Im Gespräch mit: Christian Endres
Datum: Wednesday, 17.December. @ 17:49:52 CET
Thema: Interview


Christian Endres wurde 1986 in Würzburg geboren. Der gelernte Medienoperator hat seine Liebe zur phantastischen Literatur bereits früh über "Magic: The Gathering" und Tolkien sowie die von diesem geschilderten Abenteuer des Hobbits Bilbo Beutlin entdeckt, aber auch seit jeher eine besondere Schwäche für Doyles' Sherlock Holmes und Comics aller Art. Bücher, Zeitschriften und Comics aus allen möglichen Genres und Sparten, Musik von Falco und natürlich das Schreiben - egal ob als Autor, Redakteur oder Rezensent - bestimmen demnach seit geraumer Zeit einen Großteil seiner Tätigkeiten und Interessen. Sein erster Roman („Der Preis des Lebens“) erschien diesem Monat bei Atlantis. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat sich mit dem Autor unterhalten.

Hallo Christian. Kannst Du Dich zunächst unseren Leser vorstellen - was machst Du beruflich, was in Deiner aufgrund des Schreibens wahrscheinlich karg bemessenen Freizeit?

Ich bin gelernter Mediengestalter und verdiene damit auch einen Großteil meiner Brötchen. Und obwohl das Schreiben in all seinen Formen natürlich viel Zeit in Anspruch nimmt, bin ich immer für ein gutes Buch oder einen guten Comic oder Film zu haben.


Anfang Dezember erschien im Atlantis Verlag Dein erster Roman „Der Preis des Lebens“. Bis dato konnte der Leser Dich über Deine Beiträge zur Shared-World-Reihe „Saramee“ kennenlernen. Wie kam es, dass Dein Herz offensichtlich für die Fantasy schlägt - warum schreibst Du nicht SF, Krimi oder Western?

Auch wenn das momentan anders wirkt: als Autor bin ich da letztlich nicht festgelegt. Im Sommer nächsten Jahres wird von mir ja z. B. ein Band mit fantastisch angehauchten Sherlock-Holmes-Geschichten bei Atlantis erscheinen, und meine erste gedruckte Veröffentlichung war damals ebenfalls eine Story mit dem großen Detektiv (jedoch ohne Fantastik-Einschlag). Aber es stimmt schon: Als Leser wie auch als Autor bevorzuge ich in erster Linie Fantasy, über die ich auch erst so wirklich zum Viel-Lesen und zum Schreiben gekommen bin. Warum das so ist - keine Ahnung. Irgendwas wird an Tolkien damals schon dran gewesen sein, als ich ihn für mich entdeckt habe. Er war der Türöffner. Der Rest kam dann von selbst. Und es ist ja auch ein sehr schönes, facettenreiches, tolles Genre. Und inzwischen kenne ich die Mechanismen des Genres halt auch schon recht gut, würde ich behaupten, sodass ich mich heimisch und recht sicher fühle, wenn ich innerhalb der Fantasy als Autor oder Redakteur unterwegs bin.

Inhaltlich wie stilistisch erinnern mich Deine Beiträge ein wenig an Fritz Leibers Geschichten um Fafhrd und den Grauen Mausling - war oder besser ist das ein Vorbild für Dich? Wen bewunderst Du literarisch gesehen, wem eiferst Du nach, und warum?

Nacheifern klingt immer so ... bemüht. Natürlich sollte Leiber für jeden, der fantastische Stoffe mit einem Augenmerk für Stilistik umsetzt, eine wichtige Wegmarke sein. Der Mann war schlichtweg brillant! Und klar, Fafhrd und der Mausling waren für Lorn und Visco ziemlich wichtig, Leibers Stil für mich auch sehr prägend -- nicht umsonst die Widmung auf den ersten Seiten von „Der Preis des Lebens“. Gleiches könnte ich aber auch über Robert E. Howard, Tolkien, Pratchett, Michael Stackpole, David Gemmell und andere der üblichen Verdächtigen sagen. Und über unzählige andere Autoren und Bücher. Alles, was man liest, beeinflusst einen. Das Gute nimmt man mit, das vermeintlich Schlechte ebenfalls - nur verarbeitet man es anders. Jedes Buch, das man liest, und jede Seite, die man schreibt, bringen einem etwas, bringen einen weiter. So gesehen hat mich von Hemingway über Bradbury, von Dickens über Douglas Adams, von Leiber über Sir Arthur Conan Doyle und von Clive Barker oder Bob Asprin jeder „Geschichtenerzähler“ beeinflusst, mit dem ich schon in Berührung kam, egal ob Buch oder Comic -- oder wegen mir auch Drehbuchautor oder Regisseur.

