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Vöhl, Uwe & Bartscher-Kleudgen, Jörg: HalligSpuk (Buch)

HalligSpuk
Schauergeschichten von der Hallig Hooge
Uwe Vöhl, Jörg Bartscher-Kleudgen
Goblin Press

Von Markus K. Korb

In Zeiten zunehmender Verunsicherung ob einer mehr und mehr gestalt- und inhaltslos werdenderen Welt, suchen die Menschen in vielfältigen Formen nach Sicherheit. Die phantastische Literatur kann gerade Ausdruck dieser Suche sein, bietet aber keinen sicheren Hafen, an dem man bedenkenlos anlegen kann.
Das Bild des Hafens, der Literatur als vom Meer geprägten Landschaft drängt sich einem auf, liest man die sechs Schauergeschichten des Büchleins „HalligSpuk“, das unlängst im renommierten Kleinverlag GOBLIN-PRESS erschienen ist.

Wie der Untertitel des Bandes bereits aussagt, stehen alle Geschichten dieses Bandes in Verbindung mit der Hallig Hooge, jener größten aller friesischen Wattenmeerinseln. Dementsprechend tost ein kräftiger Sturmwind durch die Erzählungen, vermischt mit salziger Gischt und das Meer bringt oftmals ein gar unheiliges Leben hervor.
Uwe Vöhl und Koautor Jörg Bartscher-Kleudgen haben die Hallig Hooge an Halloween 2003 besucht. Ihre Spaziergänge auf der Hallig, gepaart mit anregenden Gesprächen, inspirierten die beiden Autoren zu den vorliegenden Geschichten.

Gleich die erste Story namens „Was Kapitän J. Bandix von seiner großen Fahrt mitbrachte“ (Jörg Bartscher-Kleudgen) könnte in einer der edleren Lovecraft-Anthologien stehen. Ohne den amerikanischen Autoren zu kopieren, erweckt die Geschichte im Leser das Gefühl, dass hier vieles im Dunkeln bleibt – und das ist gut so. Zu unheilig, zu grässlich sind die Dinge, welche sich im Schatten der Story verbergen, als dass man sie schildern sollte. Was Lovecraft in den meisten Cthulhu-Erzählungen falsch gemacht hat, das wiederholt Bartscher-Kleudgen nicht. Dankenswerterweise erinnerte sich der Autor offensichtlich daran, dass der Schrecken umso furchtbarer ist, je weniger deutlich man ihn zeigt. Geraten einige von Lovecrafts Cthulhu-Geschichten gegen Ende zu einer Art literarischer Freakshow mit Lächerlichkeitsfaktor, so passiert das hier bei „Was Kapitän J. Bandix von seiner großen Fahrt mitbrachte“ nicht – der Leser erfährt nur Andeutungen und ist angehalten sich selbst die Zusammenhänge zu erschließen und das Bild der grauenhaften Gestalten zu komplettieren. Eine gelungene Story im Stil einer Sage erzählt.

„Das Phantom im Nebel“ rückt von der Erzählweise näher an die Protagonisten heran. Ein Paar findet im Schilf eine merkwürdige Pfeiffe, auf der ein Fluch zu liegen scheint: stets in der Nacht rüttelt ein unirdischer Sturm an den Fensterläden, lässt aber den Rest des Ferienhauses unbehelligt. Während das Paar mehr und mehr über das Geheimnis der Pfeiffe herausfindet, wächst deren Einfluss auf den Mann und die Frau versucht ihn daraus zu befreien. Als schließlich ein unheimliches, in Ölzeug und Südwester gekleidetes Phantom auftaucht, eskalieren die Ereignisse. Sehr stimmungsvoll geschrieben, lässt Uwe Vöhl den Leser an den Gefühlen des Paares lebhaft teilnehmen. Das Ende kommt etwas schnell, wirkt daher ein wenig überstürzt, aber dennoch bleibt der positive Gesamteindruck gewahrt.

Die Gemeinschaftsproduktion „Der schwarze Fething“ erzählt in einer Mischung aus auktorialer und personaler Perspektive von den unheimlichen Begebenheiten, welche das Schicksal der beiden Liebenden Mette und Towen bestimmen. Bei einer Rettungsaktion kommt Towe in den Fluten des Meeres um und seine geliebte Mette bleibt allein zurück. Sie heiratet nicht, lebt zurückgezogen auf ihrem Elternhof und verzehrt sich in Sehnsucht nach ihrem Towe. Als sie schwanger wird, ahnen die Bewohner der Hallig, dass hier etwas nicht stimmen kann. Der Verdacht kommt auf, dass Mette Umgang mit den Toten hatte. Die Befürchtungen bewahrheiten sich, als Mette niederkommt und der Arzt voller Schrecken nicht berichten kann, wie das Kind von Mette ausgesehen hat...
Die Erzählung besticht durch ihre unheimliche Atmosphäre voller Andeutungen und Geheimnissen, welche der Leser aber leicht entschlüsseln kann. Für mich das Highlight des Bandes.

