Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Die Gruft der toten Frauen (DVD)

Die Gruft der toten Frauen
GB 1964, Regie: Lance Comfort, mit Carole Gray, William Sylvester, Hubert Noel u.a.

Von Thomas Harbach

Nach dem bahnbrechenden Erfolg der Hammer-Studios mit ihren Neuinterpretationen klassischer Universal-Horrorfiguren wie Frankenstein und Dracula ließen die Epigonen nicht lange auf sich warten. AMICUS-Studio scharrte Anfang der sechziger Jahre noch mit den Füßen und konzentrierte sich auf andere Genres. Für fünf Jahre schien aber in der kleinen Planet Films ein ernsthafter Konkurrenz zu erwachsen, der zeitweilig sogar Hammers Regiehorrorlegende Terence Fisher für zwei Science-Fiction-Streifen unter Vertrag nehmen konnte. Das kleine Studio wurde 1962 von Tom Blakeley und Regisseur Lance Comfort gegründet. Blakeley arbeitete eine Generation lang eng mit seinem Vater John E. Blankeley bei Mancunian Film zusammen. In erster Linie ist Planet Studio ein unabhängiger Filmverleiher gewesen, der unter anderem auch Herbert Reinls „Der Schatz im Silbersee“ oder italienische Agentenstreifen aus dem Schatten des allgegenwärtigen James Bond verlieh. Die Filmproduktionen stellten nur einen bescheidenen, aber schließlich markanten Anteil des Studios dar. Lance Comfort drehte unter anderem seine Thriller „The Painted Smile“ (1962) und „Tomorrow at ten“ (1964), Terence Fisher den ebenfalls bei E-M-S veröffentlichten „Brennender Tod” mit Christopher Lee und Peter Cushing. Lance Comfort wollte dann sicherlich nicht nur aus budgettechnischen Gründen einen Vampirfilm klassischer Ausrichtung drehen, der allerdings im Gegensatz zu den Hammer-Produktionen mehr in der Gegenwart angesiedelt worden ist. Als literarische Vorlage für das Drehbuch diente die Vampirgeschichte „Die Gruft der toten Frauen“, in welcher die Autorin Lyn Fairhurst eine sehr freie Adaption der Bram Stoker’schen Vorlage mit einer gehörigen Portion Okkultismus versehen hat. Lyn Fairhurst hat auch das Drehbuch geschrieben.

Der Auftakt ist klassisch und soll die Zuschauer auf die kommenden Ereignisse einstimmen. Die Einwohner der kleinen, ländlichen Gemeinde in der Bretagne hegen und pflegen ihren Aberglauben. Ein dunkle Gestalt in einer Kutte macht sich am Grab des Vampirs und Satanisten Graf Sinistre zu schaffen. Kaum verlässt er den Friedhof, beginnen die Steinermauern um das Grab herum einzustürzen. Eine tricktechnisch nicht unbedingt überzeugende Fledermaus befreit sich und entkommt in die Nacht. In der Nähe feiern Zigeuner fröhlich und ausgelassen eine bevorstehende Hochzeit. Die Braut bricht ohne Grund tot zusammen und die Fledermaus beginnt die Besucher des Festes anzugreifen. Nach der Beerdigung der jungen Frau wird der Totengräber angegriffen und getötet. Zum ersten Mal sieht das Publikum einen Augenblick später den Grafen in menschlicher Gestalt, welcher die Verstorbene in ihrem Sarg wiedererweckt. Anscheinend stecken seine besonderen Kräfte in einem ungewöhnlichen Talisman.

In dieser rasanten und in Hinblick auf die Zigeuner folkloristischen Szenenabfolge hat Lance Comfort sehr souverän die Antagonisten etabliert und jegliche Hinweise auf Aberglauben zur Seite gewischt. Er verzichtet komplett auf den Spannungsaufbau, der insbesondere die ersten „Dracula“-Filme auszeichnete und versucht sein Publikum gleich zu schockieren. Die Schockeffekte fallen allerdings bescheiden aus. Clement fehlt das Auge, um gleich zu Beginn seines Streifens eine morbide, bedrohliche Atmosphäre zu entwickeln und versucht zu viele handlungstechnisch noch nicht relevante Informationen in den Film einfließen zu lassen. Die Vorgehensweise in Hinblick auf eine Modernisierung des Mythos Vampir wirkt auch unentschlossen. So hat der Zuschauer nicht zuletzt aufgrund des langen Tanzvergnügens mit den feurigen Zigeunern – eine interessante Kopie einer ähnlichen Szene aus dem zweiten James-Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ – nicht das Gefühl, dass die Geschichte wirklich in der aktuellen Zeit spielt.

