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Lady Vengeance (DVD)

Lady Vengeance
Südkorea 2005, Regie: Park Chan-wook, mit Choi Min-sik, Lee Yeong-ae, Lee Seung-shin u.a.

Von Thomas Harbach

Im Jahre 2005 präsentierte das südkoreanische Kino zwei auf den ersten Blick thematisch ähnliche Filme um das Thema Selbstjustiz. Zwei wunderschöne Frauen rächen sich auf perfide, grausame Weise. Nach Abschluss ihrer Rache bleiben sie in ihrem Hass unbefriedigt und emotional leer, bzw. wahnsinnig zurück. Stilistisch exzellent komponierte Bilder einer eiskalten, rücksichtslosen Welt. In ihrem Kern sind die beiden Filme allerdings insbesondere in Bezug auf die Ausgangssituation der beiden Protagonistinnen sowie die Handlungsführung sehr unterschiedlich. Bei „Princess Aurora“ wird der jungen Frau durch die Vergewaltigung und Ermordung ihres Kindes aus dem Nichts heraus ein Schaden zugefügt, ihr Leben wird aus der bisherigen Bann gerissen und sie beginnt mit einem grausamen Rachefeldzug an allen Menschen, die direkt oder indirekt die Verantwortung tragen. Dabei agiert sie bis zur entscheidenden Tat alleine, eruiert die Schwächen ihrer potentiellen Opfer, legt ihre Eitelkeiten bloß. Am Ende steht der Wahnsinn. „Princess Aurora“ ist nicht nur eine klassische, simplifizierte Selbstjustizgeschichte, im Kern des Films steckt eine Anklage gegen die bestechliche koreanische Justiz – so wird der Täter in eine geschlossene Anstalt als nicht haftfähig abgeschoben – und eine Mahnung, insbesondere den Kindern gegenüber nicht so gleichgültig zu sein.
Auf den ersten Blick folgt der abschließende Teil von Park Chan-Wook „Rache“-Trilogie – nach „Sympathy for Mr. Vengeance“ aus dem Jahr 2002 und „Oldboy“ des Jahres 2003 – mit „Lady Vegeance“ – 2005 – ebenfalls diesem Muster, wehrt sich aber konsequent gegen die Selbstjustiz-Thriller wie „I Spit on your Grave“ und „Die Frau mit der 45er Magnum“. In diesen amerikanischen Musterbeispielen für Verbrechen erzwingt Rache reagiert die Heldin auf eine körperliche Vergewaltigung mit extremer Gewaltbereitschaft und schließlich einer Eruption von Gewalt auf die Tat. Im Falle von Chan-wooks interessantem, aber nicht gänzlich befriedigendem Thriller ist der Katalysator ein psychologischer Druck, der Geum-Ja erst in die Arme des perfiden Mr. Beak – einem Englischlehrer und Kindermörder – treibt und sie schließlich ins Gefängnis bringt. Sie sitzt eine dreizehnjährige Haftstrafe ab, weil sie gestanden hat, ein von ihm entführtes Kind getötet zu haben. Beak hatte ihre Tochter in der Gewalt und gedroht, sie ebenfalls zu töten. Im Gefängnis wird aus der Mörderin für die Presse ein Engel, der fortwährend Gutes tut. Hier mischt allerdings das Drehbuch zu offensichtlich religiöse Intention mit Geum-Jas eiskalten, emotionslosen Wesen. Wenn sie betend vor dem Bild ihres Opfers und ihres eigenen Steckbriefes plötzlich von innen heraus leuchtet, erscheint das überzogen und eher lächerlich als den Pot fördernd. In den dreizehn Jahren ihrer Strafe bereitet sie aber nicht nur ihre persönliche Rache vor, sie tötet auch sadistische Mitgefangene mit Seife oder Bleichmittel. Nicht die strafrechtliche Verantwortung für eine Tat ist der erste große Unterschied zwischen „Princess Aurora“ und „Lady Vengeance“, sondern Geum-Jas Morde im Gefängnis. Hier bemüht sich das Drehbuch in Zusammenarbeit mit der sehr ästhetisch angelegten Regie, die Taten als notwendig und begründet zu zeigen, im Kern weisen sie aber auch auf eine gestörte Persönlichkeit – in dem anderen Film wird die Persönlichkeit aus dem Gleichgewicht gerissen und jeder Zuschauer sollte sich selbst fragen, wie er auf ein derartig grausames Verbrechen an den eigenen Kindern reagieren könnte – hin.

