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Der Tod trägt schwarzes Leder (DVD)

Der Tod trägt schwarzes Leder
Italien 1974, Regie: Massimo Dallamone, mit Giovanna Ralli, Claudio Cassinelli, Mario Adorf u.a.

Von Thomas Harbach


Wie auch Christian Kessler in seinem kurzweilig zu lesenden, aber vom Informationsgehalt her auch dürftigen Text zum Begleitheft darstellt, war Massimo Dallamano in vielen Genres zu Hause. Zu Beginn seiner Karriere unter anderem Dokumentarfilmer, aber auch Kameramann von Sergio Leone hat er sich über den Italo- Western zu einer Reihe von schlüpfrigen, durchaus sado-masochistischen Thrillern mit oft blutjungen Mädchen vorgearbeitet. Neben dem vorliegenden Film und „Cosa avete fatto a Solange?“ gehören seine gemischt aufgenommenen Adaptionen von „Venus im Pelz“ und „Das Bildnis des Dorian Gray“ mit Helmut Berger zu seinen auch heute noch ansehenswerten Arbeiten.

Regisseur Massimo Dallamano hat mit seinem „Cosa avete fatto a Solange?“ einen eindeutig zu den herausragenden Gialli gehörenden Beitrag in einer Spätphase des Genres geschaffen. Der in Deutschland innerhalb der „Edgar Wallace“-Reihe unter dem Titel „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ erschienene Film wusste vor allem durch seine für das Genre eher untypisch lineare und fast schon schlüssige Story zu gefallen.

„Der Tod trägt schwarzes Leder“ verbreitet ein ähnliches Flair wie dieser Giallo, er ist ebenfalls im Schulbereich angesiedelt und der Tod/potentielle Selbstmord eines Mädchen ist in beiden Filmen der Auslöser für die folgenden Ereignisse. Aber zu Beginn und am Ende des Films versucht man den Film einen hauch von Authentizität zu verleihen, in dem eine Stimme aus dem Off angeblich erschütternde Tatsachen über Kinderprostitution und das Verschwinden von Minderjährigen aufzählt. Das die gleiche Stimme Pseudofakten in der „Schulmädchenreport“-Reihe verbreitet hat, negiert zumindest in der deutschen Fassung spürbar den angestrebten Effekt. Zumindest mit dieser Idee grenzt man sich aus dem oft surrealistischen Giallo-Bereich ab und nähert sich wieder dem klassischen Polizeithriller. Ein Jahr später wird Sergio Martino in seinem ebenfalls grenzwertigen Film – zwischen Krimi und Giallo – „Suspected Death of a Minor“ nicht nur ein ähnliches Thema aufgreifen, sondern konsequent in der klassischen Rächermanier die Schuldigen, die Hintermänner bestrafen. Nicht umsonst heißt der Film im Original „Die Polizei bittet um Hilfe“ und nur dank der Hilfe zweier sehr junger Schulmädchen können sie zumindest den Killer mit dem Beil fangen. Wie für Italien typisch bleiben allerdings die Hintermänner der großen Verschwörung genauso im Dunkel wie die Zusammenhänge zwischen Mafia, Politik und schließlich Polizei. Hier spart Dallamano auch nicht an implizierter Kritik und stellt den Oberstaatsanwalt in einer kleinen, aber wichtigen Rolle als schmierige, verschlagene Kreatur dar. Ihm gegenüber stehen dagegen aufrechte, ehrliche und engagierte Polizisten und eine Staatsanwältin. Diese Struktur durchzieht das Polizeifilmgenre bis in die achtziger und neunziger Jahre mit der Fernsehserie „Allein gegen die Mafia“.


Auf einem Dachboden wird der Leichnam einer Frau gefunden, die durch eine unbekannte Person erhängt wurde. Es ist die fünfzehnjährige Silvia Solvesi, die Tochter eines bürgerlichen Unternehmer- Ehepaars. Sie scheint sich nackt in einer von ihr gemieteten Dachkammer erhängt zu haben, doch die Spuren zeigen sehr schnell, dass es sich mit einem gut getarnten Mord handelt. Außerdem war sie im zweiten Monat schwanger. Kommissar Silvestri – eine solide, bodenständige, wenn auch phasenweise zu emotionslose Darstellung von Claudio Cassinelli – und sein Kollege – Mario Adorf, der insbesondere im Mittelteil ein wenig zu polterig, aber überzeugend agiert – übernehmen zusammen mit der schönen Staatsanwältin Vittoria Stori – Giavanna Ralli sieht nicht nur zeitlos schön aus, man nimmt ihr auch eine gewisse notwendige Intelligenz ab und sie wirkt nicht unbedingt nur wie schönes Beiwerk – den Fall. Im Laufe ihrer Ermittlungen kommen sie nicht zuletzt dank ihnen zugespielter Tonbänder auf einen Kinderprostitutionsring, der junge Mädchen auch aus gutem Haus an ältere Männer vermittelt. In einer nicht unbedingt überzeugend, aber dem Giallo-Genre entlehnten Parallelhandlung macht ein Killer in einer schwarzen Ledermontur und auf einem Motorrad mit einer Axt bewaffnet nicht nur Jagd auf jeden, der Informationen der Polizei geben könnte, sondern schließlich auch auf die eigenen Komplizen.

