Interview mit Markus K. Korb
Datum: Monday, 01.November. @ 07:18:25 CET
Thema: Interview





INTERVIEW MIT MARKUS B. KORB

Von Carsten Kuhr



Markus K. Korb ist dem interessierten Leser als Autor und fachkundiger Rezensent phantastischer Werke ein Begriff. Nach seinen eigenen Angaben wurde sein Stil stark von Edgar Allan Poe beeinflusst (vgl. www.markus-k-korb.de). Zum Todestag Poes, am 07. Oktober erschien im Blitz Verlag die von ihm editierte Anthologie "Jenseits des Hauses Usher" , eine Hommage an Edgar Allan Poe. Aus diesem Grund sprach phantastik.de mit dem Herausgeber.



CK:



Hallo Markus. Vielleicht stellst Du Dich zu Beginn unseren Lesern einmal kurz selbst vor (Beruf, Hobbies etc.) Findest Du neben Deiner Familie überhaupt genug Zeit, um all die Bücher die gegenwärtig erscheinen zu lesen und kritisch zu reflektieren?



MKK:



Von Beruf bin ich Lehrer für Deutsch und Geschichte - hör ich da ein Stöhnen? *g* Auf dieser Welt bin ich seit 31 Jahren. Vorher? Keine Ahnung. Ich schreibe unheimliche Phantastik, das zähle ich zu meinem Haupthobby. Dazu gehört für mich auch das Lesen und Rezensieren solcher Werke. Mein Steckenpferd sind die Autoren der Weimarer Zeit, als es einen wahren Boom der Phantastik in Deutschland gab. Leider brachte diesen Aufschwung ein gewisser Gefreiter namens A.H. zum Erliegen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die deutsche Literaturlandschaft niemals wieder von dem Schlag erholt. Phantastik für die breite Masse war passé. Den Markt haben die Amerikaner und Engländer nahezu vollständig übernommen. Ich bedauere dies. Nicht, weil ich nationalistisch eingestellt bin, sondern weil ich die Vielfalt des Genres in seinen nationalen Ausprägungen liebe. Im Gegensatz zu anderen bin ich der festen Überzeugung, dass deutsche Autoren durchaus fesselnd zu schreiben wissen. Was das Schreiben und Rezensieren betrifft: Meine Frau und meine Kinder haben wirklich eine Engelsgeduld mit mir, wenn ich wieder einmal in mit den Gedanken weit fort bin. Allerdings lege ich meine Arbeitsstunden in die Nacht. Das macht mir nichts aus, denn ich bin ein Nachtmensch und brauche täglich (nächtlich?) als Minimum 4 Stunden Schlaf.



CK:



Du nennst Edgar Allan Poe als Vorbild. Wann bist Du auf Poe gestoßen, was weckte Dein Interesse, vielleicht Deine Besessenheit für die phantastische Literatur?



MKK:



Wenn man den Begriff "Besessenheit" im positiven Sinne mit "Begeisterung" übersetzen kann, stimme ich dir zu. Vom zehnten bis zum dreizehnten Lebensjahr schrieb ich SF. Doch dann bekam ich einen Band mit Poe-Stories in die Hände, und da war es die Erzählung "Das verräterische Herz", die mir den Atem nahm. Noch heute kann man in einigen meiner Geschichten die Tendenz finden, dass ich abnormale Psychen in der Ich-Erzählform schildere, ähnlich wie bei Poe. Seitdem hat mich die Faszination der Poe-Geschichten nicht mehr losgelassen, so dass ich sogar meine schriftliche Arbeit für das Erstes Staatsexamen über ihn und seinen Einfluss auf die deutsche Phantastik im frühen 20ten Jahrhundert schrieb.



CK:



Bist Du ein Mensch, der lieber vor Furcht bebt, als lacht? Was macht den Reiz der Weird Fiction für Dich aus?



MKK:



