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Aktion Mutante (DVD)

Aktion Mutante
Spanien 1993, Regie: Alex de la Iglesia, mit Antonio Resines, Álex Angulo, Frédérique Feder u.a.

Von Thomas Harbach

Es empfiehlt sich, bei der ungekürzten Neuauflage zum 15jährigen Jubiläum von „Aktion Mutante” nicht mit dem im richtigen, anamorphen Bildformat wiedergegeben Hauptfilm anzufangen, und auch die beiden eher nichts sagenden Trailer sollten ignoriert werden.
Aus heutiger Sicht ist der erste Höhepunkt ein „doppeltes“ Interview mit Alex de la Iglesia, nach Beendigung der Dreharbeiten, aber vor der Erstaufführung des Films aufgenommen. Mit einem Milchbart bewaffnet, anfänglich noch etwas unsicher durch die die Fragen des unsichtbaren, aber teilweise auffällig penetranten Fragestellers, erzählt Iglesias die Geschichte des ersten spanischen Science Fiction Films seit den sechziger Jahren und gleichzeitig vom Beginn seiner eigenen Karriere aus dem Schatten von Pedro Almadovar heraus.
Wenn der Fragesteller von einer neuen Generation spanischer Filmemacher spricht, die sich der Phantastik zugewandt haben, widerspricht Iglesias noch und reduziert es auf eine kleine Gruppe von Basken, die ohne Zusammenhang plötzlich mit dem Filmemachen angefangen haben. Keine 15 Jahren später gehört Spanien wieder an die Spitze der europäischen Phantastik mit einer Reihe eindrucksvoller Horrorfilme sowie mit utopischen Elementen angehauchten Thrillern. Aber eine „Scheiß Opera”, wie Iglesias seinen Streifen liebevoll parodiert, hat sich nicht mehr darunter befunden. Dafür ist sein späteres Werk umso beeindruckender und es fällt nicht schwer, in dem teilweise noch sehr rohen Streifen den Meister des derben Humors zu erkennen.

Insbesondere die groteske Surrealität wird in Filmen wie „Perdita Durango” und „800 Bullets” zu seinem Markenzeichen, während die subtile, mit viel Humor durchsetzte Spannung eines „Day of the Beast”, eines „La Communidad” oder eines „Das perfekte Verbrechen” sich noch entwickeln muss.

Alejandro de la Iglesia ist am 4. Dezember 1965 in Bilbao geboren worden. Als Jugendlicher begann er Comics zu zeichnen. Seine Vorbilder Manuel Vazquez und vor allem Alex „Flash Gordon” Raymond lassen sich in einigen Momenten, trotz des niedrigen Budgets von 2,5 Millionen Dollar, im vorliegenden Streifen noch gut erkennen. Nach seinem Studium arbeitete er unter anderem als Szenenbildner für das spanische Fernsehen. Erste Erfolge erzielt er mit der Ausstattung des vierfachen Goya- Gewinners „Todo por la Pasta” des Regisseurs Enrique Urbizus. Im gleichen Jahre veröffentlichte Iglesias einen Horrorkurzfilm, „Mirindas asesinas”. Pedro Almodor ist auf den jungen Basken aufmerksam geworden und verpflichtete ihn zunächst als Setbuildner für seine eigene Produktionsfirma, die bislang ausschließlich seine eigenen Filme verlegt hat.

„Aktion Mutante” - basierend auf dem Drehbuch von Jorge Guerrica Enchevaria - ist der erste Streifen, der nicht von Pedro Almodovar gedreht worden ist. Almodovar ist der Ansicht gewesen, das ihm ein futuristischer Stoff nicht sonderlich liegt, er wollte aber aufgrund des sehr niedrigen Budgets - immer noch der teuerste spanische Science Fiction Film aller Zeiten - das Risiko eingehen. „Aktion Mutante” ist neben einigen Filmfestivals auch für einige Goyas, einen wichtigen spanischen Filmpreis nominiert worden, aber Iglesias musste sich mit diesem Streifen noch einem anderen Nachwuchsregisseur - Julio Medem - geschlagen geben. Mit seinen nächsten Streifen sollte er das korrigieren.

