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Stroud, Jonathan: BARTIMÄUS - DAS AMULETT VON SAMARKAND (Buch)

Jonathan Stroud: Bartimäus -Das Amulett von Samarkand (The Bartimäus Trilogy -The Amulet of Samarkand, Originalverlag Random House, London) aus dem Englischen übersetzt von Katharina Orgaß und Gerald Jung, cbj Verlag 2004, Hardcover, Titelillustration David Wyatt, 540 Seiten, Euro 18.90

Von Carsten Kuhr

Selten wurde für ein Buch auf den Spuren Harry Potter so die Werbetrommel gerührt, wie für den ersten Teil der sogenannten Bartimäus Trilogie. Dem Verlagswerbetext zufolge übernachtete ein Filmproduzent vor der Haustür des Autors, um sich die Filmrechte zu sichern, die Buchrechte an dem Werk wurden bis dato in 28 Länder verkauft.
Nun, in den letzten Jahren nach dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg Harry Potter´s zu einem weltweiten gigantischen Bestseller machten sich so einige Autoren auf, dem zauberbegabten Internatssprössling Paroli zu bieten. Eoin Colfer's „Artemis Fowl“ (dt. im List Verlag), der es bislang auf drei Romane brachte, bot uns einen der Bösen als Helden der Abenteuer, von Stephen Elboz´ „Nick Stixby“ (dt. im Fischer Verlag) erschienen bislang zwei Bücher eines talentierten jungen Zauberers. Auch Peter Freund hat bereits zwei Titel um seine Heidin Laura (dt. bei Ehrenwirth) vorgelegt.
Nun also macht sich wieder ein Autor von der Insel auf, den Potterhungrigen Leservolk Nachschub zu offerieren.

Der Autor entführt uns, ähnlich wie Rowling in ein zeitgenössischen England, das ein wenig anders ist, als das uns Bekannte. Die Welt wird von Zauberern regiert. Nach dem Untergang des atlantischen und ägyptischen Reiches, und nachdem Prag der Dekadenz anheim gefallen ist, wird von London aus das übermächtige Empire regiert. Der Premierminister und seine Kabinettskollegen, natürlich allesamt hochrangige Zauberer bestimmen über die Geschicke der Welt. In dieser Welt wächst einer unserer Erzähler, der zwölf jährige Nathanael heran. Seine Eltern geben ihn mit sechs Jahren bei staatlichen Zaubereiamt ab, und er kommt, wie alle zukünftigen Zauberer, zur Ausbildung zu einem der etablierten Mitglieder des Establishments. Sein despotischer Pflegevater zeichnet sich durch Duckmäusertum und Mittelmässigkeit aus. Eines Tages wird Nathanael im Beisein seines Ausbilders von Lovelace, einem eingebildeten Adeligen beschimpft und vermöbelt. Nathanael ist tödlich beleidigt und sinnt auf Rache. So unfähig sein Lehrer auch ist, er hat eine reichhaltig bestückte Bibliothek voller Zauberbücher. Und unser angehende Zauberer ist ein Naturtalent. Unbedarft, aber clever macht er sich an die Beschwörung eines Dschinn´s. Und wahrlich, nicht irgendein Dschinn von der Stange, nein es muss schon etwas Besonderes sein! Vorhang auf für den einzig wahren Bartimäus. Schon unter dem Bann durch König Salomon kam er zu Ruhm und Ehren. Zwar gibt es Dschinn´s, die grösser und kräftiger sind als er, aber gerissener ist keiner. Die beiden so ungleichen Helden sind sich nicht eben grün. Bartimäus würde seinen Herren und Meister am liebsten in der Luft zerreissen, Nathanael ist stolz, blasiert und selbstherrlich. Den Auftrag, dem aufgeblasenen Lovelace ein magisches Kleinod zu entwenden entpuppt sich als schwieriger als erwartet. Dessen Anwesen ist durch Kobolde und Dschinn abgesichert, wie der Tower von London. Doch Bartimäus lässt sich durch solche Widrigkeiten natürlich nicht schrecken. Dann aber stellt sich heraus, dass das Amulett kürzlich aus der Hochsicherheitsverwahrung der Regierung gestohlen worden war, nur die Leiche eines der Aufpasser blieb zurück. Nathanael und sein Dschinn machen sich auf, das Mysterium zu ergründen. Sie stossen auf eine Verschwörung allerersten Ranges, einen Verrat, der den Premierminister das Leben kosten soll. Klar, dass es nun gilt, den feisten Anschlag zu verhindern...

