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Lukianenko, Sergej: Spektrum (Buch)

Sergej Lukianenko
Spektrum
(CNEKTP)
Aus dem Russischen übersetzt von Christiane Pöhlmann
Titelillustration Dirk Schulz
Heyne Verlag, 2007, Paperback, 702 Seiten, 14,00 EUR, ISBN 978-3-453-52233-6

Von Carsten Kuhr

Nach dem doch ein wenig überraschenden Erfolg, den die „Wächter“-Romane in Deutschland einheimsen konnten, legt Heyne ein Zukunftsabenteuer der anderen Art aus Lukianenko’scher Feder vor. Wer nun annimmt, es mit einem der austauschbaren SF-Plots anglo-amerikanischer Prägung zu tun zu bekommen, der sieht sich glücklicherweise getäuscht. Lukianenko bleibt sich selbst treu, mit scharfen Blick auf all die vielen Unzulänglichkeiten der Menschen und voll intellektuellem Witz entführt er seine Leser in ein Mysterium, das nicht nur seiner Hauptfigur einiges abverlangt.


Wie kann man seinen Sohn, immerhin einen waschechter Moskowiter nur Martin nennen, das fragt sich unser Protagonist zu Beginn des Romans. Martin, wie in Martinsgans, als ob er nicht ein richtiger Russe wäre! Doch mittlerweile hat Martin sich trotz oder gerade wegen seines Namens einen ebensolchen gemacht, er ist einer der angesehensten und erfolgreichsten Privatdetektive, die Interplanetar tätig sind.
Als vor rund 60 Jahren die Aliens auf der Erde landeten und verteilt auf dem ganzen Planeten intergalaktische Transporttore aufbauten, ahnte die Menschheit noch nicht, was dies für Folgen mit sich bringen würde. Hunger, Krieg und Krankheiten sind dank der selbstlosen Geschenke der „Schließer“ besiegt, die Länder erhalten von den Aliens sogar Pacht für die Grundstücke. Und die Menschen können zu anderen Planeten reisen. In der Galaxis treffen sie auf Humanoide und ganz fremde Lebensformen, der Obolus für eine Reise ist für jeden Menschen zu schultern, wollen die Schließer doch lediglich eine originelle Geschichte, die ihre Langeweile vertreibt. Gewalt ist in den Stationen mit den großen Toren verpönt, Unruhestifter verschwinden von einem Moment zum anderen spurlos.
Martin Dugin ist einer der begabtesten Geschichtenerfinder. Während andere sich ihre Geschichten für viel Geld von Autoren schreiben lassen, fallen ihm immer wieder neue Erzählungen ein. So wird er von Eltern, verlassenen Ehemännern und -frauen oder findigen Importeuren engagiert, auf anderen Planeten verschollene beziehungsweise geflüchtete Personen zu suchen oder Raritäten herbeizuschaffen.

Zunächst sieht auch diesmal alles nach Routine aus. Ein junges Mädchen, gerade einmal 17 Jahre alt und aus begüterten Verhältnissen stammend ist wohl voller Abenteuerlust von zu Hause ausgerissen, und hat das Tor zu „Bibliothek“ durchschritten. Gerüchten zufolge soll hier das Wissen der Schließer oder sogar deren Vorgänger zu finden sein.
Schnell wird Martin klar, dass Irina zur menschlichen Forscherkolonie aufgebrochen ist. Als er schon glaubt, sein Geld verdient zu haben bringt ein Tier das Mädchen um. Mit ihren letzten Kräften schreibt die Sterbende den Namen eines anderen Planeten in den Wüstenstaub. Um das Rätsel zu lösen macht sich unser wackere Reisende auf nach „Prärie 2“ nur um dort eine zweite, anscheinend ein Zwillingsschwester Irinas zu treffen.
Da hat ihm sein Mandant wohl einiges vorenthalten?
Wieder aber macht ihm das Schicksal einen Strich durch seine Pläne – in einer Wildwestschießerei fängt Irina eine Kugel ein. Die Spur führt ihn auf den technisch hoch entwickelten Planeten der Aranker. Verfolgt von einem Attentäter kommt er einer dritten Irina auf die Spur. Drillinge, oder was steckt hinter dem Mysterium?
Unterbrochen immer wieder durch die Rückkehr ins heimatliche Moskau und festlichen Diners mit seinem Großvater in denen es um Politik, Kultur und immer wieder um die richtige Konzeption eines klassischen, wohlschmeckenden und natürlich frisch zubereiteten Mahles geht macht sich Martin auf, das Rätsel der vervielfältigen Irina zu lösen. Auf dem Weg trifft er unterschiedlichste Kulturen, macht sich seine Gedanken zu Religion, Evolution, Verantwortung und erlangt die allseits begehrte Allmacht – doch wird er dadurch glücklicher?


Es ist schwer, dieses Buch treffend zu beschreiben. Oberflächlich geht es, wie bei jeder wirklich guten Literatur um einen unterhaltsamen, spannend aufbereiteten Plot.
Gleichzeitig aber reflektiert der Autor auf teilweise beißend ironische, dann wieder melancholische Art über das Leben im Gesamten, über den Sinn der Existenz, über Macht und Machtlosigkeit, über Selbstbestimmung und Verantwortung, über Gott und die Rätsel der bewussten Existenz.

Gewürzt werden diese philosophischen Ergüsse dann mit treffenden Kommentaren zu ganz unterschiedlichen Themen. Da bekommt der KGB ebenso sein Fett ab wie McDonald’s, da werden die Fantasy-Endlosserien durch den Kakao gezogen, über Tolstoi reflektiert und immer wieder ein kulinarisches Rezept der Extraklasse kredenzt. Erfrischend, dass der Autor sich selbst und seine Heimat von der Kritik nicht ausnimmt, dabei aber immer auch die angeblich so freie westliche Welt als das offenbart, was sie nur zu oft ist. Eine große, von Werbefachleuten institutionierte Blase, deren Lenker die große Herde der Schafe mit Brot und Spielen bei Laune halten.

Man kann diesen Roman, der Lukianenko-typisch in diverse voneinander abgegrenzte Kapitel unterteilt ist, die zunächst wenig miteinander zu tun haben als reinen Abenteuer-Roman lesen. Unser Held macht sich auf die Suche nach dem verschollenen Mädchen, gerät von einem Ungeschick in das nächste, und rettet sich und andere immer wieder mit der ihm eigenen Intelligenz. Zum Finale bekommt er neben dem Mädchen noch Allmacht, Herz was willst Du mehr?

Man kann das Werk aber auch als eine Anregung für die eigenen kleinen grauen Zellen nutzen, sich dabei prächtig amüsieren und überlegen, was sich Gott bei seiner Schöpfung nur gedacht hat, und irgendwie habe ich den Eindruck, dass Lukianenko das beim Schreiben im Sinn hatte.

hinzugefügt: February 20th 2007
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Heyne Verlag
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