Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Sherlock Holmes Collection Teil 3 (DVD)

Sherlock Holmes Collection Teil 3
USA 1944/1945

Von Thomas Harbach

Mit der dritten „Sherlock Holmes“:Collection legt Koch Media drei Filme aus dem Mittelteil der Serie auf, in denen sich die Produzenten an die Vereinbarung mit Arthur Conan Doyles Erben erinnerten, dass die Filme auf den Geschichten des Autors basieren mussten. Obwohl sie weiterhin in der Gegenwart spielen – vom Telefon bis zum Auto beherrscht Holmes die moderne Technik virtuos – haben die einzelnen Filme wieder das viktorianische England zum Vorbild und nicht den Propaganda-Feldzug gegen das Dritte Reich. Zwar greift Basil Rathbone am Ende des ersten Filmes wieder zu einer Stegreifrede, um die kanadischen Verbündeten bei der Stange zu halten, aber schon der darauf folgende Film, „Die Perle der Borgia“, ist ein klassischer „Holmes“-Krimi. Basil Rathbone wird in den Filmen zum dominierenden Ermittler, während Nigel Bruce aus seiner Rolle des Stichwortgebers zu einem Pausenclown degradiert wird. Insbesondere in dem sehr gelungenen „Die Perle der Borgia“ dienen seine verbalen Schlagabtausche mit dem überforderten, in sich selbst verliebten Lestrade einzig dazu, die dunkle Atmosphäre des Films ein wenig aufzuhellen. Die hier versammelten drei Fälle werden wieder von einer nennenswerten Anzahl empfehlenswerter Extras begleitet. Damit wird die auf den ersten Blick als Manko erscheinende Aufteilung – nur ein sechzig Minuten Film pro Disc – mehr als ausgeglichen.