Dieser Eindruck ändert sich kaum mit der nächsten Sequenz. Eine Handvoll amerikanischer und britischer Touristen kommt in dem einzigen kleinen Hotel des Dorfes an. Ein Sturm hat ihnen die Weiterreise verwehrt. Die örtliche Polizei ist über ihren Aufenthalt mehr als unglücklich. Als sich die Touristen auch noch entschließen, eine Höhle in der Nähe des Ortes zu untersuchen, kommt es zu einer Katastrophe. Einer der beiden Brüder kommt bei dieser Aktion ums Leben. Die anderen Touristen – der amerikanische Schriftsteller Paul Baxter und die Antiquitätenhändlerin Madeline Braun – entschließen sich, zusammen mit einer anderen jungen Frau eine rituelle Zeremonie zu beobachten. Sie ahnen nicht, dass sie dabei die Aufmerksamkeit des Grafen auf sich selbst lenken.

In Hinblick auf den Kontext seines Films geht Lance Comfort sehr geschickt vor und nimmt eine Reihe von Zügen vorweg, die keine zehn Jahre später „The Wicker Man“ so zu einem herausragenden Streifen machen sollten. Ganz bewusst isoliert er die okkulten Vorgänge von der Moderne, indem er die Geschichte nicht nur über weite Strecken und im Kern in einem abgeschiedenen Dorf ansiedelt. Hier kann er nicht nur die Ureinwohner kontrollieren, sondern seine Jünger nach Belieben rekrutieren. Die Zeremonien finden bei Nacht statt. Nur die eher durch einen Zufall in das Dorf gewehten Touristen verderben seine langfristigen Pläne und führen schließlich zu seinem Untergang. Im Falle des „Wicker Man“ finden die Pagenrituale sogar auf einer abgeschiedenen Insel statt. Nur die Notwendigkeit eines Jungfrauenopfers zwingt den Kult, mit dem Festland Kontakt aufzunehmen. Im Gegensatz zu Hammers „Dracula 1972“ gibt es in beiden Filmen nur oberflächliche Kontakte mit der modernen Gegenwart.

In der zweiten Hälfte des Films muss der Graf seine Heimstatt verlassen. Bei einer Entführung hat er sein Amulett verloren und muss dieses Kleinod aus den Händen des amerikanischen Schriftstellers Baxter befreien, der es unwissentlich mitgenommen hat. Er schlägt sein neues Hauptquartier ganz bewusst in einem Antiquitätenladen auf. Unter einem alten Landhaus nutzt der Graf eine Krypta für seine Rituale. Obwohl die Protagonisten durchaus moderne Hilfsmittel wie Telefon oder Auto nutzen, spielen sie plottechnisch keine Rolle. Sie helfen zwar dem Zuschauer, die Handlungszeit einzuordnen, aber in Hinblick auf den Verlauf der Geschichte könnte das Jahr auch 1920 oder gar 1820 sein. Lance Comforts Auge bleibt immer wieder an Kunststücken und/oder Häusern hängen, die viel älter sind und eine ganz andere Epoche darstellen.

Obwohl der Graf im Grunde ein Einzelgänger wie Dracula ist, vertraut er mehr einem Netzwerk, das er sich dank seiner langjährigen Herrschaft aufgebaut hat. Jacques Tourneur hat in seinem klassischem „Night of the Demon“ ein ähnliches Glaubenssystem aufgebaut. Seine Anhänger folgen seinen Anweisungen blind. Nur seine bisherige Geliebte hat Angst um ihre Position und schwankt zwischen der eigenen Eifersucht und dem Gehorsam. Mittels dieser Befehlsempfänger kann der Graf auch sehr viel überzeugender gegen seine Feinde vorgehen bzw. deren Schritte überwachen und kontrollieren. So sucht die attraktive Madeline Braun nach ihrer Übernahme durch den Grafen nach willigen und unkritischen weiteren Opfern, während der Polizeichef oder der korrupte Adlige ihn in der Bretagne bzw. England beschützen.

