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  Interview: INTERVIEW MIT REINHARD KÖHRER!
Geschrieben am Sunday, 05.December. @ 14:49:47 CET von Guido
 
 
  Interview
Reinhard Köhrer hat vor geraumer Zeit innerhalb der Heyne SF Reihe einen Roman veröffentlicht,. Danach wurde es zunächst einmal ruhig um den bajuwarischen Autor. Im Jahr 2003 erschien dann im Eigenverlag der Roman „Menschenspuren“, der den Sprung auf die Auswahlliste des Kurd Laßwitz Preises schaffte. Dieses Jahr legte der Autor mit „Als die Gletscher schmolzen“ einen weiteren Titel im Eigenverlag auf.
Carsten Kuhr sprach für phantastik.de mit dem Autor.

Guten Tag Herr Köhrer. Viele unserer Leser werden mit Ihrem Namen nicht viel anfangen können - darum zunächst die Bitte, dass Sie sich kurz vorstellen.

Ich bin in München geboren und wohne nunmehr mit meiner Frau und einer Korona von Haustieren in der Nähe von Augsburg. Ich war lange im Verlagswesen tätig und arbeite seit einigen Jahren freiberuflich im Medienbereich. Meine Hobbies sind zum Teil eng mit dem Schreiben verwandt: Ich lese viele wissenschaftliche Bücher (Astrophysik, Kosmologie, Paläontologie), um meinen Romanen den nötigen theoretischen Unterbau zu verleihen. Darüber hinaus beschäftige ich mich intensiv mit Musik: einmal umweltverträglich als passiver Hörer von CDs, zum anderen weniger umweltfreundlich in Form aktiver Ton-Erzeugung mittels E-Gitarre und Keyboard. Ein weiteres Hobby dürfte ich aus Gründen des Selbstschutzes gar nicht verraten, aber ich wage es trotzdem: Ich besitze einen sehr gut bestückten Weinkeller....

Wie kamen Sie zum Schreiben, was lesen Sie selbst, wer sind Ihrer Vorbilder?

Ich habe mit dem Schreiben im Alter von zehn Jahren begonnen und damit – obwohl es einige schöpferische Pausen gab – nie mehr aufgehört. Ich verfasste von Anfang an SF-Geschichten und las in einem gewissen Alter auch nichts anderes. Es waren sicher weit über tausend Romane, die ich damals verschlungen habe. Das Spektrum der Lektüre spannte sich querbeet von A. E. van Vogt über Isaac Asimov bis hin zu John Brunner und Brian W. Aldiss. Darunter befanden sich auch Autoren, die heutzutage in den Hintergrund gerückt sind, wie Murray Leinster oder Jack Williamson. Direkte Vorbilder aus diesem Genre gibt es jedoch nicht, und bewusst habe ich nie jemand nachgeahmt. Später habe ich andere belletristische Bereiche entdeckt. Einer meiner Favoriten heißt Jorge Luis Borges, auf den im Alter von etwa 20 Jahren gestoßen bin. Gegenwärtig komme ich kaum noch zum entspannten Lesen. Da ich neue wissenschaftliche Erkenntnisse nicht verschlafen will, stapelt sich in meinem Büro ein ganzer Berg an Fachpublikationen, den ich irgendwann abtragen muss.

In einer Zeit, als Autoren deutscher Zunge eine wirkliche Seltenheit bei den einschlägigen Verlagen waren, ist es Ihnen gelungen, bei Heyne einen Roman zu publizieren. Können Sie uns berichten, wie Ihnen dieses Kunststück gelang?

Ganz einfach: Ich setzte mich hin, brachte den Roman zu Papier, und Heyne hat ihn veröffentlicht. Spaß beiseite - so reibungslos liefen die Dinge nicht ab. Obwohl: Rückblickend betrachtet und im Lichte späterer Erfahrungen gesehen, ging die Publikation von „Weg der Erde“ relativ glatt über die Bühne. Zwar wurde die Erstfassung meines Manuskripts wieder zurückgeschickt, aber zusammen mit einem freundlich gehaltenen Brief von Wolfgang Jeschke, dem langjährigen Herausgeber der SF-Reihe bei Heyne. Beigefügt war zudem das Urteil des Lektors, aus dem ich ersehen konnte, was ich zu verbessern hatte. Im Grunde ging es darum, ein Spannungsfeld des Plots gegen ein anderes und weniger martialisches auszutauschen. Dazu musste ich den Roman nur partiell ändern, und im zweiten Anlauf hat es dann geklappt.

