Im Gespräch mit: Licia Troisi
Datum: Tuesday, 07.October. @ 19:40:36 CEST
Thema: Interview


Licia Troisi, 1980 in Rom geboren, ist Astrophysikerin und arbeitet bei der italienischen Raumfahrtagentur in Frascati. Von ihrer ersten Trilogie, der international erfolgreichen "Drachenkämpferin"-Saga, wurden mittlerweile mehrere hunderttausend Exemplare verkauft. "Die Schattenkämpferin - Das Siegel des Todes" ist der zweite Band der "Schattenkämpferin"-Saga, die in Italien bereits die Bestsellerlisten erobert hat und der kürzlich bei Heyne erschien. Anlässlich ihrer Lesereise durch Deutschland sprach unser Mitarbeiter Carsten Kuhr mit der Autorin.

Guten Tag Frau Troisi. Können Sie unseren Lesern ein wenig von sich selbst verraten?

Hallo. Nun, ich studierte Astrophysik und feile gerade an meiner Doktorarbeit. Privat bin ich mit einem Studienkollegen verheiratet.

Was macht Licia Troisi, wenn sie einmal nicht vor der Tastatur sitzt?

Oh, ich liebe Musik. Wo ich gehe und stehe, was ich auch immer mache, überall folgt mir meine Musik. Momentan höre ich gerade die Gruppe Muse sehr gerne. Vor einem Jahr habe ich angefangen, Gitarrenstunden zu nehmen, und plage mich nun mit den sechs Saiten ab. Natürlich liebe ich es zu lesen, ich komme so auf circa 60 Bücher im Jahr und ich schaue leidenschaftlich gerne Fernsehen – „Lost“ hat es mir gerade besonders angetan. Dazu gesellen sich Comics und Mangas, Kino ...

Wie kamen Sie zum Schreiben?

Ich fing schon im zarten Alter von 7 Jahren an Märchen auszudenken. Später begann ich meine Kurzgeschichten in mein Tagebuch zu schreiben. Als ich dann ein wenig erwachsener geworden war, so mit 20, fiel mit Nihal ein. Zu dieser Zeit ließ ich mir vor dem Einschlafen immer Geschichten einfallen. Nacht für Nacht schrieb ich diese dann im Geiste fort. Nach der Person Nihel entwarf ich so eine Welt, in die sie passte. Als ich dann mit meinen Entwürfen zufrieden war, begann ich ernsthaft damit, die Ereignisse, die sich mir regelrecht aufdrängten, niederzuschreiben.

Wer hat Sie am meisten beeinflusst?

Alles beeinflusst mich auf die eine oder andere Weise. Lieder, Bücher, Filme, selbst ein alltägliches Erlebnis oder die Aussicht anlässlich einer Urlaubsreise fließen in meine Werke mit ein. Grundsätzlich aber habe ich meine besten Ideen, wenn ich gar nicht versuche mir etwas einfallen zu lassen. Plötzlich tauchen Bilder in meinem Geist auf, große Panoramen, über die ich dann schreibe.

Welche Bücher lesen Sie momentan?

Viele. Wenn ich in eine Buchhandlung gehe, komme ich nie unter zwei oder drei Büchern wieder heraus. Gerade liegt eine ganze Reihe historischer Romane von Andrea Camilleri auf meinem Bücherstapel. Danach habe ich mir vorgenommen ein paar Bücher über die Sagen und Legenden der Gegend zu lesen, in der ich mein nächstes Buch ansiedeln will.

An was arbeiten Sie zurzeit?

Ich habe den Auftaktroman zu meiner neuen Trilogie, die auch wieder in der aufgetauchten Welt spielt, fast beendet. Danach mache ich mich an den zweiten Band meiner „Drachenreiterin“-Saga.

Kommen wir zu den bei uns veröffentlichten Büchern. Fünf Titel, alle im gediegenen Hardcover, rund um Nihal und Dubhe liegen bislang vor. Wie kamen Sie auf die Idee um die aufgetauchte Welt?