Die größte Schwäche des vorliegenden Streifens ist die Hauptrolle. William Sylveter als amerikanischer Schriftsteller ist nicht nur die Identifikationsfigur des Streifens. Nicht selten müssen sich in modernen Horrorfilmen die einsamen Protagonisten gegen den allgemeinen Unglauben und die eigene Überzeugung durchsetzen, um schließlich nach der Akzeptanz des Bösen in mannigfaltigen Inkarnationen den Sieg davonzutragen. Baxter ist viel zu früh davon überzeugt, es mit übernatürlichen Mächten zu tun zu haben. In Kombination mit dem zu offensichtlichen Auftakt stellt diese drehbuchtechnische Schwäche jeglichen Spannungsaufbau in Frage. Er findet das Amulett und ist trotz der Behinderungen insbesondere in der Londoner Bibliothek davon überzeugt, den Schlüssel zu den okkulten Mächten in der Hand zu haben. Eine weitere bizarre Ignoranz des Drehbuchs liegt in der Tatsache verborgen, das ausgerechnet der im Falle des Verschwindens der jungen Menschen ermittelnde Polizist jeglichen übernatürlichen Theorien offen gegenübersteht, während Baxter aus Eitelkeit Angst hat, sich mit seinen Vermutungen vor den Behörden zu blamieren. Unerklärlicherweise macht das Drehbuch immer an entscheidenden Stellen Rückzieher, um erfolglos Spannung aufzubauen.

Viel erstaunlicher ist die Tatsache, dass der Graf auf der einen Seite sein Amulett wieder haben möchte, weil er es dialogtechnisch ausgesprochen dringend braucht, um seine Anhänger zu kontrollieren und seine Kräfte zu fokussieren. Bei seinen Handlungen und seinem Gebaren macht sich dieser Verlust in keiner Weise bemerkbar. Er rekrutiert weiterhin seine Anhänger und opfert die Verräter. Anscheinend hat er alles so sehr unter Kontrolle, das er im obligatorischen Showdown in erster Linie Baxter töten möchte und gänzlich die Tatsache ignoriert, dass inzwischen die Polizei im Besitz seines Amuletts ist. Weder die Drehbuchautorin noch Lance Comfort scheinen sich mit diesen Widersprüchen wirklich auseinandergesetzt haben. Stattdessen legen sie ihm in Form der eifersüchtigen heißblütigen Zigeunerin, welche der Graf zu Beginn des Films unter seine Kontrolle gebracht hat und dem Modell Karin, das der Graf für sein neues Hobby Malerei engagiert, Steine in den Weg.

In einigen Szenen wirkt der Graf weniger wie ein Vampir als ein heißblütiger Liebhaber, der mehr an den Körpern als dem Blut seiner Opfer interessiert ist. Zumal es im ganzen Streifen nur wenige Hinweise gibt, dass er wirklich auf das Blut angewiesen ist. An einer anderen Stelle wird anscheinend auf Voodoozauber zurückgegriffen, um zum Beispiel das Modell Karin unter Kontrolle zu halten. Die einzelnen okkulten Elemente werden in dem Drehbuch bunt gemischt und je nach Bedarf in den geradlinigen, aber nach dem guten Auftakt eher phlegmatisch erzählten Plot gemischt. Das Drehbuch selbst ist dialogtechnisch überfrachtet, immer wieder wird der Fehler gemacht, bestimmte Situationen zu erklären, anstatt sie einfach zu zeigen und sich die Zusammenhänge in der Phantasie der Zuschauer entwickeln zu lassen.