Ist Ihnen bekannt, wie sich Ihr Romanerstling bei Heyne verkauft hat - das Titelbild war meines Erachtens leider nicht sehr verkaufsfördernd?

Genaue Verkaufszahlen kann ich leider nicht nennen, da ich unabhängig vom Umsatz ein festes Honorar bezog. Aber der Absatz des Buches dürfte durchschnittlich bis mäßig gewesen sein. Ich war ein Neuling, ein absolut unbeschriebenes Blatt, noch dazu ein deutscher SF-Schriftsteller – alles eher negative Faktoren auf einem Markt, der vorwiegend auf angloamerikanische Autoren fixiert war. Und das Titelbild von „Weg der Erde“ bedeutete wirklich nicht der Weisheit letzten Schluss. Ich hätte mir gewünscht, dass das Cover ein wenig die Grundstimmung des Romans widerspiegelt – nämlich eine atemberaubend ferne Zukunft in zwei Milliarden Jahren. Mystisch-exotische Elemente, die man grafisch hätte umsetzen können, finden sich in der Geschichte ja zuhauf. Aber die wenigsten Autoren haben bei der Titelgestaltung ein Mitspracherecht, das ist reines Verlagsmonopol.

Dann hörte man doch relativ lange nichts von Ihnen - man sollte annehmen, dass die Publikation von „Weg der Erde“ ein Garant für weitere Möglichkeiten gewesen wäre, Ihre Texte erfolgreich den Verlagen anzubieten - ein Trugschluss?

Eigentlich schon. Man muss sein Talent immer neu beweisen, und eine Veröffentlichung von früher ist Schnee von gestern und besagt sehr wenig. Es gibt nur einen gangbaren Weg – nämlich um Qualität bemüht sein und auf diesem Level zu schreiben. Und selbst das ist keine Erfolgsgarantie: Es hängt viel davon ab, welcher Lektor das Manuskript begutachtet. Was der eine toll findet, entlockt dem anderen ein mitleidiges Lächeln. Somit spielen Glück und Zufall eine nicht zu unterschätzende Rolle.

2003 dann gingen Sie einen Weg, der ungewöhnlich ist. Normalerweise veröffentlichen Autoren zunächst im Book on Demand Eigenverlag, bevor sie von Verlagen entdeckt und gefördert, sprich veröffentlicht werden. Bei Ihnen war es genau anders herum - zunächst eine Publikation bei Heyne, dann der Weg in den Eigenverlag - warum?

Ich habe auch „Menschenspuren“ bei Heyne eingereicht (in genau jener Form, in der das Buch jetzt existiert). Das war im November 2000, und ich war von der Qualität meiner 436 Manuskriptseiten überzeugt. Im Februar 2001 kam postwendend die kalte Dusche: Das Manuskriptbündel landete sang- und klanglos in meinem Briefkasten, mit einem Standardtext versehen („Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen …“), ansonsten ohne jeden weiteren Kommentar. Passend dazu crashte ein paar Wochen später die Festplatte meines PC, und alle Daten verschwanden im Nirwana. Da ich damals die Meinung vertrat, dass derartige Katastrophen immer nur andere treffen, hatte ich natürlich auf eine Sicherungskopie verzichtet. Danach war erst mal Sendepause. Ich hatte vom Schreiben im allgemeinen und von Verlagen im besonderen genug. Zum Glück besaß ich noch die Manuskriptausdrucke, und im Laufe des Jahres fasste ich den Entschluss, nicht mehr auf das Wohlwollen anonymer Lektoren zu bauen, sondern das Buch in eigener Regie zu veröffentlichen. Als erstes habe ich mittels einer Anzeige in der Lokalzeitung eine Schreibkraft angeheuert, um das Werk wieder auf einen Datenträger zu transferieren. Doch die leidgeprüfte Dame war noch überlasteter als ich und schaffte 16 Seiten in 6 Monaten. Also: Schreibkraftwechsel zu Beginn des Jahres 2002, Konvertieren der Word-Texte in ein professionelles Layoutprogramm, Absatz- und Seitenumbruch, eine befreundete Grafikerin zur Kreation des Titelbildes überredet, und so langsam nahm die Sache erneut Gestalt an.

Haben Sie hier mehr Einflussmöglichkeiten, die Herrschaft über Ihren Text und müssen sich nicht dem Diktat des Vertriebs beugen?

