Interview mit Micha Pansi
Datum: Wednesday, 03.November. @ 17:08:24 CET
Thema: Interview


Carsten Kuhr sprach mit Micha Pansi


INTERVIEW MIT MICHA PANSI

Von Carsten Kuhr



Micha Pansi veröffentlichte letztes Jahr im Heyne Verlag die ersten beiden Romane ihrer Daimonen-Trilogie. Grund genug für phantastik.de bereits im Februar das Gespräch mit der Schweizer Autorin zu suchen. Zwischenzeitlich aber wurde, entgegen den Empfehlungen des Heyne Lektorats, der dritte Teil ihrer Trilogie kurzfristig, noch vor dem Druck, aufgrund einer Entscheidung des Vertriebes aus dem Programm genommen.



CK:



Liebe Micha, vielleicht stellst Du dich unseren Lesern einmal kurz selbst vor. Wer verbirgt sich hinter dem Namen Micha Pansi?



MP:



Tja, die Sache ist die, ich stamme ursprünglich von einem anderen Planeten. Dort habe ich etwas Übles verbrochen, denn zur Strafe wurde ich auf die Erde verbannt, wo ich nun ein ganzes Menschenleben ausharren muss. Puh! Seitdem wurstle ich mich hier eben so durch und versuche mich zu bessern. Ja, wirklich.



CK:



Mit dem ersten Teil Deiner Trilogie taucht Dein Name, zumindest für mich, das erste Mal als Autorin phantastischer Stoffe auf. Hast Du bereits vor dem Roman Stoffe geschrieben und publiziert, oder war gleich der erste Versuch ein Volltreffer, der zu einem Vertrag mit einem Verlag geführt hat?



MP:



Vor dem Roman habe ich nur Lyrik geschrieben, unter anderem Songtexte für meine Band BLOODSTAR. (Nein, ich singe nicht, ich spiele Gitarre, soweit man das als spielen bezeichnen kann, was ich mache.) Da ich mich nur ungern mit halben Sachen abgebe, kam ich auf die Idee, als Erstlingswerk ein dreibändiges Epos zu verfassen.



CK:



Der erste Teil DAS BUCH DER SCHLÜSSEL erschien vor der Ausgabe bei Heyne bereits in einer limitierten Liebhaberausgabe im Schweizer Ricco Bilger Verlag. Wie kamst Du auf die Idee einer solchen, nicht eben gerade preiswerten Veröffentlichung? Gibt es noch lieferbare Ausgaben, wo könnten Interessierte diese beziehen?



MP:



Die Erstausgabe des BUCHS DER SCHLÜSSEL ist im Buchhandel vergriffen. Ich habe noch ein paar Stück, die wird man dann über meine Homepage bestellen können, solange es welche hat. Es war die Entscheidung des Bilger Verlags, das Buch so zu produzieren.



CK:



Wie kam der Kontakt mit dem Verlag zustande, und waren auch von den Folgebänden ursprünglich einmal eine entsprechende Edition geplant?



MP:



Ja, das war so geplant. Der zweite Band sollte ursprünglich schon 1998 erscheinen. Das Buch lag seit 1997 bereit.

Der Kontakt zu diesem Verlag war Zufall. Der Bilger Verlag ist ein kleiner Literaturverlag und erschien mir vom Programm her ganz ungeeignet für meine Trilogie. Ich wollte eigentlich nur eine fachmännische Meinung zu dem Manuskript, und da ich jemanden kannte, der den Verleger kannte, gab ich das Buch über diesen Weg weiter, mit der Bitte, es bei Gelegenheit doch mal zu lesen. Als es dann plötzlich hiess, Bilger sei begeistert und wolle es unbedingt herausgeben, war ich ziemlich verblüfft.

Leider ging es nicht gut. Nach einigem zähen Hin und Her trennten sich unsere Wege wieder.



CK:



Welche Art waren die Probleme zwischen Dir und dem Bilger Verlag – auf was sollten andere, junge und unerfahrene Autoren Deiner Meinung nach achten, wenn sie ein Buch bei einem Verlag unterbringen möchten?



