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  Interview: Im Gespräch mit: Jenny-Mai Nuyen
Geschrieben am Tuesday, 14.November. @ 16:39:27 CET von Guido
 
 
  Interview Jenny-Mai Nuyen wurde 1988 als Tochter deutsch-vietnamesischer Eltern in München geboren. Geschichten schreibt sie, seit sie fünf ist, und mit dreizehn verfasste sie ihren ersten Roman. Als großer Fantasy-Fan hat Jenny-Mai Nuyen alles verschlungen, was es an literarischen Vorbildern gab: von Lloyd Alexander über Michael Ende bis zu Jonathan Stroud und Christopher Paolini. "Nijura - Das Erbe der Elfenkrone" hat sie mit sechzehn Jahren begonnen. Jenny-Mai Nuyen studiert Film an der New York University und arbeitet bereits an ihrem nächsten großen Roman.
Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat ein Interview mit ihr geführt.

Hallo Frau Nuyen. Würden Sie unseren Lesern zu Beginn vielleicht als Einführung kurz mitteilen, wie Sie zum Schreiben gekommen sind. Zum Zeitpunkt als Sie "Das Erbe der Elfenkrone" verfasst haben waren Sie erst 16 Jahre alt - als junge Frau verbringt man seine Freizeit normalerweise eher in Discos, beim Shopping oder mit Freunden? Was hat Sie bewogen, sich an die Tastatur zu setzen?

Ich habe immer gerne geschrieben - Gedichte, Geschichten, kleinere Drehbücher - und hatte nie das Gefühl, dafür etwas anderes aufgeben zu müssen. Im Gegenteil, wegen dem Schreiben habe ich meine Zeit umso besser eingeteilt, weil mir ihr Wert bewusster war. Auch nachdem ich begonnen hatte, Romane zu schreiben, bin ich noch mit Freunden unterwegs gewesen. Ohne Kontakt zur Außenwelt hat man schließlich nur sehr wenig, worüber man schreiben kann.

Spätestens seit dem sensationellen Erfolg Christopher Paolinis ist man in der Öffentlichkeit auf jugendliche Autoren aufmerksam geworden. War diese Öffnung hin zu Autoren, die auch der Zielgruppe des Buches entsprechen bei der Verlagssuche eher hilfreich, oder hat Sie der lange Schatten Paolinis Sie eher verunsichert?

Ich habe Christopher Paolini als erfolgreichen Autor angesehen, ganz ungeachtet seines Alters - schließlich habe ich auch mich selbst nicht als _junge_ Autorin betrachtet, sondern in erster Linie als verzweifelte Hobbyschreiberin, die irgendwo in der Masse der Hunderttausend strampelt und sich einen Verlagsvertrag erhofft. Bevor ich zu cbj kam, haben mich einige Verlage aber mit der Begründung abgewiesen, dass Bücher von Jugendlichen nicht veröffentlicht werden könnten, da sie grundsätzlich nicht reif genug wären. Oft denken die Leute, Verlage würden sich wegen eines Sensationseffekts auf junge Autoren stürzen - dabei gibt es unzählige Jugendliche, die schreiben, und es werden gewiss nicht alle veröffentlicht. Ich habe es jedenfalls so erlebt, dass Verlage aufgrund meines Alters eher skeptisch waren.

Sie haben als Kind und Jugendlicher viel gelesen. Sicherlich auch viele Fantasy-Stoffe. Als Sie anfingen, "Nijura" zu schreiben, wollten Sie da berühmten Vorbildern folgen, und wenn ja, in welcher Hinsicht, und was wollten Sie anders machen, als Tolkien, MacDonald & Co?

