Interview mit Jörg Kastner
Datum: Monday, 01.November. @ 08:15:52 CET
Thema: Interview


Carsten Kuhr sprach mit Jörg Kastner

Jörg Kastner wurde 1962 in Minden geboren. Nach dem erfolgreichen Studium der Rechtswissenschaften wandt er sich seiner grossen Liebe, der Literatur zu. Als grosser Kenner der Fernsehserie Raumpatrouille - Raumschiff Orion verdiente er erste Merriten und Tantiemen mit Werken über die Kultserie. Später folgten Bücher zu Karl May, bevor er sich, nach einem Ausflug in die Welt des Sherlock Holmes dem historischen Romanen zuwandt. Seine fünfbändige Germanensage (Bastei-Lübbe) entwickelte sich zum Bestseller. Immer wieder aber kam auch seine Jugendliebe zur Phantastik durch (vgl. auch www.kastners-welten.de) .Mit „Im Schatten von Notre-Dame“, der phantastischen Hommage an Victor Hugo, bewies er, dass er seine phantastischen Wurzeln nicht vergessen hat. Mit seinen beiden Vatikan-Thrillern, dem „Engelspapst“ und dem „Engelsfluch“, der diesen Buchherbst aufgelegt wurde, gelangte er erneut zu Bestsellerehren.
CK: Hallo Jörg. Wer verbirgt sich hinter dem Namen Jörg Kastner - was machst Du so, wenn Du nicht am PC sitzt und Dir Bücher einfallen lässt ?
JK: Neben meiner Schreiberei spielt die zweite wichtige Rolle – die wichtigste – in meinem Leben meine Frau Corinna, die übrigens auch den Schreibvirus in sich trägt. Soll heissen, dass ich einen Teil meiner manchmal raren Freizeit mit ihr verbringe. Ansonsten interessiert mich privat zum Glück auch das, womit ich mich in meinen Büchern beschäftige. Ich lese viel Historisches, früher Romane, jetzt mehr Sachbücher, Biographien und Fachzeitschriften. Ich sehe mir gern auch einen guten historischen Film an oder zocke ein historisches Strategiespiel am PC. Aber auch andere Genres machen mir als Leser und Filmgucker Spass, sei es die Phantastik oder der Thriller, was sich ja letztlich auch in meinen Büchern niederschlägt.
CK: Deine Vita, ich erwähnte es zu Beginn kurz, weist Dich als promovierten Juristen aus. War es eine schwierige Entscheidung für Dich von den trockenen Gesetzestexten abzulassen, und dem Leben als freier Schriftsteller zu frönen? Was war der Auslöser Deiner Wahl? Bereust Du manchmal Deine Entscheidung, und wenn ja, wann und warum?
JK: Eine Korrektur, promoviert habe ich nicht. Ich bin zwar im Besitz beider juristischer Staatsexamina, aber die Doktorarbeit habe ich zugunsten meiner ersten Buchveröffentlichung abgebrochen. Schreiben und veröffentlichen wollte ich eigentlich schon seit meiner Schulzeit, aber die ersten Versuche gestalteten sich nicht sonderlich ermutigend (Stichwort: Bumerang-Manuskripte). Als im Sternzeichen des Schützen Geborener trieb mich mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ins Jura-Studium. Während der Zeit klappte es mit den ersten Veröffentlichungen dann doch, und so beschloss ich, einfach auszuprobieren, ob ich als freier und hauptberuflicher Autor (über)leben kann. Und es hat geklappt. Schriftsteller ist nach wie vor mein Traumberuf, aber natürlich gibt es Phasen, wo manche Dinge nicht so gut laufen wie erhofft. Dann gebe ich mich schon mal der Phantasie hin, wie es als festangestellter Jurist bei einem Versicherungskonzern wäre: abends um fünf einfach den Griffel fallen lassen, zu Hause die Füsse aufs Sofa legen und sich keine Gedanken darum machen, wie ich den XY-Verlag dazu bewegen kann, mehr für mein neues Buch zu tun. Aber ich bin ziemlich sicher, dass der virtuelle Jurist Jörg Kastner sich ähnlichen Schriftsteller-Phantasien hingeben würde.
