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Glukhovsky, Dmitry: Metro 2033 (Buch)

Dmitry Glukhovsky
Metro 2033
(METPO 2033)
Aus dem Russischen übersetzt von David Drevs
Titelbild: Animagic
Heyne, 2008, Paperback mit Klappenbroschur, 784 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-453-53298-4

Von Carsten Kuhr

Wir schreiben das Jahr 2033. Vor 25 Jahren hat ein Krieg das Leben auf der Erdoberfläche weitestgehend ausgelöscht. Nur in den weit verzweigten Tunnelsystemen der öffentlichen U-Bahnen haben die wenigen Menschen, die sich zum Zeitpunkt des verheerenden Schlags gerade unter der Erde aufhielten, die Chance gehabt, dem nuklearen Inferno zu entgehen.
Dies ist die Geschichte eines der Überlebenden. Seit seiner Kindheit lebt Artjom im Untergrund. Er ist Anfang 20 und hat nur einmal – verbotenerweise, noch dazu nachts - den Himmel gesehen. An der Strecke 500 schiebt er im Wechsel mit den anderen Kameraden Wache. Immer wieder kommen die Schwarzen, mutierte Geschöpfe, von der Oberfläche und greifen die Kontrollpunkte an. Neben den Ratten stellen sie die größte Bedrohung für die Überlebenden dar.

Vor einigen Jahren büchsten drei Jungs, unter ihnen Artjom, aus der WDNCH-Station aus, um alle Verbote zu überschreiten und die Oberfläche zu sehen. Und wirklich gelang es den drei Abenteurern, die metallenen Tore zu öffnen und über die vom Rost zernagten Rolltreppen einen Blick auf die verwüsteten Ruinen und den Nachthimmel zu erhaschen. Bei ihrer überhasteten Flucht aber ließen sie die Schotts offenstehen.
Noch nie hat Artjom gebeichtet, dass es ihre Schuld war, dass die Schwarzen zu einer immer größeren Bedrohung Metro werden. Erst als er eine der wenigen Lichtgestalten, Hunter, einen Reisender, der es sich zur Aufgabe gemacht hat für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, kennenlernt, schüttet er diesem sein Herz aus und erleichtert sein Gewissen.
Hunter will versuchen, die Stahltüren zu schließen. Sollte er jedoch nach zwei Tagen nicht zurück sein, so muss ihm Artjom versprechen, muss sich der Junge auf den Weg nach Polis machen, um dort von der Gefahr zu berichten.
Und wirklich, begibt sich unser junger Mann auf eine Odyssee durch die Metro.

In den Jahren, die seit dem vernichtenden Schlag vergangen, sind haben sich im Netz der ehemaligen U-Bahn von Moskau die verschiedensten Gruppierungen gebildet. In den durch Tunnelröhren miteinander verbundenen Stationen haben sich politische Extremisten ebenso eingenistet, wie religiöse Sekten und gewiefte Händler. Der Verkehr und der Kontakt zwischen den einzelnen Stationen ist schwierig, so manches Mal aufgrund Animositäten, ja kriegerischen Auseinandersetzungen unmöglich. Einzig durch Bestechung - das übliche Zahlungsmittel sind überall Patronen für die Kalaschnikow - kann man zwischen den Stationen verkehren. Dabei lauern in den Tunnelsystemen aber Gefahren aller Art auf die wenigen Reisenden.

Leidvoll muss auch Artjom die Erfahrung machen, dass Reisen zwar bilden mag, aber auch mit Gefahren verbunden ist. Sei es, dass eine dunkle Macht vom Geist der Reisenden Besitz ergreift, sich Faschisten und Kommunisten erbittert um die Ehre Artjom aufzuhängen balgen oder sich die Zeugen Jehovas um seine Indoktrination bemühen, sein Weg tief unter der Erde der russischen Hauptstadt gleicht einem Alptraum voller skurriler, teilweise kafkaesker Erlebnisse. Immer wieder hat er das Gefühl, dass eine fremde Macht versucht, ihn zu beeinflussen. Was aber will der oder die Unbekannte von ihm? Die Spur führt an die ferne Oberfläche der Welt. Hier, im Nest aus dem die Schwarzen schlüpfen, verbirgt sich des Rätsels Lösung ...


Der Weg ist das Ziel, so heißt ein alter, weiser Sinnspruch.
Und so könnte man auch dieses Buch überschreiben, ein Roman, der aus dem üblichen Rahmen fällt.
In das Grundgerüst der Reise unseres Erzählers durch die ihm unbekannte Welt verpackt der Autor nicht nur die auch in Details faszinierend glaubwürdige Beschreibung eines Lebens im Untergrund, sondern er nutzt diese Bühne auch, um seinem Leser mit aktuellen gesellschafts-politischen Entwicklungen zu konfrontieren.
Sei es die zunehmende Radikalisierung von gesellschaftlichen Randgruppen, der Vormarsch falscher Heilspropheten, die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung bei gleichzeitiger Zunahme von Brutalität und Egoismus, Glukhovsky nutzt seine Bühne um seinen Mitmenschen einen Spiegel entgegenzuhalten.

Unangenehme Wahrheiten gilt es zu akzeptieren, brutal und deutlich, nur selten aber übersteigert, zeigt er das Potential der Menschen zur Selbstzerstörung auf. Da werden Despoten geboren, da wird gnadenlos und ohne jegliche Skrupel betrogen, gefoltert und getötet, die zivilisatorische Tünche nur allzu schnell abgestreift. Der Drang des Menschen sich über seine Mitmenschen aufzuschwingen, diese zu beeinflussen, ja zu beherrschen, aufgrund realer oder vorgeschobener Unterschiede im Aussehen, Herkunft und Gesinnung zu diffamieren, wird deutlich thematisiert. Dabei nimmt der Autor durchaus Bezug auf aktuelle Entwicklungen im bedeutendsten Staat der ehemaligen Sowjetunion, bildet die Konflikte in aller Deutlichkeit ab. Das ist eher eine Dystopie als Utopie, das erschreckt, das deprimiert ob der Fehlbarkeit des Menschen. Wo bleibt die dem Nachbarn hilfreich entgegengestreckte Hand, wo Offenheit und Unvoreingenommenheit? Fast jeder passt sich an, schwimmt im großen Strom mit; nur nicht aufmucken und auffallen, in der Anonymität der Masse aufgehen. Toleranz ist ein Fremdwort, hinter allem stehen eigensüchtige Motive, und so ist auch das überraschende, gleichzeitig aber deprimierende Finale nur folgerichtig.

hinzugefügt: November 12th 2008
Tester: Carsten Kuhr
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