In Bezug auf die gesamte Trilogie bemüht sich Chan-wook Park in diesem dritten Teil, etwas anderes seinen Zuschauern zu präsentieren. Konnte man in den ersten beiden Teilen ihre Vorgänger sehr schnell als Opfer in der klassischen Definition erkennen, die sich auf grausame Art und Weise für die erlittenen Qualen rächen, bleibt Geum-Ja als Charakter ambivalent, distanziert und schwer einzuschätzen. Mal sympathisch, dann wieder unnahbar legt sich das Drehbuch nicht fest und wird durch das gute Spiel Yeong-ae Lees unterstützt. Zu ihrer emotionalen Kälte kommt ihr engelsgleiches Aussehen – gemischt mit ihrem Hang zu einem schwarzen Ledermantel und schwarzen langen Stiefeln -, dem sie durch das knallrote Augen-Make-Up ganz bewusst eine diabolische Note verleiht. Für den Zuschauer ist nicht klar erkennbar, ob sie aus der Not heraus nicht doch den Jungen ermordet hat. Dem Polizisten bleiben Zweifel, welche die Täterin in dem rückblendenartig aufgebauten Film zu zerstreuen sucht. Aber wo ein Mensch seine Schuld immer wieder betont, ist auch die Justiz schließlich hilflos… sie wird verurteilt.

Bis zur Mitte des Films hat Chan-wook deutlich herausgestellt, dass der Zuschauer es nicht mit einem unschuldigen Opfer zu tun hat, sondern mit einer entschlossenen Frau, die jegliches Unrecht in Eigenregie und mit krimineller Energie bekämpft. Hier nähert sich der Film dem Blaxploitation–Kino sowie Exploitationfilmen wie „Vigilante“. Park bleibt trotz einer komplexen Rückblendenstruktur und einer nicht linearen Erzählweise immer eng bei der Protagonistin, mittels Voice Over werden Einblicke in ihr inneres Wesen geben. Das Interessante an diesen Kommentaren ist die Tatsache, dass sie nicht alleine von Geum-Ja bestritten werden, sondern ihre Tochter beginnt über das Seelenwesen ihrer Mutter aus einer fiktiven Gegenwart zu referieren. Auf die Mutter/Tochterbeziehung wird später noch einmal gesondert eingegangen, mit dem Off-Kommentar hebt Park an wichtigen Stellen die offensichtliche Distanz zwischen den Zuschauern und dieser emotionslosen, berechnenden Frau auf. An diesen Stellen beginnt sie sich unmerklich als Identifikationsfigur zu etablieren, als moralisch Einäugige in einem Land der Blinden. Obwohl ihre Handlungen außerhalb des klassischen Wertesystems stattfinden, stoßen sie den Zuschauer nicht per se ab. Am Ende des Films, als erkenntlich wird, auf welche Art ihre Rache vollendet worden ist, dreht Park geschickt den Handlungsbogen um die eigene Achse und konfrontiert Menschen, denen unsägliches Leid zugefügt worden ist, mit der Frage, wie sie – wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird –darauf reagieren können oder müssen. In dieser Passage wird „Lady Vengeance“ nicht nur zu einer interessanten Variation von „Princess Aurora“, sondern ist diesem stringenten Rachethriller in seiner Anlage deutlich überlegen, da aus dem Nichts heraus eine Gruppe von Menschen mit brutalster Gewalt konfrontiert werden, die sie selbst zur Erlangung einer emotionalen Befriedigung ausüben können. Die Frage nach Selbstjustiz und der Versuchung, Gleiches mit möglichst Gleichem zu vergelten, wird hier in einem klassischen schwarz-weiß beantwortet. Diese Passage wird die meisten Reaktionen hervorrufen und über weite Strecken des Films hat Chan-wook sehr akribisch, aber nicht immer in Bezug auf die Logik überzeugend auf diesen vorläufigen Höhepunkt hingearbeitet. Aus der Protagonistin wird eine stille Beobachterin, die nach der vollzogenen Rache auf die Erlösung wartet. Wie der Off-Kommentar so passend erwähnt, wird dieses Warten auf Erlösung vergebens sein, aber im Gegensatz zu den ersten beiden Filmen der Serie hat Geum-Ja eine Tochter, welche die innere Leere in ihr zumindest schließen kann. Die Wunden heilen allerdings nie, ihre eigenen genauso wie das Leid, das sie mit ihrer Rache bei den Familien wieder aufgerissen hat.


