Im Gespräch mit: Ruggero Leò
Datum: Wednesday, 15.August. @ 18:05:11 CEST
Thema: Interview


Seit einigen Jahren betreut Ruggero Leò als Lektor bei Bastei-Lübbe die Bereiche Science Fiction und Fantasy. Während andere große Taschenbuchverlage auf den scheinbar programmierbaren Erfolg mit dicken Fantasy-Romanen über tolkienesque Völker und Endlos-Serien setzen, versucht man bei Bastei-Lübbe, dem Leser immer wieder außergewöhnliche Kost vorzusetzen. Neben erfolgreichen Serien präsentiert der Verlag daher immer wieder ambitionierte Werke außerhalb der ausgetretenen Pfade, baut neue, unbekannte Autoren auf und bietet seinen Lesern ein abwechslungsreiches Programm. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr sprach mit dem Macher hinter den Büchern.

Guten Tag Herr Leò. Könnten Sie sich zu Beginn ganz kurz unseren Lesern vorstellen?

Ich arbeite schon viele Jahre für die Verlagsgruppe Lübbe. Schon während meines Germanistik-Studiums war ich für diverse Verlage als freier Redakteur tätig, unter anderem eben auch für Lübbe. Im Anschluss an mein Studium habe ich dann sechs Jahre als Übersetzer gearbeitet, bis ich eines Tages das Angebot bekam, als Verlagslektor zu arbeiten.

Wie kam es, dass Sie im Verlauf der letzten Jahre die Leitung bei Bastei-Lübbe in Sachen SF und Fantasy übernahmen. Ist das wirklich ein Traumjob, fürs Lesen bezahlt zu werden, oder ist auch dies ein stressiges Arbeiten gegen die Zeit? Wie sieht ein typischer Arbeitstag im Leben des Ruggero Leò aus?

Stefan Bauer hat mich bei Lübbe ins Boot geholt. Wir kannten uns durch meine freiberufliche Zusammenarbeit schon viele Jahre. Ob es ein Traumjob ist? Ja . und nein. Manchmal geht es schon arg hektisch zur Sache, da gilt es dann Ruhe zu bewahren. Generell kann ich sagen, dass der Beruf des Lektors ungemein vielseitig ist. Es gibt immer viele offene Baustellen, vieles davon ist Bürokratie und Projektmanagement. Aber eben auch Lesen - das Schönste von allem. Es macht großen Spaß, neue Autoren zu entdecken, sie aufzubauen und dann hinterher zu sehen, dass sie Erfolg haben.

Haben Sie sich schon immer zur phantastischen Literatur hingezogen gefühlt, und was lesen Sie, wenn Sie einmal nicht lesen müssen am liebsten?

Ja, ich habe immer meinen Schwerpunkt auf der phantastischen Literatur gehabt. Angefangen bei Lovecraft bis hin zu den modernen Autoren. Früher habe ich auch viel Stephen King gelesen. Heute suche ich mir meine Freizeitliteratur ganz genau aus, da ich im Berufsalltag sehr vieles lesen muss, was mir weniger gefällt. In meiner Freizeit lese ich dann auch schon mal ganz gerne Fachliteratur, Sachbücher und natürlich ausgewählte Autoren aus der SF und Fantasy. Und ich bin ein großer Comic-Fan.

Man hört immer wieder, dass der Rotstift des Vertriebes mittlerweile, gerade auch was den Ankauf und auch die Publikation von umfangreichen Romanen anbelangt, regiert. Wie sieht das bei Ihnen im Hause aus, können Sie relativ frei schalten und walten, und Ihre Vorstellungen verwirklichen?

Bei umfangreichen Romanen zählt im Wesentlichen nur die Frage, ob das Projekt unter dem Strich schwarze Zahlen schreibt. Wir kalkulieren gründlich und versuchen dabei natürlich riskante Einkäufe zu vermeiden.

Ähnlich wie bei den meisten großen Taschenbuchverlagen besteht auch das Programm von Bastei-Lübbe mittlerweile zu einem markanten Prozentsatz aus teilweise lang laufenden Serien. Haben Sie überhaupt noch die Mittel, Bücher die Sie als herausragend empfinden, die sich aber vielleicht nicht so einfach vermarkten lassen anzukaufen, oder bleibt nach dem Erwerb der Rechte für Zyklen hier kaum mehr etwas übrig?