„Saramee“ ist ja eine Shared-World-Reihe. Ist das für einen jungen Autor, der zunächst noch Erfahrungen sammeln muss, einfacher, in eine vorhandene Welt einzutauchen, sich ganz auf seine Personen konzentrieren zu können und die Weltenschöpfung Anderen zu überlassen?

Jeder Autor möchte abgedruckt werden. Wenn die Chance zu einer gedruckten Veröffentlichung sich zunächst also bei einer Shared-World-Serie ergibt - gut, dann findet man sich da eben ein und hat auch seinen Spaß. Das hat genauso viele Vorteile wie Nachteile gehabt damals. Der „Grube“ (meinem ersten „Saramee“-Band) hat hier und da einfach etwas die Anbindung ans Gesamtbild gefehlt, schlicht und ergreifend deshalb, weil ich in der Welt noch nicht so sattelfest war wie ein dreiviertel Jahr darauf, als ich dann „Tanz der Bestien“ geschrieben habe. Das war meiner Meinung nach dann rein vom Setting und dessen Geschlossenheit her schon viel atmosphärischer in Bezug auf den besonderen „Saramee“-Hintergrund. Der übrigens von Anfang an sehr reizvoll war und immer noch ist.

Wie kamst Du zum Schreiben? Hast Du hier Schreibseminare belegt, oder bis Du Autodidakt?

Autodidakt. Ich glaube, ich habe vor fast zehn Jahren mit unbeholfener Tolkien- und „Star Wars“-Fanfiction angefangen, nur für mich und nie mit der Ambition, veröffentlicht zu werden.

Stichwort „Der Preis des Lebens“. Hier hast Du ein ungewöhnliches Heldenpaar auf die Reise geschickt. Ein geläuterter Vampir und ein ehemaliger Priester - das hört sich ein wenig nach einem Dark-Fantasy-Plot an - einer Mischung aus Horror und Fantasy - stimmt das?

Weniger. „Der Preis des Lebens“ ist schon eher klassische Fantasy. Wir haben Vampire und Werwölfe, sicher-- meine Mustererkennung und Wahrnehmung springt aber mehr bei der traditionellen Fantasy an. Für die Dark Fantasy ist der Hintergrund letztlich zu „mittelalterlich“, würde ich sagen. Obwohl ich natürlich die strenge Konfession etwas gelockert habe für mich selbst, das stimmt. Aber hey: Wir könnten uns doch darauf einigen, dass es „eine Art heroische Urban Fantasy mit *Vampiren*“ ist, oder? Würde dem Umsatz bestimmt nicht schaden ...

Wie lange hast Du an „Der Preis des Lebens“ gefeilt?

Den ersten Spatenstich zu „Der Preis des Lebens“ habe ich 2003 vorgenommen. Da hatte die Story aber noch eine ganz andere Richtung. Erst nachdem ich dem Atlantis Verlag auf dem BuCon 2007 das Projekt schmackhaft machen konnte, habe ich mich reingekniet und „Der Preis des Lebens“ nicht nur als Fingerübung für zwischendurch gesehen, wenn mir bei anderen Sachen die Motivation ausgegangen ist. Im Endeffekt richtig daran gefeilt und konsequent bis zum Ende getrieben (und auch mehr als 3/4 des Manuskripts geschrieben) habe ich ein gutes Jahr. Mit Unterbrechungen und Ruhephasen, wo der Text einfach für sich mal reifen und liegen bleiben musste.

Wie oft musstest Du hier aus eigenem Antrieb oder aufgrund Tipps Deines Lektors Passagen umformulieren?

