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Silverberg, Robert (Hrsg.): Legenden – Das Geheimnis von Otherland (Buch)

Robert Silverberg (Hrsg.)
Legenden – Das Geheimnis von Otherland
(Legends II, 2004)
Aus dem Amerikanischen von Hans-Ulrich Möhring, Andreas Helweg, Ingrid Herrman-Nytko, Karsten Singelmann, Andreas Brandhorst, Michael Siefener
Titelgestaltung von Nele Schütz Design
Umschlagabbildung von Christoph Vacher via Agentur Schlück
Piper, 2006, Paperback, 460 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-492-75005-9 bzw. 3-492-75005-2

Von Irene Salzmann

Diese Anthologie ist der zweite Teil des Original-Buchs „Legends II“. Der erste Band erschien bei Piper unter dem Titel „Legenden – Lord John, der magische Pakt und andere Original-Erzählungen von Diana Gabaldon, George R. R. Martin, Orson Scott Card, Robin Hobb und Robert Silverberg“ im Frühjahr 2005. Man muss jenes Buch nicht kennen, um Vergnüge an der vorliegenden Lektüre zu haben, denn in diesem Band finden sich Werke anderer Autoren, und alle Geschichten sind in sich abgeschlossen.
Die Erzählungen sind in bekannten Fantasy-Universen angesiedelt. Selbst wenn dem Leser die Zyklen unbekannt sind, fällt es leicht, sich in den beschriebenen Welten zurecht zu finden, nicht zuletzt Dank der erklärenden Worte des Herausgebers, der kurz die Hintergründe beschreibt, wichtige Charaktere vorstellt und überdies einen Überblick gibt über die jeweils erschienenen Titel.


„Der glücklichste tote Junge der Welt“ von Tad Williams spielt im „Otherland“-Universum. Die Gralsbruderschaft wurde zerschlagen, doch einige der tapferen Kämpfer ließen ihr Leben. Orlando Gardiner ist einer von ihnen, doch überdauert sein Geist im Netzwerk, das immer noch nicht gänzlich erforscht ist und viele Überraschungen bietet. Orlando ist praktisch ein Gott in dieser Ansammlung virtueller Welten. Seine beschauliche Ruhe wird gestört, als der Schatten einer ehemaligen Feindin auftaucht und behauptet, er wäre der Vater ihres Kindes. Weder hat Orlando jemals eine Beziehung zu dieser Person unterhalten – real und virtuell -, noch können Konstrukte sich auf die übliche Weise fortpflanzen. Dasselbe passiert auch einigen anderen Netzgängern. Sie alle rätseln, was dahinter steckt und werden überrascht.
Eigentlich ist diese Story mehr der SF als der Fantasy zuzuordnen, denn die Protagonisten agieren in einem gigantischen Computernetzwerk, das Informationen über unzählige phantastische Welten birgt. Dass sich der Protagonist gern im Hause des Elben Elronds aufhält, legitimiert nicht, das „Otherland“-Universum der Fantasy zuzuschreiben. In der Realität bekommt Orlando einen Robot-Körper, und die Auflösung ist wissenschaftlich fundiert. Allerdings sehen es die Amerikaner etwas lockerer; für sie ist alles Fantasy, was man unter dem Überbegriff ‚Phantastik’ findet. Nichtsdestotrotz ist die Erzählung spannend und witzig, wodurch sie zu einer der besten dieses Bandes wird.

Terry Brooks erzählt in „Unbeugsam“ eine neue Episode aus seinem berühmten „Shannara“-Zyklus. Nachdem der Ildatch zerstört wurde, kehrt Jair Ohmsford nach Shady Vale zurück. Plötzlich taucht Kimber Boh auf und bittet ihn, sie zu ihrem Großvater zu begleiten. Der alte Mann ist noch wunderlicher als früher und hat seit geraumer Weile Visionen, in denen ihm der tote Allanon erscheint und ihn warnt, dass der Ildatch nicht völlig vernichtet wurde. Obwohl Jair bezweifelt, dass seine bescheidenen magischen Kräfte viel bewirken können, begibt er sich an einen Ort, an dem ihm Schreckliches widerfuhr, um die letzte Seite des gefährlichen Buchs zu finden.
Die ersten Bände von „Shannara“ erschienen zu einer Zeit, als „Der Herr der Ringe“ zum ersten Mal einen Fantasy-Boom auslöste (Ende der 70er/Anfang der 80er). Der Titel profitierte von dem großen Interesse an heroischer Fantasy, an Archetypen wie guten und bösen Zauberern, Elfen, Zwergen, Trollen und all den anderen. Wer damals anfing, die Serie zu sammeln, der liest immer noch gern weitere Abenteuer aus dieser postapokalyptischen Welt. Die eigens für die Anthologie konzipierte Episode ist ein kleines Anhängsel zu „The Wishsong of Shannara“, dem dritten Band der Reihe, die in Deutschland von Goldmann in drei Bände zerlegt wurde. „Unbeugsam“ ist nicht unbedingt notwendig, da es bereits ein rundes Ende gab, man wird die Story aber als Epilog gern der Sammlung hinzufügen.