„Lady Vengenace“ verzichtet darauf, einfache Antworten zu präsentieren. Ganz bewusst konfrontiert die Regie Protagonisten wie Zuschauer mit einer schwierigen Frage. Nachdem diese allerdings beantwortet worden ist, übertreibt es der Gewaltästhet mit seinem Bilderreigen. Er zeigt weniger die Tat, sondern die Folgen und schockiert/provoziert den Zuschauer, von seiner eben gebildeten Meinung wieder Abstand zu nehmen. Hier wäre es sinnvoller gewesen, die brutale Tat – unter stummer Duldung der Polizei – durchzuführen und dann schweigend, emotional leer auseinander zu gehen. Die Szenen in der Bäckerei wirken aufgesetzt. Obwohl sich Chan-wook Park als Regisseur schon deutlich zurückgenommen hat. Er ist nicht mehr so überdreht, technisch wild inszeniert, die Tiefgründigkeit der Handlung versucht die Regie durch sehr unterschiedliche Bilder auszugleichen. Nach einer Liebesnacht mit einem deutlich jüngeren Mann sucht Yeong-ae Lee förmlich nach Lob. Sie versucht, ihre feminine Seite zu finden, die in den langen Gefängnisjahren und vor allem durch den lieblosen Sex mit Mr. Beak verloren gegangen ist. Vergeblich. Aber genauso vergeblich sucht der Zuschauer mehr Hintergründe zu dem sadistischen Lehrer, der angeblich die Kinder entführt, um Freude an ihrem Tod – er filmt jede Ermordung – zu empfinden und gleichzeitig für eine Yacht zu spüren. Hier bleibt Park an der Oberfläche, verzichtet zu Gunsten seiner Protagonistin auf eine tiefer gehende Symbolik und passt sich eher der Masse diverser Revenge-Thriller – siehe Charles Bronsons austauschbare „Ein Mann sieht rot“ Filme – an als wirklich überzeugend eigene, skurrile Ideen weiterzuentwickeln. Allerdings gibt er seiner weiblichen Protagonistin immer wieder die Möglichkeit, sich als Frau und Mutter zu etablieren. Ihre Tochter ist zu Adoptiveltern nach Australien gegeben worden. Yeong-ae Lee leiht sich das Geld, um sie dort zu besuchen, schreibt sie einige wenige englische Worte auf, um zumindest die Eltern und die Tochter zu begrüßen. Ihre Tochter will sie nach Seoul begleiten, die Kommunikation ist schwierig, aber zumindest wächst zwischen ihnen eine latente Beziehung. Der ironische Höhepunkt ist allerdings, dass Mr. Beak mit einer Pistole am Hinterkopf zwischen Mutter und Tochter übersetzen muss. Eine logische, extravagante Idee, von denen es auf der emotionalen Ebene im Gegensatz zu der stilisierten Gewalt und der immer noch außerordentlichen Schnitttechnik/ Kameraführung zu wenige gibt. So befiehlt Yeong-ae Lee auch ihrem jugendlichen Liebhaber, in ihrer Wohnung nichts anzurühren und vor allem die Gebetskerzen nicht ausgehen zu lassen, bei einer späteren Szenen sieht der Leser, dass diese niedergebrannt sind- ohne Konsequenzen. Insbesondere gegen Ende des Films schafft es Chan-wook Park nicht mehr, alle Dämonen, welche er im Laufe seines Films gerufen hat, unter Kontrolle zu bringen. Der Handlungsbogen fällt nach dem Vollzug der Rache in sich zusammen, dem Zuschauer bleibt nicht der Raum, den ehemaligen Racheengel Yeong-ae Lee wieder als Frau zu sehen, als Mutter. In der ersten Hälfte hat sich der Regisseur bemüht, eine ruhige – trotz des hektischen, formal gegen die Kontinuität der linearen Erzählung verstoßenden Szenewechsels – optisch sehr schöne und teilweise traurig poetische Geschichte um Schuld und Sühne zu erzählen. Untermalt von der ungewöhnlichen Musik des Moho Baroque Ensembles. Park formale Spielereien sind streng der Exposition untergeordnet. Seine Bilder sind trotz der düsteren Handlung hell, fast schön. Dabei etabliert er nicht nur seine Protagonistin, sondern zeigt nuanciert die einzelnen Mitinsassinnen, die schließlich auf unterschiedliche Art und Weise oft unwissend Yeong-ae Lee helfen, ihre Rache zu vollenden. Das Spektrum der Frauencharaktere reicht allerdings nicht über oberflächliche Klischees hinaus, wahrscheinlich um seinen im Vordergrund agierenden Racheengel in ein möglichst positives Licht zu setzen. Die gleiche Ambivalenz bringt Chan-wook Pa leider auch dem Antagonisten gegenüber zum Ausdruck. Diese Oberflächlichkeit hilft, seine brutale „Hinrichtung“ am Ende des Filmes besser zu ertragen. Er selbst kann den Hinterbliebenen der Opfer keine wirkliche Erklärung für seine Taten anbieten, ebenfalls reicht es nicht für eine Entschuldigung. Die wenigen rückblickenden Sequenzen zeigen ihn als Egomannen, welcher die junge Frau als Sexobjekt benutzt; als brutalen Killer, welcher die Furcht seiner jungen Opfer als Adrenalinstoss benötigt und schließlich als schwaches Abbild des intelligenten Kinderkillers. Park beschäftigt sich keine echte Sekunde mit der Möglichkeit, dass Mr. Beak ebenfalls aktiv sein Leben verteidigen könnte. Noch schwächer ausgeprägt ist die Figur des Priesters, der als williger Spion für Mr. Beak fungiert, danach aber im Nirvana der Rachegeschichte untergeht. Hier wäre es sinnvoll gewesen, dieser Figur eine größere Tiefe zu geben und die Möglichkeit eines religiösen Gewissenskonflikts in Yeong- ae Lee deutlicher herauszustellen. Eine zweite Konfliktebene hätte die mechanische zweite Hälfte des Films belebt.