CK: Was liest Du, wenn Du einmal Zeit findest zu einem Buch zu greifen und warum ausgerechnet diese Bücher?
JK: Wie schon erwähnt, sind es oft historische Sachbücher, hin und wieder auch Bücher über das Schreiben, denen man in der Regel ein paar nützliche Anregungen entnehmen kann. So richtig zum Romane schmökern komme ich eigentlich nur noch im Urlaub. Zuletzt war es “Fox on the Rhine” von Douglas Niles und Michael Dobson, ein sehr guter Alternativweltroman, der hierzulande nicht erschienen ist. Die Ausgangslage: Das Attentat vom 20. Juli gelingt, Himmler reisst nach Hitlers Tod die Macht an sich und handelt einen Separatfrieden mit Stalin aus, um mit allen Mitteln die Offensive der Alliierten im Westen aufzuhalten. Ich liebe Bücher wie dieses, die interessante Denkansätze mit einer gut erzählten Geschichte und einer detailliert beschriebenen Welt verbinden.
CK: Welchen Autoren haben Dich beeinflusst, wer sind Deine Vorbilder?
JK: Vorbilder in dem Sinn, dass ich genauso schreiben möchte wie der oder die, gibt es nicht. So etwas würde ich eher an einzelnen Bereichen festmachen. Der immer wieder literarisch unterschätzte Ian Fleming, dessen Bond-Thriller ich sehr schätze, ist zum Beispiel für jeden Autor ein guter Lehrmeister in der Beschreibung von Details. Von den vorzüglichen Kriminalromanen, die Friedrich Dürrenmatt geschrieben hat, kann man lernen, wie man sich in einem Genre bewegt und zugleich mit dessen Regeln spielt. Was die überbordende Phantasie angeht, schätze ich Philip José Farmer sehr. Wie er habe auch ich einen Hang dazu, literarische Figuren anderer Autoren in meinen Werken wiederzubeleben. Zum Beispiel die von Karl May, den ich, wie viele sogenannte klassische Abenteuerschriftsteller, sehr mag. In meinem Roman “Die Oase des Scheitans”, passenderweise im Karl-May-Verlag erschienen, habe ich den Beginn der Freundschaft zwischen Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar geschildert.
CK: Ich weiss von Dir, dass Du neben Karl May zwei weitere grosse Vorlieben hast. Sherlock Holmes und Raumschiff Orion. Zu beiden Kreisen hast Du schon Deinen Beitrag vorgelegt. Zwei Raumpatrouille Bücher und einen Holmes Roman - sind hier weitere Pläne spruchreif? Reizt es Dich nicht, nochmals in der Baker Street 221 B vorbeizuschauen und die siebzehn Stufen zur Wohnung hinaufzugehen?
JK: Es sind sogar zwei Sherlock-Holmes-Romane, daneben noch mehrere Holmes-Kurzgeschichten (unter anderem veröffentlicht in “Alien Contact” und der “science fiction media”) und einige Artikel bzw. Rezensionen zum Thema. Ich bin nämlich seit langen Jahren Mitglied der deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft Von Herder Airguns Ltd. Meine Frau ist Mitgründerin der VHA, wie die Gesellschaft abgekürzt heisst, und über die VHA haben wir uns auch kennengelernt. Das Thema Sherlock Holmes liegt mir also sehr am Herzen, leider mehr als dem deutschen Lesepublikum. Soll heissen, Holmes-Romane verkaufen sich in Deutschland nicht wirklich gut. Gerade versuchen sich ja wohl gleich zwei Verlage, Bastei Lübbe und Blitz, an dem Thema, und ich drücke ihnen, auch im Interesse von Mr. Holmes, kräftig die Daumen. Was die “Raumpatrouille” angeht, so ist sie die grosse Liebe meiner frühen Fernsehtage. Ich war noch keine vier Jahre alt, als ich die Erstausstrahlung zusammen mit meinem Vater, einem grossen SF-Fan, sehen durfte. Somit hat die Serie meinen Hang zum Phantastischen nicht unmassgeblich geprägt. Und es war sicher kein Zufall, dass ich mein erstes erschriebenes Geld für einen Artikel über das Raumschiff Orion (erschienen in den “Phantastischen Zeiten”) erhielt, und dass mein erstes veröffentlichtes Buch wiederum den Schnellen Raumkreuzer zum Thema hatte. Weitere Orion-Projekte sind für mich derzeit aber nicht in Sicht. Trotz diverser Wiederbelebungsversuche ist die Orion aus meiner Meinung nach heute hauptsächlich in der Nostalgie-Ecke beheimatet.
