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Yoko Tsuno Sammelband 1: Die deutschen Abenteuer (Comic)

Yoko Tsuno Sammelband 1: Die deutschen Abenteuer
Roger Leloup
Carlsen, 2007, Hardcover, ca. 180 Seiten, 29,90 EUR, ISBN 978-3-551-02176-2

Von Thomas Harbach

Mit dem ersten Sammelband („Yoko Tsuno: Die deutschen Abenteuer”) beginnt der Carlsen-Verlag eine Neuauflage der schon in den siebziger Jahren erschienenen Abenteuer der jungen japanischen Elektronikexperten Yoko Tsuno, die zusammen mit ihren beiden männlichen Begleitern - der eine heroisch, der andere eher trottelig und deswegen wahrscheinlich auch die Sympathiefigur für das eher jugendliche Publikum - auf der ganzen Welt unglaubliche Abenteuer erlebt und dabei eine Reihe von Schurken und ihren „James Bond“-artigen Erfindungen das Handwerk legt. Der Zeichner und Autor Roger Leloup hat die Serie Ende der sechziger Jahre konzipiert, als insbesondere in dem bahnbrechenden französischen Comicmagazin „Spirou” der Wunsch nach neuen Ideen reifte. „Yoko Tsuno“ - damals noch namenlos - gehörte zu einer Serie, die Leloup - der mit Hergé zusammengearbeitet hat und sich von der Schule an vor allem für Technik interessierte - vorgeschlagen hat. Die Serie wurde damals abgelehnt, die Figur Yoko Tsunos hat Leloup schließlich in einen eigenständigen Comicstrip übertragen. Die ersten Arbeiten hat Leloup nur gezeichnet, die Kurzgeschichten sind unter anderem von Maurice Tillioux geschrieben worden. Mit den längeren Arbeiten - so gehört die hier vorliegende Geschichte „Die Orgel des Teufels” zu den ersten längeren Texten, die schließlich später auch nach der Magazinveröffentlichung in Albenform veröffentlicht worden sind - schrieb und zeichnete Leloup die Serie ganz alleine. Vor wenigen Jahren hat er sogar einen „Yoko Tsuno“-Roman geschrieben. Im ersten Sammelband sind die drei Abenteuer zusammengefasst, die ausschließlich in Deutschland spielen und in denen Yoko Tsuno schließlich ihre neue Freundin Ingrid Hellberg kennenlernen sollte. Im ausführlichen Vorwort geht Leloup graphisch hervorragend unterstützt auf seine Arbeitsweise ein. Er hat die Orte - Rothenburg oder die Burg Eltz - besucht und hunderte von Fotos gemacht. Erst danach hat er seine Geschichten geschrieben und in den auch historisch akkurat recherchierten Hintergrund integriert. Darum überzeugen auch die schwächeren Geschichten wie „Die Orgel des Teufels” backgroundtechnisch und haben die Serie aus dem oft in der Schublade jugendliche Unterhaltung „Spirou”-Magazin heraus. An den drei hier zusammengefassten Alben aus unterschiedlichen Abschnitten der Serie und vor allem Leloups künstlerischer Entwicklung lässt sich auch sehr gut seine Vorgehensweise ablesen. Die Hintergrundzeichnungen sind in allen drei Alben herausragend. In der frühesten Arbeit - „Die Orgel des Teufels” - wirken die Figuren noch ein wenig steif und die Mimik zu einheitlich. Im besten Album -„Zwischen Leben und Tod” - agieren seine Protagonisten deutlich überzeugender, auch wenn sich seine Frauenfiguren körperlich kaum voneinander unterscheiden. Die Züge seiner Figuren sind deutlich nuancierter dargestellt und der Kontrast zwischen den gemäldeartigen Hintergründen und den einzelnen Charakteren ist nicht mehr so stark. In seinen humorvollen Anmerkungen zu den einzelnen hier präsentierten Geschichten kann sich Leloup allerdings einige ironische Bemerkungen nicht verkneifen. Am Ende des Hardcoversammelbandes sind einige seiner Hintergrundzeichnungen noch einmal vergrößert dargestellt worden. Was bei einigen Comiczeichnern aufgrund ihrer flüssigen Hand tödlich ist, bestärkt in diesem Fall den Eindruck, dass Leloup auch als realistischer Landschaftszeichner nicht verhungert wäre.


