (1949) nicht zu den klassischen „1001 Nacht”-Abenteuern, sondern ist eine klassische Kolonialgeschichte. Die Handlung spielt auch weniger im märchenhaften Bagdad als im besetzten Irak vor dem Ersten Weltkrieg. Die Stadt steht unter der Herrschaft oder besser Knechtschaft der Türken, die ihren Botschafter, den Pascha - eine schmierige Darstellung von Vincent Price - alle Vollmachten gegeben haben. Zu Beginn des Films kehrt er mit der in England erzogenen Prinzessin - Maureen O´Hara in ihrer ersten Starrolle - eines kleinen Beduinenvolkes zurück. Sie werden von den schwarzen Roben überfallen, die ihnen erstaunlicherweise nur die Waffen in den Wagen stehlen. Anscheinend werden die schwarzen Roben von Prinzen Hassan angeführt, der auch für die Ermordung ihres Vaters verantwortlicht sein soll. Während Prinz Hassan um die selbstbewusste und sehr westlich erzogene Frau wirbt, teilt ihr der Pascha mit, dass es sich um den Mörder ihres Vaters handeln soll. Erst spät, aber nicht zu spät erkennt sie, dass sie in einem Ränkespiel gefangen ist, dessen Ziel die Ausschaltung des progressiven und intelligenten Hassan durch den Anführer der schwarzen Robe ist.

Der Film lebt von seinen beiden Hauptdarstellern Maureen O´Hara und Vincent Price. In ihren bisherigen Abenteuerfilmen konnte die von irischen Immigranten abstammende O´Hara sich eher als Beiwerk zu den machohaften Helden präsentieren. Hier übernimmt sie von Beginn an das Kommando. Der Zuschauer wird sicherlich einen Moment brauchen, um die rothaarige burschikose Schönheit als Tochter oder zumindest Halbtochter der Wüste zu akzeptieren. Das liegt weniger an ihrer westlichen Kleidung und ihrer hartnäckigen Weigerung, überhaupt an einen Schleier zu denken, sondern an ihrem starken Akzent - sehr gut in den nicht synchronisierten drei Liedern und auf der Originalspur nachvollziehbar. Sie ist eine entschlossene Schönheit, die mir ihrer fast an Starrsinnigkeit erinnernden Haltung immer wieder insbesondere den Pascha - Vincent Price - zum Wahnsinn treibt. Man kann ihr nicht drohen, sondern sie nur manipulieren. In der Mitte des Films - der im Original schlicht und ergreifend schön „Bagdad” heißt, was die Handlung gut zusammenfasst - scheint Price die Oberhand zu gewinnen und sie in die richtigen Wege zu lenken, um seinen komplizierten, teilweise unlogischen Plan umsetzen zu können. Im letzten Drittel des Streifens degeneriert ihre Rolle allerdings wieder zur holden Maid, die gerettet werden muss und um ihren wahren Geliebten bangt. Der Weg bis zu dem hektischen und teilweise absurden Ende ist allerdings gelungen. Vor allem verfügt Maureen O´Hara über die körperliche Präsenz, auch die Actionszenen spielen zu können und als Schauspielerin gelingt es ihr, ihre Emotionen im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben überzeugen vor sich her zu tragen. Der Zuschauer hat das Gefühl, als verfolge er einen der wenigen Filme, welcher die neue gesellschaftliche Rolle der Frau in der Zeit des Zweiten Weltkriegs akkurat in eine fiktive Abenteuerhandlung übertragen könne. Bis zum obligatorischen Happy End, das aber zumindest nicht in einer ausführlichen, von schmalziger Musik unterlegten Kussszene endet. Es ist allerdings keine Überraschung, dass nicht der eigentliche Held des Films ihr ebenbürtig ist - auch wenn es hier einige nette Dialoge gibt -, sondern der Schurke. Vincent Price mit seinem dunkel gefärbten Gesicht hat sichtliches Vergnügen in der schmierigen Schurkenrolle. Zu den Höhepunkten des Films gehören die verbalen Duelle mit Prinz Hassan, als dieser sich frech zum Essen zu Dritt anstatt des geplanten Rendezvous einlädt. Mit seinem krampfhaft geschlossenen rechten Auge neigt Price allerdings zum overacting und könnte stellenweise nuancierter und behutsamer reagieren. Paul Christian als smarter Prinz wird zwischen die beiden sehr guten Schauspielern, die sich weniger um die teilweise sehr hölzernen Dialoge und das nicht immer stringente Drehbuch kümmern, sondern einfach zu spielen beginnen, im wahrsten Sinne des Wortes zermahlen. Er darf zwar am Ende des Films die holde, aber nicht zerbrechliche Schönheit retten, aber weder tötet er den Anführer der schwarzen Roben - das wird wie in „Arabische Nächte” und „Ali Baba und die vierzig Räuber” von einem Handlanger erledigt, dieses Mal wird ihm allerdings kein Messer in den Rücken geworfen, sondern ein ganzer Degen sowie in „Ali Baba” zumindest nicht in den Rücken - noch basiert der Plan, die schwarzen Roben aufzuhalten, bis Verstärkung ankommt, auf einer Idee von ihm. Der Held bleibt eine Chiffre, insbesondere stimmt die Chemie zwischen Maureen O´Hara und Paul Christian in den seltensten Szenen.