Serien füllen in der Tat automatisch Programmplätze für eine gewisse Zeit. Aber ja, wir können nach wie vor Bücher platzieren, die nicht auf der Mainstream-Schiene fahren. Allerdings müssen wir das vorsichtig und in einem gewissen Rahmen tun. Wir legen auch Wert darauf, neben den massentauglichen Stoffen wie Space Operas oder Action-Fantasy
anspruchsvollere Kost im Programm zu haben. Das verleiht dem Programm eine gesunde Mischung, und es ist für jeden Geschmack etwas dabei.

So gut ein programmierbarer Erfolg mit Bestsellern wie „Honor Harrington“ und anderen auch ist - ist es nicht frustrierend, wenn ein Großteil der Edition im Voraus mit Fortsetzungen besetzt ist, und kaum Platz für Einzelromane bleibt? Lassen sich neue Stimmen überhaupt noch aufbauen?

Neue Stimmen lassen sich aufbauen. Dabei kommt es auf gezielte Auswahl an, denn es ist viel Durchschnittliches im Angebot. Ein gewisses Risiko ist mit jedem Autor verbunden, der hierzulande ein unbeschriebenes Blatt ist. Auch qualitativ herausragende Autoren setzen sich nicht automatisch auf dem deutschen Markt erfolgreich durch. Und bei manchen muss man einen langen Atem haben. Bei unserem Erfolgsautor David Weber zum Beispiel hat es etwa sechs Romane gebraucht, bis der Erfolg richtig einsetzte. Eine erfolgreiche Serien mit vielen Fortsetzungsbänden ist jedenfalls weniger eine Blockade für neue Autoren als vielmehr eine Stütze für das gesamte Programm.

Es fällt auf, dass Bastei-Lübbe den Trend, verstärkt deutschsprachige Autoren zu lancieren, kaum folgt. In der letzten Zeit erschien Hugh Walkers „Magira“-Zyklus in überarbeiteter und endlich vollständiger Neuausgabe, ansonsten aber machen sich deutsche Stimmen im Kanon der SF & Fantasy, abgesehen einmal von der Heft-Zweitverwertung im Taschenbuch, rar - warum? Provokativ gefragt - ist bei Bastei-Lübbe kein Platz für deutsche Nachwuchsautoren?

Wir haben in den kommenden Programmen einige deutsche Autoren im Programm. Uschi Zietsch beispielsweise schreibt derzeit an einer epischen Fantasy-Trilogie. Und wir haben Stephan Russbült mit seinen „Oger“-Romanen unter Vertrag genommen. Darüber hinaus sind bereits weitere Projekte mit deutschen Autoren in der Entwicklung.

Nach der Einstellung der „Bibliothek der Phantastischen Literatur“ weist das neue Programm nun mit dem im Herbst startenden Trade Paperback-Veröffentlichungen eine neue Erscheinungsform aus. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Titel für diese Edition aus, sprechen Sie damit denselben Interessentenkreis an, wie mit den normalen Taschenbüchern, oder suchen Sie hier eine andere Leserklientel zu erreichen?

Nein, die Kriterien sind die gleichen wie bei den Taschenbüchern: Die Qualität der Romane muss einfach stimmen. Dabei kann das Zielpublikum durchaus variieren. Bislang veröffentlichen wir in der Paperback-Reihe ausschließlich Fantasy-Romane. Bei einigen Titeln wie etwa bei „Die Goblins“ ist das Zielpublikum ein eher jüngeres, das actionbetonte Fantasy sucht. Das gilt in gewissem Maße auch für die Paperbacks von Alison Croggon mit ihrer „Pellinor“-Saga. Bei dieser Reihe kommen Tolkien-Fans voll auf ihre Kosten. Hier haben wir es allerdings nicht mit Durchschnittskost zu tun, sondern mit großartiger epischer Fantasy, die qualitativ weit über dem Durchschnitt liegt.

Gerade die Titel Ihres Hauses haben sich seit jeher durch besondere Titelgestaltung ausgezeichnet. Reich geprägte Deckel, Eckvignetten oder umlaufende Titelbilder - das alles kostet Geld. Haben Sie hier mit den Kollegen mit dem Rotstift einen harten Kampf ausfechten müssen, um Ihre Bücher auch optisch gleich aus der Masse herausragen zu lassen?

Nein, keinen harten Kampf. Vielmehr sind die Kollegen im Design und in der Herstellung mit viel Herzblut bei der Sache. Was im Rahmen der Kalkulation möglich ist, wird auch umgesetzt.