„Die Orgel des Teufels” erschien im Jahre 1972 in dem belgischen Comicmagazin „Spirou”. Es ist die erste Geschichte um die attraktive Japanerin, die Roger LeLoup alleine textete und zeichnete. Gleichzeitig kommt es zu Beginn der am Rhein spielenden Geschichte zur ersten Begegnung zwischen Yoko Tsuno und der jungen Musikerin Ingrid Hallberg. Später wird Ingrid Hallberg nicht nur zu wichtigsten Freundin Tsunos, sondern mehr und mehr aus dem Schatten des Nebencharakters in die Öffentlichkeit gezerrt. Wie in erster Linie für die Comics der sechziger und siebziger Jahre üblich, beginnt der Handlungsbogen mit einem Knalleffekt. Zwei maskierte Männer streiten sich am Fuße der Burg Katz, einer will den anderen töten. Schließlich erschießt der eine Unbekannte den anderen Flüchtenden. Schnitt… der Leser findet sich an Bord eines idyllischen Rheindampfers auf dem Weg zur Loreley. Tsunos Freunden gfällt ein sehr hübsches blondes Mädchen auf, das weinend an der Reling steht. Plötzlich fällt es über Bord, Tsuno gelingt schließlich die Rettung. Auf dem eher zufällig gemachten Fotomaterial erkennt sie, dass das anscheinend unter Drogen gesetzte Mädchen über Bord geschubst worden ist. Sie stellt sich als Ingrid Hallberg vor. Sie ist auf der Suche nach ihrem verschwunden Vater, der für den jetzigen Besitzer der Burg Katz eine alte Orgel wieder restaurieren sollte.

Schon zu Beginn seiner eigenen Laufwerk war Roger Leloup von der gegenwärtigen Technik und den Hintergründen fasziniert. Das zeigt sich auch im vorliegenden Album. Wer selbst die Rheinregion kennt und vielleicht auf den Dampfern um den berühmten Felsen herumgefahren ist, wird von den vielen liebevoll gezeichneten Details förmlich erschlagen. Insbesondere die Gesamtausgabe geht in dem ausführlichen Vorwort mit vielen Beispielen auf Leloups Arbeitsweise ein. Dagegen wirken seine Charaktere teilweise noch ein wenig steif und eckig. Die eigentliche Geschichte ist sehr geradlinig erzählt mit der typischen Mischung aus einem wolligen Entsetzen über die Schrecken der Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart und einer soliden Idee. Nicht immer sind insbesondere die Handlungen der Antagonisten nachvollziehbar und Leloup weist sehr früh auf den einzigen in Frage kommenden Täter hin. Damit nimmt er seiner Geschichte auf der einen Seite doch erstaunlich viel an Spannung, auf der anderen Seite konzentriert er sich auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren. Insbesondere Yoko Tsuno als traditionsbewusste Japanerin im Kimono auf der einen Seite, dann wieder entschlossene Einzelkämpferin auf der anderen Seite wird für die Frühzeit der Serie schon sehr nuanciert, wenn auch manchmal ein wenig zu jugendlich dargestellt. In „Die Orgel des Teufels” geht es auch recht rabiat zur Sache. Nach den ersten Seiten beschwert sich Tsuno, das innerhalb eines Tages drei Attentate auf ihr Leben verübt worden sind und das zu Recht. Dass sie im Raum gleichzeitig zum Täter spricht ist ihr anscheinend noch nicht bewusst. Auch die Ermordung auf den ersten beiden Seiten aus dem Hinterhalt ist nichts für Zartbesaitete. Auf der anderen Seite fügt Leloup seiner Geschichte sehr viele Nebenideen hinzu, welche in erster Linie die stimmige Atmosphäre unterstützen und das Interesse des Lesers trotz einer nicht immer gänzlich überzeugenden Geschichte hochhalten. Wenn Yoko Tsuno und ihre Freunde mit Bordmitteln einen überdimensionalen Konzertorgelpfeifenkopf ausgraben, wird die Logik der Geschichte doch teilweise zu sehr bemüht. Ein guter Auftakt dieses Sammelbandes, aber rückblickend die schwächste der deutschen Geschichten der japanischen Elektronikexperten.


