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Die Abenteuer des David Balfour (DVD)

Die Abenteuer des David Balfour
BRD/F/CH/Österreich 1978, Regie: Jean Pierre Decourt, mit Ekkehardt Belle, David McCallum, Aude Landry, Patrick Magee, Patrick Allen u.a.

Von Thomas Harbach

Zwischen den beiden auf Jules Vernes Romanen basierenden Advents-Vierteilern „Michael Strogoff“ und „Mathias Sandorf“ schlich sich die Adaption von Robert Louis Stevensons Geschichte „Kidnapped“ ein. Zwölf Jahre nach dem Erfolg der „Schatzinsel“ wieder eine so typisch britische Geschichte, angesiedelt im schottischen Hochland unter britischer Besatzung. Der Stoff ist schon zweimal fürs Kino verfilmt worden – 1938 und 1960 -, aber eine so umfangreiche Umsetzung in Form eines Vierteilers hat es noch nicht gegeben. Es ist ein klassisches Abenteuergarn mit einem jungen und jugendlich naiven Helden, der aus seiner vertrauten Umgebung gerissen durch die verschiedenen Abenteuer zu einem verantwortungsvollen Mann wird. Klassischer Walter Ulbrich- Stoff. Dieses Mal hat der Produzent Ulbrich den Roman zusammen mit dem englischen Autor Peter Graham Scott zu einem Konzept umgearbeitet, das eigentliche Drehbuch schrieb der französische Dramaturg Eric Paice.

Nach dem Erfolg der „Schatzinsel“ ist Robert Louis Stevenson von seinen Verlegern genötigt worden, eine Fortsetzung zu schreiben. Das lehnte er ab. Der eigensinnige Autor wollte trotz seiner finanziellen Probleme und seiner angegriffenen Gesundheit eine anspruchsvolle Geschichte verfassen. Er stieß auf die Aufzeichnungen des Pastors Robert Forbes, der sich in einem mehrbändigen Werk mit dem Schicksal der von den Briten gefangenen Highlander nach der Schlacht von Culloden auseinandergesetzt hat. Viele dieser Gefangenen wurden hingerichtet oder in die Sklaverei verkauft. Für den gesellschaftskritischen Stevenson eine ideale Einstiegsbasis, den er verabscheute den Hochmut seiner britischen Mitmenschen. So wird aus dem jungen David Balfour ein angehender Jura- Student wie sein Alter Ego Stevenson. Weiterhin benennt ihn der Autor nach dem Mädchennamen seiner Mutter. Die Arbeit an David Balfour ging durch seinen sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand nur schleppend voran. Nach einer Fieberattacke verwarf Stevenson das erste Konzept und verbrannte das Manuskript. Stattdessen schrieb er innerhalb von drei Tagen „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Nur die ersten beiden Teile seiner Saga „Kidnapped“ und „Catriona“ kann Stevenson vor seinem frühen Tod auf seinem selbst gewählten Exil in der Südsee veröffentlichen. Sie gelten nicht zuletzt aufgrund der meisterhaften und nuancierten Charaktere der Protagonisten, der heroisch uminterpretierten schottischen Geschichte und seiner souveränen Handlungsführung als Höhepunkte seines literarischen Schaffens. Auch wenn „Die Schatzinsel“ und seine Schauermär die beiden Bücher an Verkaufszahlen und im 20. Jahrhundert an Verfilmungen übertreffen, sprechen die Abenteuer David Balfours mehr aus der Seele Stevensons und zeigen seine Haltung gegenüber den verachteten Mitmenschen sehr deutlich.
Mit sieben Millionen DM ist „David Balfour“ eine der teuersten Produktionen. Und trotzdem hat das Budget nicht für alle Szenen gereicht. Insbesondere die in Rückblicken gezeigte Schlacht von Culloden ist aufgrund der wenigen Statisten eher ein kleines Geplänkel geworden. Hier hilft weder der obligatorische Nebel, noch eine sehr bewegliche Kamera. In dem Moment, in dem sich die beiden „Heere“ zur Schlacht aufstellen, erkennt der Zuschauer, wie wenige Soldaten/Statisten dem Team zur Verfügung gestanden haben. Dass man die Schlacht in der Form eines Rückblicks in die laufende Handlung integriert und so den Zuschauer unauffällig durch einen Augenzeugenbericht historisch auf Augenhöhe mit dem teilweise unglaublich naiven David Balfour bringt, ist ein sehr geschickter Schachzug. Die eigentliche Handlung, die zu diesem Zeitpunkt auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen parallel läuft, wird nicht unterbrochen und im Gegensatz zu den frühen Vierteilern verzichtet auch Walter Ulbrich auf oft die Stimmung negierende Off-Kommentare. Es gibt keinen übergeordneten Erzähler, nach einer kurzen historischen Einführung beginnt die Lebens- und Leidensgeschichte des David Balfour mit der Landung eines fremden Mannes an der Nebel verhangenen Küste Schottlands. Alan Breck ist heimlich nach Schottland zurückgekehrt, um eine Mission für seinen im Exil lebenden schottischen König zu übernehmen. Die englischen Truppen lauern ihm auf. Er kann im letzten Moment fliehen.

