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Der Killer von Wien (DVD)

Der Killer von Wien
DVD
Spanien/Italien 1971, Regie: Sergio Martino, mit George Hilton, Edwige Fenech, Conchita Airoldi, Manuel Gil u.a.

Von Thomas Harbach

Julie Wardh – die wunderschöne Edwige Fenech mit ihrer Mischung aus Unschuld mit dunklen Rehaugen und lasziver Sexualität – kehrt mit ihrem amerikanischen Ehemann – einem Börsenmakler, damals wie heute nicht unbedingt ein Ausdruck von Respektabilität – nach Wien zurück. Dort holt sie ihre masochistische Vergangenheit wieder ein, sie begegnet ihrem langjährigen Liebhaber Jean – Ivan Rassimov, der in erster Linie einen fiesen Gesichtsausdruck auf seinem einprägsamen Gesicht zur Schau stellen muss. Auch wenn Julie die Zeit am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen möchte, empfindet sie anscheinend eine stärkere emotionale Bindung zu Jean als an ihren gegenwärtigen Ehemann. Jean versucht sie mit geheimnisvollen Botschaften in großen Rosensträußen wieder für sich zu gewinnen. Gleichzeitig tritt aber auch George Corro, der Cousin ihrer besten Freundin, in ihr Leben. Als sie sich auf eine Affäre einlässt, wird sie plötzlich erpresst. Außerdem erschauert die Praterstadt unter einem unheimlichen Frauenmörder, der in schwarz gekleidet seine hübschen Opfer mit einem Rasiermesser umbringt.

Im Gegensatz zu den oft einfachen englischen oder deutschen Titeln zeigen sich die italienischen Originaltitel verspielter. So lautet auch „Lo Strano vizio della Signora Wardh“ übersetzt „Das seltsame Laster der Signora Wardh“ und weist auf ihren masochistische Veranlagung hin. Es ist auch erstaunlich, wie schnell ihr Charakter den Männern verfällt. Nicht nur das Aufflammen der alten Liebe zu Jean, sondern sowohl zu George Corro als auch zu einem Arzt. Die Männer geben ihr eine gewisse Führung – in erster Linie der brutale Jean - und Sicherheit – eine emotionale Sicherheit im Gegensatz zur materiellen Sicherheit ihres amerikanischen Ehemanns. Neben ihrem fraulichen Aussehen gelingt es Edwige Fenech sehr gut, auf der einen Seite eine „unschuldige“, schutzbedürftige Frau und kein Mädchen darzustellen, auf der anderen Seite aber auch ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Während des ganzen Films reagiert sie nur auf Ereignisse, die auf sie einstürzen. Insbesondere die ersten Szenen, in denen sie leidenschaftlich geliebt und instinktiv darauf reagiert, bleiben dem Zuschauer nicht nur wegen der effektiven Inszenierung Martinos im Gedächtnis.

Immerhin stellte „Der Killer von Wien“ seinen ersten Giallo dar. In diesem Fall definiert sich der Begriff „Giallo“ nach den Vorgaben Mario Bavas und Dario Argentos: eine überaus komplizierte, aber nicht immer komplexe Handlung, schöne Frauen und ein maskierter, in schwarz gekleideter Täter, der mit verschiedenen Mordinstrumenten die Straßen der jeweiligen Stadt unsicher macht. Am Ende entpuppen sich nicht selten diese Morde als Teil eines komplexen, perfiden Plans. Nicht selten finden sich Anspielungen auf andere Filme. In diesem Fall nicht nur auf Alfred Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ und dem zugrunde liegenden Roman von Patricia Highsmith, sondern auch auf den französischen Thriller „Die Teuflischen“ und dessen literarische Grundlage. Sergio Martino und sein Drehbuchautorenteam – Vittorio Caronia, Ernesto Gastaldi, Eduardo Manzanos Brochero – machen nicht den Fehler, Hitchcocks Film nachzuerzählen, sondern sie stellen ihn sehr geschickt und intelligent auf den Kopf. Die Erzählung erfolgt quasi und für den Giallo oft so typisch in umgekehrter Reihenfolge. Erst kurz vor der unabdingbaren und nicht vorhersehbaren Schlusspointe werden für den Zuschauer die einzelnen Bestandteile der oft überaus komplizierten Handlungspuzzles zusammengesetzt und erläutert. Wenn einer der Schurken davon spricht, dass die Polizei überfordert sei, das Rätsel zu lösen, spricht er in diesem Augenblick auch ganz bewusst über die Zuschauer.

