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Feige, Marcel (Hrsg.): Das kleine Comic-Lexikon (Buch)

Marcel Feige (Hrsg.)
Das kleine Comic-Lexikon
Titelgestaltung von Frank Wonneberg
Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2005, Taschenbuch, 226 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 3-89602-544-9

Von Irene Salzmann

Vier Jahre nach dem Erscheinen von „Das große Comic-Lexikon“ hat der Herausgeber offenbar Konsequenzen aus der Schelte für diesen Titel gezogen, denn die Neuauflage kommt als „Das kleine Comic-Lexikon“ sehr viel bescheidener auf den Markt.
Und kleiner ist es auch geworden: Wurde die ursprüngliche Ausgabe noch als Klappenbroschur gedruckt, so schrumpfte das Nachschlagewerk nun zum Taschenbuch, das mit über 800 dünnen Seiten zwar umfangreicher als der 600 Seiten starke Vorgänger, aber deswegen nicht zwangsläufig inhaltsreicher geworden ist. Nicht nur geht die kleinere Schrifttype zu Lasten von Übersicht und guter Lesbarkeit, auch die vielen schönen Abbildungen sind jetzt kaum noch größer als Briefmarken - leider.

Vergleicht man beide Ausgaben, stellt man fest, dass zwar neue Stichworte hinzugefügt wurden („Angelic Layer“, „Die Chroniken des schwarzen Mondes“, „Michel Weyland“…), dafür aber andere verschwunden sind („Adam Strange“, „Calimero“, „Marc Wasterlain“…). In einigen Fällen mag eine sinnvolle Zusammenlegung zweier Begriffe die Ursache sein, viel öfter jedoch sind als vernachlässigbar erachtete Namen geopfert worden. Nicht mehr vorhanden ist ferner das Interview mit dem dt. Comic-Künstler „Jamiri“.

Mehrere Begriffe erhielten ein Update („Abenteuer in der Elfenwelt“, „Judge Dredd“, „Sandmann“…), doch viele wichtige Entwicklungen der letzten Jahre wurden völlig verschlafen.
Ein Beispiel ist der kometenhafte Aufstieg des US-Verlags Crossgen, der genauso plötzlich als Stern am Comic-Himmel wieder erloschen ist. Konnte man das Fehlen des Stichworts bei der ersten Ausgabe noch damit entschuldigen, dass die Serien damals allein in den USA und den hiesigen Insidern bekannt waren, Informationen womöglich erst nach Redaktionsschluss vorlagen - obwohl bereits damals ein Bild von Ashleigh aus „Scion“ das Cover (das identisch mit dem der Neuauflage ist) zierte -, so gibt es diesmal kein Herausreden, denn die Reihen liefen mittlerweile erfolgreich in Deutschland. Jedoch wird kein Wort über „The Way of the Rat“, „Sojourn“, „The First“ und die übrigen Titel verloren, unter denen jeder Leser etwas nach seinem Geschmack finden konnte.
Auch der Neustart von Rob Liefelds „Youngblood“ bei Avatar Press ging unbemerkt vorüber. Selbst diesem Verlag ist kein Stichwort vergönnt, obwohl er sich durch Adult-Titel von den üblichen Superhelden und Funnies deutlich abgrenzt.
Jim Balent, der bestimmt für eine der schönsten Versionen von „Catwoman“ verantwortlich ist, wurde ebenso ignoriert, wie die Serie selbst – nicht einmal unter ‚Batman’ wird sie erwähnt. Das gleiche gilt für seine aktuelle Reihe „Tarot“, die zunächst innerhalb eines Gothic-Magazins startete, bevor der Dino-Verlag beschloss, die Serie auszukoppeln und separat zu publizieren.
Diese Liste ließe sich beliebig von jedem fortsetzen, der sich auch nur ein wenig mit US-Comics befasst hat.

Bei den bislang unterrepäsentierten Francobelgiern wurde etwas nachgebessert (Die „Troy“-Serien, „Die Chroniken des schwarzen Mondes“…), wenn auch nicht übermäßig. Der Grund ist, dass immer weniger Alben aus diesem Raum ihren Weg nach Deutschland finden. Die Schwerpunkte der Verlage haben sich zu den Mangas verlagert, da deren Leserschaft momentan die größte Käuferschicht stellt. Hinzu kommt, dass Französisch unter den an den Schulen gelehrten Sprachen unter ‚ferner liefen’ rangiert, so dass nur wenige Sammler in der Lage sind, die Originale zu lesen.