MP:



Über den Bilger Verlag möchte ich mich gar nicht näher äussern. Mein Rat für Nachwuchsautoren wäre: Nicht gleich jeden Wisch unterschreiben, den man euch hinhält, bloss weil ihr froh seid, endlich einen Verlag gefunden zu haben. Bei Verträgen gilt es zu verhandeln. Es ist absolut in Ordnung, die eigenen Interessen freundlich aber bestimmt zu vertreten. Als Anfänger kann man nicht damit rechnen, hohe Prozentsätze zu erhalten oder ein tolles Garantiehonorar, aber man sollte versuchen einen fairen Vertrag auszuhandeln, der beiden Seiten gerecht wird. Grundsätzlich gilt: Möglichst keine Rechte abtreten, die der Verlag nicht nutzt. Gibt ein Verlag ein Hardcover heraus, braucht man ihm nicht auch noch die Taschenbuchrechte zu überschreiben usw. Manchmal findet sich in Verträgen auch ein Passus wie “Der Verlag erhält eine Option auf sämtliche weiteren Werke des Autors zu den gleichen Konditionen”. Sofort streichen! Das ist moderne Sklaverei. Es schadet auch nicht, sich über den potentiellen Verlag genau zu erkundigen, zum Beispiel, indem man Autoren nach ihren Erfahrungen fragt, die dort bereits unter Vertrag sind oder waren. Damit kann man sich eine Menge Ärger ersparen.



CK:



Wie dürfen wir uns dann den weiteren Weg Deines Buches hin zum Heyne Verlag vorstellen? Hat Dein Agent den Kontakt hergestellt, oder kam Heyne auf Dich zu? Warst Du gleich Feuer und Flamme von der Möglichkeit, Dein Werk einem noch grösseren Publikum vorstellen zu können, oder schwang da auch die Befürchtung mit, im Rad der kommerziellen Buchproduktion unter die Räder zu kommen?



MP:



Freunde redeten mir zu wie einem lahmen Gaul, mir einen neuen Verlag zu suchen. Nach der Irrfahrt, die das Buch bereits hinter sich hatte, war ich nicht sehr motiviert. Ziemlich wahllos habe ich dann ein paar Verlage angeschrieben, vielleicht sieben oder acht – ohne Agent, ohne Beziehungen. An Heyne habe ich mich eigentlich nur aus Witz gewandt, für meine geplante Sammlung von Absagebriefen, haha! Ich dachte mir, bei denen habe ich als unbekannte Autorin nicht den Hauch einer Chance. Nach einigen Wochen kam dann die Zusage. Ich war völlig platt. Kurze Zeit später kam noch eine zweite Zusage von einem anderen Verlag.

Bedenken, unter die Räder zu kommen, hatte ich nicht, aber genau das ist geschehen. Man lernt eben nie aus.

Als erstes erfuhr ich über Umwege, dass der erste Band DAS BUCH DER SCHLÜSSEL nach nur einem Jahr vergriffen war und vom Verlag nicht mehr angeboten wird.



CK:



Nun, wenn ein Buch vergriffen ist, dann spricht dies ja wohl eigentlich eher für den Roman – andere Verlage wären froh, wenn sich die Erstauflage ihrer Fantasy-Romane nach nur einem Jahr verkauft hätte!



MP:



Ja, das dachte ich eigentlich auch. Trotzdem wurde der Titel aus dem Programm genommen.

