Interview mit Andreas Irle
Datum: Wednesday, 03.November. @ 15:59:48 CET
Thema: Interview


Carsten Kuhr sprach mit Andreas Irle - dem Herausgeber der Jack Vance Liebhaber-Edition

EIN INTERVIEW MIT | ANDREAS IRLE

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Von Carsten Kuhr

Die Edition Andreas Irle wurde 1995 gegruendet. Ziel des Verlages ist es, bibliophile Ausgaben von Werken des amerikanischen Autors Jack Vance herauszubringen. Die limitierten Buecher werden in gepraegtem Ganzleinen eingebunden, sind auf hochwertigem Papier gedruckt und fadengeheftet.

CK:

Was hat Dich dazu bewegt das riskante Unternehmen einer Verlagsgruendung einzugehen ?

AI:

Ich bin Bibliothekar und Verlagskaufmann, arbeite aber in einem anderen Bereich und wollte mein Erlerntes anwenden. Deshalb habe ich es einfach gewagt. Ich mag Buecher sehr, nehme sie immer wieder gern in die Hand, um einfach ihre "Aura" zu erleben. Das funktioniert sogar bei Taschenbuechern, aber bei bibliophilen Buechern in entsprechender Ausstattung ist es eben doch noch staerker.

CK:

Waehrend die englischen und amerikanischen Liebhaberausgaben, aber auch die Titel der Edition Phantasia ein grossformatiges Buchformat waehlten, hast Du das ungewoehnliche Taschenbuchformat fuer Deine Edition gewaehlt - warum diese Groesse ?

AI:

Diese grossformatigen Buecher sind wohl eher ein psychologisches Verkaufsargument; meine Buecher sollten ein mehr klassisches Flair haben und handlich sein. Das Format ist etwas hoeher als das eines ueblichen Taschenbuchs; es ist ein Oktav-Format, deshalb ist es in meinen Augen nicht ungewoehnlich. Da wuerde ich eher meinen, das DIN-A-4-Format fuer Buecher ist unueblich. Man kann sie kaum bequem in der Hand halten. Wenn die Seite nicht in grosser Schrift gesetzt oder mit kleinem Satzspiegel versehen ist, ist sehr viel Text auf einer Seite, was der Lektuere nicht gerade entgegen kommt. Mein Format ist das von Stiehls "Der Verlagsbuchhaendler"; ich finde es perfekt. Ausserdem wollte ich, dass die Buecher - auch beim Lesen im Bett - gut in der Hand zu halten sind. Neben den oben beschriebenen Vorteilen geht beim Beschnitt des Buchblocks zudem sehr wenig Material verloren ...

CK:

Ein Problem bei Kleinverlagen generell stellt immer die Vermarktung der Buecher dar. Wie erfahren bei Dir die Leser und Fans da draussen, dass es die Buecher der Edition Irle gibt?

AI:

Das ist bei uns in Deutschland so ein Problem, fehlen uns doch die einschlaegigen Pendants eines "Locus"-Magazins. Als ich 1995 startete, gab Tilsner gerade "SF-Media" in abgespeckter Version heraus. Dort wollte ich Anzeigen schalten. "Die sterbende Erde" kam im Oktober heraus. "SF-Media" sollte im September erscheinen, kam aber erst am 28. Dezember heraus (zum Glueck im gleichen Jahr). Ausserdem wurde die Gruendung meiner Edition mit keinem Wort im redaktionellen Teil erwaehnt. Soweit also zur Berichterstattung der deutschen SF-Szene. Da es neben "SF-Media" zu der Zeit nichts gab, habe ich saemtlichen SF/F-Buchhandlungen, deren ich habhaft werden konnte, einen Stapel Werbehandzettel zum Verteilen und ein Exemplar "Die Sterbende Erde" geschickt, um mich bekannt zu machen. Dazu kommt der Vertrieb ueber Transgalaxis, mit einem Katalog, der eine Auflage von 60.000 Exemplaren hat. Heute bin ich auch im Netz praesent und hoffe, dass sich dies herumspricht: www.editionandreasirle.de. Ich biete Abos an; jeder der eins hat, bekommt die Buecher zum Subskriptionspreis.

CK:

Die Preise Deiner limitierten Ausgaben sind, wohl begruendet durch die Ausstattung und die geringe Auflage, recht hoch. Momentan hast Du zum 5jaehrigen Bestehen Deines Verlages und zum 50. Jahrestag des Romans "Die sterbende Erde" im Preis halbiert. Gibt es im deutschsprachigen Raum genuegend Kaeufer fuer derartige Titel?