Mit „Die Kralle“ aus dem Jahr 1944 verfügt die Serie im Grunde über einen würdigen Nachfolger zu „Der Hund der Baskervilles“. Es ist bezeichnend, dass Watson vom kanadischen Wein angetan in einer kleinen Dorfkneipe ausgerechnet diesen Fall kurz erwähnt. Unabhängig vom eigentlichen Plot weisen die beiden Filme eine Reihe von drehbuchtechnischen Ungereimtheiten und Schwächen auf, die in erster Linie durch den rasanten Erzählstil ausgeglichen werden sollen. Wie auch bei Doyles ursprünglichen „Holmes“-Geschichten kommt es manchmal mehr auf das „Wie“, als das „Warum“ an. In beiden Filmen wird von einem überirdischen Phänomen ausgegangen, das eine isolierte Handvoll von Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Einige werden in der abgelegenen Moorgegend – größer könnte der Verweis auf die Baskervilles nicht sein – direkt bedroht. Ein Mord geschieht. Holmes wird in „Die Kralle“ allerdings von der Toten beauftragt. Vor ihrer Ermordung hat sie ihm einige Zeilen zugeschickt, dass sie sich bedroht fühlt. Der berühmte Detektiv braucht nicht nur einige Zeit, um in Sachen des Motivs zu ermitteln, in der Zwischenzeit geschehen weitere Taten und am Ende siegt der Zufall. Der Zuschauer bleibt ein wenig verwirrt zurück, denn obwohl das Motiv – ein Zusammenhang mit der Vergangenheit der Protagonisten – herausgearbeitet wird, fehlt der schlüssige Abschluss. Alle drei Personen verstecken sich mehr oder minder zufällig in diesem abgeschiedenen Ort. Sie wissen, dass sie eine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Aber in dieser Vergangenheit haben sie der Gerechtigkeit gedient. Die junge Frau am Anfang des Films hat unter der Besessenheit des Täters gelitten, der Richter und der ehemalige Gefängniswächter anscheinend nur ihre Pflicht getan. Dadurch sind sie zu Opfern eines perfiden Mörders geworden. Diese Unschuldsvermutung wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass ausgerechnet eine der sympathischen und nachweislich unschuldigen Charakter ermordet wird. Sie steht in keinem Zusammenhang mit den Taten der Vergangenheit. Über die Ungereimtheiten hinaus ist „Die Kralle“ nicht zuletzt aufgrund dieser Szenen einen der wenigen „Sherlock Holmes“-Filme, in denen das Verbrechen aus dem geheimnisvollen Kreislauf gemeinsamer Wurzeln heraus zuschlägt. In vielen seiner Geschichten hat sich Doyle unsägliche Mühe gegeben, die Verbrechen an das Ende einer Kette von fatalen, oft von Rachsucht und Hass initiierten Ereignissen zu stellen. Hier wird dieser Kreislauf durchbrochen und der Film zeigt, dass es sich um einen wahnsinnigen, eitlen und selbstverliebten Verbrecher handelt. Außerdem einem sehr wandlungsfähigen Schauspieler. So kann Holmes bei seinen Ermittlungen trotz einer sehr guten Vorarbeit und einem grandiosen Zufall – er begegnet einem Mann im Moor, der mit spielerischer Leichtigkeit seinen Schüssen entkommt – den Täter in der Mitte des Films ermitteln und steht doch hilflos da. Der Täter entflieht mit einem gewagten Sprung aus dem Fenster. Da er ein grandioser Schauspieler und Maskenbildner ist, kann er zukünftig jedem im Dorf darstellen. Aus diesem Grund reist Holmes scheinbar ab – auch ein Motiv aus den Baskervilles – um heimlich zurückzukommen. Am Ende des Films stehen zwei finale Konfrontationen: einmal im Versteck des Täters, das er wieder aufsucht. Während Holmes in dessen Falle läuft, überfliegt scheinbar der hinkende Watson diese Konstruktion, um dann im entscheidenden Moment auf einer anderen Treppenstufe einzubrechen. Eine Erklärung für diese Ungereimtheit wird nicht gegeben. Dabei wäre es die Spannung zuträglich gewesen, wenn diese Konstruktion plötzlich geklemmt hätte. Nur der Zuschauer wäre eingeweiht und im entscheidenden Moment – Holmes wird derweil vom Täter protzend über den Namen des dritten und letzten Opfers unterrichtet – bräche Watson mit einer anderen Treppenstufe zusammen. Auch das Mordwerkzeug – eine rote Gartenkralle – wird zu Beginn von Watson fälschlicherweise identifiziert, wandert dann vom Schreibtisch des unschuldigen Polizisten in Holmes’ Hand und wieder zurück. Ob diese Waffe für alle drei Taten aufgrund eines Zufalls ausgewählt worden ist oder eine hintergründig wichtigere Bedeutung hat, erfährt der Zuschauer nicht. Auch bei den unterschiedlichen Charakteren bleibt vieles angedeutet. Der Richter, der sich ohne nähere Erklärung als Invalide ausgibt, wirkt ebensowenig überzeugend wie der Hotelbesitzer, der in der Nacht nach dem Mord aus Furcht ohne seine geliebte Tochter fliehen möchte. Als diese ums Leben gekommen ist, überwindet er seine Furcht und rächt ihren Tod. Es sind alles Hinweise, die vom eigentlichen Täter ablenken. Dabei wäre es ausrechnet in diesem atmosphärisch dichten und stimmigen Film ideal gewesen, einen wahnsinnigen Schauspieler in einem direkten Duell mit Holmes zu zeigen. Ein Meister der Verkleidung trifft auf einen Meister der Masken. Holmes und sein Antagonist begegnen sich zwar zweimal direkt im Film, beide Male im selben Raum, aber diese Begegnung wirkt eher kontraproduktiv. Ihnen fehlt der große Moment der Enthüllung, etwas Theatralik oder Dramatik. Das hier nicht überzeugend vorgetäuschte Kanada – am Ende würdigt es Holmes wieder in einer seiner inzwischen zu amüsierter Routine gewordenen patriotischen Reden – ist eine klassische englische Siedlung inklusiv Moor und Nebel. Atmosphärisch ist „Die Kralle“ eine der besten Folgen der Serie. Der Fall selbst ist voller Widersprüche und wirkt deswegen wie eine der späten Doyle-Geschichten. Dabei hätten nur ein wenig mehr Mühe und ein bisschen Nachdenken diese Schwächen ohne Weiteres ausgleichen können. Auch wenn Watson wieder als der unzuverlässige Assistent beschrieben wird – und sich den Vorwurf aufgrund seiner anfänglichen Fehldiagnose auch gefallen lassen muss – und das Duo Holmes/Watson sehr wenige ihrer typischen Szenen hat, ist „Die Kralle“ eine unterhaltsame, eine spannende Folge, der leider eine zufrieden stellende Motiverläuterung fehlt. Der Plot als Ganzes betrachtet ist geradlinig erzählt und weist sehr viele für Holmes typische Merkmale auf.