Zu den besten Alben der Serie gehört „Zwischen Leben und Tod”. Wenn am Ende des großartigen Albums der Schurke zur Besinnung kommt und bei der lebensrettenden Operation an Yoko Tsuno helfen möchte, geschieht diese innere Wandlung aus Überzeugung und nicht um ein handlungstechnisches Klischee zu erfüllen. Wenn an einer anderen Stelle Yoko Tsuno davon spricht, dass hinter dem geheimnisvollen Vampir von Rothenburg, der ihrer Freundin Ingrid alle zwei Wochen in der Nacht das Blut abzapft, eine menschliche Tragödie steckt, trifft diese Bemerkung nicht nur den Kern der Geschichte, sondern beschreibt in wenigen effektiven Worten, um was es bei einer guten Geschichte geht. Um die menschlichen Pro- und Antagonisten. Von Beginn an beschreibt Roger Leroup seine Figuren ungewöhnlich überzeugend und dreidimensional. Wenn Yoko Tsuno dem Vampir begegnet und diese Schattenfigur durch die dunklen Straßen Rothenburgs verfolgt, entsteht eine bedrohliche Atmosphäre. Der Leser ahnt schon am Vorgehen der „Vampirin”, dass mehr als das Stehlen von Blut dahinter steht. Wie in einem herausfordernden Puzzle fallen schließlich die einzelnen Teile nach anfänglichen Schwierigkeiten wie von selbst ineinander. Hier ist insbesondere im Mittelteil des Albums die Handlung ein wenig zu einfach und zu selbstverständlich gestrickt. Warum wird jetzt erst wieder Blut von einem Menschen benötigt, während sich das Projekt ja inzwischen über mehr als dreißig Jahre hinzieht? Wie hat man die Anlagen unter dem großen Platz gebaut, ohne das es irgendjemandem aufgefallen ist? Und ist die Prämisse dieser medizinischen Erfindung insbesondere für die Zeit des Zweiten Weltkriegs historisch nicht ein wenig verfrüht? Der Autor lässt die tragische Vergangenheit der in den letzten Kriegswochen von den Alliierten zerstörten Stadt in seiner Gegenwart wieder auferstehen.

Verblüfften schon im ersten Album die sehr genauen Zeichnungen, entsteht hier vor den Augen des Lesers das kleine Örtchen im wahrsten Sinne des Wortes. Schon bald hat er das Gefühl, ebenfalls durch die historischen Gänge und Gassen dieser Stadt zu laufen. Einzig das Modell der Stadt, in dem sich Yoko Tsuno bewegt und schließlich den wichtigsten Hinweis findet, bemüht die Logik der Geschichte zu stark. Es ist unwahrscheinlich, an einem Grundriss eines Modellhauses hundertprozentig abzuleiten, ob das gefundene Modellhaus ein anderes an dessen Platz nahtlos ersetzen kann. Hier wäre es sinnvoller gewesen, im Modell ein Haus „verschwinden” zu lassen. Die Enthüllung der geheimnisvollen Vorgänge enthüllt ein tragisches, berührendes Schicksal, auch wenn nach der Aufdeckung der Lebenskugel Leloup in Bezug auf die innerhalb weniger Augenblicke stattfindenden Ereignisse deutlich übertreibt und zu viel des Guten möchte. „Zwischen Leben und Tod” überzeugt trotz einiger kleiner Schwächen auf der ganzen Linie, es ist eine packende Geschichte, welche - zur Zeit noch phantastische Ideen - mit einem soliden Hintergrund verbindet. Die einzelnen Figuren sind überzeugend gezeichnet und der Plot sehr kompakt und packend erzählt.


Das dritte Abenteuer - „Wotans Feuer” - basiert auf einem (damals sehr aktuellen) Fall. Ein Supertanker strandete vor der französischen Küste und das auslaufende Öl verseuchte die Bretagne auf Jahre. Was wäre, wenn ein solcher Unfall als Versicherungsbetrug absichtlich herbeigeführt worden wäre? Ingrid findet bei ihren historischen Studien auf der Burg Eltz ein seltsames Gerät, das einen Energiestrahl von hoher Konzentration abgeben kann. Es steht in einem Zusammenhang mit den häufigen Gewittern. Im Verlaufe des Abenteuers lernt Yoko Tsuno den exzentrischen Milliardär Hertzel kennen. Für ihn und mit ihm wird sie in der Zukunft zum Wohle der Menschen arbeiten. Die Spur führt sie zu einem alten Wasserturm, der inzwischen zu einem Konverter von Gewitterenergien umgebaut worden ist. Am Ende ihrer Ermittlungen treffen sie tatsächlich auf eine Handvoll von rücksichtslosen Betrügern, die einen Supertanker aus der Bahn werfen und hilflos auf die Klippen zusteuern lassen wollen. Ein gezielter Blitzschlag soll die Elektronik blockieren und damit die Schatullen der Versicherung öffnen.