Die Bücher, die mich am meisten beeinflusst und begeistert haben, gehören nicht dem Fantasy-Genre an. Worauf ich beim Lesen achte, sind raffinierte Erzählweisen, außergewöhnliche Figuren, eine poetische Sprache - und sehr viel Fantasy-Literatur legt leider mehr Wert auf das "Drumherum", die erfundene Welt, was ja auch schön ist, nur sollte es meiner Meinung nach nicht die Essenz eines Romans sein. Die Grundidee zu "Nijura" war, einen Roman zu schreiben, in dem zwar alle äußeren Elemente - Elfen, Königreiche, Magie - altbekannt und dem Leser durch frühere Werke vertraut sind, die Bedeutungen dieser Elemente aber verdreht werden. In "Nijura" gibt es gerade _keinen_ bösen König, auch wenn es anfangs so scheint. Und auch die Heldin der Geschichte muss erkennen, dass sie eben nicht die Retterin ist, die sie zu sein glaubte. Ich habe mir bei "Nijura" die Fragen gestellt: "Was wäre, wenn eine Fantasy-Geschichte ganz klassisch anfängt - und dann alles schief geht?"

Ich stelle mir das schwierig vor, als junger noch nicht verlegter Autor einen Verlag für seinen Debütroman zu begeistern - wie was das bei Ihnen?

Ich habe mit dreizehn angefangen zu schreiben und träumte von Anfang an von einer Veröffentlichung. Insgesamt habe ich mehr als drei Jahre lang Bewerbungen verschickt, nach Literaturagenturen gesucht, Ablehnungen verkraftet und einen Roman nach dem anderen geschrieben, bis ich einen Vertrag mit cbj bekam. Es war schon ein Kampf. Aber er hat mich nicht erschöpft, sondern im Gegenteil stärker gemacht.

Die Handlung ihres Romans birgt viele gewohnte Versatzstücke erfolgreicher Fantasy-Epen in sich. Angefangen von den Elfen, dem ambivalenten Usurpator Elrysiar (Elrysjar ist eine der Kronenhälften - Arane ist die Antagonistin), bis zur magischen Krone der Elfen Zusammen mit den sich sammelnden Gefährten um den Elfenprinz Kaveh und Nill, aber auch den sympathischen Dieb Scapa und Fesco weckt die Handlung Erinnerungen an Bestseller aus der Feder von Eddings und anderen Größen. Haben Sie das im Vorfeld so geplant, oder hat sich das während des Schreibens so ergeben?

Für mich bedeutet Fantasy keineswegs, nach Lust und Laune (und den entsprechenden Leseerfahrungen) eine Welt zu entwerfen. Fantasy bedeutet für mich, dass man eine Aussage über die Realität in Symbole fasst. Ich schreibe nicht über den Rassenkonflikt der Elfen und Menschen, bloß weil ich mir schöne Elfenkleider ausgedacht habe - und schon gar nicht, weil ich eine bereits da gewesene Geschichte nacherzählen wollte. Ich möchte meinen Lesern die Möglichkeit geben, ein Stück unserer Wirklichkeit in meinen Büchern zu finden; nur eine hübsche "Fluchtwelt", fände ich nie interessant genug, um fünfhundert Seiten darüber zu schreiben. Aber man kann sich beim Lesen in etwas hineinträumen und sich gleichzeitig seiner eigenen Welt nähern - das war mein Ziel. Natürlich benutze ich altbekannte Fantasy-Zutaten wie Elfen, magische Kronen, Prophezeiungen - ohne sie wäre es doch schwierig, einen Fantasy-Roman zu schreiben. Aber ich habe versucht, mit dem gegebenen Repertoire an Elementen und Themen etwas Neues zu erzählen. Beispielsweise ist ein berühmtes Thema, vor allem in der Fantasy-Literatur, die Macht der Liebe, die alles Böse besiegt. Aber die Liebe, vor allem die Liebe zu einem einzelnen Menschen, kann ins Zerstörerische, ja, in Skrupellosigkeit übergehen. In "Nijura" erzielen die positiven Charaktereigenschaften mancher Figuren negative Wirkungen: Treue macht jemanden zum Verräter. Ehrliche Liebe gerät mit der Moral in Konflikt. Ehrgeiz kehrt den Kampf für Gerechtigkeit ins Gegenteil. Ich glaube nicht, dass diese Ideen klassischer Fantasy entsprechen.

Warum haben Sie sich von all den vielen Fantasy-Rassen ausgerechnet für die Elfen als Handlungsbestandteile entschieden - warum nicht Zwerge, Orks oder Trolle?