„Sympathy for Lady Vengeance“ ist ein formal perfekter Film, der Schnitt ist gut mit der Musik abgestimmt, das Arrangement der Bilder erscheint an einigen Stelen zu geplant, fast aufdringlich für die kompakte, aber nicht gänzlich befriedigende Geschichte. Die Rachegeschichte ist im Vergleich zu „Princess Aurora“ ambitionierter und vor allem packender inszeniert, der Zuschauer wird länger über den Ablauf der Racheaktion im Unklaren gelassen, in „Princess Aurora“ bleibt der Zusammenhang zwischen den einzelnen Morden bis zu definitiven Rückblende im Unklaren. Auch von „Lady Vengeance“ der bessere, stringentere Film ist, reflektiert „Princess Aurora“ das Thema Selbstjustiz deutlicher und fordert den Zuschauer zum Nachdenken auf. „Lady Vengeance“ ist eine materialistische Geschichte, gut erzählt, aber kein Meisterwerk mit einer hübschen/guten Schauspielerin in einer charismatisch- herausfordernden Rolle.

E-M-S hat den Film im 2;35-1 Format aufgelegt. Die Farben sind kräftig, wirken natürlich. Dazu kommen zwei sehr gute Tonspuren, die englischen Passagen sind in Deutsch untertitelt. Es empfiehlt sich, den Film im Original mit den deutschen Untertiteln zu sehen, die vokale Bandbreite ist breiter und die Dialoge wirken nicht so stilisiert/ gekünstelt, wie in der deutschen Fassung aufgrund der fremden Sprachmuster. Als einziges Extra findet sich leider nur der Kinotrailer.


DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (16:9, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, deutsch dts, koreanisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

hinzugefügt: May 26th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: e-m-s
Hits: 2934
Sprache:

  

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