Ständig? (grinst). Ich bin ein ekelhafter Perfektionist. Meine Testleser und meine Lektorinnen gingen im Gegensatz zu mir selbst wirklich human mit mir um. Ich martere mich da schon manchmal und schleife einzelne Szenen sprachlich regelrecht, bis es mir schmeckt. Aber ich mach das gerne. Was dagegen sehr wichtig war und von außen kam, das waren die Logikfehler, die ich in meiner Betriebsblindheit und Schreibwut übersehen habe, auf die sich die ersten Testleser aber (seltsamer- bzw. dankenswerterweise alle an verschiedenen Stellen) gestürzt haben.

„Der Preis des Lebens“ ist der erste Band eines Zyklus. Auf wie viele Bände hast Du diesen ausgelegt, inwieweit hast Du hier schon Exposés in der Planung oder für die Fortsetzung(en) entworfen?

Ich gehe das alles entspannt an und schiebe erstmal ein paar andere Projekte zwischenrein. Aber ja, ich kann mir eine Fortsetzung sehr gut vorstellen. Wahrscheinlicher sogar zwei, damit ich noch ein paar Einzel-Episoden schreiben kann. Die Marschrichtung gibt das Ende des ersten Bandes vor, obwohl ich da vorher noch mindestens ein Abenteuer zwischenschalten möchte, das schon sehr weit gediehen ist (auch wenn es ursprünglich keine Lorn/Visco-Geschichte war). Überhaupt: Lorn und Visco sind mir ans Herz gewachsen und gehen mir auch leicht von der Hand. Es ist angenehm, mit zwei alten, wenn auch schrulligen und sozial/seelisch ziemlich verkorksten Kumpels, zu arbeiten.

Nun hast Du Deinem Roman eine recht ungewöhnliche Form gegeben. Eher einer Reihe zusammenhängender Novellen als ein durchgängiger Roman erwartet den Leser. Warum hast Du diesen Weg eingeschlagen - hast Du die Texte in chronologischer Reihenfolge geschrieben, oder bist Du von Einfall zu Einfall, von Setting zu Setting gehüpft?

Der rote Faden ist ja die Stimmung: Ob Herbstnebel, Erinnerung, Verletzung oder Melancholie - von Kapitel zu Kapitel wird etwas in dieser Richtung weitergegeben. Begonnen habe ich damals aber mit den Werwölfen, also dem heutigen zweiten Kapitel, das damals aber auch noch ganz anders aussah. Danach kam das erste Kapitel als eine Art Prolog - und dann habe ich mich vom Herbst 2007 an chronologisch voran gearbeitet. Durch den Feinschliff kamen dann die Verbindungen zwischen den Episoden und die Abrundung der ganzen Sache am Ende wie von selbst, als der Text wuchs. Ich denke, auf den zweiten Blick ist die Verzahnung zwischen den Episoden stärker, als man auf Anhieb annimmt.

Deine Texte zeichnen sich oftmals durch einen unterschwelligen Humor und markante Personen aus. Wo findest Du Deine Figuren, wie und wo lässt Du Dich inspirieren?

Wenn du eine markante Figur hast, schreibt es sich einfacher, hat sie mehr Facetten, wird es für dich als Autor interessanter, sie zu erkunden und vielfältig einzusetzen. Und auch wenn das jetzt geschwollen klingt: In meine Hauptfiguren packe ich immer zwei, drei Unarten von mir selbst. Nicht unbedingt bewusst, aber es passiert einfach. Was nun nicht heißen soll, dass ich ein geläuterter Vampir oder ein brummiger Kirchen-Kopfgeldjäger bin.

Neben dem Verfassen eigener Texte arbeitest Du auch redaktionell für den Atlantis Verlag. So betreust Du den in Vorbereitung befindlichen Einzelroman eines US-Autors. Ist das nicht ein ganz anderes Arbeiten? Ist das für Dich genauso befriedigend, oder liebst Du die Abwechslung?