AI:

Das haengt davon ab. Die Neuauflagen haben sich nicht so gut verkauft wie die Erstausgaben (Aussnahme: "Die sterbende Erde"). Weshalb das so ist, kann ich gar nicht so genau sagen, denn die "Cugel"-Taschenbücher sind antiquarisch auch nicht gerade billig oder haeufig zu bekommen. Ich glaube, dass noch nicht alle potentiellen Kaeufer meine Edition kennen. Ich hoffe, dass sich dies mit der Zeit aendern wird. Schliesslich moechte ich mit der Edition auch die Aufmerksamkeit auf gerade diesen KUENSTLER wenden, was mir, denke ich, auch gelungen ist, denn wie sonst ist zu erklaeren, dass Bastei-Luebbe eine Vance-Reihe gestartet hat und im Januar "Emphyrio" in einer erstmals ungekuerzten Ausgabe erscheinen wird?

CK:

Warum hast Du gerade die Buecher von Jack Vance fuer eine derartig hochwertige Liebhaberedition ausgesucht?

AI:

Ich haette gar keinen anderen in Betracht gezogen. Nur Buecher mit gerade diesem Inhalt und in gerade diesem Stil schreien nach einer adaequaten Form der Darbietung. Also wird die Edition eher eingestellt, als dass ich von der Fadenheftung abweichen wuerde. Ich halte Vance fuer einen der besten Autoren (Kuenstler) ueberhaupt. Die diversen Lexika-Eintragungen reden von Oberflaechlichkeit, Lustlosigkeit (bei spaeteren Serienbuechern) in seinen Buechern und davon, dass keine Botschaft in seinen Werken vorhanden waere (Letzteres uebrigens ein typisch deutsches Leiden, denn wo keine Botschaft, da kein Wert.). Doch letzten Endes liegt es an jenem, der liest, ob er eine Botschaft erhalten hat oder nicht. Ich glaube, dass Vance genau weiss, was er tut und schreibt und oft steckt darin mehr, als man auf den ersten Blick meinen koennte. Letzten August haben sich weltweit ueber 100 Vance-Leser zusammengeschlossen, um sein Werk in 60 Baenden neu herauszubringen. Dabei werden Titel und Textfassung, die von Vance bevorzugt wurden (und werden), verwendet, denn vieles ist vom Verlag geaendert worden, was heisst zum Nachteil. Beispielsweise hat "Magarak, Planet der Hoelle" in der Vance'schen Fassung ein voellig anderes Ende. In diese 60 Baende werden auch einige unveroeffentlichte Vance'sche Werke Eingang finden, zumeist nicht fertig gestelltes Material wie z. B. "The Stark" oder "Wild Thymes and Violets", sowie Fruehwerke aus den 30ern und 40ern. Das Projekt heißt VIE (Vance Integral Edition) und wird unter der Adresse www.vanceintegral.com im Netz praesentiert.

CK:

Jack Vance ist einer der wenigen Autoren, deren Werke seit Jahrzehnten nicht nur in den USA sondern auch in Europe groesste Beachtung finden. In den Niederlanden gibt es meines Wissens einen sehr grossen, umtriebigen Fanclub, in den Staaten erschienen bei Underwood/Miller wunderbare limitierte und signierte Ausgaben seiner Buecher. Sind das fuer Dich Vorbilder?

AI:

Vorbilder? Nein! Vorgaenger, schon eher. Als Bibliothekar oder auch nur als Sammler sieht man die Buecher gern im Regal stehen, nimmt sie gern immer wieder heraus. Das Groesste ist, wenn man erkennt, dass die Buecher von einem Schriftsteller sind, dass Sie gleichfoermig praesentiert werden. Dann aergert es einen schon, wenn Underwood-Miller nach ein paar Jahren das Format aendert. Ich wuerde mich freuen, wenn es mir gelaenge moeglichst viele Vance-Werke zu veroeffentlichen, auch die Krimis und die Story-Baende, denn etliche gute Kurzgeschichten sind noch nicht in Deutsch erschienen.

