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Meyer, Kai: Herrin der Lüge (Buch)

Kai Meyer
Herrin der Lüge
Titelillustration Dieter Jüdt
Lübbe Verlag, 2006, Hardcover, 828 Seiten, 22,00 EUR, ISBN 3-7857-2261-3

Von Carsten Kuhr

Anno Domini 1204. Ein Heer der Christen macht sich auf, Jerusalem aus der Hand der Sarazenen zu befreien. Doch schon in Italien scheint der neue Kreuzzug zu scheitern. Der Doge Venedigs stellt für die Verschiffung des Heeres eine Bedingung - die Eroberung Konstantinopels. So wird die Perle der östlichen Christen von einem Heer ihrer Glaubensbrüder erobert, gebrandschatzt und geschliffen. Die Befreiung Jerusalems wird angesichts der eroberten Schätze nur allzu schnell vergessen.

Anno Domini 1210 - sechs Jahre sind seit dem Versuch eines Kreuzzuges ins Land gegangen. Die Fürstentümer Deutscher Nation erholen sich nach einem Bürgerkrieg zwischen Welfen und Staufern langsam wieder. Nur die Heirat der beiden seit Generationen verfeindeten Adelshäuser scheint einen weiteren Bürgerkrieg verhindern zu können. So wird Beatrix von Schwaben, die Tochter des verstorbenen König Philips mit dem Welfen Otto von Braunschweig verlobt.

Zu gleicher Zeit macht ein Gerücht die Runde. Eine Prophetin ruft als Sprecherin von Maria Magdalena auf zu einem neuen Kreuzzug. Diesmal aber sollen statt wehrhafter Ritter Jungfrauen ins Gelobte Land aufbrechen, um das Land des Herren aus den Händen der Sarazenen zu befreien.
Hinter dem Gerücht steckt eine Adelige. Die Gräfin Violante von Lerch sucht nach ihrem im letzten Kreuzzug in Konstantinopel verschollenen Gatten. Da es an Unterstützung sowohl von Seiten ihres Königs, aber auch von Seiten des Klerus' mangelt, plant sie mit dem Heerzug der Jungfrauen für entsprechenden politischen Druck zu sorgen. Nur mit Hilfe der drei im Heiligen Land agierenden Ritterorden, der Johanniter, der Templer und des Ordo Teutonicorum, des Deutschen Ordens, hat ihre Suche nach dem verschollenen Gemahl eine Aussicht auf Erfolg. Doch zunächst gilt es eine Figur zu finden, die die Massen bewegen und den Zug der Jungfrauen anführen kann. Als Gaukler in ihrer Burg gastieren, erweckt eine junge Fahrende ihr Interesse. Saga, so ihr Name, hat eine besondere Gabe - sie hat die Fähigkeit Lügen für ihre Zuhörer wahrhaftig werden zu lassen. Wer auch immer ihr zuhört glaubt an den Wahrheitsgehalt ihrer Worte. Um Saga zu zwingen, sich ihrem Kreuzzug der Jungfrauen anzuschließen, lässt sie deren Zwillingsbruder gefangen nehmen, und in den Kerker werfen.
Dann brechen die beiden so ungleichen Frauen gen Süden auf. Unterwegs schließen sich ihnen immer weitere Frauen an - Töchter, Verlobte, Gemahlinnen, sie alle treibt ihr Glaube und die Predigten Sagas, alle Brücken hinter sich abzubrechen, und sich unter dem Kreuz zu sammeln. In Venedig nehmen sie die nächste Hürde. Der Papstgesandte erteilt ihnen die Absolution, das Heer schifft sich ein. Doch neben den Unbillen des Mittelmeeres warten weitere, gravierendere Gefahren auf die wehrhaften Jungfrauen. Piraten und Sklavenhändler heften sich auf ihre Spuren. Fast 5000 Jungfrauen auf den Auktionen des Osmanischen Reiches versprechen Schätze jenseits aller Vorstellungskraft. Doch noch haben sie die streitbaren Jungfern nicht in ihrer Gewalt, und die Schlacht beweist, dass die Frauen sich ihrer Haut zu wehren wissen.