Ein klassischer Giallo ist „Der Tod trägt schwarzes Leder“ aber trotz des maskierten Mörders nicht. Damit würde man auch der Intention des Films Unrecht tun. Er hat zwar einige Anleihen an das Genre, entfernt sich aber in vielen Dingen auch wieder davon. So sieht man z.B. nie mit den Augen des Mörders, ein Außenseiter, der dem Mysterium auf die Spur kommen möchte, fehlt und die Ermittlungen der Polizei nehmen fast den gesamten Film ein. Zum Giallo gehören aber die Morde in abgeschlossenen und einsamen Bereichen der modernen Wohlstandsgesellschaft wie Tiefgaragen und Mietskasernen. Außerdem werden schöne Frauen genauso umgebracht wie wankelmütig gewordene Komplizen. Im Gegensatz zum Giallo steht ein gegenwärtiges Verbrechen hinter einem Teil der Taten und kein längst begrabenes Geheimnis. Das Motiv des Täters wird auch nicht sauber herausgearbeitet. Was den Film wieder mit dem Giallo verbindet, ist das Milieu. Im Giallo wird nicht oder wenn, nur durch die Notwendigkeit der Entdeckung bei den armen Menschen gemordet, meistens spielen die Geschichten in der italienischen Oberschicht oder zumindest im Bürgertum. Nicht selten ist ein elementarer Katalysator die Langeweile in Kombination mit einem gewissen Nervenkitzel. Auf den Kern reduziert das wichtigste Element dieses Films, denn reiche, ältere Männer können ihre geheimen Begierden und Machtspiele befriedigen.

Wenn man den Film als gewöhnlichen Polizei- Thriller betrachtet, funktioniert er phasenweise sogar deutlich besser als die oft zu komplizierten und selten komplexen Mörderspiele. Das liegt sicherlich nicht zuletzt in der Tatsache begründet, dass die „Gegenseite“ in der ersten Hälfte des Films bis auf eine kurze Szene nicht in Erscheinung tritt und keine Rolle spielt. Der Zuschauer kann nicht erkennen, welche Motive, aber vor allem welche Verbindung es zwischen dem lederbekleideten Mörder und dem erhängt gefundenen Mädchen gibt. Durch diese eingeschränkte Perspektive verfolgt man das Geschehen nur von der Ermittlerseite und kann sich mit den sehr unterschiedlichen, aber sympathisch gezeichneten Figuren vertraut machen. Erst in der zweiten Hälfte des Films wird das Spektrum breiter und damit auch der Spannungsbogen vielschichtiger, wenn auch nicht unbedingt noch besser. Er fesselt mit seiner spannenden und zielstrebig vorangetriebenen Story und lässt kaum Zeit zum Durchatmen. Besonders gelungen ist Dallamano der Einsatz des in vielen Filmen oft zu plakativ und selten mit der entsprechenden Tiefe aufgegriffenen Themas Kinderprostitution. Ohne große Effekthascherei, aber trotzdem abstoßend und schockierend, beweist der Regisseur großes Fingerspitzengefühl und setzt das brisante Szenario angemessen ein. In erster Linie durch die Tonbandaufzeichnungen erfahren der Kommissar und die Staatsanwältin von den Praktiken der reichen Männer, wobei Dallamasso auch nicht die viel zu frühreif und in sexueller Hinsicht provozierend agierende Jugend von seiner Kritik ausspart. Sieht man die Bilder der fünfzehnjährigen Mädchen in ihren hohen Stiefeln, Miniröcken, ihren geschminkten Gesichtern und den Umgang mit ihren gleichaltrigen Freunden, dann wirken sie alles anderes als unschuldig. Aber auch mit den Eltern geht das Drehbuch nicht schonend um. Diese leben oft in einer Scheinwelt aus monetären Wohlstand und Selbstzufriedenheit, die intakte Familienbindung geht bei diesen Jetsetfamilien schnell verloren und sie entfremden sich schnell von ihren Kindern. Im Grunde folgt ihnen die nächste Generation auf dem Weg in ein scheinbar unbeschwertes Leben ohne größere Verantwortlichkeiten und mit der entsprechenden Portion Egoismus beginnen sie, ihre persönlichen Grenzen auszutesten. Dabei werden sie von einem Ring von Verbrechern erst angelockt und dann ausgenutzt. Ein interessanter Aspekt einer Reihe dieser Filme ist eine Verschiebung der Perspektive von der klassischen Mafia weg zu einem Kreis von Ehrenmännern – bis in die Ministerien von Rom. Während die Mafia in erster Linie für die Straßengeschäfte, für das gemeine Verbrechen zuständig ist, entwickelt sich eine halbseidene und zumindest in einen Kreisen stillschweigend akzeptierte zweite Schicht, deren auch politischer Einfluss deutlich größer ist und deren Handlungen auch für einen funktionierenden Staat deutlich gefährlicher sind. Die Frage, ob alle Mitglieder dieses Kreises sich freiwillig angeschlossen haben oder auch politische Erpressung eine Rolle spielt, lässt Dallamasso wie auch einige andere Fragen frustrierend offen.