CK: Deinen grossen kommerziellen Durchbruch brachte wohl die 5 teilige Germanen-Saga. Ist solch ein Werk nicht mit einem immensen Aufwand an Recherche verbunden?
JK: In der Tat, zumal ich weder Geschichte studiert noch mich bislang als Erforscher der Antike betätigt hatte. Die Anregung zu den Germanen-Romanen kam vom Bastei Lübbe Verlag, der die fünf Bücher dann auch veröffentlicht hat. Dort hatte man – richtigerweise, wie der Erfolg der Saga bestätigt - den Eindruck, dass solch ein Thema auf dem Buchmarkt fehlt, und man fragte mich, ob mir etwas dazu einfiele. Als ich mich mit der Idee beschäftigte, war ich sehr schnell begeistert und konzentrierte mich auf Arminius und seine Zeit. Was schon deshalb nahelag, weil der Teutoburger Wald und das Herrmannsdenkmal nicht weit von meiner ostwestfälischen Heimat entfernt liegen und ich als Kind diverse Mal den “Herrmann” und das nicht weit entfernte “Cheruskerdorf” besucht hatte. Ich habe mich dann in einen wahren Rechercherausch hineingesteigert und hatte für das erste Buch “Thorag oder Die Rückkehr des Germanen” schliesslich eine Rechnung von knapp 2.000,-- DM, die ich für Sach- und Fachbücher ausgegeben hatte. Damals stand eine Fortsetzung des Romans noch in den Sternen, aber bei jetzt fünf Germanen-Romanen hat sich die Ausgabe natürlich amortisiert.
CK: Im Germanenepos um Thorag und Armin greifst Du literarisch eine Zeit und ein Volk auf, das von Autoren bislang zumindest kaum genutzt wurde. Bei Econ erschien vor Jahren einmal ein von Kai Meyer konzipierter Romanzyklus um die Nibelungen an dem auch Du mit einem Roman beteiligt warst. Wie kamst Du auf die Idee, Deinen Lesern einen unterhaltsamen Einblick in die Gebräuche, das Leben und den Götterkult der Germanen zu gewähren? War Dein Nibelungen Roman der Anstoss sich des Thema´s noch einmal anders anzunehmen?
JK: Wie es zu den Germanenromanen kam, habe ich ja schon erzählt. Tatsächlich kam Reinhard Rohn, der die Nibelungen bei Econ betreute, gerade wegen meiner Erfahrung mit den Germanen auf die Idee, mich um einen Siegfried-Roman zu bitten. Ich bin dann in meinem Roman “Das Runenschwert” auf den Konflikt zwischen heidnischen/germanischen Göttern und dem vordringenden Christentum eingegangen, wie übrigens auch in meinem historischen Roman “Widukinds Wölfe”. Ich halte es für eine sehr spannende Thematik, die in unserem heute so christlich geprägten Kulturkreis nicht sehr bekannt ist.
CK: Manche Kritiker werfen der Reihe vor, dass die Charaktere zu klischeehaft gestaltet wären, die Handlung zu brutal daherkommen würde. Was sagst Du zu solchen Vorwürfen? War die damalige Zeit nicht eben auch geprägt von Gewalt?
