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Marco Polo (DVD)

Marco Polo
Italien 1982, Regie: Giuliano Montaldo, mit Ken Marshall, Denholm Elliott, Tony Vogel, Anne Bancroft u.a.

Von Thomas Harbach

Es sind zwei Männer, die die Welt nicht erobern, aber entdecken wollten. Der Venezianer Marco Polo und der Genuese Christoph Kolumbus waren von Entdeckertum und vor allem wirtschaftlichen Interessen getrieben, während sie sich in der Heimat insbesondere mit der kirchentreuen Obrigkeit Auseinandersetzungen liefern mussten und schließlich zumindest zu Lebzeiten nicht den Ruhm ihrer Taten einheimsen können. Die beiden berühmten Italiener trennten 200 Jahre und eine heftige Rivalität ihrer Geburtsstädte. Aber es verband sie das Fernweh und die Reiselust, was auch immer wieder Stoff für gelungene und weniger gelungene Filme über ihr Leben war. Die besten Verfilmungen entstanden in den 80er-Jahren in Serienform. Koch Media veröffentlicht nun die Weihnachts-TV-Events „Marco Polo“ (1982) und „Christopher Columbus“ (1985) auf DVD. Aber selbst diese beiden Epen liefen nicht unbearbeitet im deutschen Fernsehen. Die Kürzungen in den vier Teilen „Marco Polos“ – zumindest im Vergleich zum Original und ohne Bezug zu den geschnittenen Szenen – beziehen sich bei den in Europa spielenden Teilen auf die politischen Ränkespiele und vor allem auf das diktatorische Verhalten der Kirche allen Andersgläubigen und potentiellen Ketzern gegenüber. Während in Europa insbesondere der Druck der Kirche sehr direkt, sehr kritisch gezeigt wird, bildet die nach außen strahlende, im Kern aber brüchige Herrschaft des Khan einen interessanten Kontrast. Auch wenn es der sehr positiv, ehrgeizige Khan nicht wahrhaben möchte, zeigen die Bilder in der Provinz, wie die einzelnen Statthalter zum Füllen der eigenen Kasse die Gesetze missachten und das Volk mit Steuern drangsalieren. Polo versucht in dieser Situation dem einfachen Volk zu helfen, seine Vorgehensweise ist sehr direkt, fast tollpatschig provozierend in Bezug auf einflussreiche Männer in der Nähe des Herrschers und vor allem die Art, mit der sich in einem ihm immer noch gänzlich unbekannten Land und vor allem ohne demokratische Vorkenntnisse – denn in seiner Heimat sind ja die Bauern auch eher Leibeigene und Sklaven mit ein wenig Land gewesen als freie Bürger – bewegt, ist schon etwas naiv, passt aber zur oft traumhaften, ein wenig märchenhaften – sobald das sagenhafte Reich des Kublai Khan betreten wird – Inszenierung des Films.

Insbesondere in Bezug auf Marco Polo ist sich die Geschichtsschreibung nicht mehr sicher, welche Teile seiner Berichte stimmen. Die vorliegende Verfilmung nimmt sich sehr geschickt der Möglichkeit einer Erzählung und nicht eines Tatsachenberichts an: Ein seit zehn Jahren ohne Urteil oder Anklage inhaftierter Zellengenosse berichtet den kirchlichen Vertretern stellvertretend für den Zuschauer von Marco Polos Abenteuern. So bleibt die Frage offen, ob wir es mit einem Don Quixote zu tun haben oder vielleicht der verzweifelte Mann sich mit seinen Nacherzählungen für die Würdenträger interessanter machen wollte. Ohne die Frage näher zu leuchten, säht diese Art der Gestaltung Zweifel an den Reiseerzählungen, wenn auch grobe Schnitzers Polos – der niemals von der chinesischen Mauer berichtet, hier sie nicht nur besucht, sondern von seinem mongolischen Freund eine traurige Sage über den Bruch an einer Stelle der scheinbar endlosen Mauer vermittelt bekommt – ausgebügelt worden sind.