Sergio Martino gehört mit seinen vielen Filmen weder zu den künstlerischen Visionären – siehe Mario Bava oder Dario Argento - noch zu den oft politisch ambitionierten Erzählern – siehe Sergio Sollima. Er ist und bleibt ein solider Handwerker, der sich in allen Genres zu Hause fühlt und oft die Genrekonventionen bewusst über den Haufen wirft. Bis 1973 inszenierte Martino insgesamt fünf sehr sehenswerte Thriller, bis er schließlich Komödien, erotische Filmchen, Kriegs- und Actionsfilme sowie einen Kannibalenfilm mit Ursula Andress inszenierte. Neben dem Italo-Western „Mannaja“ gehört dieser „Die weiße Göttin der Kannibalen“ zu seinen außergewöhnlichsten Arbeiten. In „Der Killer von Wien“ kann man sehr gut seine Stärken, aber auch seine Schwächen beobachten. Martino verfügt über ein sehr gutes Auge für interessante atmosphärisch bestimmende Schauplätze – so gehört die Sequenz im Schlosspark von Wien zu den effektivsten des Films und mit ungewöhnlich einfachen Mitteln überträgt sich eine morbide Stimmung auf den Zuschauer. Gleich zu Beginn entfacht der Regisseur ein wahres Ideenfeuerwerk in einer der Rückblenden. Regen, bedrückende Atmosphäre, keine Musik, sondern nur eine stumme Abfolge von rasant geschnittenen Bildern, dann im Hintergrund beginnend eine effektive, sehr emotionale Musikuntermalung und schließlich auch visuell unterstreicht er die seltsame Leidenschaft der Julia Wardh. Immer wieder erstaunlich aus heutiger Sicht, mit welchen bescheidenen Mitteln er eine Reihe von Alptraumsequenzen inszeniert hat und wie eindringlich sie die äußerst gespannte und emotional aufgeladene Atmosphäre vertiefen. Nur mit interessanten Schnittfolgen, ungewöhnlichen Perspektiven – inklusiv einer bewussten Hommage an Hitchocks „Psycho“ – und einer eindringlichen Synthese von Bild und Ton. Untermalt wird das Ganze von Nora Orlandis wunderschönen Soundtrack, der auch Quentin Tarantino eine Gereation später bei „Kill Bill 2“ inspirierte.

Rückblickend finden sich in den ersten Giallos - das gilt für Mario Bava, Dario Argento und eben Sergio Martino – Elemente, die sich mehr und mehr in einer Flut ähnlicher Filme zu Klischees entwickeln werden. Die schöne Frau in einer von einem Killer heimgesuchten Stadt einsam im Park mit hereinbrechender Dunkelheit, eine unheimliche Begegnung in einer nicht minder einsamen Tiefgarage, die überdeutlich und damit automatisch ausgelegten falschen Spuren, leichte Weichzeichnung der noch mehr als einer Generation immer noch überraschend effektiven erotischen Szenen und schließlich die im Script und der überaus komplizierten Handlungsstruktur integrierten, aber leider zu sehr konstruierten Zufälle. In diesem Film sind diese später zum Erbrechen ausgereizten Elemente noch ungewöhnlich. Ein wenig angestaubt, nostalgisch und vom 70er Jahre Flair verklärt. Gegen Ende der Handlung neigt Martino aber auch zu einer Reihe von plottechnisch notwendigen, aber wenig effektiven Übertreibungen. Kaum schürt er in Edwige Fenech die Angst vor ihrem sadistischen Exgeliebten, muss er mit einem unwahrscheinlichen Schuss in einen LKW-Reifen dieses fast surrealistisch aufgebaute Szenario durchbrechen und die aufgebaute spannende Atmosphäre zerstören. Unterstützung findet Martino allerdings nicht nur in seinen sehr guten Schauspielern, sondern selbst in der deutschen Fassung wirken einige der Dialoge erstaunlich geschliffen mit ihrer Mischung aus Masochismus und erotischer Subtilität. Dazu kommt, dass der Regisseur gleich zu Beginn eine gewisse Distanz zwischen seinem eher bodenständigen Publikum und seinen Charakteren aufbaut. Er zeigt das zynisch inszenierte Portrait einer reichen, dekadenten und in sich selbst verliebten Jet Set-Generation, deren einziges Interesse an der Umwelt das Abgraben von Vorteilen ist. Ein wenig erinnert die Inszenierung an den plakativen Stil der Frauenmagazine, in denen die Vorurteile des einfachen Volks unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt bestätigt werden. Es spricht für die Leistung der einzelnen Schauspieler, diese Barriere zu überwinden und Emotionen im Publikum zu wecken. Neben Edwige Fenech überzeugt in erster Linie der smarte, aber undurchsichtig George Hilton. Auch wenn seine Darstellung ein wenig steif wirkt, besteht eine spürbare erotische Bindung zu Edwige Fenech. Außerdem ist sein Charakter sehr vielschichtig angelegt. Anfang ein wenig blass und wenig überzeugend gezeichnet, gewinnt sein Spiel an Kraft, je mehr er in das eigentliche, sich interessant entfaltende Geschehen integriert wird.