Zur gleichen Zeit flieht Sagas Zwillingsbruder aus dem Kerker. Auf seinem Weg gen Venedig, immer auf den Spuren seiner Schwester, begegnet er einer jungen Frau, die sich dem Jungfrauenkreuzzug anschließen will. Zusammen mit einem Söldner verfolgen sie das Heer, schleichen sich an Bord einer Piratengaleere und werden von Rittern König Ottos gefangen genommen. Schließlich treffen die beiden Parteien im Gelobten Land aufeinander. Zusammen machen sie sich auf den Weg ins von Seldschuken kontrollierte Land. Hier endlich kommt es zum Wiedersehen zwischen Violante und ihrem Mann. Ein Treffen aber, das Geheimnisse offenbart, die die Christenheit erschüttern und ihren Stellvertreter auf Erden vernichten könnte - wenn nicht Karmesin, die Meisterhure der Päpste und als Assassinne deren verlängerter Arm, eingreifen würde wenn es ums Grobe geht ...


Lübbe hat sich in den letzten Jahren im Buchhandel fest als erste Adresse im Bereich des Historischen Romans etabliert. Da ist es nur natürlich, dass man versucht die Hausautoren dazu anzuregen, entsprechende Texte zu verfassen. So lassen sich die letzten beiden großen Romane Kai Meyers, die dieser für eine erwachsene Zielgruppe verfasst hat, als historische Abenteuerromane mit einem ganz leichten phantastischen Einschlag subsumieren. Wer also die phantastischen Welten des „magischen Realisten“ Kai Meyers betreten will, der sei an dieser Stelle auf die ausgezeichneten Bücher aus dem Loewe Verlag verwiesen.

Vorliegender Roman beweist einmal mehr, welch ausgezeichneter Erzähler Meyer ist. Mit leichter Hand gelingt es ihm über 800 klein gesetzte Seiten mit einer Handlung zu füllen, die den Leser mitnimmt in eine Vergangenheit, die ungeschönt und realistisch dargestellt wird. Durch die getrennt verlaufenden Handlungsstränge gelingt es ihm, den Kreuzzug der Frauen sowohl von innen (Saga), als auch aus Sicht der Zurückbleibenden zu schildern. Unnötig fast schon zu erwähnen, dass sich das Buch spannend wie ein Geschichts-Thriller liest. So flechtet Meyer das seit Dan Browns Megaseller „Sakrileg“ so en vogue Thema der ihren absoluten Machtanspruch mit allen Mitteln verteidigenden Katholische Kirche ein, zeigt uns mit Papst Innozenz einen Kirchenführer der Macht zerfressen bereit is,t alle Grundwerte der Kirche zu missachten, der intrigiert, manipuliert und tötet. Die weltlichen Herrscher kommen nicht besser weg. Jeder schaut nur nach sich selbst, das Wohl des ihnen anvertrauten Landes und ihrer Untertanen wird leichtfertig politischen Machtdenken geopfert.
Diese Thematik, ja Lebensweisheit ist zwar nicht umwerfend neu, aber durch die Einbettung in eine allzeit spannende, kurzweilige Handlung jederzeit unterhaltsam.

Besonders erwähnenswert erscheint mir, dass Meyer nach seinem Bestseller „Das Buch von Eden“ erneut Figuren erschaffen hat, die vielschichtig sind, die sich für den Rezipienten nachvollziehbar entwickeln, die einem ans Herz wachsen und deren teilweise Verderbtheit, die sich erst im Finale offenbart, uns dann um so mehr erschüttert. Nicht nur die Herrin der Lüge-Saga selbst, auch die anderen Personen, positiv wie negativ besetzt, erweckt der Autor zu leben. Dabei sind es gerade die ein wenig ambivalenten Gestalten am Rande der eigentlichen Protagonisten, die mich besonders reizten. So der Söldner, der aus Pflichtbewusstsein und Zuneigung das verlockende Angebot eines ruhigen, sicheren Daseins als Hofbesitzer ausschlägt, oder Karmesin, die Edelhure des Papstes, der man ihre Verbundenheit zu den Helden abnimmt, die aber dennoch, eben weil sie ist wer sie ist, ihren Meuchelauftrag ausführt. Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen.

Für jeden Leser, der sich für die Ära interessiert, der geschichtlich fundierte und gleichzeitig spannende Abenteuererzählungen schätzt hält dieser Roman bestes Lesefutter bereit. So spannend und faszinierend sich die Handlung aber auch gestaltete, mir persönlich fehlte ein ganz klein wenig die überbrodelnde Phantasie Meyers, die seine phantastischen Romane immer auszeichnet. Und so warte ich voller Ungeduld auf den zweiten Band der bei Loewe erscheinenden „Wolkenvolk“-Trilogie.

hinzugefügt: November 3rd 2006
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Lübbe Verlag
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