Im Roman ist die Trennlinie zwischen Menschen und Elfen relativ dünn - die Unterschiede in Erscheinungsbild und Kultur sind nicht viel größer als die verschiedener Zivilisationen in der Realität. Hätte ich nun statt Elfen Zwerge oder Trolle gewählt, hätte das nur von ihrer eigentlichen Funktion abgelenkt: Es wäre dem Leser schwieriger gefallen, sich mit ihnen und ihrer Weltanschauung zu identifizieren, obwohl genau das passieren sollte.

Manche Kritiker werfen ihnen vor, dass sich ihre Personen - insbesondere Kaveh - kaum weiterentwickeln, obwohl ihnen das Schicksal ja allerhand abverlangt. Wie sehen Sie das?

Ich unterscheide grundsätzlich zwischen den übergeordneten Figuren, die die Geschichte anführen, im Zentrum von allen Handlungen stehen und sich entwickeln müssen, und den untergeordneten Figuren, die die Geschichte stützen und einen bestimmten Zweck auszufüllen haben. Kaveh spielt eine wichtige Rolle, doch er ist keine Hauptfigur. Er stützt die Geschichte, ist ein fester Halt für die Figuren, die sich verändern müssen. Mir war es wichtiger, auf die Entwicklungen von Nill, Scapa und Arane einzugehen. Nill sollte anfangs in vielerlei Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt sein, wie es typisch ist für Helden in der Fantasy; sie entwickelt ihr Selbstbewusstsein, verliert es aber dann Fantasy-untypischer Weise wieder, als ihr klar wird, dass sie gar keine Heldin ist, und erlangt zum Ende hin eine Art trotzige Stärke, weil sie ihr Schicksal in die Hand nimmt. Sie lernt, dass man sich selbst manchmal mehr trauen kann als einer Prophezeiung, die uns vorschreibt, wer wir sind und werden. Scapa geht durch ganz offensichtliche Veränderungen: Er ist anfangs ein extrem leidenschaftlicher Mensch, der sich hauptsächlich durch seine Fähigkeit zu lieben auszeichnet, weil gerade die ihn in sein großes Dilemma bringen wird. Später muss er erkennen, dass die kleine Welt, die man mit einer geliebten Person teilt, oftmals für die wirkliche Welt geopfert werden muss. Er legt viele seiner früheren Weltanschauungen und Überzeugungen ab und ist lange zwischen zwei Seiten hin und her gerissen. Bei Arane findet eine negative Entwicklung statt, oder vielmehr: Sie entfaltet mehr und mehr ihren wahren Charakter.

Nun hätte ich bei einer damals 16-jährigen Autorin angenommen, dass der Plot eher handlungsärmer angelegt wäre, dass große Gefühle und nicht unbedingt Kämpfe und Auseinandersetzungen im Vordergrund stehen würden. Doch hier halten Sie für Ihre Leser Überraschungen bereit. Es wird häufig zu den Waffen gegriffen, es gibt viele actionreiche Szenen, deren Beschreibung auf mich oft sehr bildhaft wirkt. Sind, besser waren Sie von Filmen inspiriert, lief in ihren Gedanken beim Schreiben quasi ein Film ab, den Sie dann zu Papier brachten?

Für mich stehen in "Nijura" die Gefühlswelten der Figuren im Mittelpunkt, weil diese alle Handlungen veranlassen. Trotzdem habe ich die Geschichte beim Schreiben oft "gesehen" - als Autor ist es unumgänglich, sich Situationen vorstellen zu können. Aber bei vielen Stellen, wo Gedanken und Gefühle geschildert werden, habe ich nicht mit dem inneren Auge, sondern wohl eher mit dem Herzen gesehen.

Ihrer Vita entnehme ich, dass Sie eine kulturell sehr aufgeschlossene und kreative Person sind. Mittlerweile studieren Sie im Big Apple Filmwissenschaften. Was bedeutet Kunst und Literatur für Sie?

Literatur, Kunst, Musik, Film - für mich sind das Wege, um Geschichten zu erzählen. Jeder hat ihre eigene Sprache. Und wie alle Sprachen haben auch diese ihre Einschränkungen und Vorzüge. Ein Film mag besonders gut darin sein, das eine zu zeigen - ein Gedicht kann vielleicht das andere am Besten vermitteln - und eine Melodie ist möglicherweise der beste Träger für ein spezielles Gefühl. Alle Richtungen der Kunst versuchen sich dem Unaussprechlichen, dem Namenlosen in uns zu nähern, und das geht am Besten über Geschichten.

