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Bunker Palace Hotel (DVD)

Bunker Palace Hotel
F 1989, Regie: Enki Bilal, mit Jean-Louis Trintignant, Carole Bouquet, Maria Schneider, Roger Dumas u.a.

Von Thomas Harbach

Mit „Bunker Palace Hotel“ legt der Vertrieb Pierrot Le Fou den ersten Science Fiction-Film des Comiczeichners Enki Bilal auf DVD auf. Nach seinem bislang dritten Spielfilm „Immortal“ (2004) fehlt damit nur noch eine DVD-Veröffentlichung seines 1996 entstandenen „Tykho Moon“. Dieser ist bislang nur auf Videocassette lieferbar. Thematisch ist allerdings das später entstandene Werk „Bunker Palace Hotel“ vorangestellt.


Das Paris der nahen Zukunft ist zu einem Überwachungsstaat geworden. Mac Bee, dekadenter Diktator der unter einer Dunstglocke dahinvegetierenden Stadt, möchte ewig leben und herrschen. Dazu braucht er frische Organe, die sein Leibarzt ihm besorgt und verpflanzt. Einer seiner Spender, der sagenumwobene Revolutionär Tykho Moon, ist zurückgekehrt. Doch er hat sein Gedächtnis verloren. Killer zweier konkurrierender Organisationen (die schöne Lola und ein eiskalter „Journalist“) hängen sich an den jetzigen Künstler.

„Bunker Palace Hotel“ beginnt in einer Zeit, in der die Macht der Obrigkeit zusammengebrochen ist, die Revolution die Straßen beherrscht und es für das politische System nur noch um das Überleben geht. Auch wenn die Namen ausgetauscht sind, verfolgt der Comickünstler Enki Bilal in beiden Filmen seine aus den zahlreichen Comics bekannte politische Kritik konsequent. Der 1951 in Belgrad geborene Bilal lebt seit 1961 in Paris, studierte dort unter anderem nach der Schule Kunst und Literatur. Mitte der siebziger Jahren begann er; Comics zu zeichnen. Sein erster Comiczyklus „Legenden der Gegenwart“ erschien ab 1975 in den einschlägigen Magazinen „Heavy Metal“ und später auch in „Pilot“. Zusammen mit Jacques Tardi erfand er für den Comicbereich komplexe Politthriller. Seine sozialkritische und politische Science Fiction-Serie „Nikopol“ öffnete ihm schließlich auch den Weg zum Film. Für Alain Resnais „Das Leben ist ein Roman“ arbeitete er als Produktionsdesigner, für Michael Manns letztendlich gescheiterten Horrorfilm „The Keep“ entwarf er das vom Design her eindrucksvolle, aber leblos umgesetzte Monster. Mit dem hier vorliegenden „Bunker Palace Hotel“ inszenierte er mit internationalen französischen Stars im heimischen Bilgrad seinen ersten abendfüllenden Film. Danach folgte mit der „Monster“- Trilogie die Rückkehr an den Zeichentisch, bevor er „Tykho Moon“ und schließlich „Immortal“ inszenierte.

