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Groner, Auguste: Der Unsichtbare (Buch)

Auguste Groner
Der Unsichtbare
Verlag Lindenstruth,
Paperback, 164 Seiten, 12,80 EUR, ISBN 3-934273-33-5
(parallel erschienen ist eine gebundene Vorzugsausgabe mit Schutzumschlag, 25,00 EUR)

Von Markus K. Korb

Der Verlag Lindenstruth hat mit seiner „Bibliotheca Arcana” eine engagierte Reihe gestartet, in welcher er vergessen geglaubte Autoren dem zeitgenössischen Lesepublikum wieder zugänglich machen möchte. Innerhalb dieser Reihe erscheint als Band 3 von Auguste Groner „Der Unsichtbare“.

Dabei handelt es sich um eine Neuzusammenstellung von Kurzgeschichten der Autorin, welche zumeist durch ihre Romane dem damaligen Leser bekannt war. Dass sie für Zeitschriften auch sog. „Seltsame Geschichten“ schrieb, dürfte auch dem heutigen Phantastik-Fan weitgehend unbekannt sein. Umso löblicher ist daher das Ansinnen des Verlags Lindenstruth diese Geschichten zu sammeln und in einem Band zu vereinen.

Auguste Groner lebte von 1850-1929 in Wien und war die Frau des Journalisten Richard Groner. Dieser war lange Jahre der Redakteur der Zeitschrift „Das Interessante Blatt“, wo auch viele der Erzählungen von Auguste Groner erschienen. Sie wurde vor allem bekannt durch ihre Kriminalerzählungen. Ihre phantastischen Geschichten jedoch, wurden weitgehend vergessen. Dass dies nicht aus Gründen der literarischen Qualität geschah, beweist der vorliegende Band „Der Unsichtbare“.

Das Buch steckt voller kleiner Perlen der literarischen Phantastik aus der Zeit um die Jahrhundertwende, wovon ein paar genannt werden sollen. Schon mit der ersten Story, welche titelgebend für das Buch ist, namens „Der Unsichtbare“, beweist Auguste Groner, dass unheimliche Phantastik zu weitaus mehr fähig ist, als dem Erzählen von actionreichen Platitüden. Groner beschreibt darin mit Gespür für Milieu und Atmosphäre sehr anschaulich, wie der Hass einen alten Mann derart aufgefressen hat, dass er zu den Mitteln der Mechanik greift, um das Objekt seines Hasses über dessen Tod hinaus zu quälen. Damit steht Groner ganz in der Tradition der Erzählungen um lebendig wirkende Automaten, welche u.a. von E.T.A. Hoffmann gepflegt wurden.
„Die kalte Hand“ ist mehr eine Kriminalerzählung, weist aber deutliche Züge der unheimlichen Phantastik auf. Es dreht sich alles um einen amateurhaft arrangierten Raubzug, der von einem tumben, unsympathischen Arbeiter ausgeführt wird. Dass er dabei lediglich die zweite Geige spielt und schon jemand vor ihm in der einsam gelegenen Villa auf Diebestour war, kann der Arbeiter nicht ahnen. Die Story überzeugt vor allem durch die Schilderung des Protagonisten und seinem Gesinnungswandel auf Grund der Erfahrungen, welche er im Laufe der Geschichte erhält.
Eine besondere literarische Perle ist „Der Hampelmann“: Ein herzloser Müller haust in einer Mühle, deren Planken von einem Friedhof stammen und deren Sparren einst die Balken von Galgen waren. Allein schon diese Idee verdient das Interesse jedes Phantastikliebhabers. Doch Auguste Groner geht noch weiter. Der Müller ist reich, hortet wahre Schätze unter seinem Bett, ist aber gleichzeitig so geizig, dass er seinen beiden Kindern jegliche Freuden verwehrt. Der etwas zurückgeblieben geschilderten Tochter gönnt er keinen Tee, welche ihr Hustenleiden lindern helfen würde und dem Sohn versagt er den Kauf eines versprochenen Hampelmanne, auf den sich der Junge schon seit einem Jahre freut. Aus Wut über den Knaben, der zunächst den heimkehrenden Vater immer wieder nach dem Hampelmann befragt und schließlich in Weinen verfällt, wirft der herzlose Müller mit den Worten „Da hast du deinen Hampelmann“ seinem Sohn eine Blendlaterne an den Kopf, worauf das Kind tot umfällt. Um sein Verbrechen zu vertuschen, verbirgt er den toten Körper unter den Dielenbrettern (was möglicherweise eine Hommage an E.A. Poe und seine Erzählung „Das verräterische Herz“ sein könnte) und erzählt seiner Tochter eine Lügengeschichte über den Verbleib ihres Bruders. Ein Jahr später findet er die Tochter, wie sie mit merkwürdigen Pilzen Kochen spielt, die sie in einer bestimmten Ecke der Mühle auf den Dielen wachsend aufgefunden hat. In der Nacht kommt der Müller spät zurück, sieht seine Tochter im Halbdunkeln, die einen schlaffen Körper in ihren Armen wiegt. Sie hat die schon halb zerfallene Leiche ihres Bruders ausgegraben! In seiner Verzweiflung und voller Schuldgefühle erhängt sich der Müller an einem Windmühlenflügel und wird somit zum makabren Hampelmann.
Allein schon diese Geschichte rechtfertigt den Kauf und die Wiederentdeckung von Auguste Groner. Selten findet der Phantastikfreund heutzutage derart intensive, atmosphärisch aufgeladene Erzählungen, welche nicht durch äußere Effekte blenden, sondern mit einer artistischen Sprache geschilderte Handlung und Charakterschilderungen bieten.
Der Verlag Lindenstruth tut gut daran, diese Phantastikschätze zu heben und dem zeitgenössischen Publikum zu präsentieren. Es wäre allzu schade, würden diese Erzählungen dem Vergessen anheim fallen. Eine klare Kaufempfehlung möchte man daher für diesen Band aussprechen, der sicherlich in Zukunft nur noch als horrend teures Sammlerstück erhältlich sein wird.

hinzugefügt: July 12th 2004
Tester: Guido Latz
Punkte:
zugehöriger Link: Verlag Lindenstruth
Hits: 3950
Sprache: albanian

  

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