CK:

Jack Vance hat ein umfassendes Oeuvre hinterlassen. Sein Zyklus um die sterbende Erde wurde bereits von Dir publiziert, da stellt sich natuerlich die Frage nach den fuenf Daemonen-Prinzen Titeln, der kompletten Magnus Ridolph Geschichten und der Lyonesse Trilogie. Sind auch hier entsprechende Liebhaberausgaben in Planung?

AI:

Gerade habe ich die Rechte von "Star King" nachgefragt. Wenn das klappt wird "Der Sternenkoenig" noch in diesem Winter erscheinen - erstmals in ungekuerzter Fassung (die Heyne Ausgabe ist um ca. 20 Prozent gekuerzt). Die "Lyonesse"-Trilogie habe ich gerade wieder einmal gelesen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut die Buecher gerade auch bei wiederholtem Lesen zu gefallen wissen. Hier liegt die Staerke Vances, der detaillreich und atmosphaerisch zu schreiben versteht und im richtigen Augenblick zwischen enger und weiter Perspektive umschaltet.

CK:

Wenn alles gut geht, und sich die Bestellzahlen wie zu hoffen gut entwickeln, wie lange wird dann die Herausgabe der fuenf Daemonenprinzen Buecher dauern, bis sie komplett vorliegen werden?

AI:

Das kommt darauf an, wie gut ich mit den Uebersetzungen vorankomme. Ausserdem kann man Buecher in dieser Preisklasse nicht jeden Monat herausbringen, aber wenn es wirklich GUT laufen sollte, bin ich natuerlich auch sehr motiviert die Folgebaende baldigst zu veroeffentlichen.

CK:

Mit "Rhialto, der Wunderbare" und "Nachtlicht" hast Du Dein Debuet als Uebersetzer gegeben und einen bis dato nicht in Deutsch vorliegenden Roman aufgelegt. Wird es auch hier Nachschub an Erstveroeffentlichungen geben? Werden diese dann wieder von Dir uebersetzt werden?

AI:

"Rhialto der Wunderbare" war meine erste Uebersetzung, aber natuerlich bin ich auf "Nachtlicht" besonders stolz, da ich hier nach Manuskript uebersetzen konnte. Ich habe das Manuskript im Februar 1996 bekommen (ich hatte nicht einmal nachgefragt, die Agentur hat es mir angeboten!). Als ich dann sah, wie umfangreich es war, wurde mir doch ein bisschen bange. Denn wenn ich "Nachtlicht" machen wollte, dann richtig - mit Schutzumschlag, mit Innenillustrationen und VON VANCE SIGNIERT. Und, was soll ich sagen, Vance sagte "ja" zum Signieren. Und "Nachtlicht" kam nahezu zeitgleich mit der US-Ausgabe heraus; Meulenhof war weltweit der erste Verlag, der "Nacht Lamp", im April 1996, herausbrachte. Die Fortsetzung von "Kaleidoskop der Welten" ("Ports of Call") - "Lurulu" - wird das naechste Werk Vances sein. Die Rechte daran habe ich ebenfalls nachgefragt.

CK:

Und wann kann der Leser mit diesem Buch rechnen ?

AI:

Das haengt von verschiedenen Faktoren ab. Zunaechst einmal von der Agentur: bekomme ich das Manuskript?, was nicht ueblich ist. Oder bekomme ich eine Druckfahne bzw. das fertige Buch?, was ueblich ist. Dann geht es an die Uebersetzung: wie umfangreich ist das Buch? Wieviel Zeit kann ich mir fuer die Uebersetzung nehmen? Das funktioniert ueber die Wintermonate auf jeden Fall besser als im Sommer.

CK:

Seit einiger Zeit kamen von der Edition Irle keine neuen Titel - woran lag das, wie sieht die Planung für die naehere aber auch weitere Zukunft aus?

AI:

Aus persoenlichen Gruenden ist jetzt einige Zeit lang nichts mehr erschienen. Ich habe meinen Job gewechselt und unsere Familie ist umgezogen, aber, wie oben geschildert, habe ich keineswegs auf der faulen Haut gelegen. Wenn sich "Der Sternenkoenig" und "Lurulu" so gut verkaufen wie die Erstausgaben, werden weitere Titel folgen. Die Baende 2 und 3 der Daemonenprinzen-Serie sind in Deutsch ebenfalls um ca. 20 Prozent gekuerzt, dies waeren weitere logische Schritte auf dem Weg.

CK:

Vielen Dank fuer das Gespraech!

Infos ueber die Edition unter EditionAndreasIrle.de!







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