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Prokop, Gerd: Wer stiehlt schon Unterschenkel? / Der Samenbankraub (Buch)

Gert Prokop
Wer stiehlt schon Unterschenkel
Verlag Das Neue Berlin, 2006, Hardcover, 292 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 3-360-01286-0

Gert Prokop
Der Samenbankraub
Verlag Das Neue Berlin, 2006, Hardcover, 408 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 3-360-01230-5

Von Carsten Kuhr

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der der Kommunismus triumphiert hat. Lediglich ein kleines Land, ein Rest-USA der Nordstaaten, hält die Fahne des Kapitalismus hoch. Eingesperrt, ja isoliert durch eine „Käseglocke“ sind die USA zum Überleben auf die Barmherzigkeit der Staatengemeinschaft angewiesen. Wenn diese ihnen nicht gestattet, ihren Wasserbedarf durch die Einführung von Eisbergen der Antarktis zu sichern, müssen die Bewohner, Underdogs wie Big Bosse verdursten. Doch dann verschwinden Eisberge scheinbar spurlos. Auftritt für Timothy Truckle, einen zwergwüchsigen Detektiv voller Esprit und übersteigertem Ego. Er findet die verschollenen Eisberge, und hat sich seitdem als Detektiv der oberen Zehntausend etabliert. Wer auch immer zu der Creme de la Creme gehört und ein Problem hat, der wendet sich vertrauensvoll an Truckle. Seine Diskretion ist ebenso legendär wie seine Kochkunst und wird nur durch sein Salär übertroffen. Mehrere Millionen Dollar müssen es schon sein, und dazu nahrhafte Vergünstigungen, sonst winkt Truckle kaltlächelnd ab. In einem Staat, in dem die Obrigkeit, der Big Brother wortwörtlich alles und jeden kontrolliert, in dem Geschichte, Demokratie und Freiheit verbotene Wörter sind, in der die NSA (National Security Agency) als allmächtiges Damoklesschwert über Allem hängt ist Timothy ein Unikat. Im Auftrag der Konzernbosse ermittelt er in Sachen Verrat, Diebstahl. Erbschleicherei und Mord, aber immer nur, wenn ihn der Fall als solches Fasziniert. Sein Doktor Watson ist ein spleeniger Computer, Napoleon genannt, der den Snob schlechthin immer wieder zu Geistesblitzen animiert. Mit einem Glas guten Whiskeys in der Hand, einem Feinschmeckeressen in der Küche lehnt sich unser skurriler „Denker“ dann gemütlich zurück, und reflektiert über das Rätsel. Selbst die allmächtige Geheimpolizei sucht seinen Rat, nicht ahnend, dass ausgerechnet der elitäre Ermittler als Agent für den kommunistischen Underground arbeitet. Im Verlauf der insgesamt siebzehn Kurzgeschichten, die seit ihrem Erscheinen Ende der 70er Jahre immer wieder neu aufgelegt wurden, muss Trickle nicht nur knifflige Fälle lösen, er wird ausspioniert, gejagt, erpresst, getötet, verliert seine wenigen Freunde, die Liebe seines Lebens und sein ungeborenes Kind.


Gert Prokop hat es in diesen zwei Büchern wie kaum ein anderer deutschsprachiger Autor verstanden Versatzstücke des klassischen Detektivromans mit einer hochtechnisierten Zukunftswelt zu verbinden. Eine Welt aber, die schonungslos als dekadent gebrandmarkt wird, deren Auswüchse heutiger Entwicklungen fast schon visionär zu nennend extrapoliert werden.

Wie weit darf die Wissenschaft gehen, muss, ja darf alles was machbar ist auch tatsächlich gemacht werden, vernichtet sich der Mensch nicht eben durch die Anmaßung Gott spielen zu wollen selbst, alles Fragen die auf amüsante, unterhaltsame und spannende Art angesprochen werden.

Bei aller Freude an der Aufklärung eines perfiden Verbrechens lässt Prokop auch immer wieder pointiert, mit fast britisch anmutenden unterkühlten Humor versehen seine humanistische Weltanschauung durchscheinen. Dabei kritisiert er Kapitalismus wie Kommunismus gleichermaßen, thematisiert der allgegenwärtigen Überwachungsstaat einer totalitären Diktatur in einer Deutlichkeit, die mich überrascht und verwundern lässt, dass die Stasi die Veröffentlichung der Bücher abgesegnet hat.
Immer wieder auch wendet er sich deutlich gegen den möglichen Missbrauch moderner Techniken, stellt immer wieder die Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt seiner Geschichten.


Insoweit stellen diese beiden Bücher des viel zu früh per Suizid aus dem Leben geschiedenen Autors eine gelungene Synthese aus Unterhaltung und Anspruch dar, sprachlich wohl verpackt, die seinesgleichen im deutschen Sprachraum sucht und für jeden Leser eine Bereicherung darstellt.

hinzugefügt: September 3rd 2006
Tester: Carsten Kuhr
Punkte:
zugehöriger Link: Verlag Das Neue Berlin
Hits: 3242
Sprache:

  

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