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Lukianenko, Sergej: Weltengänger (Buch)

Sergej Lukianenko
Weltengänger
Aus dem Russischen übersetzt von Christiane Pöhlmann
Heyne Verlag, 2007, Paperback, 590 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-453-52349-4

Von Carsten Kuhr

Stellen Sie sich folgende Situation vor. Ein Mensch gerät allmählich in Vergessenheit. Seine Papiere verschwinden. Seinen Platz in der Familie und auf der Arbeit nimmt jemand anders ein. Wenn dieser Mensch am Ende ist und nirgendwo mehr hin kann, kommt ein Bote zu ihm oder er erhält ein Telegramm. Kurz und gut, er wird zu einer bestimmten Adresse gebeten. Der Ort zu dem er sich dann begibt wird sein neuer Arbeitsplatz. Wir nennen das Funktionsort, und den Menschen einen Funktionalen (S. 228).

Verrückt, überkandidelt, undenkbar in unserer rationalen Welt denken Sie? Auch der Moskowiter Kirill, dem genau dieses passiert, hält es zunächst für einen schlechten Scherz. Eine unbekannte Frau, mehr noch eine unattraktive Furie von Weib, hält seine Wohnung besetzt und hat sich auch der Zuneigung seines Hundes bemächtigt. Seine Eltern und seine Ex-Freundin haben ihn vergessen, seine Kreditkarte lautet plötzlich auf den Namen der Furie - was hat er da bloß zu sich genommen. Doch mehr und mehr muss er sich der Tatsache stellen, dass er für seine Umwelt nicht mehr existiert, ja, nie gelebt hat. Einzig sein Freund und Saufbruder Kotja, ein Sensations- und Pornoschreiberling, hält mühsam die Erinnerung an ihn wach. Zusammen begeben sie sich in Kirills neues Heim.
Ein alter Wasserturm am Rande der Großtadt entpuppt sich als Tor zu nicht weniger als fünf anderen Welten. Als Zöllner ist es Kirills Aufgabe zu überwachen, dass es zu keinem unzulässigen Technologietransfer zwischen den Welten kommt, dass Zölle und Steuern erhoben werden. Woher er die Kenntnisse, die zur Erfüllung seiner Pflicht von Nöten sind, hat, wer ihm die Schnellheilungskräfte und das ewige Leben verliehen hat, bleibt zunächst im Dunkeln. Doch statt sich seines Lebens zu erfreuen, statt sich gemütlich zurückzulehnen, das Leben und die Liebe zu genießen sucht Kirill nach den Verantwortlichen, nach den Gründen und stößt dabei auf ein gigantisches Komplott …


Sergej Lukianenko, mit diesem Namen verbindet man neben den Bestsellern um die „Wächter“ auch den zurecht hoch gelobten Roman „Spektrum“. Auch in „Spektrum“ geht es darum, unterschiedlichste Planeten zu besuchen, fremde Welten und unbekannte Zivilisationen zu beschreiben. Dennoch ist vorliegender Roman ganz anders.

Zunächst einmal berichtet der Autor uns einmal mehr vom alltäglichen Leben in der Hauptstadt Russlands. Gut die Hälfte des Romans vergeht, bis unseres Helden Fuß einmal die Erde verlässt. Und das ist gut so.
Warum wollen Sie wissen?
Weil wir mit Kirill zusammen den alltäglichen Kampf ums Überleben in einer Stadt voller Armut, Elend, voller neureicher Emporkömmlinge und intriganter Denunzianten erleben. Wie schon in den „Wächter“-Romanen erhalten wir einen intimen Einblick in das Leben, die alltägliche Verzweiflung, den Frust und die Träume des durchschnittlichen Moskowiters. Kirill ist eben keiner der begüterten Wendegewinner, keiner, der sich aus alten Seilschaften kommend ein Stück kommunistischen Staates unter den Nagel gerissen hat und nun die Früchte seines unredlichen Wohlstands genießt. Zwar kommt er aus einer Arztfamilie, doch zu mehr als einer kleinen Eigentumswohnung und den Traum eines Urlaubs in der Türkei reicht es für ihn und seine Eltern nicht. Das ist der real existierende Kapitalismus in Russland, das zeigt uns Menschen, deren Wünsche nicht hochtrabend sind, denen man abnimmt, dass sie Ablenkung im Bruder Wodka und Schwester Fernsehen suchen.
Zu dieser Realsatire gesellt sich später ein durchaus spannender Plot. Wie kommt es zu den Zugängen in die anderen Welten, wer hält hier die Zügel in der Hand, was wollen die mysteriösen Herrschenden überhaupt erreichen - Fragen, die die zweite Hälfte des Bandes bestimmen.

Das liest sich flüssig und spannend, lässt aber letztlich, obwohl Kirill ein sehr intensiv und sympathisch gezeichneter Loser ist, die ganz große Faszination eines „Spektrum“ vermissen. Gar zu abrupt wechseln die Handlungsorte, zu verwirrend präsentiert sich gerade zum Finale hin die Auflösung der Rätsel.
Das lässt ein klein wenig die Souveränität Lukianenkos, die er in seinem Meisterwerk „Spektrum“, aber auch in „Schlangenschwert“ bewiesen hat vermissen, er übt zwar so manches mal beißende Kritik an herrschenden Unzuständen, erreicht hier aber leider nicht ganz das Niveau der beiden vorgenannten.
Ein gutes, aber kein überragendes Buch, spannend, kurzweilig aber leider nicht mehr.

hinzugefügt: October 16th 2007
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Heyne Verlag
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