Schottland im Jahr 1751 ist von den Engländern besetzt. Der störrische schottische Widerstand wird von den Engländern drakonisch bekämpft. Der siebzehnjährige David Balfour wird nach dem Tode seines Vaters nach Edinburgh in das Haus seines Onkels geschickt. Erst als er den geizigen und kauzigen Mann näher kennen lernt, erkennt er die Wahrheit. Balfours Vater ist der ältere Bruder gewesen. Aus obskuren Gründen hat er auf das umfangreiche Familienerbe verzichten müssen. Als er seinen Onkel zur Rede stellt, droht dem naiven Balfour plötzlich eine tödliche Gefahr von seinem Onkel Ebenezer, der ihn an Bord der Brigg Covenanter lockt, um ihn nach Amerika verschleppen zu lassen. Entweder überlebt er die Überfahrt nicht, oder er soll dort als Sklave verkauft werden. Durch einen Zufall nimmt die Brigg einen schottischen Edelmann in französischen Kleidern an Bord, deren Ruderboot sie im dichten Nebel versenkt haben. Alan Breck wird zu Balfours einzigem Verbündeten, nicht zuletzt, weil die Besatzung um den hinterhältigen Kapitän an Brecks Geld gelangen möchte. Danach soll er den Engländern ausgeliefert werden. Balfour und Breck können mit Mut und Intelligenz sich den Angriffen erwehren. Aus Dankbarkeit schenkt ihm Breck einen Knopf, der Balfour im schottischen Hochland alle Türen öffnen könnte. Nur begibt er sich damit direkt in den schwelenden Konflikt zwischen englischen Besatzern und schottischen Widerständlern. Als ein englisches Kriegsschiff die Brigg unter die Küste zwingt, droht es zwischen den Klippen zu zerschellen und alle Besatzungsmitglieder in den Tod zu reißen. Nach dem Untergang der Brigg Covenanter ist David noch einmal mit dem Leben davongekommen. Als ihn an Land ein Hochländer überfallen will, zeigt er ihm einen Knopf, der ihm bei allen Stewart-Anhängern Hilfe zusichert. David erfährt, dass Alan Breck im Hause seines Vetters James Stewart auf ihn wartet. Auf der Reise dorthin wird er in ein Attentat verwickelt. Man verdächtigt David der Beihilfe an dem Mord, den Breck begangen haben soll. Die Flucht durch das Hochland mit Alan Breck wird zu einem strapaziösen Abenteuer. Schließlich kehren sie nach Edinburgh zurück. Hier will David den Erbanspruch gegen seinen Onkel durchsetzen. Er ahnt nicht, dass er im Grunde vom Regen in die Traufe kommt.