Die Zukunft ist düster, die Rohstoffe sind erschöpft und die Bevölkerung leidet unter der Knappheit aller Wirtschaftsgüter. Natürlich nicht die ganze Bevölkerung, sondern nur die Armen. So bildet sich die Terrororganisation „Aktion Mutante”, bestehend aus Krüppeln, Missgebildeten und Mutanten, die in der Tradition eines Robin Hoods einen Feldzug gegen die Reichen und dank diverser medizinischer Möglichkeiten auch schöne High Society führen. Ambitioniert aber unfähig agiert die „Aktion Mutante”, bis der erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassene Ramon die Entführung der Industriellentochter auf einer Hochzeitsfeier anordnet. Nachdem das Lösegeld von 90 Millionen Ecu gezahlt worden ist, denkt Ramon nicht daran, die hübsche Geisel wieder zurückzugeben. Erb beginnt, seine eigenen Leute zu töten, während ihr Fluchtschiff auf einem fremden Planeten abstürzt. Unter anderem werden die beiden von den ehemals siamesischen Zwillingen Alex und Juan verfolgt, von denen Ramon Juan schon ermordet hat. Dieser folgt seinem nicht unbedingt schlechten Gewissen als toter Ballast auf dem Rücken seines Bruders.

Dass Alex de la Iglesias keine politisch oder gesellschaftlich korrekten Filme dreht, dürfte allen Anhängern, die seine Karriere verfolgen, inzwischen klar geworden sein. Es sind immer die Außenseiter, denen seine Zuneigung gilt. So schließt sich im Grunde mit seinem bislang letzten Film, „800 Bullets”, ein Kreislauf. In der wunderbaren Parodie auf die Italo-Western; dort die Mitglieder einer inzwischen abgewrackten Westernshow die ihr Kulissendorf besetzen, um es gegen die Grundstückspekulanten zu verteidigen, hier eine Gruppe körperbehinderter Freaks, deren Emblem ein Rollstuhlfahrer mit einem hoch erhobenen Maschinengewehr ist. Ursprünglich wollte Iglesias den Film mit richtigen Behinderten drehen, hat sich dann aber für professionelle Schauspieler entschieden.
Dass sie im Grunde keine Chance haben - im Vergleich zu den inzwischen zu Helden stilisierten Verlierern in „800 Bullets” - spielt für sie keine Rolle. Gerade dieser Nihilismus macht die folgende, überdrehte Handlung zu einem auch mit melancholischen Zügen durchsetzen überdrehten Comictrip, der einige Jahre später auch Luc Besson für „Das fünfte Element” inspiriert haben dürfte.

Der Überfall auf das Luxusraumschiff und der Überfall auf die Hochzeitsgesellschaft ähneln sich ein wenig in ihrer natürlich comicartigen Überzeichnung von Gewalt. Sowohl für Iglesias, als auch Luc Bessom gilt, das sie mit den Streifen aus Magazinen wie „Heavy Metal” aufgewachsen sind und in ihren jeweiligen Arbeiten versucht haben, den einzigartigen Stil der überwiegend französischen Comiczeichner in lebende Bilder umzusetzen. Die wilde Schießerei, welche das Partyleben abrupt beendet, ist mit so viel Kunstblut durchsetzt, das niemand die unzähligen „Toten” wirklich ernst nehmen kann. Die Mischung aus tiefschwarzem Humor, Slapstick und überzogener, ins Surrealistische abdriftender Gewalt gehört zu den Höhepunkten des Streifens und wird auch exzessiv in den beiden Trailern in den Vordergrund gestellt.
Da Luc Besso das zwanzig bis fünfzigfache des Budgets zur Verfügung hatte, was Iglesias für seinen Film verwenden durfte, ist es keine Überraschung, dass das „Das fünfte Element” insbesondere beim Überfall während der Opernaufführung optisch beeindruckender wirkt.
Mehr Leben findet sich allerdings im vorliegenden Streifen. Handlungstechnisch packt - auch ein Markenzeichen Iglesias - das Drehbuch alle möglichen Ideen in den Plot, als wäre „Aktion Mutante” die einzige und letzte Möglichkeit, einen Film zu drehen. In seinen folgenden Werken gelingt es dem Jungregisseur besser, diese positiv gesprochen Ideenflut zu ordnen und in die Kontinuität seiner Streifen einzuordnen.
Dass seine Film immer für Bewegung stehen, zeigt sich allerdings schon in seinem Debütfilm. Selbst der in einem alten Mehrfamilienhaus spielende „Allein unter Nachbarn” verfügt über so viele interessante Ansätze, dass der Zuschauer trotz der wenigen gezeigten Räume der Meinung ist, einen ungewöhnlich dynamischen Film gesehen zu haben.
Im vorliegenden Streifen rast Iglesias allerdings über einige wichtige Elemente hinweg. So bleibt dem Zuschauer noch nicht die Zeit, neben den derben, aber teilweise ungewöhnlich lustigen Dialogen - die deutsche Synchronisation ist annehmbar, die Stimmen gut gewählt - auch auf die anderen Details zu achten.
Der Running Gag ist natürlich Alex Angulo, auf den Igleasis in seinen nächsten Filmen immer wieder zurückgreifen wird, als siamesischer Zwilling, dessen Bruder ja von Ramon getötet worden ist. Der Kadaver muss natürlich von seinem Bruder mitgeschleppt werden, um sich an Ramon rächen zu können. Das führt zu einer Reihe von geschmacklosen, aber in einem derartigen anarchistischen Film schon wieder lustigen Szenen - wenn man schwarzen Humor mag, eine Bedingung, ohne die ein Iglesias-Film genau wie die Streifen seines Ziehvaters Almodovar nicht zu ertragen sind - wie die Präparation durch einen Spezialisten oder das Aufhängen an einem Baum. Auf der Flucht vor seinen Verfolgern lernen sich Ramon und sein Opfer Patricia - das Foto, auf welchem ihr Mund zugenäht worden ist, während sie im blutbefleckten Brautkleid hilflos gefesselt dasitzt, ist schon im Vorwege um die Welt gegangen und hat für die kurzzeitige Popularität des Streifens schon vor Drehbeginn gesorgt - natürlich näher kennen und ihre hochmütige arrogante Haltung reduziert sich ein wenig.