Der dritte Band DAS BUCH DER PFADE sollte ursprünglich im Mai 2002 erscheinen. Ich habe den Band termingerecht abgeliefert, doch wurde das Erscheinen, verlagsinterner Reorganisationsbestrebungen wegen, auf unbestimmte Zeit verschoben, wie ich Anfang April erfahren habe. Heyne scheint sein Sortiment neuerdings weitgehendst nach wirtschaftlichen Gesichtpunkten festzulegen und sich im wesentlichen an der Zahl der Vorbestellungen zu orientieren. Ob unter diesen Umständen der dritte Band noch bei Heyne erscheinen wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig ungewiss. Wahrscheinlich ist das einfach die Zukunft: Eine Geschäftspolitik, die gar nicht mehr die Möglichkeit beinhaltet, neue Autoren aufzubauen oder Bücher zu publizieren, weil sie gut sind. Andererseits muss man auch die Verlage verstehen: Die kaufende Leserschaft ist nicht besonders experimentierfreudig. Das Publikum will das, was es schon kennt. Allerdings werde ich mich stark dafür einsetzen, dass meinen Leserinnen und Lesern der dritte Teil der Trilogie nicht vorbehalten bleibt. Ich erhielt einen Brief von einer Frau, die schrieb, sie könne keine anderen Bücher mehr lesen und werde sich auch keine kaufen, bis sie nicht endlich den dritten Band habe. Ein anderer Leser schrieb mir, er habe den ersten Band zehnmal hintereinander gelesen und kenne ihn nun auswendig. Solche Begeisterung macht mich wirklich sprachlos.



CK:



Siehst Du die Chance Deinen Roman irgendwo anders doch noch zu publizieren?



MP:



Ich befürchte, dass sich kein anderer Verlag für den dritten Teil eines Zykluses begeistern wird. Trotzdem hoffe ich, dass sich vielleicht doch noch eine Lösung findet.



CK:



Was liest Du selbst gerne, wer sind Deine literarischen Vorbilder? Wie kamst Du auf die Idee Fantasy zu schreiben?



MP:



Ich lese vor allem Sachbücher zu Themen der Mythologie und Geschichte; im Moment lese ich gerade ”Lost civilisations of the stone age“ von Richard Rudgley. Ansonsten mag ich gute Krimis, ich bin eine glühende Verehrerin von Dashiell Hammett. Auch den Urvater der Fantasy, E.T.A. Hoffmann, bewundere ich sehr.

Fantasy bietet die grösstmögliche Freiheit, Geschichten zu erzählen und mit Parabeln zu arbeiten. Ausserdem bin ich seit Kindertagen ein Fan.



CK:



Wenden wir uns Deinem Buch zu. Wie kamst Du auf die Idee eine Fantasy-Endzeit Saga zu verfassen, wie lange gingst Du mit dem Werk ”schwanger“?



MP:



An den ersten beiden Bänden habe ich jahrelang herumgebastelt, bis sie soweit waren, wie ich sie haben wollte. Den dritten Band konnte ich dann in ziemlich kurzer Zeit schreiben.

Die Idee zum Buch kam mir, weil ich mich immer darüber geärgert habe, dass man in anderen Werken dieses Genres die sogenannten Bösewichte stets hinter einem schwarzen Mäntelchen verbirgt. Man erfährt kaum etwas über diese Figuren. Ich wollte ein Buch schreiben, in dem die ”Bösewichte“ genauso viel Raum einnehmen wie die ”Guten“ und der Leserschaft die Möglichkeit geben, hinter die Fassaden zu blicken.



CK:



Du sagst, dass Du den dritten Teil in relativ kurzer Zeit schreiben konntest – was war hier, verglichen mit den ersten Teilen anders? Hat sich die Handlung zum vorgestellten Ende hin verselbständigt?



MP:



An den Vor-Versionen des dritten Bandes habe ich auch sehr lange gearbeitet. Ich habe eine Menge Kapitel geschrieben, die ich dann gar nicht verwendet habe. Daraus könnte ich einen vierten und fünften Band machen ... Nachdem ich schliesslich wusste, was ich wollte, ging es schnell.



CK:



Wo sahst Du in der Vielzahl der entsprechenden, meist von anglo-amerikanischen Autoren dominierten Fantasy-Markt die Lücke für Romane von Micha Pansi?



MP:



Das habe ich mir nie überlegt. Ich schreibe eben, was ich schreibe. Als deutschsprachige Autorin hat man es in diesem Genre sehr schwer und gegenüber den vielen anglo-amerikanischen Übersetzungen steht man mehr oder weniger auf verlorenem Posten. Mir ging es vor allem um Qualität. Ein sprachlich und inhaltlich anspruchsvolles Buch zu schreiben, das von der ersten bis zur letzten Seite spannend ist. Dafür habe ich jahrelang hart gearbeitet.



