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Elliott, Will: Hölle (Buch)

Will Elliott
Hölle
(The Pilo Family Circus)
Aus dem australischen Englisch übersetzt von Birgit Reß-Buhusch
Piper, 2008, Paperback, 388 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 978-3-492-70159-4

Von Carsten Kuhr

Jamie hat es nicht einfach in seinem Leben. Er arbeitet als Diener in einem der angesehenen Clubs seiner Heimatstadt, darf den Honoratioren - und ihren meist deutlich jüngeren Begleiterinnen - die Mäntel abnehmen und wieder bringen, und sich ihrer Regenschirme annehmen.
Nach Dienstschluss, in den frühen Morgenstunden geht es dann ins traute Heim. Eine abrissreife Villa, die von einer Gruppe junger Männer bewohnt wird. Seine Mitbewohner haben die nette Angewohnheit, seine Lebensmittel zu futtern, das Klo zu verscheißen und ihre Drogenüberbleibsel herumliegen zu lassen.
Man sieht: nun wirklich kein Traumdasein, doch es kann noch schlimmer kommen. Nachdem er eines Nachts mitten auf der Straße einen Mann in Clownskostüm beinahe überfahren hätte, begegnen ihm die Spaßmacher immer wieder. Was nur wollen die Männer mit den roten Pappnasen von ihm? Die Villa wird verwüstet, Clowns machen regelrecht Jagd auf ihn.
Er wird für den Pilo-Zirkus zwangsrekrutiert, einem Zirkus der ganz besonderen Art.
Monster, Zwerge, Akrobaten, Wahrsager und Clowns, sie alle präsentieren sich ganz anders, als man es gemeinhin von Zirkusleuten erwartet. Nicht etwa das Verzaubern der Besucher steht im Mittelpunkt, oh nein, es geht mehr um das Gegeneinander ausspielen der Fahrensleute.
Obwohl Jamie eigentlich gar nicht mitmachen will, sorgt das Auflegen der Schminke dafür, dass er sich in einen anderen Menschen, den Clown JJ verwandelt. Und dies nicht nur äußerlich. Sein ursprünglich freundliches, eher zurückhaltendes Wesen, ändert sich frappierend, zum Vorschein kommt eine zynisch, ja grausam agierende Persönlichkeit, der es Freude macht, andere zu demütigen und zu verletzen.
Ein Fall von Schizophrenie? Doch dann mehren sich die Absonderlichkeiten - die Wahrsagerin konfrontiert ihn in ihrer Glaskugel mit einem Leben, das er geführt hätte, wenn er nicht zum Zirkus gestoßen wäre, in den Taschen einer gestohlenen Clownshose findet der Besitzer immer das notwenige Utensil, um sich aus jeglicher Situation herauszuwinden, Pilo selbst hat gar merkwürdige Ernährungsgewohnheiten, immer deutlicher wird, dass sich der Zirkus nicht mit normalen Maßstäben messen lässt, dass Jamie sich weit von seinem Zuhause, von seiner Welt entfernt hat ..


Was ist das für ein Buch, das zunächst geschickt mit dem Glanz und Glamour der weiten Welt unter der Zirkuskuppel kokettiert, und sich dann doch, unmerklich zunächst, später immer rasanter sich in einen Horrorplot wandelt?
In allererster Linie geht es um den Kampf Jamies mit und gegen sich selbst. Bei all dem dem Text innewohnenden Humor - tiefgründig aber natürlich auch die Slapstick-Einlagen - entwickelt der Plot um die vielschichtigen Figuren fast schon tragische Züge.
Was sind dies für Schicksale, die uns der Autor präsentiert. Jamie, die gespaltene Persönlichkeit, vielleicht gar ein Selbstbildnis des Autors, der sich im „Sydney Morning Herald“ als ehemals unter Schizophrenie leidend geoutet hat?
Elliott selbst hat autobiographische Züge zwar verneint, dennoch kommen gerade diese Szenen ungeheuer intensiv und direkt rüber.
Nun, auf jeden Fall nimmt uns diese Persönlichkeit in all ihrer Widersprüchlichkeit gefangen. Gleiches gilt für die anderen Handelnden. Jede Figur wurde dabei plastisch herausgearbeitet, jeder hat sein Päckchen zu tragen, sein Schicksal, seine Macken. Gerade diese Vielfältigkeit macht den Roman so interessant.

Dabei ist dies ein Buch, das sicherlich nicht ganz einfach, stromlinienförmig daherkommt, das den Leser zum Mitdenken, zum Stellung beziehen auffordert.
Insoweit keine einfache, aber eine bereichernde Lektüre - allerdings mit einem für mich nicht ganz befriedigenden Schluss.

hinzugefügt: August 16th 2008
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Piper
Hits: 2977
Sprache:

  

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