JK: Absolut. In einem der vielen von mir durchgeackerten Bücher über die Germanen, “Die ersten Deutschen” von S. Fischer-Fabian, habe ich gelesen, angesichts der damaligen Lebensumstände hätte ein durchschnittlicher Germane, allein um zu überleben, ein härterer Kerl sein müssen als die Heizer der wilhelminischen Kriegsmarine (und die müssen wirklich harte Burschen gewesen sein). Die Varus-Schlacht hat es ja wirklich gegeben, und das war alles andere als eine Schlacht am kalten Büffet. Natürlich ist Gewalt in unserer heutigen Zeit als anrüchig verschrien. Malte Schulz-Sembten zum Beispiel war sehr entsetzt, als mein Protagonist Thorag einen feindlichen Spion auf einen blossen Verdacht hin erdolcht. Das mag zwar brutal sein, entspricht aber eben nicht dem Klischee des “guten” Helden. Was die Klischees betrifft, so gibt es durchaus auch andere Sichtweisen. Zum Beispiel mein zweiter Germanen-Roman, “Der Adler des Germanicus”, wird sehr dafür gelobt, wie die Denk- und Handlungsweise sowohl der Römer als auch der Germanen den Lesern nahegebracht wird.
CK: In zwei weiteren historischen Romanen hast Du Dich mit Köln beschäftigt. Du hast hier historische Quellen verwandt und darum Deine Handlung um die Kaufmannsfamilie Treuer gebaut. Das Machtspiel zwischen dem damals noch beinnahe allmächtigen Klerus und dem aufkommenden Bürgertum wird thematisiert. Wie kamst Du auf den Handlungsort Köln – meines Wissens bist Du ja kein Kölner – wie überhaupt auf die Idee?
JK: Auch hier geht der Lorbeer, wie bei den Germanen, an meinen damaligen Lektor bei Bastei Lübbe, Dr. Edgar Bracht. Er schickte mir eines Tages eine kurze Notiz aus einem historischen Buch über Köln, nur vier oder fünf Zeilen, wo von der Blendung eines renitenten Kaufmannssohns durch Bischof Anno die Rede war. Dr. Bracht war der Meinung, ein Roman über Anno würde die Kölner sehr interessieren. Ich habe mich dann, wieder einmal, in die Thematik eingelesen, habe Köln besucht und mir dort eine Menge Literatur über die Geschichte der Stadt zugelegt. So wurde aus dem namenlosen Kaufmannssohn bei mir Georg Treuer. Und die Kölner mögen, wie die Verkaufszahlen belegen, das Buch tatsächlich.
CK: „Im Schatten von Notre-Dame“ war, soweit mir bekannt, Dein erster Bestseller im Hardcover. Hier nahmst Du den Handlungsfaden des klassischen Romans von Victor Hugo auf. Wie kamst Du darauf, Dich dem klassischen Stoff zuzuwenden, hast Du Paris besucht, um Deine Recherchen an Originalschauplätzen durchzuführen?
JK: Ich hatte vorher schon einen Sherlock-Holmes-Roman und den historischen Roman “Die Flügel des Poseidon” im Hardcover veröffentlicht. Aber es stimmt, “Im Schatten von Notre-Dame” war mein Durchbruch auf dem Hardcover-Sektor. Ich hatte gelesen, wie schwer sich Victor Hugo mit der Fertigstellung seines Romans “Notre-Dame de Paris” (in Deutschland bekannt als “Der Glöckner von Notre-Dame”) getan hatte. Ausserdem hatte Hugo sehr viel für sein Buch recherchiert, dann aber jede Menge historischer Fehler im fertigen Werk abgeliefert. Ausserdem kannte ich Victor Hugos Haus auf der Kanalinseln Guernsey, das vor Skurilitäten – wie z.B. den von mir im Nachwort zu “Im Schatten von Notre-Dame beschriebenen Überwachungsspiegeln – nur so strotzt. Aus all diesen Elementen entstand die Idee, einen zweiten Notre-Dame-Roman zu schreiben, der diese Widersprüche und Auffälligkeiten erklärt und gleichsam die Geschichte hinter der Geschichte erzählt. Zur Recherche war ich tatsächlich in Paris. Dort habe ausgiebig die Kathedrale Notre-Dame und andere interessante Orte besucht, wie das kleine, aber instruktive Museum zur Geschichte der Kathedrale, das sich unweit von Notre-Dame in einer Seitengasse versteckt.