Kann ich Dir gar nicht so genau sagen, da kreatives und redaktionelles Schreiben für mich schon fast immer Hand in Hand einher gehen. Redaktionsjobs mache ich schon recht lange, und ich lektoriere jetzt ja auch schon seit einiger Zeit Comics, „Hellboy“ und „BUAP“ für Cross Cult (und ja, auch die Comic-Adapion von Fafhrd und dem Mausling) oder schöne Graphic Novels wie „12 Gründe, dich zu lieben“ für Modern Tales. Dort übernehme ich dann neben dem Lektorat auch häufig (und gerne) die redaktionellen Beiträge, also die Interviews, die Artikel, was auch immer. Das Arbeiten mit verschiedenen Texten und Textformen macht einfach Spaß, und Vielseitigkeit ist ja überall eine gute Sache. Weil du oben Leiber erwähnt hast und ich gerade schon wieder: witzig fand ich, dass „Hexenvolk“ bei der Edition Phantasia, für das ich das Nachwort geschrieben habe, nur ein paar Tage vor „Der Preis des Lebens“ erschien. Die „Leiber-Connection“, wenn man so möchte. Das sind Details, die lassen einen schmunzeln. Und speziell im Fall des Autors von dem wir reden ist es so, dass ich ihn und seine Werke sehr mag - schon von Anfang an, seit ich nach Tolkien weitere Autoren für mich entdeckt habe. Da ist es schön, dabei zu helfen, einen seiner frühen Romane auf den Markt zu bringen. Erst recht, nachdem er im Mai viel zu früh verstorben ist.

Kannst Du bei einer solchen Tätigkeit etwas für Dich als Autor mitnehmen?

Das tue ich bei jeder Rezension, jedem Artikel, jedem Essay und jedem Nachwort. Es gibt immer Tage, da läuft es mit dem Kreativschreiben, der Fiction nicht so gut. Eine Rezension geht aber eigentlich immer. Oder eine Interview-Übersetzung. Oder ein Absatz in einem Artikel. Oder ein bisschen Recherche. Wenn Du Dir Sprache als Messer vorstellst, das scharf bleiben muss, dann wetze und schleife ich sie in Zeiten, da das Kreativschreiben nicht so möchte, mit Redaktionsjobs aller Art. Da dort die Deadlines auch meist knapper sind, habe ich auch immer den Druck, etwas zu Papier zu bringen. Das ist manchmal ganz hilfreich. Und es macht natürlich auch Spaß, sich mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen. Haarig wird es nur, wenn ich das kreative Schreiben wegen zu attraktiver Sachtexte vernachlässige. Bisher habe ich die Balance aber immer halbwegs gefunden und möchte weder das kreative, noch das redaktionelle Schreiben vermissen.

Stichwort Mitarbeit. Neben „Phase X“ schreibst Du auch für „Zitty“, die „Nautilus“ und „phantastisch!“. Welchen Themen widmest Du Dich hier?

Hab’ ich schon vom Reiz der Vielseitigkeit geschwärmt? Hab ich? Mist. Na gut: Ich hab schon über vieles geschrieben, vornehmlich natürlich über Fantastik und Comics, zu denen es mich ja schon immer stark hingezogen hat. Mal im Querschnitt die letzten 12 Monate: Philip K. Dick, J. G. Ballard, Spiderwick, Lemony Snicket, Mouse Guard, Ray Bradbury, Bigfoot, Alan Moores bzw. Frank Miller Filmwelten, Terry Pratchetts Scheibenwelt, Will Eisner, Samurai-Comics, Spider-Man, die Welt des Zauberers von Oz, Barry Eislers Tokio Killer, Jiro Taniguchis wahrlich göttliches ,Gipfel der Götter' (das wiederum sogar für ein Bergsteiger-Magazin...), Alice' Wunderland oder aktuell Tierfantasy, Stop-Motion-Filme, Kryptonit, Podcast-Romane und Edgar Allan Poe. Das sind alles Sachen, die mich selbst interessieren, und über die schreibe und recherchiere ich dann auch gerne. Ich muss kein glühender Fan einer Sache sein - aber ich sollte ein gesundes Interesse haben. Dann befasse ich mich auch gern und intensiv mit dem Dingen.

Vielen Dank, dass Du Dir für uns Zeit genommen hast. Wir wünschen Dir für die Zukunft alles Gute!



Carsten Kuhrs Rezension zu „Der Preis des Lebens“ ist hier zu finden.





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