Der zweite Film der Sammlung „Die Perle der Borgias“ folgt einer von Arthur Conan Doyles Originalgeschichten sehr getreu. In „Die sechs Napoleons“ klärt Holmes die grausamen Morde an drei scheinbar in keinem Zusammenhang stehenden Menschen auf. Über die jeweils gefundenen Bruchstücke einer Napoleonfigur kommt der Detektiv an die Perle der Borgia. Der Leser hat in der Geschichte bis zum Ende hin keine Ahnung von diesem versteckten Schatz. Um die sehr kurze, aber gut geschriebene Geschichte aufzufüllen – die Adaption im Rahmen der Jeremy Brett-Reihe hat schließlich auf eine lange Rückblende zurückgegriffen, um dem Zuschauer die Geschichte der Perle vor Augen zu führen -, haben die Drehbuchautoren eine Art Vorgeschichte geschrieben. Holmes verhindert auf der Überfahrt den ersten Diebstahl der Perle, in dem er diese der hübschen Diebin mit einem Bauerntrick wieder abnimmt. Als ihm der Museumsdirektor voller Stolz die Sicherheitsmaßnahmen vorführt, ahnt Holmes nicht, dass unter den Zuschauern auch der Anstifter des ersten Diebstahls – Giles Conover – ist. Ihm gelingt es, die Perle zu entwenden, auf der Flucht wird er verhaftet, hat diese aber nicht bei sich. Zur gleichen Zeit beginnen die grausamen Morde – den Menschen wird das Rückgrat gebrochen -, welche Holmes nur aufgrund der brutalen Ausführung in einen Zusammenhang mit Conovers vorgeblichen toten Helfer, den Hoxton Creeper bringt.
Das Drehbuch basiert auf einer Reihe von Zufällen, die insbesondere die neu geschriebenen Passagen umfassen. Holmes Einsatz auf dem Schiff ist genauso unwahrscheinlich – er wird gebeten, die Perle in einer Kamera und seiner Verkleidung als Priester durch den Zoll zu schmuggeln – wie das pathetische Ende, in dem Holmes den Creeper gegen seinen Herrn hetzt. Ansonsten wäre der berühmte Detektiv – wie in den vorangegangenen Fällen – verloren gewesen. Die dazwischen liegende Handlung auf der Originalgeschichte basierend gehört allerdings zu den besten Szenen der Serie. Watson ist zwar wieder der trottelige Stichwortgeber, der mittels der Deduktion einen an seinem Ärmel klebenden Zeitungsartikel sucht. Die Opposition – von der schönen, scheinbar dem Kopf der Bande hörigen Diebin über den aus einem Universalhorrorfilm entstammenden Creeper bis zum verschlagenen, intelligenten Conover – ist eine Herausforderung für den Detektiv. Beide Seiten nutzen intensiv Verkleidungen – die nicht zuletzt aufgrund ihrer kaum verstellten Stimmen für den Zuschauer durchschaubar sind – und Ränkespiele, um die Gegenseite von der jeweiligen Spur abzubringen. Technisch ist „Die Perle der Borgia“ an die Universal-Horrorfilme angelehnt, welche die 40er Jahre beherrschten. Dunkle Gassen, niedrige Kameraperspektiven und mit dem durch eine Krankheit entstellten Rondo Hatton als willigen Erfüllungsgehilfen. In der Tradition der Monsterfilme sieht man ihn über weite Strecken des Films nur als Silhouette. Die Schattenspiele geben seiner eindrucksvollen Erscheinung den letzten bedrohlichen Schliff und Holmes gelingt es nur mit Hilfe des Elements der Verwirrung und schließlich einer Pistole, ihn endgültig zur Strecke zu bringen. Der Humor kommt aus den Wortgefechten zwischen dem trotteligen Lestrade und Watson. Einerseits dienen diese schlagfertigen Dialoge – es lohnt sich, auf die untertitelte Originalspur zu gehen – zur Auflockerung der düsteren, bedrohlichen Handlung, auf der anderen Seite nutzt das Drehbuch sehr geschickt diese beiden Figuren, um den Zuschauer auf der Höhe des Geschehens zu lassen. Er fühlt sich von dem auf einem sehr hohen Niveau stattfindenden Schlagabtausch der beiden intelligenten Männer Conover und Holmes nicht überfordert, sondern kann ihm aus der Froschperspektive folgen. Eine sehr gelungene Episode mit einer gut ausgeglichenen Mischung aus Kriminalstück und Gruselepisode.