Haha - beantwortet das deine Frage? *g* Nein. Ich halte mich selbst für einen sehr lebenslustigen und auch geselligen Menschen (aber die Frage solltest du lieber meinen Freunden stellen - die können mich besser beurteilen, als ich mich selbst). Ich habe einmal einen interessanten Spruch gehört, der auf mich zutrifft. Ich zitiere frei: "Ich wage es, auf dunklen Wegen zu gehen, da ich weiß, dass in meinem Inneren ein helles Licht leuchtet". Ich bin mir einer Dualität der Seele bewusst, daher akzeptiere ich die dunkle Seite in mir. Viele Menschen scheuen sich einzugestehen, dass es diese Seite in jedem Menschen gibt. Sie haben Angst, zu erkennen, dass sie sich von ihrem Ego nur ein einseitiges Bild gemacht haben. Aber der Reiz der Weird Fiction liegt für mich noch ganz woanders. Ich liebe das Spiel mit der Verunsicherung des Lesers. Wenn ich es schaffe, dass der Leser für die Zeit der Lektüre und noch danach, sein Weltbild in Frage zu stellen vermag, wenn der Boden unter ihm schwankt, dann habe ich mein Ziel erreicht. Das mag philosophisch abgehoben klingen, hat aber dennoch einen Realitätsbezug. Viele phantastische Geschichten beschäftigen sich mit Urängsten. Und diese Urängste kommen auch in den Urfragen vor, so wie sie die Philosphie stellt. Mal nebenbei bemerkt: Wie kann man feststellen, wenn ich eine Katze in eine Schachtel setze und den Deckel schließe, dass das Tier noch da ist, ohne die Kiste zu berühren? Das ist nur ein Beispiel für eine phantastische Situation, die auch mit Hilfe der Philosophie hinterfragt werden kann - viele phantastische Autoren beschäftigen sich auch mit solchen Dingen, allerdings verpacken sie diese in spannende Geschichten. Unsere Sinne bilden nicht die Wirklichkeit ab, wir erschaffen mit ihren Eindrücken bewusst ein Bild von der Realität. Aber eindeutig nachprüfen können wir das in den seltensten Fällen. Wie schmeckt übrigens die Farbe Rot? *g*



CK:



Neben Deinen eigenen Kurzgeschichten bist Du als kundiger Rezensent für das phantastische Genre bekannt. Was brachte Dich auf die Idee eine Anthologie zu Ehren E.A. Poe's ins Leben zu rufen, was war der eigentliche Auslöser?



MKK:



Vor knapp einem Jahr stellte ich fest, dass es zwar zu Ehren anderer Autoren ganze Buchreihen gab, sich aber niemand für den Mann zu interessieren schien, der die Grundlage schuf, auf dem die Nachfolger aufbauen konnten: E.A.Poe.



CK:



Erzähle uns doch einmal kurz, wie es Dir gelang so viele unterschiedliche Autoren zur Mitarbeit zu bewegen? Wie kam der Kontakt zustande, hast Du in irgendeiner Weise Einfluss auf die Texte genommen?



MKK:



Zunächst schrieb ich einige mir bekannte Autoren an und fragte, ob Interesse an einer Poe Hommage bestünde. Nachdem mir einhellige Begeisterung entgegenschlug und auch schon einzelne Stories in hervorragender Qualität vorlagen (z.B. von E.M. Angerhuber, Boris Koch), mailte ich Internetsites an und machte die Ausschreibung öffentlich. Einfluss auf die Texte habe ich nur in einem Fall genommen, alle anderen durchliefen allein das Lektorat des Verlages - eine Zensur fand nicht statt.



CK:



Nach welchen Kriterien hast Du die letztendlich im Buch veröffentlichten Erzählungen ausgewählt? Hast Du viele Geschichten ablehnen müssen?



MKK:



Die Reaktion auf meine Ausschreibung war überwältigend. Noch heute bekomme ich einzelne Stories für die Antho eingereicht - über ein halbes Jahr nach dem Eingabestopp. Ich habe über 200 Geschichten gelesen und bewertet. Meine Fragestellung war hierbei: Greifen sie Themen oder Motive von Poe auf? Besitzen die Geschichten Eigenständigkeit (keine Plagiate, kein billiger Abklatsch!). Genügen sie gehobenen literarischen Qualitäten (wie Poe) - sind sie also stilistisch gut (Wortwahl, Satzbau, etc.)? Gründet das Grauen in der Psychologie der Figuren? Machen sie Angst?



CK:



Hast Du die Erzählungen lektoriert, oder Vorgaben zum Umfang und I oder Inhalt gemacht?



MKK:



Nein - nur in einem speziellen Fall, da ich hier die Befähigung des Autors erkannte, er sie aber in der vorliegenden Fassung nicht ausdrücken konnte. Ich habe versucht, ihm das zu erläutern - und gottseidank war er mir nicht böse, im Gegenteil. Normalerweise liegt mir so eine Vorgehensweise nicht. Ich tat es - meiner Absicht nach - aus Wohlwollen gegenüber dem Autoren, dessen Talent ich in der Story erahnte, welches aber noch ein wenig Feinschliff brauchte.



CK:



Über welchen Zeitraum zog sich die Zusammenstellung der Sammlung hin?



MKK:



Ein halbes Jahr sammelte ich die Erzählungen - ein halbes Jahr dauerte die Verlagssuche, das Lektorat und der Druck.



CK:

Wie kam es zu dem Kontakt mit Thomas Ligotti? Wie gelang es Dir ihn für USHER zu verpflichten?