Zu Nihal habe ich ja bereits vorhin ein wenig erzählt, Dubhe ist ein gutes Beispiel, wie mich Musik inspiriert. Ich hörte gerade den Songs „Marco Polo“ von Loreena McKennitt. Die Person um die es in dem Lied ging ist zwar ganz verschieden von meiner Protagonistin, aber eben auch eine Diebin und Mörderin. Dazu kam, dass ich nach meinem Studium etwas haltlos in der Luft hing. Ein Job war nicht in Sicht, ich wusste nicht so recht, was ich nun mit meinem Leben anfangen wollte. Und dann kam da plötzlich dieses Mädchen, die junge Frau, die sehr genau wusste, was sie wollte …

Beide Trilogien bieten dem Leser zwei starke Frauenfiguren als Handlungsträger. Ist es für Sie wichtig über weiblichen Protagonisten zu schreiben, ist es für Sie einfacher, sich in diese hineinzuversetzen, als in das unbegreifliche fremde Wesen eines Mannes?

Ganz sicher. Das war gar keine Frage, in meinem Buch, meinen Büchern. kann ich nur über etwas schreiben, das ich kenne. Ich habe wirklich genug Sachen um die ich mich kümmern muss, die ich recherchieren und mir einfallen lassen muss, da ist es natürlich regelrecht erholsam, wenn ich bei der Gestaltung der Hauptperson ein wenig aus meinen eigenen Erfahrungen, meinem Denken und Fühlen schöpfen kann. Außerdem sind weibliche Helden, so unterrepräsentiert sie immer noch sind, viel interessanter, vielschichtiger als die oftmals austauschbaren männlichen Figuren.

Während die „Nihal“-Trilogie doch zunächst von der Ausgestaltung der Queste, der Kämpfe und Völker stark an das große Vorbild Tolkien erinnerte, entwickelte sich die Handlung im Verlauf der Bücher und insbesondere der „Dubhe“-Trilogie zu einem immer eigenständigeren Werk. Ihre Beschreibung der untergetauchten Welt, ihre Reflektionen über die Grausamkeiten des Krieges, über die Krieger, ja selbst den Tyrannen, dessen Verhaltensweise durch seine persönliche Historie glaubwürdig unterfüttert wird, hat dem Text Tiefe gegeben. Ist das etwas, das für Sie wichtig ist, Ihre Leser auch zu fordern, Stellung zu beziehen?

Ja auf jeden Fall. Ich weiß zwar, dass ich als Fantasy-Autorin in erster Linie meine Leser mit einer spannenden Geschichte unterhalten soll, aber das heißt nicht, dass ich nicht meine eigene Sichtweise der Welt und wie sie funktioniert einfließen lassen kann. Meine Geschichten sollen dem Leser immer etwas sagen, sollen meine Gedanken, das was mir wichtig ist, was ich mir erarbeitet habe, rüberbringen. Ich sehe das Leben als einen Beruf, einen Job, den wir alle zusammen in Teamarbeit zu bewältigen haben, und mein Anteil am großen Puzzle ist das Schreiben.

Dubhe ist vor ihrer Anlage her ja ungleich gewaltbereiter als Nihal. Sie ist, mit allem Respekt, eine tödliche Frau. Wen von beiden mögen Sie selbst lieber?

Für mich ist Dubhe die interessantere Person. Nihal ist viel weiblicher, sie besitzt all die Fehler, die ich auch mein eigen nenne, während Dubhe doch viel erwachsener daherkommt. Zudem sind ihre Taten weit deutlich nachvollziehbarer motiviert.

Ich war ein wenig überrascht, dass die Drachen, die ja in der ersten Trilogie eine bedeutende Rolle gespielt haben, in der „Dubhe“-Trilogie nur am Rande auftauchten - eine bewusste Entscheidung, oder etwas, das sich einfach so ergab?

Ich liebe Drachen, und sie tauchen in jedem meiner Bücher auf. Vielleicht war ich bei „Dubhe“ einfach mehr auf die Personen und ihre Schicksale konzentriert, und habe sie deswegen zu Beginn ein wenig außen vor gelassen.