Die Reklame für die letzte Folge dieser Sammlung – „Das Haus des Schreckens“ – lautet irreführend, dass Holmes nicht mehr gegen Kriegsfeinde ermittelt, sondern das sich das Produktionsteam wieder auf die alten Geschichten von Arthur Conan Doyle konzentriert. Diese Aussage ist in mehrfacher Hinsicht verwirrend. Schon die letzten Filme haben wieder Motive aus Doyles Geschichten adaptiert und im vorliegenden Film werden keine Fälle der Originalgeschichten verfilmt, sondern deren Motive in eine gänzlich neue Geschichte integriert. Aus den Doyle-Texten kommt die Idee aus „Die fünf Orangenkerne“ zum Tragen und eine Anspielung auf „Der Baumeister von Norwood“. Dazu eine originelle Variation von Agatha Christies „Zehn kleine Negerlein“ in Kombination mit einer effektiven „Old Dark House“-Geschichte. Schon das erste Bild des Films – das Mattepainting, das angeblich Drearcliff darstellen soll, ist im dritten „Sherlock Holmes“-Film als Sammelpunkt der Nazis schon einmal verwandt worden – zeigt, dass nichts so ist, wie man es erwartet.
Eine Gruppe von angeblich reichen, exzentrischen Junggesellen hat eine Vereinigung von treuen Kameraden gegründet. Sie leben abgeschlossen in dem einsamen, aber luxuriös eingerichteten Haus zusammen. Eines Abends erhält ein Mitglied der Gruppe einen Umschlag mit Orangenkernen. In der gleichen Nacht stürzt sein Wagen – der einzige Hinweis auf die Zeit, in welcher die Folge spielt, alles andere könnte durchaus im viktorianischen England spielen – von der Klippe. Am nächsten Tag wiederholt sich das Spiel. Wieder ein Umschlag mit Orangenkernen mit einem Kern weniger, ein tödlicher Unfall. Da die Herren hohe Lebensversicherungen auf Gegenseitigkeit abgeschlossen haben, beauftragt die Versicherungsgesellschaft Holmes, diesen Fall zu untersuchen. Kaum ist er im Schloss eingetroffen, werden weitere Taten verübt und die Gruppe der treuen Kameraden schwindet schneller, als man zählen kann. Alle Morde hinterlassen verstümmelte Körper.
Roy Chanslor übernimmt in seinem sehr gut geschriebenen, kompakten Drehbuch nicht nur die Motive aus den beiden hervorragenden Doyle-Geschichten, sondern bemüht sich, die Intention Doyles vordergründig in ein neues Drehbuch zu übernehmen, um sie dann zumindest für den Zuschauer als Farce zu entlarven. Die Orangenkerne deuten – wie in vielen „Holmes“-Geschichten – auf ein düsteres Geheimnis aus der Vergangenheit, das die unterschiedlichen Männer aneinander bindet. Eine Rache von jenseits des Grabes. Dass sich der Mörder auch noch an die eher beiläufig erwähnten Legenden von Drearcliff House hält, unterstreicht diese Intention. In einer atmosphärisch glänzenden Passage versucht Watson, die beiden letzten Mitglieder der treuen Kameraden zu beschützen. Draußen tob ein Unwetter, er wird ausgesperrt, von einer Ritterrüstung bedroht und schließlich von Holmes vor dem Wahnsinn gerettet. Neben dieser effektiven Szenen liefert Watson schließlich das letzte Beweisstück für das komplexe Verbrechen Obwohl Holmes Watson an einigen Stellen wieder wie einen willigen und billigen Handlanger behandelt, ist er am Ende erleichtert, wenn er seinen „treuen Freund“ – Originalton – aus den Händen der Mörder befreien kann. Andere Passagen zeigen Tendenzen zur Screwball-Komödie, insbesondere der erste Auftritt Lestrades in dieser Folge droht aus dem Gleichgewicht zu geraten und negiert die dunkle, bedrohliche Stimmung des erdrückenden Hauses. Hier hätte sich das Drehbuch ein wenig mehr zurücknehmen müssen. Im Vergleich zu „Die Perle der Borgias“ steht Holmes nicht effektiven Antagonisten gegenüber, die Gruppe der treuen Kameraden macht in der Christie-Tradition einen eher ambivalenten Eindruck. Mit einem guten Auge für britische Exzentriker finden sich vom Kapitän über den unsympathischen Arzt bis zum cholerischen mit