Ob Marco Polo (Ken Marshall) jemals wirklich in China war, wird heute von den Wissenschaftlern bezweifelt. War er etwa ein Lügner, ein zweiter Münchhausen? Bereits nach seiner Rückkehr von seiner Reise, die von 1271 bis 1295 dauerte, wurde ihm in Venedig nicht alles geglaubt, allerdings musste der Kaufmannssohn vor allem die fremden Ideen (wie etwa Papiergeld), die er aus China mitbrachte, verteidigen. In der Verfilmung fällt diese Aufgabe seinem Vater zu, der als Botschafter des Khans versucht, eine Handelsbeziehung zu Venedig aufzubauen und dort mit außerordentlicher Skepsis – für eine Kauffahrernation verhalten sich die Entscheidungsträger fast unglaublich borniert, arrogant und unwissend verschlossen – empfangen und wenigen guten Worten auf die Rückreise geschickt wird.

Die Emmy-prämierte Serie, in der unter anderem Anne Bancroft („Die Reifeprüfung“), Burt Lancaster und Leonard Nimoy spielen, erzählt von den Abenteuern des Marco Polo und von der schwierigen Zeit, als er sich zu Hause rechtfertigen musste. Heute wird die Wahrhaftigkeit seiner Berichte kritisch betrachtet, unter anderem, weil Polo zusätzlich zur Großen Chinesischen Mauer weder das Schießpulver, den Tee oder die zusammengebundenen Füße der Frauen erwähnte. Vorsichtshalber sind alle Elemente aber dieser Miniserie wieder hinzugefügt worden.

Komplexe Lebenswege verlangen nach einer ausführlichen und differenzierten Schilderung. 90 Minuten reichen schlichtweg nicht aus, also hatten die Zuschauer in liebevoll und opulent ausgestatteten Serien achteinhalb Stunden bei „Marco Polo“. Wie bei den Advent-Vierteilern des ZDF – die nach und nach alle in liebevollen Editionen bei Concorde Home Entertainment erscheinen – aus den sechziger und siebziger Jahren, nimmt sich das Drehbuch trotz eines dunklen Rahmens den notwendigen, vor dem Mann seine Epoche vorzustellen und erst danach – durch die verbale Übermittlung – dessen Taten zu beleuchten. Die Kürzungen in den vier Teilen – zumindest im Vergleich zum Original und ohne Bezug zu den geschnittenen Szenen, die sich unter den Extra finden und weitere 78 Minuten ausmachen – beziehen sich bei den in Europa spielenden Teilen auf die politischen Ränkespiele und vor allem auf das diktatorische Verhalten der Kirche allen Andersgläubigen und potentiellen Ketzern gegenüber. Während in Europa insbesondere der Druck der Kirche sehr direkt, sehr kritisch gezeigt wird, bildet die nach außen strahlende, im Kern aber brüchige Herrschaft des Khan einen interessanten Kontrast. Von der Rahmenhandlung ausgehend konzentriert sich die Erzählung neben den exotischen Schauplätzen auf die verschiedenen Konflikte zwischen Geschäft und Religion, Optimismus und Neid. Rückblickend und vor allem kritisch zwischen die Zeilen der schönen Naturlandschaften schauend fällt einem kaum eine so außerordentlich kritische Fernsehserie ein, in der eine historische Figur in Relation zu ihrer Umwelt so falsch platziert, so naiv und doch so sympathisch. Er wird auf der einen Seite in den Konflikt zwischen den religiösen Fanatikern – das gilt sowohl für die katholische Kirche als auch die neidischen Buddhistenmönche/- Berater des Khans, denen allerdings das Drehbuch sehr wenig Raum zur Entfaltung über das bös-düstere Dreinblicken einräumt – als auch den Kaufleuten, für die nur vordergründig die ganze Welt ein Geschäft ist hineingezogen. Insbesondere die Kirche zeigt nicht zuletzt aufgrund der Konflikte zwischen den einzelnen Kauffahrerstädten Italiens ihre Angst vor fremdem Gedankengut sehr deutlich. Mit jedem potentiellen Ketzer sehen sie ihren Einfluss Schwinden. Hier wirkt die Miniserie auch am stärksten nach. Dem Zuschauer wird gleich zu Beginn dieses selbst achthundert Jahre später noch vertraute Missgedankengut im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren geschlagen, bevor man überhaupt Marco Polo kennen lernt, sind die Pflöcke seines Elends eingeschlagen. Die Kirche greift zu einem ihr vertrauten Mittel: wegsperren und am besten in den Verließen vergessen. Das Wissen eines solchen Eindringlings darf aber nicht verloren gehen, also wird er auf heimtückische Weise ausgehorcht. Aus den Aufzeichnungen eines Mithäftlings erleben die Mönche zusammen mit dem Zuschauer diese Mischung aus Fiktion und Fakten. Der Kontrast zwischen Weltfremdheit und Scheuklappen auf der einen Seite und fast grenzenlosem Optimismus auf der anderen Seite – in der Figur des neuen Papstes mit einer guten, aber nicht herausragenden Darstellung durch Burt Lancaster scheint sich dieser Spalt ein wenig zu schließen – wird von Marco Polos Charakterisierung ein wenig überdeckt. Schon die erste Folge zeigt ihn als halsstarrig, neugierig, ein bisschen naiv. Er ist ein junger Mann, der nicht nur die Grenzen der Welt zu erkunden sucht, sondern gleichzeitig nach seinen eigenen Schwächen forscht und sich beständig testet. Natürlich stellt ein solcher Mann neben der sozialen Komponente auch die kirchliche Ordnung in Frage und mit einer fast ketzerischen Direktheit provoziert er immer wieder auf seinen Reisen. Die Liebesgeschichte zu Beginn der Auftaktfolge wirkt allerdings im Kontrast zu den anderen Teilen ein wenig zu sehr auf die Bedürfnisse des Publikums zugeschnitten und unwahrscheinlich. Einer solch unreifen Persönlichkeit muss – wahrscheinlich im Gegensatz zur Historie – ein weiterer Charakter an die Seite gestellt werden. In diesem Fall der lange auf Reisen gebliebene Vater. Trotz der Kluft – der Tod Polos Mutter nicht zuletzt aus Trauer um den verschwundenen Ehemann – gewöhnen sich die beiden sehr unterschiedlichen Protagonisten – kühler Kaufmann und unvorsichtiger Hitzkopf – schnell aneinander.