Mit Jean- Pierre Decaurt übernahm ein Routinier die Regie. Er hatte den unmittelbar davor ausgestrahlten Advents-Vierteiler „Michael Strogoff“ zu einem Publikumserfolg gemacht. Die erste große Schwierigkeit, die Decaurt überwinden musste, ist das Tempo der gesamten Inszenierung. Bei „Michael Strogoff“ reist der Kurier des Zaren in das ferne Sibirien, um eine dringende Botschaft zu überbringen. Der Zuschauer verfolgt auf Schulterhöhe dessen zeitlich sehr eng abgesteckte Mission. Im vorliegenden „David Baflour“ ist der junge Mann über weite Strecken ein Spielball seines Schicksals. Nachdem er das Haus seines Onkels durch einen naiven Trick wieder verlassen musste, befindet er sich auf der Flucht vor den Rotröcken und muss sich mit seinem Freund Alan Breck verstecken. Erst am Ende des zweiten Teils kehrt wieder so etwas wie Normalität in sein Leben ein. Während Strogoff sich nicht nur vor seinen Feinden verstecken kann und muss, sondern vor allem in das Herz ihrer Macht vordringen wird, bleibt Davide Balfour insbesondere in der ersten Hälfte des teilweise sehr gestreckten Abenteuerfilms ein passiver Charakter, der mit seinen außergewöhnlichen Ideen und dem fehlenden arroganten Stolz der Highlander – der Film bleibt konsequent bei der englischen Bezeichnung, wahrscheinlich um das exotische Flair einer selbst verliebten Gruppe von Schotten aufrecht zu erhalten – Breck aus mancher Schwierigkeit holt. Michael Strogoff ist nicht zuletzt dank Raimund Harmstorf ein Übermann gewesen, stoisch seinem Herrn und dem Auftrag ergeben, von körperlich ungewöhnlicher Kraft und teilweise grenzenloser Naivität. Ein Werkzeug der Macht, dem sich der Zar bedient, um seine eigene Schreckensherrschaft aufrechterhalten zu können. David Balfour beschreibt den Reifeprozess eines jungen Menschen. Gleich zu Beginn muss ihn der Pfarrer davor warnen, sich mit den Hochländern abzugeben, die gegenüber dem englischen König nicht loyal sind. Dass diese Warnung gleich am zweiten Tag allerdings aus der Not heraus, in den Wind geschlagen wird, ist eine der vielen ironischen Noten des Films. So leiht Balfour einem hübschen Mädchen ein Geldstück, wird von seinem Freund Alan Breck später aufgezogen, dass Balfour auch noch unschottisch Geld verleiht. Einen Augenblick später muss sich der spielsüchtige Breck vom übermüdeten Balfour dessen restliches Geld leihen, das er ebenfalls verspielt. Breck selbst ist der Diener des im französischen Ausland lebenden Prinzen und Thronanwärters. Er sammelt den Zehnten ein, um dessen Leben im Exil zu unterstützten. Die Briten plündern ebenfalls die schottische Landbevölkerung aus Mehr als einmal muss Breck erfahren, dass die Unterstützung für den Exilanten größer wäre, würde er zusammen mit den Landsleuten in der eigenen Heimat leiden. Breck ist auf der einen Seite der arrogante Edelmann, später muss ihn David Balfour helfen, nachdem er die Landgüter seines Onkels zumindest teilweise überschrieben bekommen hat. Sein Onkel ist der rücksichtslose Opportunist und Geizhals, der sprichwörtlich von Hafergrütze lebt, um das ideale Klischee des schottischen Geizhals zu charakterisieren. Balfour lernt im Verlauf des Films nichts nur Gefahren kennen, sondern auch die Liebe. Während er in den ersten beiden Teilen der Adventsserie eher passiv wirkt, jeweils den überdimensionalen Heldenfiguren wie Alan Breck und Kapitän Hoseason zu einem treuen Stichwortgeber wird, ist er in den letzten beiden Folgen ein ambivalenter, gereifter Mitstreiter. Das geistige Potential ist von Beginn an vorhanden, die körperliche Reifung kann der Zuschauer verfolgen. Breck bringt ihm das Fechten bei, Hoseason durch seine brutale Art das Überleben in Extremsituationen.