deutlich homosexuellen Tendenzen und dümmlichen Schlossbesitzer alle Spielarten der gehobenen Gesellschaft. Leider fehlen die pointierten und spitzfindigen Dialoge aus den vorangegangenen Filmen. Auch Holmes’ Ermittlungsarbeit ist zum wiederholten Male auf Zufälle angewiesen. Die Auflösung des Plots ist gut gelungen, die folgenden Erklärungen allerdings an den Haaren herbeigezogen, da die Versicherungen erstens die Prämien nicht in dieser schnellen Abfolge auszahlen würde und zweitens, solange der Verdacht besteht, dass jemand aus der Gruppe selbst von den Morden und den Versicherungszahlungen profitiert, die Ermittlungen erst einmal abgewartet werden würden. Dass das Geld außerdem in Bar fließen soll bzw. ohne Probleme von den Konten abgehoben werden kann – immerhin ist die Gruppe an sich begünstigt und keine Einzelperson - , bildet das letzte Fragezeichen. Hier hat der Drehbuchautor Chanslor in seinem einzigen Sherlock Holmes sich zu sehr bemüht, auf alle offenen Fragen im Gegensatz zu Doyles Geschichten eine Antwort zu suchen.
In „Das Haus des Schreckens“ ist das Rad der Zeit konsequent zurückgedreht worden. Da die Geschichte in einem abgeschiedenen Haus neben einer kleinen, gottverlassenen Siedlung spielt, wird auf Telefone verzichtet. Holmes und Watson erreichen das Schloss mit einer Pferdekutsche und selbst Lestrade muss sich mühen, diesen Ort mitten in der Nacht zu erreichen. Der Verzicht auf Technik ist natürlich das klassische Motiv der „Haunted House“-Geschichten. Im Zweifelsfalle hätte auch ein Gewitter die Telefonleitungen außer Betrieb gesetzt. Dass die exzentrischen Mitglieder des Clubs einen modernen Lebensstandard ablehnen und stattdessen lieber wie im viktorianischen England leben, macht diesen Ausschluss der Technik im Vergleich zur modernen Kleidung und vor allem den Ermittlungsmethoden Scottland Yards - wenn nicht ein Trottel wie Lestrade die Arbeit übernimmt – glaubwürdig. Durch diesen Verzicht gelingen dem Film einige außerordentliche Sequenzen. Atmosphärisch dicht – alleine die Haushälterin könnte als Frankensteins Amme dienen – mit einer stimmungsvollen, immer den kommenden Schrecken suggerierenden Musik ist „Das Haus des Schreckens“ ein weiterer Höhepunkt dieser Reihe. Die Idee, nur Motive aus Doyles guten Geschichten – „Die fünf Orangenkerne“ wäre wegen seiner Rückblendenstruktur in der Originalform nur schwerlich in den vierziger Jahren verfilmbar gewesen – gibt den Rathbone/Bruce-Filmen nicht nur eine neue, alte Richtung, sondern vor allem neuen Schwung.
„Die Kralle“ ist zwar der erste Schritt in diese Richtung gewesen, doch sowohl der Hintergrund, als auch einige der Aktionen sind insbesondere in „Die Perle der Borgias“ noch zu stark in der Gegenwart der vierziger Jahre verankert. Für seine Ermittlungsarbeit braucht Holmes insbesondere im zweiten Fall der Sammlung neben seinem überragenden Intellekt an einigen Stellen noch die moderne Technik. In anderen Passagen – wenn der gefasste Verbrecher seiner Freundin eine Nachricht auf einem besonders schmutzigen Teller schreibt und dieser direkt unter Lestrades Augen aus dem Gefängnis gebracht wird – ist das viktorianische England mit Motiven aus Charles Dickens schon wieder zum Leben erweckt worden. Spätestens mit „Das Haus des Schreckens“ ist die Serie wieder in der Baker Street angekommen, auch wenn Holmes die wenigste Zeit in seinen heiligen Räumen verbringt.
In einer Szene in „Die Perle der Borgias“ aber greift er zu seiner Geige und versucht sich auf den Fall zu konzentrieren. Basil Rathbones Silhouette erinnert an die Zeichnungen der Originalgeschichten aus dem „Strand“-Magazin und spätestens hier zweifelt niemand, dass Basil Rathbone ein würdiger Sherlock Holmes und zusammen mit Jeremy Brett fast fünfzig Jahre später DER Sherlock Holmes Darsteller per se ist.


