Welcome to Phantastik-News
 
 

  Inhalt

· Home
· Archiv
· Impressum
· Kino- & DVD-Vorschau
· News melden
· Newsletter abonnieren
· Rezensionen
· Suche
· Zum Forum!
 

  Newsletter

Newsletter-Abo
 

 
 

Demo 1 (Comic)

Demo 1
Brian Wood & Becky Cloonan
(Demo 1–6, 2006)
Aus dem Amerikanischen von Stefanie Urbig
eidalon Verlag, 2007, Paperback, 182 Seiten, 15,90 EUR, ISBN 978-3-939585-00-8

Von Irene Salzmann

Seit Jahrzehnten erfreuen sich Superhelden-Comics in den USA größter Beliebtheit. Für eine kleine Schar Sammler brachten verschiedene Verlage einzelne Serien ab den 60er Jahren auch nach Deutschland. Doch einer wachsenden Popularität erfreuen sich die Superhelden erst, seit „Akte X“ das phantastische Genre einem breiteren Publikum erschloss und die Kino-Filme ab den 90ern mit ihren großartigen Special-Effects für die „X-Men“, „Spider-Man“, „Batman“ und andere namhafte Charaktere werben.

In den letzten Jahren hat sich aber auch unter den traditionellen Comic-Reihen ein neuer Realismus etablieren können. Die zumeist jugendlichen Außenseiter sind nun nicht mehr verkannte Helden mit einem ausgeprägten Helfer-Syndrom sondern verängstigte Teenager, die lernen müssen, mit ihren Kräften umzugehen, die gejagt werden von einem Mob, der sie fürchtet, die sich verstecken, um niemandem zu schaden. Sie tragen keine bunten Kostüme und retten auch nicht in spektakulären Einsätzen die Menschheit, vielmehr wirken sie im Geheimen und helfen dem Einzelnen.

Dieses Thema haben auch die kleineren Comic-Labels für sich entdeckt. Bei AiT/Planet Lar erschienen die ersten sechs voneinander unabhängigen Episoden von „Demo“, die nun bei Modern Tales in einem Sammelband auf Deutsch publiziert wurden. Der Autor Brian Wood stellt die Frage ‚Was wäre, wenn ganz normale Menschen aus unserer Mitte plötzlich über Superkräfte verfügen würden?’, und Becky Cloonan setzt diese Geschichten zeichnerisch um.


„NYC“ schildert die Qualen der jungen Marie, die über enorme Geisteskräfte verfügt. Um diese zu unterdrücken, muss sie Tabletten nehmen, die auch ihr Bewusstsein verändern. Sie träumt davon, endlich frei zu sein – von den Medikamenten, von der Mutter, von der Gesellschaft, von all den Dingen und Personen, die sie unterdrücken wollen. Gemeinsam mit ihrem Freund flieht sie und setzt die Pillen ab, obwohl sie die grausamen Nebenwirkungen kennt.

„Emmy“ ist ein Mädchen, das nicht mehr sprechen möchte. Denn was sie sagt, müssen andere tun – sogar sterben. Sie versucht nach besten Kräften, sich zu kontrollieren, doch als ein Jugendlicher sie provoziert, geschieht etwas Schreckliches.

„Böses Blut“ verleiht den Hurleys ungeahnte Eigenschaften. Auf dem Begräbnis ihres Vaters, den sie kaum kannte und auch nicht sonderlich mochte, erfährt Samantha die Wahrheit durch ihren attraktiven Halbbruder Sean auf äußerst drastische Weise.

„Sei stark“ – das ist alles, was immer wieder von James verlangt wird. Seit seiner Kindheit waren es immer nur seine gewaltigen Kräfte, wegen derer er in der Gruppe geduldet wurde. Man nutzte ihn aus nach Strich und Faden; für die Vergehen der anderen, wanderte er sogar in den Knast. Sein Vater versucht immer noch, ihn zu lenken, ebenso seine Frau, die mit der bescheidenen finanziellen Situation unzufrieden ist. Als die Kumpels James zu einem Einbruch verleiten wollen, hat er die Nase von allem voll.

Das „Mädchen deiner Träume“ ist und bleibt unerreichbar, selbst für jemanden, der sich den Vorstellungen anderer anpassen kann. Kate projiziert die eigenen Erwartungen und Wünsche auf eine Person, der sie nahe sein möchte, obwohl sie es aus eigener Erfahrung besser wissen sollte. Die Enttäuschung folgt prompt.

„Was du dir wünschst“ ist, einfach nur akzeptiert oder wenigstens in Ruhe gelassen zu werden. Das jedoch ist Außenseitern nicht vergönnt. Man isoliert sie, quält sie, macht deutlich, dass sie nicht ‚dazu gehören’. Verliert man dann noch den letzten Halt, kann das gravierende Folgen haben. Der kleine Junge wird nach dem Tod seines Hundes wütend und setzt gewaltige Vernichtungskräfte frei, die sich gegen all jene richten, die ihm Leid zufügten.


Alle Geschichten erzählen von der Angst und der Verzweiflung der Menschen, die mit besonderen, kaum kontrollierbaren Gaben ausgestattet sind. Jeder ist ein Außenseiter in einer normierten Welt und wird missverstanden, enttäuscht, unterdrückt, missbraucht und gequält. Dabei wünschen sie sich nur, in Frieden gelassen zu werden, so akzeptiert zu werden, wie sie sind, Freunde zu haben, Liebe zu finden.
Früher oder später streifen sie alle die Fesseln der Gesellschaft und ihrer Unterdrücker ab. Es kommt zu einem Befreiungsschlag, der mehr oder minder heftig ausfällt, Opfer fordert und den Mutanten dabei auch immer psychisch verletzt, denn all das hätte er gern vermieden.

Der Ernst der Themen wird grafisch durch harte Schwarz-Weiß-Kontraste unterstützt. Der Stil der Zeichnungen ist nicht so glatt und gefällig wie bei den meisten konventionellen Superhelden-Comics und Geschmackssache.

So hinterlassen die Storys ein bedrückendes, nachdenkliches Gefühl, denn die Mutanten sind ein Sinnbild für alles, was ‚anders’ ist. ‚Anders’ ist ein hochbegabtes Kind, das seine Mitschüler quälen, der Ausländer, den die Nachbarn ignorieren, der Anhänger einer anderen Religion, für die niemand Verständnis aufbringt – um nur einige typische Beispiele zu nennen. Sie alle leiden genauso wie die Protagonisten der Geschichten, dabei sollte es gar nicht so schwer sein, jeden so zu nehmen, wie er ist, schließlich kann man selbst durch irgendetwas – einen Umzug in ein anderes Land, durch mobbende Nachbarn, einen Unfall usw. - zum Außenseiter werden.


„Demo“ wendet sich an das erwachsene Publikum, das nicht oberflächliche Unterhaltung sucht, sondern Comics mit einer Message bevorzugt. Die tragischen Storys stimmen nachdenklich und bleiben längere Zeit in der Erinnerung.

hinzugefügt: March 1st 2007
Tester: Irene Salzmann
Punkte:
zugehöriger Link: Modern Tales
Hits: 3458
Sprache:

  

[ Zurück zur Übersicht der Testberichte | Kommentar schreiben ]