Ulrich und Decaurt haben sich bei „David Balfour“ auf die klassischen, aber hier gut funktionierenden Mechanismen der Abenteuerliteratur verlassen, die sich heute vor allem in den phantasievollen Jugendbüchern wieder finden. Dazu bedienen sie sich neben einem sehr guten Schauspieler-Ensemble, auf das später noch eingegangen werden soll, vor allem der grandiosen Natur der schottischen Highlands. Gleich zu Beginn entsteigt Alan Breck dem Beiboot des französischen Frachters, der ihn in seine Heimat zurückbringt. Die erste Verfolgung geht über vom Nebel benetzte Klippen. Später marschieren Breck und Balfour zu Fuß nach Edinburgh. Über die immer Nebel verhangenen Berge und durch die grünen Täler. Vorher strandet das Schiff, das Balfour und unfreiwillig Breck in die neue Welt bringen soll, an den schottischen Klippen. Auf den ersten Blick erkennt das geschulte Auge, dass die Schiffe im Gegensatz zu den Kostümen und teilweise den um Bristol herum gefilmten Schlössern nicht aus der Zeit der Handlung stammen, dazu kommt die Tatsache, dass das Budget ein richtiges Auflaufen der Schiffe nicht einplanen konnte. Decaurt versucht mit einer Mischung aus Frontalen und schnellen Schnitten das Scheitern des kleinen Schiffes authentisch darzustellen, es wirkt allerdings nicht überzeugend. Wer insbesondere diese Szenen mit „Zwei Jahre Ferien“ vergleicht, wird feststellen, dass der Fokus nicht auf Balfours kurzzeitigen nautischen Erlebnissen liegt.

Eine solche Geschichte kann allerdings nur erzählt werden, wenn die Rollen entsprechend gut besetzt worden sind. Mit dem vierundzwanzigjährigen Ekkehardt Belle wird die Titelrolle besetzt. Er ist bislang nur in kleinen Produktionen aufgetreten. Da David Balfour insbesondere zu Beginn des Films ein naiver Jüngling mit der Unerschrockenheit des Unwissenden ist, gelingt es ihm sehr gut, seine eigene Unsicherheit, das erste Mal in einer Großproduktion mit soliden und vor allem erfahrenen Schauspielern aus verschiedenen Ländern auftreten zu dürfen, in die Rolle zu übertragen. Insbesondere in der ersten beiden Teilen kann er sich nur schwer aus dem Schatten der drei Männer lösen, die sein Schicksal bestimmen. Der britische Routinier Patrick Magee übernimmt die Rolle des geizigen und bösartigen Onkels. Auch wenn seine Rolle im Vergleich zu einigen anderen Charakteren relativ klein, aber wichtig ist, überzeugt Maggee mit einer Mischung aus Aggressivität und Bosheit. Um die Produktion insbesondere für ein Fernsehpublikum attraktiver zu machen, wird der bekannte britische Seriendarsteller David McCallum („Solo für O.N.C.L.E“ ) für die Gage von 150.000,-- DM verpflichtet. Peter Fricke übernimmt die deutsche Synchronisation. Es ist vielleicht einer der Zufälle der Filmgeschichte, dass die deutsche Stimme mit ihrer unterschwelligen Art den Charakter erst abrundet. Mit seiner wilden blonden Mähne, seinem sportlichen Gebaren, ist McCallum eine imposante Erscheinung und der Rolle gewachsen. Mit der aber feinen, sehr nuanciert betonenden Stimme wird Alan Breck erst zu einem Charakter, der insbesondere im ersten Teil seine Stärken wie Mut und Entschlossenheit, im zweiten Abschnitt seine Schwächen wie Spielsucht und seinen wechselhaften, auch leicht zu erschütternden Charakter zeigen darf. Insbesondere nachdem er erkennt, dass er außer David Balfour keinen wirklich aktiven Unterstützer mehr hat, weist seine Figur mehr sehenswerte Facetten auf. Bernhard Wicki als der auf der einen Seite vordergründig ehrbare Kapitän – er rühmt sich, niemals einen Menschen selbst getötet zu haben, wozu hat man Helfer? – auf der anderen Seite der gierige Pirat ist eine wunderbar exzentrische Figur, welche den Blick des Publikums wie magisch anzieht. Er beherrscht seine Szenen und spielt in den verbalen Duellen vor allem David McCallum locker an die Wand. Wicki spielt seine Figur sehr körperbetont und mit sichtlichem Vergnügen. Die weiblichen Nebenrollen gehen an die erst sechzehnjährige Französin Aude Landy, die vor allem in den ersten beiden Teilen ihr schönes Gesicht nur leidend verziehen muss und Jutta Speidel. Als Schwester des Staatsanwalts soll sie die junge Drummond manipulieren, hat aber außer dem Austragen von schönen Kleidern verhältnismäßig wenig zu tun. Die internationale Crew harmoniert im Vergleich zu einigen anderen Vierteilern sehr gut miteinander. Insbesondere die unerfahrenen Drummond und Belle werden hervorragend von den „Profis“ unterstützt und so besteht „David Balfour“ nicht nur aus charismatischen Helden, sondern vor allem dreidimensionalen und gut gezeichneten Antagonisten. Und das alles in den Augen der Rotröcke, die im Zweifel immer als Bedrohung skizziert werden, aber nur selten über den Status eines Stichwortgebers hinausgehen. Sie wirken im Vergleich zu den oben skizzierten Bösewichtern wie eindimensionale Klischees und stellen nicht das erwartete Spannungselement dar. Insbesondere im zweiten Teil der Serie, der ausschließlich aus Balfours und Brecks Marsch auf Edinburgh besteht, sollen die britischen „Schurken“ die Fahne der Bedrohung hochhalten und zeigen, dass sich die Schlinge immer enger um die beiden Flüchtigen zieht. Ein Vorhaben, das scheitert und den Vierteiler im Nachhinein nach einem flotten Auftakt sehr langatmig erscheinen lässt. Hier wäre es sinnvoll gewesen, auf den zweiten Part gänzlich zu verzichten und die wenigen wichtigen Informationen auf die anderen Teile zu übertragen. Wie schnell auch relevante Ereignisse abgehandelt werden können, zeigen die letzten fünf Minuten des Films, in denen Balfours Onkel eine Fall gestellt und später Balfour als Haupterbe eingesetzt wird. Aus der Sicht der Charaktere kommen sich Balfour und Breck auf einer gleichen Ebene näher, der Zuchauer erkennt, dass David Balfour immer selbstsicherer wird und Breck sein teilweise sehr arrogantes Gehabe verliert. Aus dieser Perspektive ist es wichtig, den Figuren Raum zu schenken, aber hier wird ein wenig zu viel Raum angeboten.

