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De Camp, Lyon Spague: H.P. LOVECRAFT - EINE BIOGRAPHIE (Buch)

Lyon Sprague de Camp: H.P. Lovecraft - Eine Biographie, Festa Verlag Hardcover, ISBN 3-93822-48-0, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Andreas Diesel, 637 Seiten, Euro 36,90

von Carsten Kuhr

Howard P. Lovecraft ist eigentlich Jedem, der sich für phantastische Literatur auch nur rudimentär interessiert ein Begriff. Neben E.A. Poe gilt er zurecht als einer der massgebendsten Autoren der Weird Fiction. Werke aber, die sich mit dem Menschen Lovecraft, mit seinem Leben und Werk auseinandersetzen sind Mangelware. Im Lovecraft'schen Hausverlag suhrcamp erschienen über die Jahre verteilt als st 1027 gesammelte Aufsätze „Über H P Lovecraft“ (überarbeitete Neuauflage als st 2733 "Kosmisches Grauen"), als st 1306 "Das Lovecraft Lesebuch" mit einem Essay von Barton Levi St. Armand und st 1626 "Der Einsiedler von Providence". Alle diese Bücher aber boten dem Interessierten immer nur Aufsätze, die schlaglichtartig den Autor und sein Werk beleuchteten, ohne dessen Leben wirklich umfassend aufzuarbeiten. Wenn ich mich recht entsinne, war auch die de Camp Biographie bei suhrcamp vor Jahren zur Veröffentlichung vorgesehen, das Projekt wurde dann aber kurzfristig wieder fallen gelassen. Eine um die Hälfte gekürzte Version der de Camp'schen Biographie erschien dann 1989 mit einem gar fürchterlichen Titelbild versehen als Ullstein Taschenbuch 36561 - inzwischen, wie alle vorgenannten Titel ein gesuchtes Sammlerstück. Insoweit ist vorliegender Band längst überfällig und sehnsüchtig erwartet.
Den Verfasser, Lyon Sprague de Camp zähle ich seit den Anfängen meiner Begeisterung für die phantastische Literatur zu meinen Lieblingsautoren. Aus Fragmenten Robert E. Howards stellte er diverse Conan Geschichten fertig, er selbst war bekannt für seine humorvollen Fantasy-Erzählungen. Nach dem Tod August W. Derleth's nahm er sich dessen unvollendet gebliebenen Projekts, eine Lovecraft Biographie zu schreiben an.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit den meist kurzen Texten des „Einsiedlers aus Providence“. Was mich in dem auf zartgrünen Papier gedruckten Buch aus der inzwischen legendären „Bibliothek des Hauses Usher“ im Insel Verlag und den violettfarbenen Taschenbuchausgaben des suhkamp Verlages erwartete, das war so ganz anders, als alles, was ich bis dahin gelesen hatte. Hier häufte ein Autor Grauen über Schrecken, äonenalte Bedrohungen unermesslichen Ausmasses auf, ohne auch nur daran zu denken, seinen Lesern die Beruhigung eines noch so unglaubwürdigen Happy-Ends zu gönnen. Ein Unding, und doch konnte ich mich, wie unzählige Andere auch der morbiden Faszination der Texte nicht entziehen. Ich setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um von meinem spärlichen Taschengeld die anderen Bücher Lovecraft´s zu erwerben. Doch wer war der Mann, der zigtausende Leser ein vorher nie gekanntes kosmisches Grauen vermittelte, und damit eine posthume verlegerische Erfolgsstory schrieb, das konnte, ja wollte mir bislang niemand richtig erzählen?
Mein Fremdwörterlexikon definiert den Begriff „Biographie“ als eine Lebensbeschreibung realer Personen. Und genau dies offeriert uns de Camp.
Minutiös breitet er die Herkunft und das Leben des „Einsiedlers von Providence“ vor uns aus. Wir erfahren aufs Genaueste seinen Hintergrund, die Verhältnisse, die ihn zu dem Menschen prägten, als den ihn seine Zeitgenossen beschrieben. Wir lernen seine Familie kennen, erfahren dass HPL als Autodidakt sich selbst sein enormes Wissen anlas, dass er geprägt von der dominanten, ihn übermässig verzärtelten Mutter Zeit seines Lebens introvertiert und gehemmt und krank blieb. Eine Beziehung zu seinen Mitmenschen aufzubauen fiel ihm in der persönlichen Begegnung schwer. Statt dessen führte er den bekannt übermässigen Briefwechsel mit den wenigen Brieffreunden, die vor seinem gestrengen Auge die Auswahl bestanden. De Camp geht auch auf den oftmals erhobenen Vorwurf des Arierglaubens ein, der HPL von vielen Kritikern immer wieder vorgeworfen wird. De Camp relativiert diese Kritik, indem er sie in den zeitgeschichtlichen Rahmen der damaligen Zeit einfügt, und uns deutlich macht, dass derartige Aussagen damals en vogue waren, und nichts, aber auch gar nichts mit der späteren Übernahme durch die Nationalsozialisten gemein hatte. Minutiös hat de Camp tausende von Briefen HPLs gesichtet, mit Zeitzeugen Kontakt aufgenommen, Verwandte und Freunde interviewt. Er zeigt uns einen letztlich von seiner Umwelt, seiner Mutter, seiner Heimatstadt Providence geprägten Menschen, der Zeit seines Lebens verkannt wurde. Das Buch erschlägt uns förmlich mit Wissen, wobei ich dem Autor attestieren kann, dass er uns das Lesen leicht konsumierbar aufbereitet. Mit dem nötigen Abstand weist er auf Fehler und Absonderlichkeiten ebenso hin, wie auf die höfliche und hilfsbereite Wesensart Lovecraft´s.
Das sehr umfangreiche Buch liest sich naturgemäss nicht so spannend wie ein Krimi, aber interessant und flüssig. Man mag fragen, ob der manchmal übergrosse Detailreichtum wirklich immer nötig gewesen ist, ob z.B. die Familienchronik so ausführlich abgehandelt werden musste. Doch letztlich setzt sich das Bild, das dieses Werk von dem Unbekannten vermittelt erst durch diese ausführliche Darstellung richtig zusammen. Dabei hat das Buch den Vorteil, dass es anders als die Biographie Dieter Bohlen´s, das immerhin die nationalen Bestsellerlisten anführt, nicht nur oberflächliche Sensationslust und perversen Voyeurismus befriedigt, sondern dem interessierten Leser akribisch einen Menschen näher bringt, den nicht einmal seine engsten Freunde richtig kannten. Marcel Reich-Ranicki hat einmal sinngemäss gesagt, dass nur ein Mensch der wirklich gelitten hat grosse, beständige Literatur zu schreiben vermag. Nun, ob Lovecraft von künftigen Generationen, denen Namen wie Bohlen oder Stephen King mit Sicherheit nichts mehr sagen werden noch gelesen wird, das vermag ich nur zu vermuten, dass dieser Mann aber mehr als die Meisten gelitten hat, das kann jeder hier minutiös nachlesen. Die kongeniale Covergestaltung von dem mir bislang unbekannten Asuka tut ein Übriges dieses wichtige Buch aus der Masse der Veröffentlichungen hervorzuheben.

hinzugefügt: July 28th 2004
Tester: Carsten Kuhr
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