Auf der langen Reise nach China erwartet die kleine Gruppe eine Reihe von Überraschungen: so werden sie zumindest zeitweise in den wieder ausbrechenden Konflikt zwischen den Christen und den Moslems im Heiligen Land hineingezogen. Sie sehen, wie die Kreuzritter brutal wehrlose Araber – in erster Linie Frauen, Kinder und alte Greise – abschlachten, sie sehen, wie die Christen die Zugänge zur Heiligen Stadt den Moslems versperren. Es sind diese barbarischen Szenen, die sehr drastisch aber konsequent inszeniert worden sind. In gewisser Weise manipulieren sie aber auch den Zuschauer, denn nach diesen Eindrücken erscheint das asiatische Reich nicht zuletzt aufgrund der immer wieder integrierten kulturellen Beigaben wie das damalige Paradies auf Erden. Nur Marco Polos Vater versucht – vielleicht ganz Kaufmann – den Glaubenskrieg zu verteidigen, während die Distanz zu dieser Art von Ereignissen bei seinem Sohn deutlich spürbarer ist. Das dieses Gespräch zwischen Vater und Tod im Garten Gottes vor den Toren der Heiligen Stadt stattfindet, ist einer der Höhepunkte dieser oft sehr subtil und nuanciert inszenierten historischen Fiktion. Heute wie damals sind die zum Teil dummen Vorurteile nicht zu überwinden.