Ein Stiefkind sind nach wie vor die Mangas, vor allem in Hinblick auf ihre Umsatzzahlen. So mancher Fachhändler verdankt sein Überleben nach dem Zusammenbruch des Superhelden-Markts vor einigen Jahren dem wachsenden Interesse an Manga und Anime.
Selbst wenn man persönliche Präferenzen und ein begrenztes Platzangebot zugrunde legt, so ist die Auswahl an Künstlern und Titeln mehr als nur bescheiden und einseitig. In erster Linie werden Magical Girl-Reihen und Endzeit-SF vorgestellt („Wedding Peach“, „Oh! My Goddess“, „Dragon Head“, „Exxaxxion“…), die all jene bestätigen, die noch immer glauben, Mangas wären identisch mit kuhäugigen, hysterisch kreischenden Schulmädchen in ultrakurzen Röckchen oder ihren futuristischen Pendants in gigantischen Mobile Suits. Für all die anderen Genres werden bestenfalls ein, zwei Serien genannt, die jedoch nicht unbedingt repräsentativ sind. Neben den Altmeistern (Hayao Miyazaki, Ozamu Tezuka…) findet man noch den einen oder anderen zeitgenössischen Lieblingszeichner (Rumiko Takahachi, Takeuchi Naoko…), nicht aber die wahren Shooting-Stars (You Higuri, Kazuya Minekura, Kaori Yuki – von ihr wurde immerhin noch die Serie Angel Sanctuary erwähnt) und schon gar nicht die von morgen: Yamane Ayano, Motonie Modoru, Tori Maya etc.
Eine Definition von für Manga-Fans gängigen Begriffen, die allen anderen nur Fragezeichen über den Köpfen entstehen lassen, fehlt bedauerlicherweise ebenfalls. Es wird sogar vom Genre „Shonen Ai“ gesprochen, das es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Man muss annehmen, dass der/die Autor/en selbst nicht genau um die Bedeutung von „Boys Love“, „Shonen Ai“, „Yaoi“ etc. wissen. Da ist man natürlich auf der sicheren Seite, wenn man auf deren Erwähnung möglicht verzichtet.
Den informativen jap. Magazinen, die man inzwischen auch hier im Fachhandel bekommen kann, den verschiedenen Entwicklungen im englischsprachigen Raum oder den Auswirkungen der Mangas auf das Fandom (Cosplay, Doujinshi) schenkte man gleichfalls keine Beachtung.
Auch hier könnte man noch viele Beispiele mehr nennen.

Dass den Manhwas, die seit einer Weile das Programm ergänzen, noch weniger Platz eingeräumt wird als den Mangas, verwundert dann schon nicht mehr.

Und die dt. Comic-Szene? Dazu gibt es nicht viel zu sagen, denn eine, die der in Japan, in den USA oder in Frankreich/Belgien vergleichbar ist, gibt es nicht.

Natürlich ist es ein Unding, ein umfassendes Nachschlagewerk für Comics erstellen zu wollen, da weltweit jeden Monat neue Titel dazu kommen und niemand in der Lage ist, den Überblick zu wahren oder gar alles zu kennen. Die logische Konsequenz wäre, einen Schwerpunkt zu setzen, z.B. nur US-Comics oder die in Deutschland publizierten Titel der letzten 20 Jahre – wo sich der/die Autor/en noch am besten auskennen.
Ohne konkretes Konzept erscheint das ganze Werk relativ kopf- und ziellos, da man von allem nur ein bisschen bekommt, meist aber nicht das, wonach man sucht.

Langjährige Sammler können mit Leichtigkeit ihr eigenes, sicher erheblich umfangreicheres Lexikon schreiben und brauchen dieses Buch nicht.

Neueinsteigern, die i.d.R. identisch mit jungen Lesern sind, die sich einen Wegweiser durch die Titelflut erhoffen, nützt das Lexikon nicht wirklich: Viele erwähnte Klassiker sind nirgends oder nur zu horrenden Sammlerpreisen erhältlich. Andere Serien mögen zwar mehr oder minder regelmäßig erscheinen, im gut sortierten Antiquariat oder beim Verlag direkt nachbestellbar sein, doch wer mag sich heute noch auf einen Comic einlassen, der mehr als 500 Hefte Vorgeschichte kennt? Ferner sind viele dieser Reihen nicht auf die Bedürfnisse dieser Generation zugeschnitten. Zu den derzeit beliebten Mangas („Loveless“, „Saiyuki“, „Vagabond“…) und jüngeren US-Serien („Authority“, „Devil May Cry“, „Soul Fire“…) sind so gut wie keine Informationen vorhanden.

Als potentielle Käufergruppe bleiben folglich nur jene, die hin und wieder einen Comic zur Hand nehmen, ohne gleich zum manischen Sammler zu werden. Wer kein größeres Hintergrundwissen besitzt, mag für sich vielleicht einige Lesetipps aus dem Comic-Lexikon herausziehen.

Wer umfassendere Angaben wünscht, wird mit dem Internet glücklicher. Plattformen wie www.splashpages.de bieten Informationen zu nahezu allen aktuellen Serien, die man im Fachhandel kaufen kann.
Zweifellos haben auch der/die Autor/en von hier so manches Wissen bezogen. Da kann man es sich sogar sparen, die Serien, über die man schreibt, vorher selbst zu lesen. Vergleicht man Texte aus dem Buch mit Rezensionen aus dem Internet, entdeckt man bei den Formulierungen hin und wieder überraschende Übereinstimmungen. Während man im Impressum des Comic-Lexikons ausdrücklich auf das Zitatrecht hinweist, nimmt man es selbst bei den Texten anderer Autoren wohl nicht so genau…

„Das kleine Comic-Lexikon“ ist ein eher unbefriedigender Versuch, ein hilfreiches Nachschlagewerk zu verfassen. Es kratzt ein wenig an der Oberfläche des Themas und gibt die subjektive Meinung der Autoren wieder. Durch die Bearbeitung hat sich nichts Wesentliches verändert, so dass jeder, der die ältere Ausgabe besitzt, sich den Kauf des Taschenbuchs sparen kann. Wer das Buch nicht kennt, sollte erst ein wenig darin blättern, um für sich entscheiden zu können, ob es seinen Ansprüchen genügt.
Mit oder ohne Comic-Lexikon im Regal, es bleibt jedem Wissbegierigen i.d.R. nicht erspart, selbst zu recherchieren, wenn er mehr über einen bestimmten Künstler oder eine Serie erfahren möchte, was inzwischen ja nicht mehr so schwierig ist – Internet sei Dank!

hinzugefügt: April 30th 2006
Tester: Irene Salzmann
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zugehöriger Link: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
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