CK: Nach dem Bestseller „Der Engelspapst“ hast Du Dich dann wieder einer historischen Persönlichkeit zugewandt. Mozartzauber hiess der phantastische Roman, der, wie kann es anders sein, in Wien spielt. Auch hier die Frage woher die Inspiration kam?
JK: Die kam aus einem Sachbuch über Mozarts Verbindungen zu den Freimaurern. Als ich dann auch noch las, wie sehr die “Zauberflöte”, Mozarts letzte Oper, voller Anspielungen auf die Rituale und Symbole der Freimaurer steckt, war es nicht mehr weit bis zur konkreten Romanidee. Ausserdem ist Wien eine sehr schöne Stadt. Es gibt schlechtere Orte für eine Recherchereise.
CK: Deine wohl wichtigsten und erfolgreichsten Werke sind sicherlich die beiden phantastischen Vatikanthriller. Im ersten Roman nahmst Du die nach wie vor mysteriösen tatsächlich verübten Verbrechen an einem Schweizergardisten als Aufhänger, um den Leser zu fesseln. Insbesondere in der Schweiz ging der nach wie vor ungeklärte Mord breit durch die Medien. Hat Dich diese Berichterstattung zum Roman inspiriert, oder war die Idee eines Papstes, der sich als leiblicher Abkömmling Jesu entpuppt, und die Kirche reformieren will, vorher da?
JK: Ich hatte die Schweizergarde als Romanthema schon länger auf der Liste, weil ich es ganz einfach faszinierend finde, dass eine militärische Einheit über die Jahrhunderte hinweg gleichsam denselben Dienst versieht. Der Mord am Kommandanten der Schweizergarde und seiner Frau war dann der Auslöser, mich näher mit der Materie zu beschäftigen. Also hatte ich erst die Schweizer und dann die Idee mit dem Papst, die aus dem ausgiebigen Studium theologischer und kirchengeschichtlicher Literatur entstanden ist.
CK: Mit den beiden Engelsbüchern hast Du Dich intensiv mit der katholischen Kirche auseinandergesetzt. Wie lange haben hier die Recherchen gedauert, warum bist Du überhaupt auf diese Thematik gekommen? Ist es nicht für einen Aussenstehenden unheimlich schwer, einen Einblick in die verwinkelten Machtstrukturen des Vatikan zu bekommen? Wo und wie hast Du recherchiert? Warst Du im Vatikan?
JK: Als katholisch erzogener, aber selbstständig denkender Mensch lag es eigentlich nahe, dass ich mich mit der Lehre der katholischen Kirche beschäftige. Da ich Schriftsteller bin, habe ich das in meinen Büchern getan. Und da mein Agent Roman Hocke in Rom lebt, hatte ich Einblicke in die Geheimnisse dieser an Geheimnissen so reichen Stadt, die mir sonst sicherlich verborgen geblieben wären. Durch seine Vermittlung konnte ich an einer Papstaudienz teilnehmen. Den Vatikan habe ich während meines Rom-Aufenthalts natürlich erkundet, soweit das einem Aussenstehenden möglich ist. Vieles, was die Machtstrukturen im Vatikan betrifft, hat sich mir aber erst durch ein ausgiebiges Literaturstudium erschlossen.
CK: Gab es auf Deinen Thriller Reaktionen von Seiten der Kirche oder deren Vertreter?