Obwohl „Bunker Palace Hotel“ in einer nicht weit entfernten Zukunft spielt, ist der Film ein typisches Produkt seiner Zeit. Ende der achtziger Jahre. Europa ist in Unruhe. Der kalte Krieg geht auf eine überraschend unblutige, aber spektakuläre Art und Weise zu Ende. Der Zusammenbruch des Ostblocks, der Beginn der Rassenunruhen in einigen der Vielvölkerstaaten und schließlich die Erkenntnis, dass insbesondere die kommunistischen Führer das Volk systematisch unterdrückt und ausgebeutet haben, sind deutliche Motive, die das Drehbuch bestimmt haben. Zwar spielt die Handlung in einem fiktiven Staat, doch Enki Bilals visueller Ansatz – was die wenigen Szenen angeht, die in den halb zerstörten industriellen Anlagen spielen - verdeutlicht, dass es sich um osteuropäische Länder handelt. Das totalitäre System beginnt dem Druck der Rebellen zu weichen, die Kontrolle über das Land und das Volk geht mehr und mehr verloren. Der allmächtige Präsident hat schon einen Notfallplan. Überall stehen gepanzerte Lokomotiven, in denen sich die Führer des Landes in einen bizarren unterirdischen Schutzraum flüchten können. Das Bunker Palace Hotel. Diese Schutzräume sind dem Prunk der ehemaligen Paläste der zwanziger Jahre in Städten wie Paris, Berlin oder London nachempfunden. Sie werden betrieben von Androiden. Geduldig hat alles auf diesen Moment gewartet. Inzwischen sind die Androiden allerdings altersschwach geworden, die Hotelhalle ist schmutzig und der Aufzug – er erinnert an die Landung eines kleinen Raumschiffs auf bzw. in diesem Fall in einer fremden Welt – wird bald seinen Geist aufgeben. Nicht alle Führer kommen an ihr Ziel. Eine Spionin der Rebellen, Clara, schafft es mehr durch einen Zufall, ebenfalls Zutritt zum Hotel zu erhalten. Eine weitere Persönlichkeit ist ein Verräter. Der Industrielle Holm, dessen Geschäfte die Regierung und ihre Opportunisten lange, vielleicht zu lange an der Macht gehalten haben, sucht Claras Zuneigung. Nur der allmächtige Präsident erscheint nicht im Bunker. Die hilflosen Führer und ihre Frauen beginnen sich nach einem anfänglichen Schwelgen in der Dekadenz zu langweilen. Danach kommt die Angst, für immer tief unter der Erde in der Nähe der Hölle, wie eine ausdrucksstarke Dialogszene suggeriert, gefangen zu sein. Die Angst vor den Rebellen, vor dem Tod, schwindet und wird ersetzt durch den Zorn über den Verlust der Macht. Bei einigen der skurrilen Charaktere wirkt dieser Entzug wie der Beginn einer unfreiwilligen Drogentherapie. Nur die reinigende Kartharsis bleibt aus.