Als Selfmade-Verleger ist man sein eigener Herr - einschließlich der Herrschaft über alle Fehler und Unzulänglichkeiten. Und daneben hat man sich um Dinge zu kümmern, die sonst Sache des Verlags sind: Herstellung, Werbung, Gestaltung, Kalkulation und was sonst noch anfällt. Das macht zum Teil durchaus Spaß, kann zur rechten Zeit jedoch gewaltig nerven. Die größte Falle, in die ein BoD-Autor tappen kann, ist mangelnde Kritikfähigkeit gegenüber dem eigenen Wort. Da ein Korrektiv in Form eines Lektors fehlt, der auf Schwachstellen und stilistische Fehler hinweist, ist die Gefahr der Selbstüberschätzung relativ groß. Was mich betrifft, sehe ich im Schreiben einen Lernprozess, die nie endet. Anders ausgedrückt: Ich investiere in meine BoD-Projekte die gleiche Mühe und Sorgfalt, die ich auch einer „echten“ Verlagsveröffentlichung angedeihen lassen würde.

„Menschenspuren“ erschien dann als Book on Demand 2003 und ging in der riesigen Masse der bei BoD veröffentlichten Titel leider ein wenig unter. Dennoch gelangte das Buch auf die Auswahlliste für den Laßwitz Preis, und die Fachjury lobte den Roman, wenn er auch nicht auf die vordersten Plätze gelangte. Ist das eine Ermutigung für einen Autor, mit einem Werk, das unverdientermaßen zunächst kaum Beachtung fand, dann doch wahrgenommen zu werden? Gab es Auswirkungen auf die Verkaufszahlen?

Ich hatte nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass „Menschenspuren“ für den Kurd-Laßwitz-Preis nominiert wurde. Um so erfreulicher war es natürlich, dass es auf die Auswahlliste gelangte. Ein wenig hatte dies auch Auswirkungen auf den Verkauf. Allerdings dürften die meisten Exemplare an die Jurymitglieder gegangen sein, während das breite SF-Publikum ein wesentlich geringeres Interesse zeigte. Doch das liegt wohl in der Natur der Sache: Viele Science-Fiction-Konsumenten halten erfahrungsgemäß den Kurd-Laßwitz-Preis für etwas Elitäres oder wissen gar nicht, dass er überhaupt existiert.

Ein Jahr danach wurde dann der nächste Titel aus Ihrer Feder veröffentlicht. Mit „Als die Gletscher schmolzen“ legten Sie eine gekonnte Mischung aus SF, Frühzeit- und Fantasyroman vor. Lag das Werk bereits fertig in der Schublade, oder haben Sie den Roman in dem Jahr, seit „Menschenspuren“ erschienen ist, verfasst? Wie lange schreiben Sie an solch einem Werk, und wie schreiben Sie - zunächst die Idee, dann ein Exposé und dann ...

Am Anfang gibt es die Idee (wobei die Idee mit dem Wunsch verschwistert ist, auf ein bestimmtes Thema näher einzugehen). Anschließend steht die Ausarbeitung des Szenario auf der Tagesordnung - also die Erschaffung einer imaginären Umwelt und der dazu passenden Charaktere. Von einem richtigen Handlungsfaden ist zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu erahnen. Zwar notiere ich mir regelmäßig einige Gedankenstützen, mache jedoch um jedes Exposee einen großen Bogen (schon in der Schule habe ich zuerst den Aufsatz und am Schluss die Gliederung geschrieben). Statt dessen tauchen während der Planungsphase vermehrt Bilder und kurze Szenen aus den Tiefen des Unbewussten auf, die ich im Gedächtnis speichere (und komischerweise auch nicht vergesse) und die später wie von selbst in den Text einfließen. Man könnte auch sagen, ich bewege mich während des Schreibens auf diese Bilder zu. Wenn alles optimal läuft (das heißt, wenn der berufliche und private Stress nicht überhand nimmt), ist ein Roman, wie ich ihn mir vorstelle, in etwa 18 Monaten zu bewältigen. Mit dem Gletscherbuch begann ich im Januar 2003 zu einer Zeit, als sich parallel dazu die Arbeit an „Menschenspuren“ dem Ende zuneigte, und erledigte die letzten Handgriffe im Juli 2004. Ich habe bei der Story eine Urfassung verwendet, die über Jahre hinweg in der Schublade vergilbte. Allerdings fehlten von dem Manuskript rund 70 Seiten (vermutlich dank diverser Umzüge), und der Rest wurde von Grund auf neu bearbeitet. Das fertige Werk vereint somit zwei unterschiedliche Faktoren: den Enthusiasmus meines frühen Autoren-Daseins sowie meine Stilmittel von heute.