„Der Sturmflutmann“ ist eine zwielichtige Gestalt, welche in gleichnamiger Erzählung sein Unwesen auf der Hallig treibt. Er führt in einem Zelt den Hallig-Bewohnern Filme von Flutkatastrophen vor, aber das ist nur ein vordergründige Tätigkeit. In Wahrheit hat er es auf die Kinder abgesehen, denen er mit Filmen aus der großen, weiten Welt die Sinne verwirren will. Er schenkt ihnen zudem kleine Talismane, welche in der Nacht zu leben beginnen und die Kräfte des Sturmes heraufbeschwören.
Die Erzählung von Uwe Vöhl beginnt mit der hervorragenden Schilderung der Kinder und ihrer Gefühle bezogen auf den Sturmflutmann und seine Filme. Am Ende aber leidet sie unter der unerklärten Beziehung zwischen den Talismanen und dem aufkommenden Sturm und lässt den Leser mit gemischten Gefühlen zurück.

Jörg Bartscher-Kleudgen bemüht sich in „Von der verschwiegenen Entdeckung des versunkenen Rungholt“ darum, ein dichtes Gewebe an Handlung und Hintergrund zu stricken, was ihm auch hervorragend gelingt. Zwei Festlandbewohner, offenbar Archäologen, sind auf der Suche nach Rungholt, einem Fething, der vor langer Zeit im Meer versunken sein soll. Mit Hilfe einiger Hallig-Bewohner entdecken die beiden Männer schließlich Rungholt, aber auch weit mehr, als sie dort zu finden hofften. In einem schwarzem Dom erhalten sie eine Ahnung davon, was in Rungholt verborgen liegt...
Die Story überzeugt in allen Punkten. Sie ist atmosphärisch, stilistisch ausgefeilt und vom Plot her dazu geneigt, im Leser auch nach der Lektüre eine Saite weiterschwingen zu lassen.

„Der Höllenpesel“ folgt der Gefühlswelt der kleinen Elke, welche in der alten Gundel eine Hexe erkannt zu haben glaubt. Sie vermutet, dass Gundel den Jungen Johnny, der seit einigen Tagen verschwunden ist, in ihrer Gewalt hat. Elke bringt ihren Onkel dazu, die Gundel aufzusuchen, findet aber keinen Hinweis auf den Verbleib von Johnny.
Doch bald schon plagen Elke grausame Träume und als sie erwacht und Stimmen von draußen hereindringen, ahnt sie, dass die alte Gundel gekommen ist, um sie zu holen.
Diese Gemeinschaftsproduktion wirkt wie ein Vixierspiel rund um die Frage: was ist Traum, was ist Realität. Besonders schwierig ist dies für den Leser zu entscheiden, da die Perspektive ganz nah an dem Mädchen Elke positioniert ist. Ambiguität als Kernthematik der Story zu postulieren, mag etwas übertrieben klingen, aber gerade das verschachtelte Ende der Geschichte legt dies nahe.

„HalligSpuk“ ist eine Lektüre, welche den Leser nicht mehr so leicht aus ihrem Bann entlässt. Hervorragend im Sprachstil, interessant in Handlungsführung und Aufbau überzeugen alle Geschichten. Kleinere Plot-Schwächen mag der Phantastikfreund geflissentlich bemerken, aber sie wiegen nichts gegenüber den Stärken dieser Prosa und verblassen fast bis zur Nichtexistenz im Angesicht der geradezu bedrückend unwirklichen Atmosphäre, welche den Band durchwirkt.
Durch und durch sturmumtost sind die Erzählungen, das Meerwasser tropft aus den Seiten und dazwischen liegt das tangige Haar einer Wasserleiche - so sollte das sein. Und dass einige der Stories lose miteinander verknüpft sind, fand ich auch sehr inspirierend. Dies ermutigt zu einem mehrmaligen, vertieften Lesen der Geschichten, um alle Aspekte und Beziehungsstrukturen aufzudecken.
Eine schöne Idee ist es, dass der ersten Auflage ein original Friesengeist-Fläschchen beigegeben ist. Passt exzellent zu Thema und Milieu des Bandes.
Phantastik-Begeisterte mit Hang zu literarischer Qualität sollten sich schnellstens den Band „HalligSpuk“ besorgen, da er ansonsten in Kürze nur noch als teures Sammlerstück in den Antiquariaten zu finden sein wird.

hinzugefügt: July 17th 2004
Tester: Guido Latz
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