In einigen anderen sehr populären Vierteilern hat sich der Produzent Ulbrich auf einen Kernroman konzentriert. Um diesen roten Faden herum sind Elemente anderer Bücher des gleichen Autoren platziert worden. Im Falle „David Balfour“ liegen zwei gleichberechtigte Romane vor, die Stevenson im Abstand von mehreren Jahren geschrieben hat. Während die ersten beiden Teile in einer Linie eine klassische Abenteuergeschichte sind, beginnt sich Stevenson mit seinem zweiten Roman mit dem Bürgertum, der Arroganz der Highlander und vor allem der Thematik Politik kontra Gerechtigkeit auseinanderzusetzen. So interessant die Idee auch sein mag, wenn der Zuschauer zum wiederholten Male auf die Clandifferenzen hingewiesen wird, die Stuarts sich von den Calahans abheben und anders herum und schließlich der naive David Balfour mit seiner ungestümen Art mehr Schaden als Nutzen anrichtet, dann wirkt dies ermüdend. Im dritten Teil der Serie versucht Balfour seinen Freund Alan Breck, seinen Gastgeber, der inzwischen wegen Hochverrat im Gefängnis sitzt und schließlich sich selbst vom Verdacht des Mordes freizubekommen. Funktionierten die beiden ersten Abschnitte durch die Freundschaft zwischen Balfour und Breck, sowie die Notwendigkeit, dem anderen immer wieder aus unterschiedlichen Klemmen zu helfen, sehr gut, dient der dritte Teil im Grunde nur als politische Abrechnung. Breck wird unter leichteren Schwierigkeiten wieder nach Frankreich verschifft, ist aber nicht glücklich. Balfour bringt sich selbst in Schwierigkeiten, als er mit dem hinterhältigen britischen Staatsanwalt kümmelt und die Handlung tritt mehr oder minder auf der Stelle, weil die charismatischen Antagonisten fehlen. Die Geschichte wirkt langatmiger, als sie in Wirklichkeit ist. Die Geduld des Zuschauers wird auf die Probe gestellt. Mit einer Rückblendenstruktur – von Beginn an – hätte das Team um den Regisseur Decaurt die Geschichte spannender erzählen können. Auf der anderen Seite wird die wichtige und brisante Thematik von Ehre und Freundschaft auf der einen Seite, sowie Opportunität und Gutdünken auf der anderen Seite zu oberflächlich abgehandelt. Hier geht Stevensons Geschichte deutlich mehr in die Details und scheut sich nicht, dank des naiven, aber optimistischen David Balfours, insbesondere der bürgerlichen Gesellschaft Edinburghs den Spiegel ins Gesicht zu halten. Die Verfilmung bemüht sich in erster Linie einen spannenden Stoff zu zeigen, darum fallen die kritischen Ansätze über weite Strecken unter den Tisch und das dickköpfige Verhalten David Balfours erfordert vom Zuschauer unnötig viel Geduld. Mit einer etwas geschickteren Handlungsführung hätte insbesondere der dritte Teil der Serie eine vielschichtige und vor allem zeitlose Idee abhandeln können und müssen. So ist es weder Fisch noch Fleisch. Nur die detaillierten Sets und vor allem die stimmigen Kostüme fangen das Auge des Betrachters wieder ein. Erst mit dem vierten Teil und der Auflösung des politisch brisanten Plots nimmt der Spannungsbogen wieder deutlich an Fahrt auf und endet auf einer zumindest befriedigenden Note.