Mir fiel auf, dass Sie bäuerliche Protagonisten und hiesige Handlungsorte bevorzugen. Warum?

Zum Teil hängt das sicher mit der Themenwahl zusammen: Bei »Menschenspuren« schwebte mir ein möglichst rustikaler Gegenpol zur Demeter-Zivilisation vor, und zur Zeit der Gletscher-Geschichte waren Dorfgemeinschaften der Höhepunkt der kulturellen Entwicklung. Was die Handlungsorte betrifft: Der Schauplatz in „Menschenspuren“ ist nur durch den Standorthinweis „Munich“ und den Bierkonsum der Einheimischen als solcher erkennbar. Dennoch spielt der geografische Rahmen eine wichtige Rolle: Der Leser weiß, dass die Story in Oberbayern angesiedelt ist, und wandelt plötzlich durch eine subtropische Karststeppe. Ohne einen realen Bezug hätte ich in diesem speziell Fall nach meinem Empfinden »im luftleeren Raum« geschrieben. »Als die Gletscher schmolzen« geht den umgekehrten Weg in Form eines Rückblicks. Die Geschichte schildert eine unberührte Wildnis, die von der Hand des Menschen noch kaum verändert wurde. Beide Bücher benutzen die Gegenwart als Ausgangsbasis, um in einer Art Wechselwirkung geistige Brücken in die Zukunft respektive in die Vergangenheit zu schlagen. Über die Jahrtausende hinweg bleiben die Örtlichkeiten dieselben, doch sind sie dem Prozess der Evolution unterworfen. Es ist ein Spiel mit Veränderung und Verfremdung, in letzter Konsequenz auch ein Spiel mit der Zeit, das jeden meiner bisherigen Romane geprägt hat.

Wie sehen Sie die Chancen deutscher Autoren? Hat sich nicht gerade auch im phantastischen Bereich in den letzten Jahren hier einiges getan?

Ich kann die Frage nur umrisshaft beantworten, da ich ehrlich gesagt die deutsche Szene ein wenig aus den Augen verloren habe: nicht aus Ignoranz, sondern weil ich mit chronischem Zeitmangel zu kämpfen habe. Nach meiner Einschätzung gibt es in Deutschland ein kleines, aber vitales SF-Biotop, in dem sich eine Reihe von Talenten und einige engagierte Verlage tummeln, aber der große Reibach wird letztlich mit Reihentiteln und den zugkräftigen Namen der angloamerikanischen Szene gemacht. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten leider nicht allzu viel verändert, trotz einiger Idealisten, die unermüdlich den schriftstellerischen Nachwuchs fördern. Dieses Urteil betrifft hauptsächlich die SF. Hingegen scheint sich auf dem Fantasy-Sektor wirklich einiges zu tun. Da ist etwas im Kommen, was von Dauer sein könnte. Der Nachteil dabei ist nur, dass ich eigentlich keine Fantasy schreibe …

An was arbeiten Sie zur Zeit - wird es weitere Bücher aus Ihrer Tastatur zu kaufen geben?

Ich habe zumindest die Absicht, weiterhin Bücher zu veröffentlichen. Das nächste ist bereits in Vorbereitung und trägt den Titel „Der Schatten des Avatars“. Es handelt sich um einen Episodenroman, der die sieben biblischen Schöpfungstage in die Zukunft transportiert. Das erste Kapitel (noch mit menschlicher Beteiligung) schildert eine Epoche in rund 8000 Jahren, während das letzte das Ende der Erde in sehr ferner Zukunft behandelt. Verknüpft werden die einzelnen Episoden durch das Wirken des Avatars: eine Mischung aus Geist und kybernetischem Organismus, erschaffen von der Menschheit des 23. Jahrhunderts. Ich schreibe an dem Buch erst seit wenigen Wochen und bin selbst gespannt, ob und wie sich die Story zu einer organischen Einheit rundet. An Ideen dazu mangelt es jedenfalls nicht.

Haben Sie ganz herzlichen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.

Die Homepage von Reinhard Köhrer ist hier zu finden.
 
 
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