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Do you like Hitchcock? (DVD)

Do you like Hitchcock?
I 2005, Regie: Dario Argento, mit Elio Germano, Chiara Conti, Elisabetta Rocchetti u.a.

Von Thomas Harbach

Nach seinen letzten beiden enttäuschenden Produktionen „Phantom der Oper“ und „The Card-Player“ kehrt Dario Argento sowohl in den USA – in diesem Fall ein Debüt – als auch Italien auf den Fernsehbildschirm zurück. Sein Beitrag für die Reihe „Masters of Horror“ („Jennifer“) bildete nicht nur eine Hommage an die grotesken E.C. Horrorcomics der fünfziger Jahre, sondern konnte stellenweise insbesondere inhaltlich und nicht nur visuell überzeugen. „Do You Like Hitchcock?“ ist der erste Beitrag einer italienischen TV-Reihe, in der Filmemacher Hommagen an verschiedene Regiegrößen präsentieren.
Dabei ist es wahrlich keine Überraschung, dass bei einer solchen Serie mit Alfred Hitchcock, der mit seinen bahnbrechenden Techniken und Montagen stilbildend wie kaum ein anderer war, einer der bedeutendsten Meisterregisseure überhaupt an allererster Stelle steht. Dabei war Argento – wie aus einem Setbericht für das italienische Fernsehen hervorgeht – nicht nur von der Idee einer Hommage – Brian de Palma hat seine Karriere auf solchen Würdigungen aufgebaut, bevor er sich schließlich deutlich weiterentwickelte – sondern vor allem von der Möglichkeit des Drehens in Turin begeistert: „When I write a film now I always visualise Turin. „And Do you like Hitchcock?” is set in Turin because it’s all about cinema, my cinema. Turin is actually where the Italian Film Industry was based in the silent era before Mussolini moved it to Rome. It is also a little known fact that Italians invented the full-length feature film – „Cabiria” (1914) for example was 150 minutes long! And the first Italian movie theatre was built in Turin. HITCHCOCK is set in the city because it’s a homage not just to early cinema and Alfred Hitchcock but German expressionism, Robert Weine and „The Cabinet of Dr. Caligari”, F.W. Murnau and „Nosferatur”, „The Golem”, Fritz Lang of course, Russian movies during the Stalin era, Peter Lorre etc. „Two Evil Eyes” was my tribute to Edgar Allan Poe and now it’s Hitchcock’s turn. This film is my valentine to all the movies, directors and stars I’ve loved throughout the years.“

All die hier erwähnten Regisseure, Schauspieler oder Stilrichtungen kombiniert Argento handlungstechnisch in der Figur des ewigen Filmstudenten Giulio, der allerdings im Gegensatz zu den oft einsamen Protagonisten seiner anderen Filme nicht nur eine hübsche Freundin hat, sondern vor allem sexuell – normal, wenn man den Hang zum Voyerismus in den schwülen italienischen Nächten nicht zu sehr in den Vordergrund rückt – aktiv ist und dieses auch noch überlebt!
Insgesamt ist Dank dieser Besetzung des Regiestuhls ein sehenswerter, aber kein herausragender Film entstanden, der für ein Argento-Werk nicht selten mit der Erwartungshaltung der Zuschauer spielt, denn das Geschehen kommt ungewohnt stringent und storylastig daher – statt außergewöhnlicher Kamerafahrten und Perspektiven bekommt der Zuschauer vielmehr einen zumindest ansatzweise extrem verspielten Thriller geboten, der zwar gut unterhält, aber auch einige von Argentos unbestreitbaren Qualitäten vermissen lässt. Die Weiterentwicklung zu einem Erzähler öffnet aber seiner Entwicklung als Filmemacher mehr Möglichkeiten und lässt auf einen großen Abschluss seiner „Mother of Tears“-Trilogie – nach „Susperia“, „Horror Infernal“ – hoffen.