Auch wenn der Plot deutlich geradliniger ist und teilweise noch mehr dem Zufall überlassen wird, ist „Wotans Feuer” eine lesenswerte und sehr spannende Geschichte. Wie auch die Charaktere braucht der Zuschauer einige Zeit, um die einzelnen Fakten zusammenzustellen. Mit Hertzel fügt Leloup einen neuen Charakter seinem Team hinzu, dessen Position der Leser anfänglich sehr schwer bestimmen kann. Handelt es sich doch vielleicht um einen der ominösen Hintermänner, der seinen Reichtum auf betrügerische Weise vermehren möchte? De Actionszenen sind gut gezeichnet und vor allem überraschend innovativ gestaltet. Das Ansurfen an einen Supertanker - so unwahrscheinlich diese Prämisse auch sein mag - ist perspektivisch sehr schön aufgesetzt worden und wirkt dramatisch. Am Ende versucht Yoko Tsuno, sowohl die Besatzung des Tankers von der drohenden Gefahr - hier muss ihr wieder der Zufall zu Hilfe kommen, ein Besatzungsmitglied hat in Japan unter ihrem Vater studiert -, als auch die Schurken zu überzeugen. Dadurch zieht sich der Showdown ein wenig zu sehr in die Länge und verliert sich kurz vor dem dunklen Ende in Belanglosigkeiten. Es ist sicherlich keine grundlegend neue Idee, die Kräfte der Natur zu pervertieren, aber Roger Leloup hat daraus eine sehr bodenständige, aber unterhaltsame Geschichte gemacht. Immer wieder ragt der Kontrast zwischen noch utopischer Technik und dem historischen Hintergrund der Burg Eltz und seine Umgebung heraus. Außerdem gibt Leloup auch den anderen Figuren von Yoko Tsunos Team ein wenig mehr zu tun. Es ruht also nicht mehr alles auf den Schultern der kleinen Japanerin. Was dem Band fehlt, ist die emotionale Handlungsebene im Vergleich zu „Zwischen Leben und Tod”. Mit dem vorliegenden Abenteuer werden die „Yoko Tsuno“-Alben noch utopischer, in späteren Bänden überwiegen die Science Fiction-Elemente und Roger Leloup schafft in unserer Gegenwart eine fiktiv utopische Gegenwelt. Mit kleinen Gesten und Details sorgt er dafür, dass sich insbesondere die realistische Handlungsebene vertraut bleibt.


Der Aufbau der einzelnen Storys ist auf den ersten Blick ein wenig zu ähnlich. Durch einen Zufall kommt Yoko einem potentiellen Verbrechen - in zwei der drei Geschichten ist es tatsächlich eine kriminelle Handlung, in der mittleren Geschichte eine Art Mundraub, der zwar juristisch nicht untermauert ist, dessen Motive der Leser allerdings am Ende zu verstehen beginnt - auf die Spur, die Verdächtigen charakterisieren sich auch sehr schnell heraus. Yoko Tsuno muss mit einigen waghalsigen Aktionen Beweise für ihre Vermutungen sammeln und wird damit eine direkte Zielscheibe der/des Täters. Am Ende wird sie mit einer phantastischen Erfindung - in allen drei Alben, auch wenn insbesondere in der ersten Geschichte der Bau schon einige Jahrhunderte zurückliegt - konfrontiert, die für die Menschen, wenn sie in falsche Hände fällt, schwerwiegende Konsequenzen hat und kann als Ein-Frau-Kampfgeschwader mit Intelligenz und Kung Fu die Situation bereinigen. In zwei der drei Fälle dienen ihre beiden Freunde im wahrsten Sinne des Wortes nur als Stichwortgeber, nur in der letzten Geschichte haben sie eine wirklich tragende Rolle.

Trotz einiger aus heutiger Sicht übertrieben naiver Sequenzen - mit einem Surfbrett an einen Frachter heranfahren und schließlich eine zufällig herunterhängende Leine greifen! - sind die Geschichten immer noch ideenreich und unterhaltsam. Die mit viel Liebe zum Detail gefertigte Sammelausgabe wird nicht nur die alten „Yoko Tsuno“-Fans ansprechen, sondern der attraktiven japanischen Kindfrau - vom Geiste her erwachsen, vom Körper her noch sehr sehr jung - einige neue Fans bringen. In den siebziger Jahren haben die atemberaubenden Abenteuer in der Tradition einer entschärften „Modesty Blaise“ mit einem jugendfreien „James Bond“ kombiniert mit ihren für die damalige Zeit neuartigen Ideen sicherlich frischer gewirkt, jetzt sind sie wie guter Wein gereift und der Leser kann sich auch auf Roger Leloups schöne Zeichnungen konzentrieren.

hinzugefügt: December 9th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Carlsen Comics
Hits: 4446
Sprache: german

  

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