MKK:



Zu Tom kam ich über Eddie M. Angerhuber. Sie hat ja mit ihren Ligotti-Übersetzungen und ihrer Ligotti-Website einen maßgeblichen Anteil daran, dass Thomas Ligotti überhaupt im deutschen Sprachraum ein Begriff geworden ist. Sie schrieb Tom an, ob er Lust habe, eine in Deutschland noch unveröffentlichte Story beizutragen. Seine Professionalität und Hingabe an die Literatur ist unglaublich. Er hatte seine ersten Veröffentlichungen in der amerikanischen Kleinverlagsszene und war deshalb von meinem Projekt sehr angetan. Dazu kommt, dass er Poe als eines seiner großen Vorbilder ansieht. Er war gerne bereit, eine Story beizutragen. Ich habe ihm eine Erzählung von mir übersetzen lassen, welche er überaus lobend besprochen hat, was mich sehr freut, da ich Tom für DEN zeitgenössischen Autoren von innovativer Phantastik schlechthin halte.



CK:



Du hast erzählt, dass Du neben dem direkten Weg bzgl. der Kontaktaufnahme mit Autoren auch über diverse Internetseiten einen entsprechenden Aufruf gestartet hattest. Wie war da die Resonanz?



MKK:



Einfach überwältigend. Die Sache wurde schnell zu einem Selbstläufer. Die Internet-Seiten übernahmen voneinander den Aufruf, so ging das von Site zu Site, bis ich zum Schluss erfuhr, dass sogar literarische Zeitschriften den Aufruf brachten - die hatte ich gar nicht angeschrieben.



CK:



Wie gestaltete sich dann der weitere Weg des projektierten Buches? War bereits im Vorfeld ein Verlag ausgemacht, event. ein Vorvertrag unterschrieben, oder ging nach Sichtung und Auswahl der Texte die Suche nach einer Publikationsmöglichkeit los?



MKK:



Ich stand zunächst ohne Verlag da. Meine Begeisterung für die Sache war hoch und so schrieb ich alle Verlage an, die für mich in Frage kamen. Es folgten viele Absagen und einige halbe Zusagen. Motiviert haben mich in dieser Situation die Autoren der Poe Anthologie, welche stets an mich und das Gesamtwerk geglaubt haben, wofür ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken möchte.



CK:



Warum bist Du dann letztlich bei Jörg Kaegelmann gelandet?



MKK:



Es folgten viele Absagen, nach dem Motto: "Von Poe inspirierte Stories - tolle Idee! Leider lassen sich Kurzgeschichten nicht verkaufen!" - eine Meinung, die ich ganz und gar nicht teilen kann. Kurzgeschichten haben gerade in unserer Fast-Forward Zeit ihre Daseinsberechtigung. Ich kenne viele Leser, welche keine Zeit haben, sich in Romane zu vertiefen, welche sie nach einer Woche aus der Hand legen und sich dann nicht mehr darin zurecht finden können. Diese Menschen greifen gerne auf Kurzgeschichten zurück. Und was wird ihnen auf dem großen Buchmarkt - ich rede jetzt zunächst nicht von der Kleinverlagsszene - angeboten? Fast nichts. Die Verlage verlassen sich auf die vorgefasste Meinung, dass sich Kurzgeschichten nicht verkaufen würden, vergessen aber darüber nachzudenken, warum das so sein könnte. Jeder Verlag pusht Romane bis zum Geht-Nicht-Mehr. Storyanthologien haben da keine Chance. Es ist schlicht und ergreifend Marketing – es ist halt einfacher einen Roman zu vermarkten, da der nur 1 Autorennamen auf dem Cover hat, anders als eine Storyanthologie, wo sich viele Schriftsteller tummeln. Und dann auch noch eine mit deutschen Autoren, welche - glaubt man den Aussagen mancher Verleger - eh kaum fesselnd schreiben können sollen (zum Teil ein Marketingschachzug, um die Aufmerksamkeit der Leser auf sich zu ziehen, wie inzwischen zugegeben wurde – bedauerlicherweise ging der Marketing-Gag auf Kosten der deutschen Phantastik-Autoren). Aber das ist definitiv falsch - und ich möchte ein für allemal dieses Gerücht aus der Welt geschafft haben. Ich sage es deutlich: DEUTSCHE AUTOREN KÖNNEN SPANNEND SCHREIBEN - schlechte Schreiber, die nur billige Nachahmer von bekannten Schriftstellern sind, gibt es hier wie dort. In USA/GB ebenso wie bei uns. Das ist keine Frage der Herkunft, sondern des Handwerks. Und auch ohne Schreibkurse in den Universitäten kann man durch Selbststudium viel für seinen Stil tun. Wer es nicht glaubt, lese in der Poe-Anthologie nach. Dort sind Beispiele für einen guten Schreibstil zu finden, der abseits des seichten Mainstream-Horrors auf seine Entdeckung wartet.