Wie schon bei „Cosa avete fatto a Solange?“ sind es erneut neben der spannend inszenierten Geschichte vor allem die stimmungsvollen und spannenden Aufnahmen, die für die passende Atmosphäre sorgen. Dabei ist der visuelle Stil deutlich zurückhaltender und wirkt wie die Ein- oder Ausleitung quasidokumentarisch. Nur bei der ersten rasanten Verfolgungsjagd versucht die Regie nicht nur eine packende, sondern für das Polizeigenre charakteristische Szene auf die Leinwand zu bannen. Wenn die Eltern sich die Leiche ihrer Tochter ansehen, indem sie durch ein Lamellenrollo sehen und der Regisseur nur ihre Augen zeigt, wie bei einem voyeuristischen Blick in einer Peep-Show, ist dieser Moment schaurig und wird durch die passende Musik von Stelvio Cipriani („Im Blutrausch des Satans“) in seiner Wirkung noch verstärkt.

Sicherlich gibt es auch ein paar negative Eindrücke, wie die eindeutig als Puppe auszumachende Leiche zu Beginn oder die schlecht montierten Fotoaufnahmen eines Spanners vom Tatort. Dazu kommen die etwas befremdlichen Dialoge während der Polizeiaktionen – in einem möchte ein Polizist den Killer lieber auch unter Inkaufnahme einer Gefängnisstrafe vom Motorrad schießen, in einer anderen wird das Feuer erst eröffnet, als der Killer einen Polizisten niederstreckt, dafür dann auch gleich mit tödlicher Präzision.
Der Film leidet unter der eher einem Alibi gleichenden unspektakulären Demaskierung des Killers im schwarzen Leder. Hier hätte man sich ein wenig mehr Giallo-Flair gewünscht und eine wesentlich markantere Variante herbeigesehnt. Ein wenig wirkt es so, als hätte der Regisseur, der sich auch als Co-Autor verantwortlich zeigt, das Interesse an seinem Killer verloren und ihm eine eher unspektakuläre Identität verliehen. Damit wird die im gesamten Film oft gleichgültig und nur nach Bedarf eingesetzte Giallo- Handlungsebene endgültig ad absurdum geführt und hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Insbesondere die schließlich zu einem Politikum werdende Ermittlungsarbeit verläuft mit einem Bild der drei „Helden“ auch im Sande und insbesondere in der zweiten Hälfte des Films wird dieser interessanten Idee zu wenig Raum geschenkt, um wirklich und vor allem überzeugend funktionieren zu können. Die Trostlosigkeit ihres einsamen Kampfes unterstreicht die oft nihilistische Atmosphäre, die Dallamasso insbesondere zu Beginn des Films entwickelt hat.


Koch Media hat den Film ungekürzt und vor allem technisch aufwendig restauriert in einer Fassung ab 18 Jahren wieder aufgelegt. Diese Bearbeitung ist nicht unbedingt perfekt, aber die Vorlagen entsprechen sicherlich auch nicht zuletzt aufgrund der Technicolor-Vorlagen nicht mehr der Höhe der Zeit. Sieht man einmal von leichtem Rauschen und den etwas kraftlosen Farben ab, kann das Bild des Filmes überzeugen. Der deutsche Ton in Dolby Digital 2.0 wirkt ein wenig verhallt, während das italienische Pendant zwar voller, dafür aber auch verrauschter klingt.

Als Extras gibt es 3 Kinotrailer in verschiedenen Sprachen, eine Bildergalerie mit Werbematerialien und ein 8-seitiges Booklet mit einem Text von Christian Kessler und ein paar freizügigen Bildern aus dem Film.

„Der Tod trägt schwarzes Leder“ ist ein rasanter und spannender Italo-Thriller mit einer Sleaze-Handlung, dem Skelett des Polizeifilms und schließlich mit einigen Anleihen beim Giallo. Mit seinem linear und schnell vorangetriebenen Spannungsbogen kann er eine Reihe von inhaltlichen Schwächen und vor allem die zeitliche Distanz von mehr als dreißig Jahren sehr gut überbrücken.

DVD-Facts:
Bild: 2,35:1
Ton: deutsch Dolby Digital 2.0, englisch Dolby Digital 2.0 , italienisch Dolby Digital 2.0
Untertitel: deutsch

DVD-Extras:
Booklet, Trailer, Bildergalerie

hinzugefügt: December 7th 2006
Tester: Thomas Harbach
Punkte:
zugehöriger Link: Koch Media
Hits: 3031
Sprache: german

  

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