Es ist vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar, aber „Bagdad” reiht sich in eine Reihe von Städtefilmen ein, die zu dieser Zeit populär und erfolgreich gewesen sind. „Marokko” von Josef von Sternberg mit Marlene Dietrich als Star und natürlich „Casablanca” mit Bogart und Bergmann. In dieser Hinsicht ist „Badgad” kompetent und ansprechend gestaltet geschrieben worden. Es zeigt, wie man in einer Stadt, an einem Ort leben muss, in welchem niemand niemand vertraut. Der Streifen zeigt sehr gut die Entschlossenheit der Schurken auf der einen Seite und den Überlebenswillen der oft unfreiwillig in Bedrängnis geratenen einfachen Menschen auf der anderen Seite. Welche Kompromisse man eingehen muss und wie viel des eigenen Stolz ein Mensch schlucken kann, um zu Überleben. Wie „Casablanca“ gehört zumindest laut dem Drehbuch „Bagdad” auch zu den Städten, in welchen das Überlebensspiel niemals aufhört. Aus dieser Perspektive betrachtet ist der vorliegende Film ein interessanter, wenn auch politisch nicht immer akkurater historisch orientierter Politthriller. Insbesondere den Menschen der Vierziger Jahre wurde her deutlich das Vorurteil vor Augen geführt, dass sich Menschen ab einem bestimmten politischen Status alles erlauben können. Es gelten für sie keine Grenzen und vor allem keine Gesetze. Sie können morden, betrügen und sich rückhaltlos bereichern. In dieser Hinsicht bekräftigt „Bagdad” mit seiner teilweise doch arg schwarzweißen Handlung die Vorurteile der Zuschauer. Alles in einem ist die Neuveröffentlichung dieses inzwischen sehr seltenen exotisch wirkenden Abenteuerfilms begrüßenswert. Einige Ideen aus „1001 Nacht” werden allerdings in den eher modernen Film übertragen: die Faszination der ewigen Stadt Bagdad - auch wenn der Zuschauer bis auf die Zitadelle herzlich wenig sieht - und die ehren Gesetze der Wüstensöhne. Die Schönheit der Frauen und der Kampf zweier sehr unterschiedlicher Männer um eine moderne, in diesem Fall singende und nicht tanzende Scheherazade.


Der erste Teil der „1001 Nacht”-Collection ist vor allem für Sammler älterer Abenteuerfilme sehr empfehlenswert. Zwar wirken insbesondere „Arabische Nächte” und „Ali Baba und die vierzig Räuber” inzwischen reichlich naiv und nicht in Ehren ergraut, aber der sehr interessante fast Klassiker „Die schwarzen Teufel von Bagdad” gleich dieses Manko aus. Dazu kommt der hervorragende Zustand, in welchem Koch die Filme präsentiert. Die Farben sind kräftig und herrlich märchenhaft unrealistisch. Die Digitalisierung hat ganze Arbeit geleistet. Auch finden sich kaum Verschmutzungen oder beschädigte Stellen. Man darf nicht vergessen, dass es sich bei den vorliegenden Filmen um keine Klassiker der Universal-Studios handelt. Als Tonspuren werden Deutsch und Englisch angeboten. Dabei hört sich die Originalspur ein wenig dumpf an. Das ist insbesondere bei „Bagdad” sehr auffällig, wenn Maureen O´Hara ihre Lieder mit ihrer nicht unbedingt gesanglich ausgebildeten Stimme von sich gibt und der Ton monoton und teilweise zu hoch klingt. Die deutschen Tonspuren sind kräftiger und wirken authentischer. Zu den Extras gehören wieder Trailer - leider nur für „Arabische Nächte” - und die obligatorischen Bildergalerien mit teilweise sehr seltenem Werbematerial. Der Filmhistoriker Robert Osborne spricht eine kurze Einführung zu „Arabische Nächte“, deren kurzweilig präsentierte Informationen sich auch auf die anderen beiden Streifen übertragen lassen.

DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (Vollbild)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0 Mono, englisch Dolby Digital 2.0 Mono

DVD-Extras:
Einführung durch den Filmhistoriker Robert Osborne, Bildergalerie

hinzugefügt: January 5th 2008
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Koch Media
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