Im zweiten Teil der „Dubhe“-Saga zeichnen Sie ein sehr pessimistisches Bild - Krieg, Not und Leid werden immer wiederkommen, ganz gleich, welche Anstrengungen die Menschen für den Frieden unternehmen. Es wird immer andere geben, die zur persönlichen Machtentfaltung ihren Weg an die Schalthebel der Macht mit Gewalt vortragen werden. Wird die Menschheit die Geißel Krieg jemals besiegen - was ist Ihre Meinung?

Ich denke, dass das Leben in meinen Büchern ein ewiger Kreislauf ist, wie es auch Sennar am Ende des ersten Zyklus ausgeführt hat. Es scheint unmöglich, wirklich einen dauerhaften Frieden zu finden, auf der anderen Seite dauert der Krieg aber auch nicht ewig an. Ich denke auch, dass es dieses ineinander übergehen von ruhigen und turbulenten Zeiten in unserem realen Leben auch gibt. Die Balance, die wir anstreben, ist eine wackelige Angelegenheit, bei der wir immer wieder neu austarieren müssen. Ich hoffe aber, dass dies keine zu pessimistische Aussicht ist, denn nach jedem Regen folgt auch wieder der Sonnenschein.

In den Beschreibungen von Ido, in denen er erzählt, wie er seinen Drachen verloren hat oder wie Nihal gestorben ist und Sennar mit gebrochenem Herzen zurückblieb, haben Sie mich innerlich berührt. Ist es nicht schwierig, solch emotional aufwühlende Begebenheiten überzeugend zu schildern?

Gerade diese Szenen schreiben sich fast wie von selbst. Ich bin dann so in meiner Handlung gefangen, so tief eingedrungen in die Geschehnisse, dass mir die Gefühle der Personen über die ich schreibe wie meine eigenen vorkommen.

Über die italienische SF und Fantasy ist hierzulande kaum etwas bekannt. Können Sie uns hier einen kurzen Einblick geben? Konzentrieren sich die italienischen Verlage auch so sehr wie ihre deutschsprachigen auf die angloamerikanischen Vertreter?

Die italienische Fantasy ist ein recht neuer Zweig der Phantastischen Literatur in meiner Heimat. Die meisten Leser vertrauen ganz auf die großen Namen aus Übersee und die Verlagshäuser haben dies lange Zeit zum Anlass genommen, nur entsprechende Werke herauszugeben. Mittlerweile aber hat ein Umdenken eingesetzt. Inzwischen gibt es eine kleine Riege etablierter italienischer Autoren. Andrea D´Angelo, Fabiana Redivo, Francesco Falconi, Michele Giatonne um nur ein paar zu nennen. Sie alle sind noch recht jung, stehen am Beginn ihrer Karriere. In den letzten Monaten haben zwei der renommiertesten italienischen Verlagshäuser, Newton Compton und Einaudi, mit Federico Ghirardi und Chiara Strazzulla jeweils einen jugendlichen Autor publiziert. Jeder dieser jungen Garde hat seine ganz eigene Sichtweise auf das Fantasy-Genre, fügt diesem etwas Neues, Unverbrauchtes hinzu, Hier tut sich noch viel, es bewegt sich etwas.

In Ihren Büchern geht es immer auch um große Gefühle - es wird gelitten, Menschen sind verzweifelt und es wird geliebt. Ist Ihnen bekannt, ob Ihre Bücher hauptsächlich von Leserinnen gekauft werden?

Mädchen stellen sicherlich einen festen Stamm meiner Leser, ob sie aber die überwiegende Anzahl meiner Bücher kaufen, weiß ich nicht. Sie werden sicherlich von der Tatsache angezogen, dass sie eine Protagonistin haben, die sie auf ihrer Queste begleiten können.

Wie viel von Ihnen selbst steckt in Nihal oder Dubhe?

Sehr viel. Nihal steht für meine Jugend, meine Entwicklung vom Mädchen zur Frau, Dubhe für den aktiven, mutigen Teil von mir.

Nutzen sie Bekannte oder Freunde als Vorbilder für Ihre Figuren?