„Die Abenteuer des David Balfour“ ist gelebte britische Geschichte aus der Perspektive eines kritischen, aber nicht unbedingt hinterfragenden Geistes. Stevenson und damit diese adäquate Adaption zeigen die komplexen familiären Strukturen innerhalb der Highlandsclans, die Abneigung der Schotten gegen die Lowlander und das fehlende verbindende Element. Auf den Heroismus der Heldenballaden wird zugunsten einer insbesondere im ersten Viertel spannenden Abenteuergeschichte vor malerischen Kulissen verzichtet. Die Schauspieler sind durchweg überdurchschnittlich. Insbesondere Magee, Wicki und McCallum beherrschen ihre Kunst, wobei die säuselnde deutsche Stimme erst die Figur des Alan Brecks abrundet. Zu Beginn ist sie gewöhnungsbedürftig, aber Peter Fricke hat den Charakter sehr gut im Griff und gibt McCallums manchmal unnötig stoischem Gesicht die richtigen Emotionen.

Auf der anderen Seiten weist der Vierteiler insbesondere im zweiten und dritten Teil unnötige Längen auf. Der Zuschauer möchte wissen, wie die eigentliche Geschichte weitergeht, während das Team um Decaurt eine Verschwörung nach der anderen aus dem Hut zaubert. Auch wirkt die Motivation einzelner Nebencharaktere eher bemüht, als überzeugend. Im Gefolge von „Michael Strogroff“ als einer der linearsten Geschichten hatte es „David Balfour“ beim Publikum schwer, im Abstand von dreißig Jahren ist die Geschichte allerdings gereift und wirkt heute sehenswerter als bei seiner Erstausstrahlung.

Concorde Home Entertainment hat den Vierteiler wieder mit einem schön bebilderten Booklet ausgestattet. Dazu kommen laufende Produktionsnotizen und Bilder von den Schauspielern und Dreharbeiten auf der zweiten DVD. Die Bildqualität ist durchwachsen. Man erkennt deutlich, dass das Team auf verschiedene Rohmaterialien zurückgreifen musste. Während die Farben noch realistisch sind und vor allem die Landschaftsaufnahmen sehr gut wegkommen, wirken einige der Nahaufnahmen zu hell und unscharf. Die Kontraste sind manchmal sehr weich. Der Ton ist allerdings klar und gut verständlich. Concorde hat mehrmals darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, überhaupt entsprechendes Originalfilmmaterial für die Advents-Vierteiler zu erhalten. Sie sind nicht immer pfleglich in den Archiven behandelt worden. Um überhaupt die beliebten Serien präsentieren zu können, sind Kompromisse eingegangen worden. Und wer damals in den Urzeiten des Videorekorders die Serien nicht aufgenommen und sehr pfleglich behandelt hat, bleibt keine andere Wahl, als auf die akzeptablen einzig zugänglichen Fassung Concordes zurückzugreifen. Viele modernere Filme werden in einem deutlich schlechteren Zustand präsentiert.

DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (Vollbild)
Ton: deutsch Dolby 1.0 Mono

hinzugefügt: September 10th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Concorde Home Entertainment
Hits: 3160
Sprache:

  

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