Unsicher über seinen eigenen Inszenierungsstil unterbricht Iglesias manchmal ein wenig tollpatschig die ruhigen Szenen, in denen er weitere, immer grotesker werdende Charaktere einführt. Die debilen Hinterwäldler mit ihrer Notgeilheit wirken überzogen und nehmen nach der ersten sehr guten halben Stunde dem Film etwas von seiner Einzigartigkeit. Bei den Folterszenen überspannt der Regisseur teilweise den Bogen und stößt seine Zuschauer zu sehr vor den Kopf. Diese Unausgeglichenheit wird sich auch in seinem Meisterwerk und Roadmovie „Perdita Durango” zeigen, dort allerdings durch seine überzogene, aber deutlich kompaktere Handlung überlagert.

Während, wie schon angesprochen, die erste halbe Stunde auch aufgrund der für das geringe Budget sehr guten Sets überzeugend und innovativ ist, verliert sich der Film ein wenig in den Weiten des Wüstenplaneten. Hier hätte wahrscheinlich eine Parodie der Italo-Westerns den Film vorangebracht.

Am Ende findet Iglesias zu einem deutlich ernsteren und den Zuschauer eher ansprechenden Ton zurück. Im Vergleich zu anderen seiner späteren Werke fehlt ihm allerdings noch das Gefühl, für ein überraschendes, nachhaltiges Ende. Auf den letzten Minuten wiederholt er einige Ideen aus anderen Teilen des Streifens mit nur leichten Variationen, und der Zuschauer ist auch der ewigen Schießerei müde. Hier rächt sich, dass insbesondere der Mittelteil teilweise zu hektisch und mit zu wenig Raum für die einzelnen Charaktere, denen Ramon und Patricia auf ihrer Flucht begegnen, inszeniert worden ist.

Mit einer Laufzeit von knapp neunzig Minuten ist der Film für seine gesamte Handlung deutlich zu kurz. Viele Szenarien mit ihren zum Teil parodistischen Inhalten hätten auch in Hinblick auf die zitierten Originale intensiver und umfangreicher ausgearbeitet werden müssen. Der Mittelteil hangelt sich von einem derben Gag zum nächsten. Manche dieser Szenen sind wirklich gelungen, bei einigen anderen wünscht sich der Zuschauer ein wenig Zurückhaltung und Selbstkontrolle auf Iglesias Seite und die dritte Art von Witzen kommt aus der Monty Python Gosse. Die dann immer wieder folgenden Zwischenschnitte auf eine mehr oder minder brachiale bis barbarische Auseinandersetzung funktionieren nicht wirklich. Es bleibt der Eindruck, als wollte der Jungregisseur die erkannten Schwächen mit dem Griff nach noch mehr Kunstblut und schlechten Geschmack einfach überdecken.