Schon länger beobachtet der voyeuristisch veranlagte Filmstudent Giulio (Elio Germano in einer zum Teil nicht überzeugenden Darstellung, nicht selten hätte man sich als Zuschauer mehr Ecken und Kanten, aber vor allem eine Persönlichkeit gewünscht) seine attraktive Nachbarin Sasha (Elisabetta Rocchetti in einer typischen Biestrolle, zu Beginn viel zu drastisch überzeichnet im Verhältnis zu ihrer Mutter) von gegenüber mit einem Fernglas. Als Sashas Mutter (Milvia Marigliano) brutal in ihrer Wohnung ermordet wird, sieht Giulio sofort ihre Tochter als einzigen überzeugenden Verdächtigen, doch die hat ein wasserdichtes Alibi. Bei seinem täglichen Gang in die Videothek um die Ecke, wo er sich mit deutschen Expressionisten für seine Diplomarbeit eindeckt, sieht er Sasha gemeinsam mit einer anderen Frau (Chiara Conti), die sich beide Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ ausleihen wollen. So kommt ihm der Gedanke, dass die beiden vielleicht den perfiden Mordplan aus diesem Filmklassiker übernommen haben könnten: In dieser Highsmith-Verfilmung verabreden sich die wildfremden Robert Walker und Farley Granger dazu, für den jeweils anderen einen Menschen umzubringen – so haben beide in Bezug auf den Mord, mit dem sie persönlich in Verbindung gebracht werden könnten, ein bombensicheres Alibi…

Brian de Palmas Anlehnungen an Hitchcocks Werk reichen von gekonnt „Dressed to Kill“ bis provozierend „Body Double“. Dario Argento ist sich im vorliegenden Film nicht schlüssig, wie nah er wirklich an sein Vorbild ranrücken soll oder kann. In guten Filmen werden die vorhandenen Versatzstücke intelligent in einen neuen Plot integriert und extrapoliert, als schlechte Hommage gilt weiterhin das sinnlose Kopieren.
Vor allem im B- Picture Bereich hat das häufig sinnfreie Einstreuen von Zitaten und das Plagiat ganzer Kamerafahrten und Schlüsselszenen mittlerweile jedes gesunde und vor allem unterhaltsame Maß überschritten. Auf der anderen Seite gehört Hitchcock immer noch zu den geschätzten Regisseuren, die aber heute in dieser überdrehten CGI Szene nur noch Außenseiterchancen an der Kinokasse hätten. Also empfiehlt es sich von Beginn an, eine moderne Hommage möglichst klassisch zu inszenieren. Auch wenn es auf den ersten Blick wie ein Widerspruch erscheint, sollte der Bogen weit gespannt werden. Insbesondere Dario Argentos erste eigenständige Regiearbeiten – Teile des auch heute noch faszinierenden Giallo-Genres – tragen im Kern die Züge der kleinen Hitchock´schen Tragödien des Mittelstandes.
Für einen originären Regisseur wie Dario Argento ist es elementar, das Beste aus beiden Welten zu einem spannenden Film zu verbinden. Die eigene Handschrift darf bei diesem Vorgehen nicht verloren gehen und vor allem der zu würdigende Regisseur sollte erkennbar sein, aber mit Respekt behandelt werden. Auch wenn die Zitate nicht gerade subtil in den Film integriert werden, nähert sich Argento dem Schaffen Hitchcocks hier glücklicherweise mit einer sonst eher ungewohnten und deshalb begrüßenswerten Leichtigkeit, fast unangenehm locker und verspielt.
Von der Ausgangslage und dem Gipsbein aus „Das Fenster zum Hof“ über den Mordplan aus „Der Fremde im Zug“ bis hin zu einzelnen Szenen aus „Vertigo“ – eine Sequenz, die viel zu lange ausgespielt wird und dadurch schnell an Effektivität und Spannung verliert - und „Bei Anruf Mord“ sind die Kopien so geschickt in die Story eingeflochten, dass sie zwar sofort ins Auge springen, aber auch sehr intelligent miteinander harmonieren. Kaum hat der Zuschauer insbesondere im letzten Drittel des Films die Zusammenhänge gemäß den Klassikern erfasst, kommt eine andere, überraschende Komponente ins Spiel. Zwei Hitchcocks – die dritte Hommage ist eher visuell als handlungstechnisch elementar – also in einem und doch noch ein wenig mehr.
Das Interessante an dieser Hommage ist weiterhin, das der Selbstdarsteller Dario Argento nicht darauf verzichten kann, sich selbst auf die gleiche Stufe wie Hitchcock zu stellen und fleißig aus seinem eigenen, sehr umfangreichen Werk zitiert. Das reicht von der eher angedeuteten Schlüssellochsequenz aus „Opera“ über den ineffektiven und nur die voyeuristischen Tendenzen betonenden Prolog mit den Hexen „Susperia“ bis zum Badezimmermord aus seinem wohl perfektesten Thriller „Profondo Rosso“. Trotzdem ist das Motiv des Films, in erster Linie auf gehobenem Niveau zu unterhalten. Die Anspielungen dienen als zusätzliche Spielerei, die einen Uneingeweihten nicht verständnislos vor dem Film und damit im Turiner Regen stehen lässt. Das Drehbuch von Dario Argento und seinem Stammautor Franco Ferrini ist für einen etwa zehn Minuten kürzeren Film nicht schlecht angelegt. Beide nehmen sich die Zeit, nicht nur das entsprechende Szenario nach dem holprigen Auftakt mit der Hexenbeobachtung durch den noch sehr jungen Protagonisten die einzelnen Protagonisten einzuführen. Das Ergebnis ist allerdings ambivalent. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Giulio und Arianna durchaus glaubwürdig, wenn auch manchmal etwas zu sexistisch – sie ist immer willig und willens – aber mit überraschend pointierten und warmherzigen Humor. Teilweise allerdings auch ein wenig zu schmachtend naiv, wenn anscheinend die beiden anderen Frauen zumindest leicht lesbische Frühlingsgefühle neben ihrer Leidenschaft für Hitchcock füreinander hegen.