Wenn Sie Filmwissenschaften studieren liegt die Frage nahe, ob Sie sich einer Verfilmung ihres Werkes vorstellen könnten?

JMN: Ich könnte es mir vorstellen, aber ich studiere nicht Filmwissenschaften, um "Nijura" zu verfilmen. "Nijura" ist meine erste Veröffentlichung, und ich versuche mich ständig zu verbessern und zu entwickeln. In ein paar Jahren werden ganz andere Geschichten in meinem Kopf darauf warten, erzählt zu werden.

Wäre die Regierarbeit an ihrem eigenen Buch etwas für Sie, oder sind Sie ihrem Stoff wohlmöglich zu nahe, um aus der Essenz des Romans einen Film zu schöpfen?

Wenn einer meiner Romane verfilmt werden sollte, würde ich schon gerne Regie führen - ich glaube nicht, dass es für mich problematisch wäre, eine Geschichte zu verändern, um sie einer anderen Kunstform anzupassen. Aber generell hege ich nicht den großen Wunsch, meine Romane verfilmt zu sehen. Wenn eine Geschichte erzählt ist, ist sie erzählt. Hätte ich die Möglichkeit, einen Film zu machen, würde ich mir etwas Neues ausdenken, denn es gibt so viel, was noch darauf wartet, erfunden zu werden.

Sie stammen aus einer deutsch-viertnamesischen Familie. In ihrem Buch beschreiben Sie mit Nill ein Mädchen, das als Bastard ausgegrenzt wird. Ihre Mutter eine Elfe, ihr Vater ein Mensch - finden Sie sich selbst in Nill wieder, haben Sie hier persönliche Erlebnisse verarbeitet?

Meine Erlebnisse als Tochter zweier Kulturen waren glücklicher Weise nie so negativ wie bei Nill. Aber ich war mir doch bewusst, dass die Möglichkeit bestünde, wenn ich in einer anderen Umgebung aufgewachsen wäre. Es reicht manchmal schon, sich etwas vorstellen zu können.

Wie sieht es mit Reaktionen zu "Nijura" aus. Haben Sie hier Rückmeldungen von Ihren Fans - aufgrund der räumlichen Entfernung ist ein direkten Kontakt ja nicht einfach?

Ich bekomme viele Rückmeldungen per E-Mail. Ich freue mich immer, wenn Leser sich die Mühe machen, meine E-Mail Adresse im Internet zu recherchieren, um mir zu sagen, dass ihnen das Buch gefallen hat. Viele haben auch Fragen, wollen wissen, was nach Ende des Romans mit den Figuren passiert.

Sie waren auf der Buchmesse, planen für Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres eine Lesereise - waren es vornehmlich jüngere Leser, die Interesse signalisierten, oder ist Ihr Publikum altersmäßig bunt gemischt?

Ich bin selbst überrascht, dass es so gemischt ist - ich bekomme Briefe von sehr jungen Lesern sowie von Erwachsenen. Die Jüngeren erzählen mir meistens, was ihnen beim Lesen Spaß gemacht hat und welche Figuren sie am Liebsten mochten, die Erwachsenen haben genauere Fragen darüber, was ich als nächstes schreiben werde.

Die unumgängliche Frage nach einer Fortsetzung darf nicht fehlen. Gibt es ein Wiedersehen mit den Gestalten ihres Romans, oder ist deren Geschichte erzählt, und wenden Sie sich einer anderen Sage zu?

Das Ende der Geschichte lässt meines Erachtens nicht viel Raum für eine direkte Fortsetzung; für mich ist "Nijura" erzählt. Gerade bin ich dabei, einen Roman zu beenden, den ich vor "Nijura" angefangen habe. Danach kommt noch etwas ganz Neues.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräche. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute!


Mehr Informationen zu "Nijura - Das Erbe der Elfenkrone" von Jenny-Mai Nuyen (erschienen bei cbj, Hardcover, 512 Seiten, 16,95 EUR, ISBN-10: 3-570-13058-4) sind hier zu finden.
 
 
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