Im Interview betont er immer wieder die Verwandtschaft zu einigen trashigen Produktionen und unterstreicht mehrmals, dass sein Film nicht ernst genommen werden soll und darf.
Mit dieser Prämisse ist der spanische Space Opera Streifen eine im positiven Sinne geistlose Unterhaltung. Eine Pferdeoper im All. Optisch und visuell zeigt „Aktion Mutante” allerdings schon einige Stärken Iglesias. Eine Kamera, die nicht stillstehen kann, interessante, mit einfachsten Mitteln gebaute Sets, sehr viele visuelle Gags, die teilweise hervorragend funktionieren und den Hang, die Geschichte weniger mit Dialogen, sondern alleine mit den teilweise insbesondere in der vorliegenden DVD Fassung hervorragend digitalisierten und restaurierten Bildern einfach in eine unbestimmte Richtung fließen zu lassen. Und wer kann nicht bei einem Terroristenteam, bestehend aus den siamesischen Zwillingen Alex und Juan, dem Mann mit dem 5 Kilo Sprengstoffimplantat Cesar Ravenstein, dem 50fach vorbestraften Mechaniker Jose sowie dem Mann mit dem niedrigsten IQ der bekannten Galaxis Gozales sowie dem buckligen, homosexuellen, kommunistischen Juden und Freimaurer Montero zumindest lächeln?

Im Vergleich zu vielen anderen Streifen ist „Aktion Mutante” nicht nur in Ehren gealtert, der anarchistische Inszenierungsstil passt deutlich besser in die heutige fast schon Post-MTV-Generation mit ihren Videospielen und einer Welt, die politisch aus den Fugen geraten ist.
Handlungstechnisch gehört die B-Produktion mit ihrem frechen Ton und vor allem ihrer komplett nichtkommerziellen Ausrichtung zu dem Subgenre, das solche Meisterwerke wie „Hell comes to Frogtown” oder Carpenters „Sie leben” hervorgebracht hat. Filme, wie sie heute nicht mehr gedreht werden.
Iglesias Markenzeichen wie Skurrilität und überzeichnete, aber irgendwie liebenswerte Charaktere in aussichtslosen Situationen sind schon gut ausgebildet. Insoweit schließt sich mit der überfälligen Neuveröffentlichung von „Aktion Mutante” bei Alamado Film ein Kreis, da im letzten Jahr auch „800 Bullets” - ebenfalls in einer sehr empfehlenswerten Edition bei E-M-S - erschienen ist.

Wie schon angesprochen ist der Streifen im passenden 2.35:1 Format veröffentlicht worden. Das Bild ist bunt, richtig passend bunt, und die Kontraste sind scharf. Insbesondere der Auftakt sowie die Passagen in der grellen Sonne zeigen, mit welcher Sorgfalt der Streifen für diese DVD-Veröffentlichung digitalisiert und überarbeitet worden ist. Als Tonspuren werden sowohl die deutsche. als auch die spanische angeboten, letztere mit deutschen Untertiteln. Auch wenn insbesondere die Synchronisation teilweise zu derbe ausrutscht und einfallslos auf die verschiedenen Fluchorgien des Originals reagiert, lenkt die Originalspur mit den deutschen Untertiteln teilweise von Iglesias visuellen Humor ab. Stimmungstechnisch empfiehlt es sich allerdings, auf die spanische Tonspur zurückzugreifen.
Zu den Extras gehört ein Interview mit Alex Iglesias aus der Produktionszeit von „Aktion Mutante”. Wie ein Schüler mit Milchbart und einem wirklich unmodischen Jackett spricht er über die Dreharbeiten und die Entwicklung des Films. Das Interview gibt es über weite Strecken zweimal, denn einmal sitzend vor dem Emblem des Streifens, dann stehend. Es ist schade, das kein aktuelles Interview bzw. ein Audiokommentar der DVD-Veröffentlichung hinzugefügt worden ist. Rückblickend zeigen sich schon in seinem ersten Film viele seiner anarchistischen Tendenzen, die Filme wie „Perdita Durango” beherrschen sollten. Neben dem Making Of, das einen guten Einblick in eine Low Budget Produktion in Spanien gibt, folgt die B-Rolle mit nicht verwendeten Ausschnitten bzw. Takes, die abgebrochen worden sind. Alleine die Qualitätsunterschiede zwischen dem restaurierten Film und diesen Ausschnitten sind gewaltig. Drei Bildergalerien mit Storyboards - interessant, die Entwicklung vom Rohkonzept bis zum fertigen Film verfolgen zu können - sowie Zeichnungen von den Sets und Skizzen der skurrilen Charaktere runden diese Präsentationsebene ab. Zwei Kinotrailer, welche die anarchistische Energie an Hand zweier Schlüsselszenen gut wiedergeben und das Musikvideo „Def con dos” bilden den Abschluss des Extras.
Mit einer Laufzeit von guten neunzig Minuten eine sehr schöne und vor allem umfassend Ergänzung des Hauptfilms.

DVD-Facts:
2,35:1 (anamorph / 16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, spanisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Making of, Interviews, Video, Trailer, B-Roll, Bildergalerien

hinzugefügt: May 17th 2008
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
Hits: 2826
Sprache:

  

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