Außer, dass meine Hauptpersonen von mir selbst inspiriert wurden versuche ich weitestgehend ohne reale Vorbilder auszukommen und mir meine Figuren selber zu stricken. Erst wenn ich meine Handelnden zusammen habe, beginne ich den eigentlichen Plot auszuarbeiten.

Hatten Sie, als Sie mit der ersten Geschichte über Nihal schwanger gingen, bereits eine verlegerische Heimat für das Buch gefunden? Wie kamen Sie zu Ihrem Verlag, mussten Sie in Klausur gehen, den Text umschreiben um veröffentlicht zu werden, oder hatten Sie hier ganz freie Hand?

Ich habe meine erste „Nihal“-Trilogie als ein großes, durchgängiges Werk geschrieben. Insoweit hatte ich, als es darum ging einen Verlag zu suchen, bereits das komplette Manuskript aller späteren drei Bände fertig und konnte dies einreichen. Das dicke Paket ging dann an Mondatori. Drei oder vier Monate später rief mich Sandrone Dazieri, der Herausgeber, an und teilte mir mit, dass Mondatori an dem Buch interessiert sei. Insoweit hatte ich riesiges Glück hier schnell einen Verlag zu finden. Ich hatte das Manuskript auch einem kleinen Verlag zugesandt, aber nie wieder etwas davon gehört. Mit Sandrone habe ich dann die Dreiteilung des Buches vorgenommen, und entsprechende Cliffhanger eingefügt. Mondatori wollte das verlegerische Risiko ein wenig splitten, zumal sich Serien einfach besser verkaufen.

Haben Sie schon damals gewusst, dass die Geschichte um die aufgetauchte Welt mit Nihals Erzählung noch nicht vorbei war? Wie viele Fortsetzungen haben Sie geplant?

Ich wusste schon als ich die Erzählung beendete, dass damit die Geschichte der aufgetauchten Welt noch lange nicht abschließend erzählt war. Ich habe mir hier keine Grenze gesetzt, solange sich mir hier neue Plots aufdrängen, wird es weitere Abenteuer geben.

Wie kamen Sie mit Heyne in Kontakt?

Das lief alles über Mondadori. 2006 nahmen die Verlage Kontakt miteinander auf, und als ich für drei Monate in München gearbeitet habe, lernte ich auch meinen deutschen Herausgeber kennen.

Ziehen Sie sich ins stille Kämmerlein zurück, wenn Sie schreiben wollen, oder brauchen Sie Rummel um sich herum?

Meistens schreibe ich abends. Zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr gehe ich meiner Tätigkeit als Astrophysikerin nach, nachts habe ich Muse zum Träumen und Schreiben. Meistens schreibe ich auf meinem Bett sitzend, den schwarzen MacBook auf dem Schoss. Ich versuche, jeden Abend mindestens zwei Stunden lang oder zehn Manuskriptseiten zu schreiben. Natürlich mache ich mir vorher Notizen, wo die Reise hingeht, wer wann auftritt, wie sich die Charaktere entwickeln. Einige der gelungensten Kapitel habe ich im Zug verfasst. Zweimal im Monate fahre ich beruflich mit dem Zug quer durch Italien, und das gibt mir dann immer die Möglichkeit hier das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.

Wie lange dauert es, von den ersten Entwürfen bis hin zum fertigen, abgabereifen Manuskript?

So in etwas sechs Monate für das erste Expose, manches Mal natürlich auch ein wenig länger und dann noch einmal zwei bis drei Monate bis das Manuskript steht.

Wie sieht ein typischer Tag im Leben der Lica Troisi aus?

Normalerweise wache ich um 8.00 Uhr auf und bin so gegen 9.30 Uhr im Büro. Dann arbeite ich bis 18.00 Uhr, danach geht es nach Hause, Essen, Gitarre üben und dann beginne ich mit dem Schreiben. Nach dem Schreiben schaue ich mir mit meinem Mann zusammen noch ein wenig Fernsehen, danach ab ins Bett.

Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.

Ich habe zu danken.






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