Was insbesondere zu Beginn des Films auffällt, ist Argentos Verständnis für die richtige Umgebung. Wie in „Fenster zum Hof“ etabliert er unauffällig, aber effektiv den Schauplatz des Geschehens – damit ist nicht nur die Wohnung gemeint, in welcher der Mord stattfindet, sondern viel wichtiger das ganze kleine Wohnviertel. Was aber nicht funktioniert und wie störendes Element darstellt, wäre zum Beispiel Giulios nervige, bis zum Klischee überzeichnete Mutter und ihr aus dem Fitnessstudio entstiegener Liebhaber und zukünftiger Ehemann. Nur in einer wichtigen Szene fällt ihm zumindest die obligatorische Funktion des Retters zu. Auffällig und für Dario Argento neuartig sind seine Leidenschaften, hübsche Frauen nicht mehr mit blankem Stahl zu töten, sondern die charismatischen und sehr unterschiedlichen Typen von Frauen gut, vor allem erotisch in Szene zu setzen. Dabei reicht das Spektrum von der scheinbar typisch blonden, von ihrem Chef wegen Unterschlagung zum Sex erpressten Blondine über die eher jungenhafte, aber in Bezug auf Sex aktivste Christina Brondo bis zur verschlagene Ortsschlampe Elisabetta Roccetti. Nicht selten überschreitet Argento die Grenze zur softcore Erotik. So begegnen Giulio stellvertretend für die Zuschauer ihr nach einer längeren Kamerafahrt über ihren schönen Körper nur mit einem BH bekleidet, von den Vorhängen in dieser schwülen italienischen Nacht umweht. Selten hat Argento in seinen Filmen die Faszination des Zuschauens treffender ausgedrückt als in diesem erotischen Moment. Entgegen der Erwartungen wird diese hübsche Frau nicht das Opfer eines maskierten Verbrechers, sondern ist der Katalysator der kommenden Ereignisse, dieses Vorgehen spricht ebenfalls für eine neue thematische Ausrichtung seiner inzwischen zu einem Standard reduzierten Werke. Auffällig ist allerdings, das nach dem ersten wegweisenden und sehr blutigen Mord der Film Schwierigkeiten hat, Tempo aufzubauen. Zu sehr ist der Protagonist und damit der Zuschauer davon überzeugt, das es sich um eine Variante von Hitchcocks/Highsmiths „Fremde im Zug“ handelt und beiden scheint es nur noch darum zu gehen, die einzelnen Versatzstücke zu einem Ganzen zusammenzusetzen, die Täter zu überführen und in die Irrealität des Kinos zu entfliehen. Es gibt Im Mittelpunkt zu wenige wirklich Überraschungen, bis plötzlich wie aus dem Nichts der Plot im letzten Drittel des Films wieder anzieht. Während viele frühere Argento-Filme diese plottechnischen Schwächen mit außerordentlichen Kamerafahrten überbrücken konnten, bietet der Film unter der Ägide des Kameramanns Frederic Fasano nur wenige Überraschungen.