JK: Negative Reaktionen seitens der Kirche sind mir nicht bekannt. Nur der ekz-Infoformationsdienst (Einkaufszentrale der Bibliotheken) warnte öffentliche Bibliotheken vor dem Buch mit dem diffusen Hinweis, bei gläubigen Katholiken könnten “durchaus religiöse Gefühle verletzt werden”. Das scheint dem Buchabsatz aber nicht geschadet zu haben.
CK: Neben den phantastischen Thrillern und den historischen Romanen hast Du Dich auch als Fantasy Autor für den Ueberreuter Verlag betätigt. Inwieweit unterscheidet sich das Schreiben eines Fantasy Romans von dem eines historischen Titels?
JK: Zunächst scheint das Schreiben eines Fantasy-Romans einfacher zu sein, weil man nicht die ganze Recherche benötigt, die ein historischer Roman erfordert. Auf der anderen Seite muss man für eine erdachte Welt, damit diese glaubwürdig ist, die Hintergründe selbst erarbeiten. Das kann unter Umständen ein ebenso grosser Aufwand sein wie die Recherche für ein historisches Werk. In meinem ersten Roman für Ueberreuter, “Die Nebelkinder”, habe ich die Fantasy-Geschichte vor dem historischen Hintergrund des Frühmittelalters angesiedelt. Insofern hatte ich ein historisches Setting als Grundlage. Bei dem zweiten Ueberreuter-Roman, “Die Steinprinzessin”, gibt es eine erdachte Welt unter der Erde, die aber nicht auf magischen Grundlagen fusst, sondern wissenschaftlich erklärbar ist.
CK: In „Die Steinprinzessin“ hast Du erstmals zusammen mit Deiner Ehefrau einen Roman verfasst. Wie lief das praktisch ab. Gingen die Kapitel hin- und her, oder wie dürfen wir uns die Kooperation vorstellen. Wart Ihr immer einer Meinung, oder gab es auch Zoff über den Fortgang der Handlung?
JK: Meine Frau Corinna und ich haben gemeinsam die Grundlagen wie Handlungsstrang und Charaktere erarbeitet. Aber dann haben wir, um uns nicht wechselseitig in die Quere zu kommen, die Arbeit so aufgeteilt, dass nur einer schreibt, der andere das komplette Werk überarbeitet, dann der nächste diese Version wieder überarbeitet und so weiter. Natürlich gab es hin und wieder auch kleine und grosse Diskussionen über einzelne Punkte, aber das hat weder dem Buch noch uns geschadet. “Die Steinprinzessin” ist von Verlag und Kritik gut aufgenommen worden, und unsere Ehe ist noch intakt.
CK: Warum habt Ihr Euch als Setting für die Steinprinzessin ein französisches Dorf ausgesucht, und Euren Ausgangspunkt nicht in hiesigen Gefilden gesucht?
JK: Uns gefielen die französischen Namen der Steinmenschen und der Örtlichkeiten so gut. Caillou klingt einfach schöner als Kiesel und Rocaille hübscher als Steingarten, oder?
CK: Wird es eine Fortsetzung der Abenteuer Pierre´s geben?
JK: Eine Fortsetzung war schon angedacht, in den Grundzügen bereits konzipiert und vom Verlag auch angefragt. Uns hätte hierbei die Frage interessiert, wie die unterirdische Steinwelt entstanden ist. Aus Termingründen sind wir bislang nicht dazu gekommen, das Projekt zu verwirklichen. Zumal meine Frau inzwischen Verträge für Solo-Projekte erhalten hat, die ihre Schaffenskraft derzeit in Anspruch nehmen. Corinnas Romane sollen ab Herbst 2004 bei Bastei Lübbe erscheinen.
CK: Wie sieht ein typischer Arbeitstag im Leben des Jörg Kastner aus? Gibt es das überhaupt, den typischen Tag?