Ivan Rassimov als Ex-Geliebter Jean hat es deutlich leichter, er muss in den oft sehr perspektivisch aufgenommenen Rückblenden nur sadistisch fies und ein wenig dümmlich-brutal schauen. Trotzdem ist seine Performance eindrucksvoll und insbesondere gegen Ende des Films wird sein Spiel nuancenreicher und der Zuschauer kann verstehen, warum Edwige Fenech ihm in jungen Jahren körperlich verfallen ist.

„Der Killer von Wien“ ist dank seiner visuell sehr eleganten Inszenierung – das reicht von den wunderschönen Schauplätzen bis zu den brutal, aber sehr effektiv gefilmten und sehr blutigen Mordszenen – ein Paradebeispiel für dieses Subgenre. In den 70er Jahren mit ihrer Richtungslosigkeit funktionierte diese Mischung aus schmierigem Thriller und obsessiver, nicht selten von männlicher Seite unterdrückter und deshalb in Gewalt ausartender Erotik sehr gut. Einen Hauch von der Regenmäntelbrigade in den Schmuddelkinos entfernt konnte man hier sehr viel nackte, weibliche Haut begutachten und davon träumen, diese Frauen in den Armen zu halten oder im Bett zu haben. Der schwarz gekleidete Killer war der gewalttätige Ausdruck des schlechten Gewissens.

Im Gegensatz zu vielen oft hastig herunter gedrehten Filmen dieses Subgenres funktioniert in „Der Killer von Wien“ auch die grundlegende Krimihandlung über weite Strecken sehr gut. Immer wieder werden überzeugend falsche Fährten gelegt. Es ist erstaunlich, wie harmonisch das Drehbuchteam viele der losen Fäden zu einem interessanten Ende wieder verbinden kann. Im folgenden Interview geht Ernesto Gastaldi nicht nur auf die Besonderheiten des Giallos ein, sondern auch die Regeln, in denen sich das Drehbuch bewegen musste. Die Umsetzung oblag den Fähigkeiten des Regisseurs. Sergio Martino half sicherlich, dass er relativ unvoreingenommen sich des Themas annahm und im Laufe der Jahre einen sehr visuellen, aber effektiven Stil adaptierte.

Zum ersten Mal ungekürzt und im richtigen Format – 2.35:1 – mit kräftigen Farben, sehr guten Kontrasten – hier sei nur auf die Szene am Flughafen und zwei der Alptraumsequenzen hingewiesen – sowie dem satten Ton überzeugt schon die technische Präsentation der DVD. Das Booklet von Christian Kessler im bekannten Ton geschrieben ist dagegen überraschend ineffektiv, die Informationen eher oberflächlich und seltsam bemüht aufgelistet. Dafür entschädigt die farbengetreue Wiedergabe der immerhin über dreißig Jahre alten Szenefotos auf dem illustrierten Digipack im stabilen Pappschuber und auf der DVD selbst. Natürlich gehört der italienische Originaltrailer ebenfalls zur Ausstattung.