Dario Argento hat seinen Ruf als Horror-Altmeister vor allem der visuellen Kraft und der intensiven Atmosphäre seiner Filme zu verdanken, komplexe Charaktere oder geschickt konstruierte Geschichten haben ihn dabei bisher nicht vordergründig interessiert.
Aber wenn man sich schon an eine Hitchcock-Hommage wagt, müssen das Äußere und Innere stimmen. Das spannende Story-Konstrukt steht ganz klar im Vordergrund, Argentos visuelle Spielereien scheinen nur selten – zum Beispiel beim „Vertigo“-Zitat auf dem Dach – durch. Aber dieser Mantel passt ihm erstaunlich gut, in Kombination mit der größeren Freiheit eines Kinofilms sicherlich eine interessante und begrüßenswerte Alternative zu den oft quälenden und immer schlechter werdenden Selbstkopien.

So ist „Do You Like Hitchcock?” sicherlich kein Meisterstück in Argentos Filmographie, sondern vielmehr eine überraschend unterhaltsame, angenehme und auf verspielte Art zitatenreiche Fingerübung. Die Bildqualität der DVD ist für einen im 35 mm-Format gedrehten Film eher auf der schwächeren Seite. Ab und an finden sich bei den Kameraschwenks bemerkbare Rauschmuster, die Farben dagegen sind kräftig, in den dunklen Szenen werden Details leider verschluckt. Die Dialoge sind klar auf beiden Sprachebenen, die passende Musik von Pino Donaggios kommt sehr gut beim 2.0 Ton weg. Die Extras bestehen aus dem üblichen Blick hinter die Kulissen, der in erster Linie aus Aufnahmen beim Dreh besteht und zwei längeren Interviews mit Dario Argento und Elio Germano, die über die oft oberflächlichen Antworten – auf noch oberflächlichere Fragen – hinausgehen und durchaus überzeugen können. Texttafelfilmographien runden die Extras ab. Das vierseitige Booklet schafft es allerdings nicht, eine vernünftige Filmographie nach Regie und Produktion getrennt aufzuteilen. Von den zehn fertigen Filmen hat Argento drei produziert, bzw. in einem Fall - „Zombie“ – nur den italienischen Schnitt übernommen und einen Goblins Soundtrack organisiert. Weitere Hintergrundinformationen über das Projekt des italienischen Fernsehens und Argento an sich wären hilfreich gewesen.

DVD-Facts:
Bild: 1,85:1 (16:1, anamorph)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Interviews, Making of

hinzugefügt: February 17th 2007
Tester: Thomas Harbach
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