IM GESPRÄCH MIT: NICK MAMATAS!
Datum: Sunday, 07.August. @ 17:28:06 CEST
Thema: Interview



Nick Mamatas, Autor der Novelle "Northern Gothic", die für den Bram Stoker-Award nominiert war, legte mit "Abwärts: Move under Ground" seinen ersten Roman bei der Edition Phantasia vor. Es ist eine atemlose im Takt des nervösen Bebop geschriebene Mischung aus Beat-Literatur und modernem, zeitgenössischen Horror. Mamatas' Essays und Kurzgeschichten erscheinen in "The Village Voice", "Razor, Strange Horizons" und anderen Magazinen. Er lebt in der Nähe von New York.
Walter Diociaiuti hat mit dem Autor gesprochen.

Nick, würdest Du unseren Lesern ein wenig von Dir erzählen?

Hmm, da gibt es nicht so allzu viel zu berichten. Ich wuchs in meiner Geburtsstadt New York auf, verbrachte dann ein Jahr in Kalifornien und lebe jetzt mit meiner Freundin in Vermont.
Ich bestreite meinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben. Meistens allgemeine Artikel und für ein Sozialistisches Magazin auch politische Artikel (obwohl die Herausgeber leider nicht ganz so viel bezahlen können), und dann natürlich noch Horror und Fantasy.
Davon kann man leider nicht reich werden, also habe ich meinen Lebensstandart entsprechend angepasst. Ich besitze kein Auto, habe keine Krankenversicherung und verbringe die meiste Zeit des Tages vor dem Computer.

Wie kamst Du zum Schreiben?

Ich habe eine Zeitlang beim Film gejobbt. Habe mir als Beleuchter bei Independent Produktionen ein paar Doller dazuverdient. In dieser Zeit war ich auch politisch sehr aktiv und schrieb für verschiedene Periodika, wenn auch ohne großes Honorar. Als ich dann die unabhängige Filmindustrie, die damals in weiten Teilen aus selbstgefälligen, aufgeblasenen Bohemiens bestand verließ, intensivierte ich meine Arbeit als Verfasser von Artikeln. Meine damalige Freundin hatte eine riesige Menge SF- und Horror-Taschenbücher rumstehen, und ich begann mich wieder mit dem Phantastischen Genre zu beschäftigen. Als Kind las ich SF, Fantasy und Horror wild durcheinander, so dass es eher eine Rückkehr, als eine Neuentdeckung für mich war. Nach der Zeit, in der ich Artikel schrieb begann ich dann langsam mich an die Fiction heranzutasten.

Welches Werk von Dir wurde als Erstes veröffentlicht?

Das war damals in meine High-School Zeit 1989. Ich hatte ein kurzes Essay mit dem Titel "Schmucks for Wold Peace" verfasst , das dann in einem kleinen Magazin namens "The Long Island Alternative" erschien, und bekannt dafür war, dass es die sogenannte "Political Correctness" anprangerte. Ich selbst empfand "PC" als eine verrückte, nicht ernsthafte Unternehmung von Kindern des Bürgertums, die zu sehr mit dem System verwachsen waren, um es wirklich herausfordern zu können.
Meine erste veröffentlichte Kurzgeschichte hieß "Your Life 15 Minutes from now". Diese wurde 2000 in einem Magazin namens "Talebones« veröffentlicht" Es ging um eine Welt, in der ganz nach Andy Wahrol´s Vorgabe jedermann spätestens nach 15 Minuten berühmt wurde.

Wie dürfen wir uns Deinen Schaffungsprozess vorstellen? Schreibst Du immer zu einer bestimmten Zeit jeden Tag, oder...?

Nein, so diszipliniert bin ich leider nicht. Sobald mich eine Idee überfällt beginne ich mit dem Schreiben. Bei den meisten Autoren, die regelmäßig wie ein Uhrwerk schreiben, geht meines Erachtens die Spontanität verloren, und sie kürzen am Ende 70 Prozent ihres Textes. Ich bemühe mich gleich nur die restlichen 30 Prozent zu Papier zu bringen. Das heißt, dass ich viel Zeit damit verbringe, mir meine Ideen gründlich durch den Kopf gehen zu lassen, meine ersten Sätze zu jedem Kapitel in meinem Kopf hin- und her zu wälzen, bis ich dann endlich mal zufrieden bin, und die Worte tatsächlich niederschreibe.

Dein für den Bram Stoker Preis nominierte Roman "Move under Ground" kam dieses Jahr auf Deutsch bei der Edition Phantasia heraus. Lovecraft trifft auf Kerouac und Burroughs – wie kamst Du auf die Idee, erzähl' uns doch ein wenig von dem Roman.