Zu den Extra gehören weiterhin neben dem 32 Minuten langen Beitrag „Dark Fears Behind the Door“ der zuvor erschienenen US Veröffentlichung des Films ein Interview mit der Komponistin Nora Orlandi und der eher unwichtige Beitrag eines unbekannten österreichischen Entertainers namens Austrofred ohne Manta – was immer auch die Österreicher unter diesem englischen Wort verstehen -, der zu allem seinen unscharfen Senf hinzufügen muss.

Nicht zu Unrecht ist das Gespräch mit Nora Orlandi als „Belliscima Musica“ übertitelt. Die ältere Dame berichtet am Klavier sitzend von ihrer langen Karriere in der italienischen Filmindustrie. Dabei verweist sie auf ihre Western und die Giallo im Allgemeinen und schließlich auf „Der Killer von Wien“ im Besonderen. Sie berichtet alleine und ohne Fragen, ihre persönlichen Erfahrungen fließen in die Erzählung ein. Sie wirkt sehr sympathisch, nicht arrogant und zeigt sich insbesondere Quentin Tarantino gegenüber dankbar und nicht stolz, dass er ihre Musik für seinen Film verwendet hat. Teilweise wird ihre Erzählung von der von ihr geschriebenen eingehenden und eindringlichen Musik unterlegt. Nur zweimal werden Poster von Filmen eingeblendet, an denen sie gearbeitet hat.

„Dark fears behind the Door“ besteht aus zusammen geschnittenen Interviews mit den beiden Hauptdarstellern Edwige Fenech – immer noch schön mit einem eindruckvollen Gesicht – und George Hilton – das graue Haar steht ihm sehr gut, er ist wirklich in Ehren gealtert – vor der Kamera und Sergio Martino – gesetzt, ein wenig distanziert – sowie Ernesto Gastaldi – mit einem bissigen Humor ausgestattet und eher bodenständig – hinter der Kamera. Allen vier ist anzumerken, wie sehr ihnen die Arbeit an diesen Filmen Spaß gemacht hat. Ein wenig aus der Reihe fällt nur Luciano Martino, Fenechs späterer Mann, der seine Persönlichkeit zu sehr in den Vordergrund stellt und von sich behauptet, dass Genre des Thrillers im Alleingang wegen seiner Familie mit der Amerikanerin Caroll Baker erfunden zu haben. Es ist interessant, die unterschiedlichen Aussagen zu verfolgen und eine Wertung zu versuchen. Alle berichten sehr sachlich und respektvoll von ihren Anfängen im Filmbusiness und obwohl viele ihrer Familie nicht unbedingt qualitativ überzeugen konnten, betrachten sie diese im richtigen Kontext. Das am Set vieler Produktion herrschende Gefühl einer großen Familie wird genauso übermittelt wird die beschränkten Möglichkeiten des Italienischen Films - sei es in finanzieller Hinsicht wie auch zum Teil künstlerischer. Immer wieder wurden erfolgreiche Trends des amerikanischen Kinos kopiert und zweckentfremdet. Der zweite Schritt bestand dann darin, aus diesen Vorgaben ein eigenständiges Subgenre zu schaffen. Im Bereich des Western und des Thrillers ist es den Italienern sehr gut gelungen, die Giallos haben dann wieder den amerikanischen Splatterfilm der achtziger Jahre beeinflusst. Gastaldi geht noch ein wenig auf die Gesetzmäßigkeiten des Giallos ein und den stetigen Konflikt mit den Zensurbehörden. „Dark Fears…“ vermittelt auf sympathische Art und Weise einen guten Eindruck von der Entstehung dieses Giallo und seinen Machern. Alle versuchen dem Zuschauer ein solides Bild der damaligen Blütezeit des italienischen Kinos zu geben. Dieser Beitrag rundet eine gelungene DVD Präsentation eines auch heute noch empfehlenswerten, interessanten Filmes an, der zum ersten Mal – nach seiner Kinoausstrahlung – ungekürzt und im richtigen Format zur Verfügung steht.
DVD-Facts:
Bild: 2,35:1 (Widescreen anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, italienisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
- Dark Fears behind the Door (31:01 Min)
- La bellissima musica della signora Orlandi (12:55 Min)
- Tu Felix Austria Nude (6:11 Min)
- Italienischer Trailer (3:05 Min)
- Bildergalerie (ca. 45 Bilder)
- Booklet mit Text von Christian Kessler und Bildern

hinzugefügt: May 26th 2006
Tester: Thomas Harbach
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