Auf dem unübersichtlichen Markt der Fantasy Jugendbücher tummeln sich unzählige Romane. Bartimäus wirkt dabei auf mich, wie eine Briese frische Luft in einem Raum voller stinkenden Qualm. Intelligent; überraschend unverbraucht und gut durchstrukturiert konzentriert sich der Autor auf seine beiden Erzähler. In abwechselnden Kapiteln lässt der Autor seine beiden so ungleichen Protagonisten die spannende Geschichte erzählen. Ich muss zugeben, dass mich die Abschnitte, in denen unserer wackere Dschinn die Handlung vorantreibt mehr gefesselt haben, als die Teile, in der uns Nathanael sein Herz ausschüttet. Die nicht eben von Minderwertigkeitskomplexe geplagten Berichte des Geistes über ihre phantastischen Abenteuer lesen sich sehr vergnüglich und kurzweilig. Dazu tragen in nicht unerheblichem Masse die von Bartimäus beigefügten Fussnoten erheblich bei. Wenn der Dschinn aus seinen reichhaltigen Erfahrungen vom Leder zieht, seine oftmals zynischen, aber immer treffenden Kommentare abgibt, das hat schon was, da bekommen alle ihr Vett weg. Das ist locker, flockig formuliert, trifft aber meistens ganz genau ins Schwarze. So störend auch die Unterbrechung des Leseflusses ist, so klein gesetzt die Anmerkungen auch sind, ich zumindest haben mir beim Aufschlagen jeder neuen Seite erst einmal angeschaut, ob mich wieder ein Bonmot aus Bartimäus'scher Feder erwartete. Ein wenig, aber wirklich nur ein wenig erinnerten mich diese Textpassagen an entsprechende Anmerkungen Terry Pratchett in seinen Scheibenwelt Romanen. Ansonsten geht der Autor ganz geschickt vor. Ungleich vielen seiner Kollegen startet er nicht langsam, führt seine Gestalten nicht behutsam ein. Nein, er beginnt mit der Beschwörung Bartimäus´ durch unseren Zaubereleven. Er präsentiert uns eine Welt, die so ähnlich aufgebaut ist, wie die uns Bekannte. Spannend dann zu verfolgen, in welchen Aspekten die Welten voneinander differieren, aber auch wo Gemeinsamkeiten vorherrschen. Die scheinbar universelle Machtgier der Politiker, Neid und Missgunst der Menschen, aber auch der Dämonen untereinander, die Hackordnung, die sich quer durch alle Spezies zu ziehen scheint, sorgte für so manches amüsierte Schmunzeln bei mir. Manchmal aber fühlte ich mich auch ertappt und fand Aspekte von mir und meinen Handlungsweisen in den Gestalten des Plots wieder. Mit der Wahl des erzählenden Duos hat der Autor, der aus dem Metier stammt einen guten Griff getan. Als ehemaliger Lektor von Jugend- und Kinderbüchern weiss er, was das Publikum erwartet – und enttäuscht seine Leser. Sein junger, entwicklungsfähiger, talentierter noch etwas unbeholfenen Held, er ist gar zu eingebildet um wirklich zu einem Liebling a la Harry P. zu werden. Und der alte Hase im Geschäft, der mit einer gewissen Abgeklärtheit und Distanz, aber doch jederzeit mitten im Geschehen stehend das Wasser am Kochen hält, und die scheinbare Übermacht des Gegners mit Fortune aber auch einer grossen Portion Gerissenheit und Erfahrung auszugleichen vermag, ist einer der Bösen, einer der nichts lieber täte, als Jeden in seiner Umgebung umzubringen, um endlich wieder frei zu sein. Stroud schrammt bewusst haarscharf an den üblichen Klischees vorbei, und gerade dies verleiht dem Buch eine Frische und Eigenständigkeit, die gefällt. Der Autor kreiert dabei teilweise skurrile, aber auf jeden Fall interessante, weil unverbrauchte Gestalten und Wesen, die teilweise bewusst überzeichnet dargestellt werden. Kobolde, Dschinn und andere Geister die nach entsprechendem Studium der Zauberformeln beschworen werden, und die die einzige Quelle für die zauberische Macht der herrschenden Elite darstellen sind somit etwas ganz anderes als die naturgegebenen Kräfte der Hogwarts Zöglinge. Überhaupt ist das Buch anders angelegt, als der Bestseller. Wir haben nur eine jugendliche Identifikationsfigur, die Handlung ist deutlich mehr auf einen älteren, bewussteren Leser zugeschnitten. Das Buch macht Appetit auf mehr, nein, es macht süchtig. Mich interessiert, wie sich der weitere Lebens- und Karriereweg Nathanael gestaltet, wann er über seine eigenen Beine stolpert, wenn er den Mund einmal wieder zu voll genommen hat. Aber ganz besonders möchte ich die Lebensweisheiten des auf seine Art weisen Dschinn nicht missen.


hinzugefügt: July 28th 2004
Tester: Carsten Kuhr
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