„Jenseits des Dazwischen“ ist eine Kurzgeschichte aus der Welt der „Drachenreiter von Pern“ von Anne McCaffrey. Die Drachenreiterin Moreta gilt als verschollen. Man nimmt an, dass ihr ein Fehler unterlaufen ist, denn sie war erschöpft und nicht mit ihrem eigenen Drachen unterwegs. Seither beobachtet der Bauer, den sie zuletzt besuchte, seltsame Phänomene auf seinem Hof. Als er die Zusammenhänge zu begreifen beginnt, lässt er dem Weyr, von dem Moreta stammt, eine Nachricht zukommen. Die alte Leri macht sich mit Moretas Drachen auf den Weg, die tragische Lösung ahnend.
Auch diese Erzählung weist mehr SF- als Fantasy-Elemente auf. Die Bewohner von Pern sind Kolonisten von der Erde, die eine einheimische Spezies genetisch manipulierte, um diese im Kampf gegen Parasiten aus dem All einzusetzen. Drache und Reiter stehen in telepathischer Verbindung, sie reisen gemeinsam durch Raum und Zeit. Es gibt keine Magie, alles wird wissenschaftlich erklärt. Die Drachen und die mittelalterlich wirkenden Verhältnisse sind zwar ein Tribut an die Fantasy, können aber nicht über den wahren Kern der Serie hinweg täuschen.

Neil Gaiman ist bekannt als Autor von Horror-Romanen und Comic-Serien wie „Sandman“, „Die Bücher der Magie“ und „American Gods“. Aus letzterem Zyklus stammt die Geschichte „Der Herr des Tals“: Shadow verbringt einige Tage in Schottland. Ein kauziger Arzt vermittelt ihm einen Job als Bodyguard in einem abgelegenen Herrenhaus. Merkwürdig an der Sache ist, dass derjenige, der eine große Party für die Prominenz gibt, über genug eigenes Personal verfügt. Wofür braucht er einen Fremden? Shadow ahnt, dass er in einer Falle sitzt, und tatsächlich soll er Bestandteil eines uralten Rituals werden. Allerdings hat er keine Lust, sich an die Regeln anderer zu halten.
Der Autor mischt keltisch anmutende Fantasy mit vagen Horror-Elementen. Wieder einmal wird der ewige Kampf zwischen Gut und Böse zelebriert, doch bricht der Protagonist aus der traditionellen Rolle aus. Dafür benötigt er Hilfe von außen und bekommt sie auch. Er ist kein Superheld, der alles allein schafft, wodurch er menschlicher wirkt, als er aufgrund seiner Fähigkeiten ist. Die zunächst realistische Geschichte verzerrt sich immer mehr ins Phantastische und erreicht schließlich einen bizarren Höhepunkt ohne große Effekthascherei.

„Midkemia“ stammt von Raymond E. Feist. „Der Bote“ ist ein junger Reiter, der im Winter trotz Krankheit seine Aufgabe pflichtbewusst erfüllt. Gejagt von feindlichen Truppen bringt er Nachrichten zu verschiedenen Abteilungen des Heeres und kann dadurch größere Verluste verhindern.
Im Mittelpunkt der Handlung steht ein junger, opferbereiter Mann, der durch seine Erlebnisse erst begreift, was Krieg und Tod wirklich bedeuten. Zwar nimmt er nur indirekt am Kampfgeschehen teil und muss selbst kaum zur Waffe greifen, doch in seiner Lungenentzündung und der Witterung hat er zwei mindestens ebenso tödliche Feinde. Die Story hat ebenfalls einen SF-Hintergrund, denn Invasoren aus einer anderen Welt dringen durch einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum nach Midkemia vor, um sich der dortigen Ressourcen zu bemächtigen. Die Kontrahenten wirken mittelalterlich, doch erlaubt die kurze Episode nicht, sich einen umfassenden Eindruck von den jeweiligen Kulturen zu machen.

Elizabeth Hayden ergänzt ihre „Rhapsody-Saga“ mit der Erzählung „An der Schwelle“. Vor Generationen zerstörte ein Meteor, genannt ‚das schlafende Kind’, Teile der Insel Serendair. Als verschiednen Anzeichen daraufhin deuten, dass das schlafende Kind erwachen wird, befiehlt der König, die Insel zu räumen. Allein eine kleine Gruppe Soldaten bleibt zurück, um die Ordnung unter jenen aufrecht zu erhalten, die das letzte Schiff verpasst haben. Die vier Männer und eine Frau haben mit ihrem Leben abgeschlossen, als unerwartet noch ein Boot erscheint. Das wäre ihre Chance – aber die Soldaten stehen zu ihrem Eid.
Wer die „Rhapsody-Saga“ nicht kennt, fühlt sich doch etwas verwirrt, da die kurze Beschreibung der Hintergründe wenig auf die Ereignisse in dieser Geschichte vorbereitet. Man wird nicht richtig warm mit den opferbereiten Charakteren, für die es keinen Ausweg zu geben scheint. Tatsächlich ist es auch die einzige Erzählung mit einem deprimierenden Ende, das viele Fragen offen lässt.


Für die Kenner der genannten Serien ist der Band sicher ein Muss, denn wer möchte nicht eine möglichst komplette Sammlung vorliegen haben, die auch Kurzgeschichten beinhaltet, die außerhalb der Reihe in verschiedenen Anthologien erschienen sind. Für Fantasy-Fans, die noch zögern, ob sie in einen Roman-Zyklus einsteigen sollen, der bereits mehrere Bände umfasst, bietet das Buch eine Gelegenheit, in die verschiedenen Serien hinein zu schnuppern und zu entscheiden, ob man mehr über diese oder jene Welt, die man hier kennen lernte, erfahren möchte.

Die Erzahlungen sind nicht reine Fantasy; man findet ebenso reichliche SF-Elemente. Von daher dürfte „Legenden“ auch für jene Leser interessant sein, die allen Spielarten der Phantastik gegenüber aufgeschlossen sind und die Fantasy nicht allein durch das Auftreten von Magiern und Monstern definieren. Tatsächlich zeigt die Anthologie, wie breit das Spektrum des Genres tatsächlich ist: Von epischer Fantasy über Science-Fantasy bis hin zu einem Mix mit Horror und Cyperpunk ist alles dabei.

hinzugefügt: August 3rd 2006
Tester: Irene Salzmann
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