Das im positiven Sinne sehr pointiert dialoglastige Drehbuch hat Bilal zusammen mit dem Comickünstler Pierre Christin – „Valerian und Veronique“ - geschrieben. Im Gegensatz zu den beeindruckenden Sets liegt die Wahrheit des Films in seinem gesprochenen Wort. Das ist zum einen die Darstellung des Endes einer bürgerlichen Klasse: der Bourgeoisie. Sie tanzen den letzten Tango und gehen arrogant sowie unwissend ihrem Ende entgegen. Unrealistisch, voller Ignoranz beanspruchen sie alle Rechte für sich und lehnen jegliche Verpflichtungen ab. Wie Hunde sind sie dem Präsidenten ergeben, sonnen sich in dem Licht seiner charismatischen Persönlichkeit und versuchen, einen Hauch seiner Macht zu ihrem persönlichen Vorteil zu nutzen. Der Zuschauer erfährt nichts über ihren Hintergrund, alle Angaben sind spärlich, ihre Dialoge oberflächlich und nichts sagend. Unter dem Druck der ungewöhnlichen Situation bricht ihre Fassade schnell zusammen, sie beginnen sich gegenseitig zu provozieren und zu denunzieren. Der Industrielle Holm – eine hervorragende, unterkühlte und stets sehenswerte Darstellung von Trintignant – ist dagegen der Opportunist im wahrsten Sinne des Wortes. Ein technikverliebter Industrieller. Kaum hat er erkannt, dass sich die Mächtigen aller Länder bei Schwierigkeiten unter die Erde flüchten, entwickeln seine Industriekonglomerate Maulwürfe, um diese Bunker zu knacken. Solange der Präsident seinen Geschäften von Nutzen ist und seine Vorhaben deckt, ist er ein loyaler Diener seines Herrn. Dreht sich der Wind, ist er wahrscheinlich der erste, der sich den neuen Machthabern unterwirft. Enki Bilal unterstreicht diese Theorie etwas zu plakativ mit dem abschließenden Bild des Dieners Holm, der die neuen Machthaber wahrscheinlich in den alten Regierungspalast fährt.
Die Spionin Clara wird dargestellt von Carole Bouquet, die als griechischer Racheengel in dem James Bond Film „In tödlicher Mission“ einen hervorragenden Eindruck hinterlassen hat. Sie zeichnet das dekadente Geschehen in der geheimen Bunkersiedlung pflichtschuldig auf. Ihre zurückhaltende, aber intelligente Beobachterrolle wird erst durchbrochen, als Holm sich offensiv für sie interessiert und sie einen ehemaligen Liebhaber überraschend ebenfalls in der kleinen Gemeinschaft entdeckt. Mit ihrem feuerroten Haar – zu viele Symbole können allerdings wie ein Overkill wirken – bildet sie einen starken Kontrast zu den grauen – vom Gebaren über die Kleidung bis zu ihren Persönlichkeiten – Ex-Regierenden. Allerdings wäre es sinnvoll gewesen, mit ihr einen Gegenpol zu den unterkühlten, distanzierten Regierenden zu schaffen. Dazu fehlt dem Regisseur der Mut, seine Allegorien gehen selten über oberflächliche Tendenzen und einen leider nicht sonderlich überzeugenden Kampf der Systeme heraus.
Der Präsident als letzter auftretender Charakter des Films hat über weite Strecken durch seine Abwesenheit das Geschehen bestimmt. Er tritt auf der brüchigen politischen Bühne in Erscheinung, als das alte System in Form seiner hier versammelten Gefolgsleute endgültig abgetreten ist, um – wie Clara überrascht feststellt – beim Aufbau des neuen Systems wieder eine gewichtige Rolle zu spielen. Diese arrogante Ambivalenz wird durch kleine nuancierte Gesten ausgedrückt. So gibt er Clara seine Anweisungen in der alten Sprache – die Rebellen benutzen diese -, die er selbst vor dreißig Jahren verboten hat. Deutlicher könnte Machtsucht und flexible Loyalität nicht ausgedrückt werden. Der Untergang einer Klasse und der Neubeginn unter zweifelhaften Vorzeichen ist ein historisches Faktum, das sich – betrachtet man nur die Geschichte des 20. Jahrhunderts – von dem Untergang der Monarchie über die Gewaltherrschaft der Nazis bis zu den angeblichen Volksdemokratien des Ostblocks stetig wiederholt. Die Unterschiede sind vernachlässigbar.

Alle Charaktere dieses Films sind faszinierend, auf ihre Art und Weise pointiert, aber notwendigerweise überzeichnet, nicht immer sympathisch. Nicht selten verkörpern sie eher Stereotypen als Individuen. Über die einzelnen Figuren hat Bilal seinem Werk Züge der schwarzen Komödie am Rand zur Groteske gegeben. Wenn Holm die schlecht funktionierenden Androiden immer wieder durch Schläge auf den Hinterkopf zum Arbeiten bringt, wird der Film zu einer reinen Satire auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der so genannten Volkswirtschaften. Mit seiner kurzen Laufzeit von knapp über neunzig Minuten erliegt der Regisseur auch nicht der Versuchung, den Plot von seinem visuellen Fähigkeiten erdrücken zu lassen. Das Bunker Palace Hotel ist erdrückend und imponierend zugleich. Eine Mischung aus Low Tech und opulenter Ausstattung, die nach und nach zerfällt, mit Eis überzogen wird und/oder seinen Dienst einstellt. Dieser fortschreitende Zerfall soll die Dekadenz einer nicht mehr oder niemals wirklich regierungsfähigen Gesellschaftsklasse ausdrücken. Die Androiden werden gänzlich von Menschen dargestellt. Ihre eckigen Bewegungen und ihre in einigen wenigen Fällen übertriebenen Make-Ups ergeben für den Zuschauer eine perfekte Illusion.