CK:



Einer Deiner Protagonisten, Lutz genannt, ist ein älterer, etwas schrulliger und doch tatkräftiger Mann. Ihm zur Seite gestellt ist sein Schüler Xander. Wie kamst Du auf diese beiden, haben sie Vorbilder in der realen Welt?



MP:



Die beiden sind frei erfunden, wie die meisten meiner Romanfiguren. Es gibt in der Trilogie allerdings tatsächlich zwei Protagonisten, die eine Entsprechung in der realen Welt haben: der Söldner Haldur und Skarg, der Eiskrieger. Diese gleichen zwei sehr guten Freunden von mir. Es war eigentlich nicht meine Absicht, sie in Buchform zu verewigen, es ist einfach geschehen.



CK:



Woher nimmst Du Deine Ideen? Verarbeitest Du Geschehnisse aus Deinem täglichen Erleben in Deinen Büchern?



MP:



Ja, das kommt vor. Manchmal träume ich meine Geschichten auch.



CK:



Wie müssen wir uns Deinen Schreibprozess vorstellen? Hast Du zunächst ein Exposé gefertigt, oder bist Du einfach Deiner Muse gefolgt?



MP:



Mit Exposés kann ich nicht viel anfangen. Nach Stundenplan schreiben schaffe ich leider auch nicht. Wenn ich schreibe, dann wie besessen, so 16 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Währenddessen bin ich nicht ansprechbar, für niemanden. Das ist nicht sehr diszipliniert. Aber ich versuche mich zu bessern ...



CK:



Wie lief die Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Lektor ab? Musstest Du oft in Klausur gehen und Passagen umschreiben? Wurde der erste Teil für Heyne von Dir nochmals überarbeitet?



MP:



Nein, es wurde eigentlich nichts daran geändert. Heyne hat nur ein paar Kleinigkeiten korrigiert, zum Beispiel ein paar ”Schweizerismen“ ausgemerzt, die mir entgangen sind. Dafür war ich dankbar.



CK:



ln wieweit hattest Du auf die ungewöhnliche äussere Gestaltung der Umschlagillustration Deiner Bücher Einfluss?



MP:



Die Bilder wurden vom Verlag ausgesucht und mir dann vorab zugeschickt. Ich fand sie ganz schön, wenn auch kitschig. Einige Fans, die die völlig anders gestaltete Hardcover-Ausgabe kannten, waren allerdings entsetzt darüber.



CK:



Was können wir Leser für die Zukunft von der Autorin Micha Pansi Neues erwarten, mal abgesehen vom dritten Teil Deiner Saga? Sind da Projekte spruchreif? Gibt es Pläne?



MP:



Nach den neusten Entwicklungen brauche ich erst mal eine Pause. Ich möchte mich auch wieder mehr um meine Band kümmern, die ich in letzter Zeit etwas vernachlässigt habe.



CK:



Wie bist Du bislang mit der Reaktion auf Deine beiden Bücher zufrieden? Gibt es ein Feedback über den Verlag, oder wie kommst Du, da Du ja noch keine eigene Internetseite hast, überhaupt mit Deinen Lesern und Fans in Kontakt?



MP:



Meine Internetseite (www.pansi.ch) sollte bald online sein. Ich unterhalte mich sehr gerne mit Leserinnen und Lesern, das wird dann einfacher werden. Bisher wurden Briefe und E-mails, die an den Verlag geschickt wurden, an mich weitergeleitet. Für Interessierte hier meine E-mail-Adresse: micha@pansi.ch. Die Reaktionen auf meine Bücher sind überraschend gut, es gibt schon ein paar richtig eingefleischte Fans. Das finde ich klasse!



CK:



Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Gute, und uns, dass wir bald doch noch den abschliessenden Daimonen-Band in Händen halten dürfen.



MP:



Ebenfalls vielen Dank!







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