Wie kaum eine andere Verfilmung konzentriert sich das Drehbuch aber auch auf die Strapazen dieser Reisen. Der Zuschauer kann spüren, wie zeitintensiv und körperlich auszehrend diese gewesen sind. Sehr detailliert, sehr authentisch ohne die oft vorgegebene Romantik des Reisens und vor allem mit der immer wieder deutlich gemachten Gefahr für Leib und Leben. Zu den Höhepunkten gehört eine karge Landschaft voller Leichen von Menschen und Pferden, die traurigen Überreste einer riesigen Schlacht. Die kleine Gruppe nimmt den Toten die Wasserschläuche ab, um selbst eine kleine Überlebenschance zu haben. Ein weiterer ständiger Begleiter ist die Pest. Je weiter die Reise allerdings nach Osten geht, desto intensiver wird die Beschäftigung mit den fremden Religionen und den Menschen. Nur selten geht die Waage in die andere Richtung, die Grausamkeiten des Moslems werden nicht so drastisch beschrieben, aber zumindest angesprochen. Das Gleichgewicht geht erst verloren, als die Wanderer Khans Hof erreichen. Er wird zu optimistisch, zu positiv als Hort des Wissens beschrieben, emotional angeschrieben von Khans vorgeblicher Unbesiegbarkeit/Überlegenheit auf den Schlachtfeldern. Nicht nur die kulturellen Einlagen verstärken den Eindruck, im Osten Intelligenz und Zivilisation zu finden, während im Westen in steinernen Häusern die Barbarei vorherrscht. Auch diese Art der Geschichtsverklärung könnte man aus dem Reich des Tatsachenberichtes in die Fiktion der Reiseliteratur übertragen. Diese Tendenz würde auch die Charakterisierung des Khans als weisen, aber strengen Übervater erklären, der – zumindest aus Marco Polos Perspektive – sich seiner Verantwortung bewusst ist und seine Macht – wenn nicht provozierend – gemäßigt ausübt. Insbesondere Marco Polo lässt sich von dem Zauber des Despoten einfangen und hängt wie sklavisch an dessen Lippen. Dieser scheint aber auch an der westlichen Zivilisation interessiert zu sein, in welchen Maße und mit welcher Absicht lässt diese opulente Verfilmung allerdings offen.

„Marco Polo“ fehlt die heute oft anzutreffende hektische Erzählweise und besticht durch oft nur andeutungsweise charakterisierte, aber vielschichtige interessante Figuren. Während Ken Marshall in der Titelrolle noch ein wenig zu bübchenhaft wirkt, bestechen vor allem die namentlich großartig besetzten Nebenrollen. Dazu kommen hervorragende Landschaftaufnahmen, ein nicht immer passender Soundtrack von Ennio Morricone und eine insbesondere politisch sehr interessante zweite Handlungsebene. Im Vergleich zu einigen Produktionen dieser Zeit – „Shogun“ aber auch „Noblehouse Hongkong“ – ist dieser Mehrteiler in Würde gealtert. Mit sicherer Hand inszeniert funktioniert die Mischung aus sehr ruhigen Szenen und dann wieder spektakulärer Aktion, aus Naivität und Exotik, aus Wahrheit und wahrscheinlich phantasievollen „Lügen“.

Dass der Sound nur im Dolby 2.0 abgemischt ist, reicht vollkommen aus - Dialoge und Musik kommen klar und sauber aus den Boxen. Das 4:3-Bild erreicht für den bei Serien ordentlichen TV-Standard und überzeugt mit Schärfe und Detailreichtum. Bonusmaterial gibt es qualitativ, aber nicht quantitativ reichlich bei „Marco Polo“. Einmal das sehr gut geschriebene Booklet mit einigen Hinweisen zu der historischen Figur und der Diskrepanz seiner Abenteuer und der später entdeckten Realität, Hinweise zu den Schauspielern und schließlich den Dreharbeiten. Die Extras bestehen hier aus 75 Minuten zusätzlichen Szenen und einem ausführlichen Interview mit dem Regisseur. In diesem geht er sehr gut auf die strapaziösen Dreharbeiten ein und versucht zumindest ansatzweise zu an die Wurzeln dieses Abenteuers zurückzuholen.
Eine empfehlenswerte Box eines spektakulären und aus heutiger Sicht überraschend vielschichtigen und wahrscheinlich fiktiven Abenteuers.

DVD-Facts:
Bild: 1,33:1 (Vollbild)
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0

DVD-Extras:
Interview mit Regisseur Giuliano Montaldo, Deleted Scenes (deutsch)

hinzugefügt: January 27th 2007
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
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