Ich habe mal in einer Buchhandlung provokanterweise nach Storyanthos deutscher Phantastik-Autoren gefragt - die Antwort war ein verlegenes Schweigen. Fehlanzeige von den großen Verlagen. Da muss man schon zur Smallpress greifen, wo man bestens bedient wird. Aber auch hier macht sich die folgenschwere Tendenz breit, deutsche Kurzgeschichtenautoren mitleidig zu belächeln - warum eigentlich? Sind Kurzgeschichten schlechtere Literatur als Romane? Wie viele Romane hat Poe geschrieben? Keinen einzigen (eine längere Novelle ist noch kein Roman) - wie viele Romane hat Lovecraft verfasst? Keinen einzigen (auch hier - eine lange Novelle ist noch kein Roman). Die beiden hatten ihre Gründe. Es ist verdammt schwer, einen reinen Horror-Roman zu schreiben. Doch zurück zur Poe-Antho. Am Schluss der Verlagssuche zeigten mehrere Verlage Interesse. Der BLITZ Verlag hat von allen das interessanteste Angebot bezüglich Vertrieb und Marketing u.s.w. gemacht.



CK:



Gab es von seiner Seite, was den Umfang oder die Anzahl der Geschichten anbetraf Vorgaben?



MK:



Nein - die Zusammenarbeit verlief absolut reibungslos.



CK:



Hattest Du auf die äußere Gestaltung des Buches Einfluss? Bist Du mit dem fertigen Werk zufrieden? Würdest Du im Nachhinein etwas anders machen, und wenn ja, was?



MK:



Mark Freier hat ein ausgezeichnetes Cover entworfen, ich bin sehr zufrieden mit seinen Arbeiten. Jeder Autor hat die Druckfahnen seines Werkes gehabt, was bei Anthos nicht unbedingt üblich ist, habe ich mir sagen lassen - aber es war mir wichtig. Würde ich die Antho nochmals machen, würde ich versuchen Innenillustrationen zeichnen zu lassen. Das ist das einzige, was ich als Herausgeber von der äußeren Gestaltung her noch beeinflussen könnte.



CK:



Aus der Nachschau, hat sich die Arbeit für Dich persönlich gelohnt? Wird es weitere Anthologien geben, was hast Du für Pläne?



MK:



Ja, es hat sich gelohnt. Die Arbeit für die Antho war hart, aber der Mühe wert. Ich habe viele Autoren kennen und schätzen gelernt, habe einen Einblick in das Verlagswesen bekommen - leider auch viel Negatives. Jetzt weitere Anthologien a la "Jenseits des Hauses Usher" zu bringen, finde ich nicht so spannend. Aber ich sage nicht nein, wenn sich ein solides Thema ergibt. Ich möchte mich aber zunächst wieder auf meine eigenen Storysammlungen konzentrieren. Beim Rough Art Verlag (www.roughartverlag.de) ist übrigens dieser Tage „TRÄUME VOM ABGRUND – Verstörende Geschichten“ erschienen. Eine Storysammlung mit den verwirrendsten und schrägsten Stories, die ich bislang geschrieben habe.

Wenn wir schon mal bei den Veröffentlichungen sind: Da tut sich noch mehr Erstaunliches. Die Leser können sicher auf meine nächsten Publikationen gespannt sein...*g* Ansonsten arbeite ich momentan mit einem fantastischen Comic Künstler namens Benno Schlünder zusammen. Er setzt einige meiner Stories bildgewaltig in atmosphärische Zeichnungen um. Mal sehen, ob z.B. Gringo Comics Interesse daran haben. Eine Probeseite findet sich übrigens auf meiner Homepage: www.markus-k-korb.de

Aber nicht nur das - einfach mal abwarten und Tee trinken ;-) Vielleicht hören wir bald wieder voneinander. Da ist noch was Großes in Planung, über das ich aber nichts verraten möchte. Nur soviel - ich denke, dass sich alle Freunde der Poe-Anthologie darüber freuen werden...*g*



CK:



Wir danken Dir für das Gespräch, und wünschen Dir für Deine Zukunft alles Gute.



MKK:



Ich bedanke mich bei Dir und auch bei allen Lesern der Poe-Antho - vor allem bei Kalju Kirde, der die Poe-Anthologie "Jenseits des Hauses Usher" (BLITZ) mit viel Genuss gelesen hat, wie er mir schrieb. Auf bald!











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