Vergleicht man allerdings die Visuatität von „Immortal“ mit dem vorliegenden Film, so muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass in den immerhin sechzehn Jahren zwischen den Produktionen insbesondere die Computertechnik Quantensprünge hinter sich gebracht hat. Bilal musste nicht zuletzt aufgrund des vorhandenen Budgets einige osteuropäische Stadtlandschaften mit seinem unverkennbaren Malstil futuristisch ergänzen und die sehr gute DVD-Qualität betont die Übergänge zwischen den Matte Paintings. Die wenigen Fragmente der Städte sind öde, verlassen, umnebelt, Überreste einer wahrscheinlich niemals wirklich funktionierenden und glänzenden Industriegesellschaft. Die Budgetbegrenzungen hat Bilal sehr geschickt zu seinem Vorteil ausgenutzt, an manchen Stellen ist weniger einfach mehr als ein tricktechnischer Kompromiss. Niedrige Froschperspektiven, Weitwinkel und schließlich subjektive Kameraführung zusammen mit einer innovativen Tonspur erzeugen die Illusion, wirklich dem Kammerspiel einer die Gesellschaft umwälzenden Demonstration beizuwohnen. „V for Vendetta“ oder „Children of Man“ aus dem Jahre 2006 haben budgettechnisch mehr Möglichkeiten, diese sozialen Unruhen und die Auseinandersetzungen mit den Truppen der Obrigkeit dem Zuschauer zu zeigen, hier wird vieles nur suggeriert und der Phantasie des Betrachters überlassen. Einige Szenen wirken dadurch zu karg, zu stilisiert, aber als Gesamtwerk betrachtet ist „Bunker Palace Hotel“ von dem andauernden Maschinengewehrfeuer, dem einsamen gepanzerten Lokomotiven, die wie von Geisterhand bewegt durch die zerstörten Städte einem geheimen Ziel entgegeneilen, bis zur schließlich eisbeschichten an einen riesigen Verbrennungsofen erinnernden unterirdischen Hotelhalle eine politische Alptraumwelt, deren Wurzeln oft viel zu nahe – historisch betrachtet, da sich der Konflikt jetzt von einem Kampf der Systeme zu einer Auseinandersetzung der Religionen verlagert hat – am eigenen Leib gelegen haben. Kenner von Bilals inzwischen unfangreichen Comicwerk werden viele Intentionen und Ideen aus seinen Werken in diesem kurzweilig anzusehenden Film komprimiert und stellenweise noch ein wenig roh/unreif formuliert wieder finden.

Das Bild ist ansprechend, da vor allem unnatürliche Grautöne vorherrschen, versucht es nicht, die surrealistische Atmosphäre, die bestimmende Entfremdung durch zu grelle Farben zu negieren. Die Schärfe hätte in an einigen Stellen zu Gunsten der Illusion von Bilals Zeichnungen gedämpft werden müssen, so werden die Übergänge zwischen Filmaufnahmen und Matte Painting ein wenig zu stark, die Illusion zerstörend gezeigt. Es gibt eine deutsche und eine französische Tonspur. Der Film ist ansprechend synchronisiert, die deutschen Untertitel lassen sich sehr gut lesen. Als einziges Extra gibt es den Kinotrailer. Die französische DVD verfügt über einen Audiokommentar, einige deutsche Anbieter haben auch fälschlicherweise angekündigt, dass dieser für die vorliegende Veröffentlichung übernommen wird. Eine nette Geste ist das Printbild auf der eigentlichen DVD. Es trägt das Zeichen der gerade gestürzten Regierung.

DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (16:9, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital Stereo 2.0, französisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

hinzugefügt: July 7th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
Hits: 3255
Sprache:

  

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