Die hier versammelten drei Filme gehören neben den Auftaktabenteuern „Der Hund der Baskervilles“ und „Die Abenteuer von Sherlock Holmes“ zu den besten Beiträgen der Reihe. Insbesondere Basil Rathbone fühlt sich im Gewand des klassischen Holmes deutlich wohler, als Propagandist im Kampf gegen nationalsozialistische Spione. Die Stimmung lehnt sich sehr bewusst an die populären Horror-Filme der Universal Studios an. Wer gerne einmal diese Reihe kennen lernen möchte, erhält mit dieser dritten Sammlung im Grunde einen idealen Einstiegspunkt. Ohne große Vorkenntnisse – auch wenn es zum Sehvergnügen beiträgt, die originären Geschichten zu kennen, um die manchmal sehr effektiven, dann wieder bemühten Neuinterpretationen zu erkennen – kann man drei außergewöhnlich interessante, sehr spannende und vor allem in Hinblick auf die Kombination Rathbone/Bruce sehr nuancierte Fälle sich anschauen.


Ein besonderes Highlight unter den Extras sind drei Radiospiele, ebenfalls mit Basil Rathbone und Nigel Bruce auf der zweiten DVD. Seit 1932 mit über zweihundert Fällen hat „Sherlock Holmes“ – wie auch einige andere Pulphelden, die über die Ätherwellen zu Filmehren gekommen sind – ermittelt. Mit dem Beginn der Kinoserie haben Basil Rathbone und Nigel Bruce dann auch die Radiofolgen wöchentlich live gesprochen. Da die Folgen nur im Original ausgestrahlt wurden, hat Michael Ross die Inhalte im anliegenden informativen Booklet sehr kompetent zusammengefasst. Unter den drei Episoden ist mit „The speckled Band“ eine der berühmtesten „Holmes“-Geschichten. Aber auch „The Retired Colourman“ und „The Manor House Case“ geben die typischen Motive Doyle’scher Geschichten sehr gut wider. Neben dem Vergnügen, Rathbone und Bruce bei ihren Schlagabtauschen im Original hören zu dürfen – die Qualität der einzelnen Folgen ist für ihr Alter überraschend gut – zeigen die drei Folgen, wie effektiv sich Holmes insbesondere in Person Basil Rathbone fürs Radio adaptieren lässt. Da Sherlock Holmes als Charakter insgesamt mitteilungsbedürftig ist und den Zuschauer/ Zuhörer/Leser in Person von Watson in seine Ermittlungen einbezieht und ihn als Resonanzkörper für seine Erkenntnisse benutzt, lässt sich dieses Format sehr gut für das Radio adaptieren. Der Höhepunkt von „The speckled band“ findet sowieso im Dunkeln statt, idealer könnte es nicht sein. Allerdings kann es sich Holmes notwendigerweise nicht verkneifen, den Zuschauer am Ende der letzten Radiosendung aufzufordern, durch den Kauf von Kriegsanleihen es zu ermöglichen, our boys zurück in die Heimat zu transportieren.