JK: Schon. Meistens sitze ich von morgens bis abends brav an meinem Schreibtisch oder im Lesesessel. Stinknormale Büroarbeit also, nur mit dem Unterschied, dass ich morgens nicht aus dem Haus gehe, sondern lediglich zwei Stockwerke tiefer von der Wohnung in mein Büro. Dort wird entweder geschrieben oder recherchiert, letzteres in Büchern oder zunehmend auch im Internet. Nichts Aufregendes also.
CK: Wie schreibst Du? Wie dürfen wir uns den Weg von der Idee zum Buch vorstellen? Entwirfst Du zunächst ein Exposé, bevor Du beginnst zu recherchieren und zu schreiben?
JK: Wenn die Grundidee erst einmal da ist, mache ich als erstes eine knappe Skizze der Handlung und der wesentlichen Aspekte des Romans. Bevor daraus dann ein umfangreicheres Exposé wird, steht schon die erste Leserecherche an. Das Exposé geht dann an meinen Agenten und an den Verlag. Und falls es zum Vertragsschluss kommt, wird ein Buch daraus.
CK: Macht es immer Spass zu erzählen, oder gibt es auch Tage, an denen Du Dich zwingen musst, Dich vor die Tastatur zu setzen?
JK: Diese Tage gibt es auch, was nicht unbedingt an der Geschichte liegen muss, an der ich gerade sitze. Manchmal sind es auch äussere Einflüsse wie schönes Wetter oder irgendwelcher beruflicher Ärger, die den Schreibfluss zu hemmen drohen. Aber dann muss man halt Profi sein und trotzdem auf die Tasten hauen.
CK: Andreas Eschbach hat einen Gast-Roman zu Perry Rhodan beigesteuert. Wäre so etwas auch etwas für Dich? Würdest Du Dich einem fremden Diktat eines Exposes unterwerfen wollen?
JK: Ein klares Jein. Ein Gastroman für “Perry Rhodan” ist sicher eine witzige Geschichte. Zumal ich in meiner Schulzeit fleissig “Perry” und auch “Atlan” gesammelt habe. Aber auf längere Sicht gleichsam nach fremder Anweisung und fremder Vorstellung zu schreiben, kann auch sehr stressig werden. Weil man dann unter dem Zwang steht, mit der eigenen Arbeit den Geschmack eines anderen (des Exposéautors oder Lektors) treffen zu müssen. Ich habe damit schon einmal sehr schlechte Erfahrungen gemacht und würde mir das in Zukunft sehr genau überlegen.
CK: Was können wir in nächster Zukunft von Dir erwarten? Ich habe etwas davon läuten hören, dass auch Du zu dem Autorenkreis zählst, der Michael Ende´s Phantásien bei Droemer mit neuen Erzählungen bereichern darf?
JK: Was Phanásien betrifft, ebenfalls ein klares Jein. Mein Agent Roman Hocke war früher Michael Endes Verleger und besitzt daher ein starkes persönliches Interesse an den “Legenden von Phantásien”. Er hatte mich schon beim ersten Romantrio dabeihaben wollen, aber die Arbeit am “Engelsfluch” hat das nicht zugelassen. Wir stehen weiterhin im Gespräch bezüglich eines Beitrags von mir für das Phantásien-Projekt. Ob es dazu kommt, hängt nicht zuletzt von meinem Zeitplan ab und auch davon, ob ich der Meinung bin, dass ich den inhaltlichen Erwartungen, die an mich gestellt werden, gerecht werden kann. Im Augenblick jedenfalls bin ich mit meinem nächsten “eigenen” Hardcover beschäftigt, ein historischer Roman mit phantastischen Elementen in der Tradition meiner Romane “Im Schatten von Notre-Dame” und “Mozartzauber, der im Frühjar 2005 bei Droemer erscheinen soll.
CK: Lieber Jörg, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für uns genommen hast. Wir wünschen Dir und Deiner Familie für die Zukunft alles Gute und noch viele interessante, unterhaltsame und spannende Bücher.






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