Weiterhin gelingt es Comfort nur mit Mühe, eine wirklich bedrohliche Atmosphäre zu erschaffen. Die dekadenten Partys in London lassen den Film mit seiner Swinging-Sixties-Atmosphäre inklusiv Miniröcken, Stiefeln, Zigarrenrauchenden hübschen jungen Frauen und lüsternen alten Männern plötzlich von einer Szene auf die andere alteRn. Alleine eine Reihe der bekannten Schauspieler erwecken die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Der Antagonist wird vom französischen Schauspieler Hubert Noel gespielt, der im Vergleich zu William Sylvester seinem Gegner körperlich unterlegen ist. Er wirkt insbesondere in den Ritualen unscheinbar, nur selten kann er mit seinen stechenden Augen und seiner vorsichtigen Gangart wirklich das Publikum beeindrucken. Auch die weiblichen Charaktere sind zum Teil fast einen Kopf größer als er. Sowohl Tracy Reed – bekannt aus „Casino Royale“ – als auch Carole Gray können in ihren eher eindimensional angelegten Rollen überzeugen. Während der Rotschopf Reed Erotik pur ausstrahlt, wirkt die bleich geschminkte Gray devot und gehorsam. In einer Szene des Films sprühen die Funken, als Gray ihren Herren und Meister dabei erwischt, wie er sich der leicht bekleideten und Modell sitzenden Reed zu nähern sucht. In dieser einen Sequenz des Films werden Sex und Macht so effektiv miteinander verbunden, wie es für die Hammer-Produktionen gang und gäbe war. William Sylvester leidet nicht nur unter der Tatsache, dass er sich nur in wenigen Szenen direkt mit Noel messen kann. Selbst der Showdown ist keine direkte Konfrontation der beiden Männer, sondern wird von den Gefolgsleuten kontrolliert. Weiterhin wirkt er in einigen anderen Szenen wie ein Fremdkörper. Dagegen sind die Zigeuner exzellent besetzt und strahlen als einzige eine gewisse Exotik und Bedrohlichkeit aus.

In Hinblick auf die Atmosphäre gelingen Lance Comfort einige weniger sehr überzeugende Szenen. Seine Kameraführung ist sehr fließend, er verbindet gut Totale mit Weitwinkelaufnahmen, in denen er die Kamera Stück für Stück erst das ganze Bild enthüllen lässt. Auch die Tanzszenen mit den Zigeunern strahlen eine für den Film ungewöhnliche Dynamik aus. Die nächtliche Prozession spiegelt sich im Wasser des angrenzenden Sees und im Laboratorium gelingen Comfort einige sehr schöne und vor allem effektive Schockeffekte. Er versucht die Grundfarben zu betonen, in denen er viele Szenen künstlich gebleicht hat. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird sofort auf diese herausstechenden Farben gelenkt, hinter deren Erscheinung sich plottechnisch immer etwas Besonders verbirgt. Zwar reicht das Budget nicht an die Hammer-Verhältnisse heran und einige Sets wirken ein wenig armseliger, aber aus den vorhandenen Mitteln hat Lance Comfort einen trotz der angesprochenen Schwächen immer noch ansehenswerten Gruselfilm gemacht. Enttäuschend sind in erster Linie die beiden Hauptprotagonisten in ihren farblosen Rollen und die angesprochenen Schwächen des Drehbuchs. Unabhängig von den klangvollen Namen vor und hinter der Kamera konnte Planet Studios den Film nur außerhalb von London aufführen. Später lief der Streifen zusammen mit „Return of the Fly“ als Doublefeature. In die USA konnte der Streifen schneller verkauft werden, in Deutschland lief er erst 1968 an.

E-M-S legt den Film im Rahmen seiner Reihe „Das phantastische Film“ auf DVD auf. Für die Präsentation ist das Originalkinoformat 1.85:1 gewählt worden. Das Bild ist sauber, die Farben im Rahmen der angesprochenen Einschränkungen kräftig. Die Kontraste sind zufriedenstellend und die Bildschärfe vor allem in den Nachtszenen akzeptabel. Die deutsche Synchronisation ist für einen unterdurchschnittlich budgetierten Film erstaunlich hörenswert und überzeugend. Die englische Originalfassung ist allerdings zu bevorzugen. In Dolby Digital 1.0 überzeugen beide Tonspuren, die Musik ist kräftig, die Dialoge lassen sich klar verstehen und die Abstimmung mit den Hintergrundgeräuschen überzeugend.
Zu den Extras gehört neben einem kurzen, aber informativen sowie gut bebilderten Booklet der Originalkinotrailer sowie eine kleine Bildergalerie. Weiterhin wird ein alternatives Ende angeboten, das aber keinen markanten Einfluss auf die Gesamtbeurteilung des Films hat.

DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 1.0 Mono, englisch Dolby Digital 1.0 Mono
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Originaltrailer, Bildergalerie, alternative Szene, Booklet

hinzugefügt: October 25th 2008
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: ems
Hits: 2572
Sprache:

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]