„Die Kralle“ verfügt über einen Audiokommentar von David Stuart Davies. Dieser ist deutsch untertitelt. Da insbesondere diese Folge für die Rückkehr zu den Wurzeln – zu den Doyle’schen Geschichten – steht, geht Davies sehr geschickt zuerst auf die gesamte Serie ein und im Zuge seines Kommentars arbeitet er informativ einzelne Motive der Originalgeschichten heraus. Seine Informationen sind erschöpfend und aufgrund des vorhandenen Materials begleitet er weniger das Geschehen auf der Leinwand, als dass er immer wieder auf den vorliegenden Film zurückgreifend ein komplexes Bild der Rathbone/Bruce-Filme zeichnet.

Alle drei Folgen haben neben deutschen Untertiteln für die englische Originalspur und die gekürzten Passagen alternative Synchronfassungen aus der ehemaligen DDR. Die Unterschiede sind deutlich spürbar, auch wenn das politisch brisante Material der ersten Propagandafilme deutlich zurückgefahren wurde. Michael Ross gibt in seinen Anmerkungen aber auch noch einige Hinweise auf die unterschiedlichen Fassungen.

Neben den Trailern befinden sich wieder schöne Bildergalerien insbesondere auch mit seltenem Werbematerial und einigen Hintergrundfotos auf den DVDs.

Die Qualität der Filme ist wieder exemplarisch. Koch Media hat sich sehr viel Mühe gegeben, die vorhandenen Fassungen zu reinigen und im Rahmen der Digitalisierung in neuem kontrastreichem Schwarzweiß auferstehen zu lassen. So weit möglich sind Beschädigungen ausgemerzt worden. An einigen Stellen – insbesondere den Rollenwechseln – erkennt der aufmerksame Zuschauer noch das Alter der Filme, aber so weit überhaupt möglich, ist die Restauration gelungen. Die deutsche Tonspur im Dolby Digital 2.0 Format ist klar, insbesondere die Trennung der Hintergrundmusik und den Dialogen ist eine handwerklich gute Arbeit. Die Musik überlagert nicht mehr wie bei den alten Videokassetten und teilweise den Erstaufführungen im deutschen Fernsehen die Dialoge, sondern begleitet sie.
Eine empfehlenswerte Anschaffung.

DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (4:3)
Ton: deutsch Dolby Digital Mono 2.0, englisch Dolby Digital Mono 2.0
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Audiokommentar, Radiohörspiele, alternative Synchronfassung, Bildergalerien, Booklet

hinzugefügt: July 16th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Koch Media
Hits: 2433
Sprache:

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]