In gewissen Kreisen ist es ein "running Joke" dass jeder heranwachsende Mann eines Tages für sich entscheidet den nächsten "On the Road" Roman zu schreiben. Ein Freund von mir, Joi Brozek, versuchte eines Tages in einer Bar eine Frau abzuschleppen, und gab sich als Autor aus. Als diese dann von ihm wissen wollte, an was er gerade arbeiten würde, fiel ihm nichts besseres ein, als zu sagen, es wäre ein Buch wie "On the Road", also ein surrealer Realismus-Roman. Nun gibt es natürlich solch ein Genre wie surrealen Realismus gar nicht, aber die Idee gefiel mir und ich entschied dann genau solch ein Buch zu schreiben, nur dass ich als Dreingabe noch ein wenig Lovecraft hinzumischte.

Deine Novelle "Northern Gothic", die 2001 veröffentlich wurde war ebenfalls auf der Auswahlliste zum Bram Stoker Award, Angst, Gewalt und Rassismus sind die grundlegenden Themata der Novelle. Was wolltest Du dem Leser hier mitteilen?

Nun, zunächst einmal war das nicht unbedingt eine Story, die unbedingt eine weltbewegende Message vermitteln sollte. Eine Geschichte zu verfassen, die die einfache Botschaft "Rassismus ist schlecht" verbreitet ist kontraproduktiv. Kein Rassist würde sie je lesen. Demzufolge ist meine Story keine Botschaftsgeschichte, obwohl sie natürlich einen Standpunkt vertritt. Was ich zeigen wollte war, wie Menschen, insbesondere die Arbeiterschicht, unterschwellig konditioniert wird, Rassismus zu akzeptieren. Die Geschichte spielt teilweise 1863 während des US-Amerikanischen Bürgenkrieges. William Patten, ein armer irischer Einwanderer schließt sich, um sein eigenes Leben zu retten den Rassisten an. Die Person William Patten gab es damals wirklich, und die Gerichtsunterlagen belegen, dass er vor seinem Beitritt, nie einer Menschenseele etwas Böses angetan hat.

Ohne groß nachzudenken, welches sind Deine Lieblingsautoren und Bücher, welche Werke haben Dich am meisten beeinflusst?

Joseph Heller, Harlan Ellison, Howard Waldrop, Ira Levin, waren alle ganz wesentliche Vorbilder für mich.
Was die Bücher anbelangt, so liebe ich "On The Road", "Fear And Loathing in Las Vegas", "The Werewolf of Paris" und ähnliche Titel – alles Bücher, die nicht zur Charaktere zeigen, sondern Charaktere die innerhalb einer Gesellschaft existieren und agieren.

Nick, wie verbindest Du den Plot und Stil miteinander?

Verflixt gute Frage, insbesondere da viele – Leser und Autoren gleichermaßen – anscheinend der Meinung sind, dass der Stil bei einem Horror-Buch vernachlässigbar ist, und sich dann wundern, warum niemand Horror wirklich ernst nimmt.
Jede Geschichte kann auf unterschiedlichste Weise erzählt werden. Zunächst steht einmal die Frage im Vordergrund, warum unser Protagonist seine Geschichte überhaupt erzählt. Und wie erzählt er oder sie diese Geschichte – stimmt zum Beispiel die Wortwahl mit dem Milieu überein, aus dem der Protagonist stammt? Im Horror wird meistens aus einer Allwissenden Erzählperspektive berichtet. Kurze Sätze, wenig Hintergrund, einfache Wörter – aus diesen Bestandteilen und dem scheinbar unvermeidlichen Cliffhanger am Ende eines jeden Kapitels wird dann der Horror-Bestseller zusammengestellt. Das Rezept wurde viel zu oft kopiert, um noch zu wirken.

Könntest Du uns eine Einschätzung der aktuellen Horror-Szene der USA geben? Von welchem jungen Autor hältst Du am meisten?

Horror in den USA ist auf dem absteigende Ast. Es gibt aktuell nur eine Taschenbuch-Reihe mit Horror-Titeln, sowie einzelne Romane meist bekannter Autoren. Die Kleinverlage füllen die Lücke, veröffentlichen jedoch auch meist immer nur dieselbe Art von Plots und Autoren, die dazu geführt haben, dass die meisten großen Verlage ihre jeweiligen Reihen eingestellt haben.
Darren Speegle, der bis vor Kurzem in Deutschland wohnte, ist ein vielversprechendes neues Talent, das bis dato zwei Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht hat. Matt Cardin ist eine weitere neue Stimme, die ein wenig an Thomas Ligotti erinnert. Sarah Langan hat gerade zwei Romane in den USA verkauft, die wohl 2006 und 2007 in der Allgemeinen Reihe herauskommen werden.

Was sind Deine Pläne für die nächste Zukunft?

Mehr zu schreiben und weiter zu Protestieren – da gibt es mehr als genug zu tun!

Nick, vielen Dank für das Interview!

Ich habe zu danken, Walt.

(Mit Dank an Carsten Kuhr für die Übersetzung)





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