Inwieweit haben Sie Einfluss auf die äußere Gestaltung des Buches - wählen Sie zum Beispiel die Cover für die Titel aus?

Ja, ich wähle die Cover selbst aus. Sehr gerne beauftrage ich dabei diverse Künstler. Ein maßgeschneidertes Cover ist für das Buch am besten. Bildagenturen liefern den Rest, und wenn das Originalcover gut ist und die entsprechenden Rechte verfügbar sind, versuche ich es zu übernehmen.

Wie alle einschlägigen Verlage hat auch Bastei-Lübbe seinen festen Kreis versierter Übersetzer. Wie entscheiden Sie, wer davon welches Buch übersetzen darf - dass die Serien bei einem Übersetzer bleiben ist selbstverständlich, aber sicherlich will und kann nicht jeder Übersetzer jedes Buch ins Deutsche übertragen.

Die Vergabe erfolgt nach Kompetenz und Interesse des jeweiligen Übersetzers. Wenn ich beispielsweise einen Fantasy-Übersetzer kenne, der zugleich auch ein Experte für nautische Begriffe ist, biete ich ihm natürlich als ersten den Fantasy-Roman an, in dem diese Begriffe eine zentrale Rolle spielen. Ein Beispiel hierfür ist unsere Fantasy-Reihe von James M. Ward, „Der Magierkadett“. Grundsätzlich gilt: Man sollte seine Übersetzer und deren Fachkenntnis gut kennen, damit man die Aufträge optimal vergeben kann. Wenn mal ein Fachmann nicht für eine Übersetzung zur Verfügung steht, versuche ich ihn zumindest als Berater zu gewinnen und stelle den Kontakt zwischen ihm und dem letztlich ausgewählten Übersetzer her.

In den letzten Jahren konnte Bastei-Lübbe einige der renommiertesten Autoren für sich gewinnen. Jack Vance, Lois McMaster Bujold, Julian May, Alan Dean Foster, Robert A. Heinlein und Larry Niven - um nur einige zu nennen - wurden früher bei anderen deutschen Verlagen publiziert. Ist das für einen Herausgeber ein Glücksfall, wenn man einen bereits eingeführten Autor übernehmen kann, oder macht ihnen der Aufbau eines neuen Namens mehr Spaß?

Es hat beides sein Gutes. Etablierte Autoren sind immer gut, da das Zielpublikum genau weiß, was es bekommt. Neue Autoren müssen erst mit mehr Aufwand präsentiert werden. Aber Spaß macht beides!

Mit China Miéville und Jack McDevitt haben Sie zwei der aufregendsten und preisträchtigsten Autoren unserer Tage im Programm. Beides sind Bastei-Lübbe-Eigengewächse, deren Werke sich allgemeiner Wertschätzung erfreuen. Ist man als Herausgeber nicht stolz, wenn man dem Leser dann entsprechend mit dem „Nebula“ oder „Hugo“ ausgezeichnete Werke präsentieren darf?

Ja, das ist alles andere als unangenehm. Gleichwohl möchte ich betonen, dass diese beiden Autoren von Stefan Bauer ins Haus geholt worden sind. Meine selbst entdeckten Autoren gedeihen gerade erst, und es ist eine Freude, ihre Entwicklung zu beobachten und voranzutreiben.

Viele Ihrer Konkurrenten suchen nach neuen Stimmen gerade auch aus dem osteuropäischen Ausland. Autoren wie Max Frei oder Sergej Lukianenko erobern die Buchhandlungen. Bastei-Lübbe hält sich, was die Publikation nicht Englischsprachiger Werke anbelangt, etwas zurück - warum?

Diese Zurückhaltung hatte in letzter Zeit viel damit zu tun, dass unser Programm recht weit im Voraus gefüllt ist. Ich bin derzeit im Gespräch mit Agenten, was osteuropäische Autoren angeht. Ich halte einige davon für eine Bereicherung unseres Programms. Die Verhandlungen laufen bereits.

Mit der „Anita Blake“-Reihe aus der Feder von Laurell K. Hamilton haben Sie als einer der ersten deutschen Verlage das Potential entsprechender Romane, die die Realität geschickt mit einem phantastischen Touch anreichern, erkannt. Folgerichtig erscheinen die Bände dann auch in der Allgemeinen Reihe und nicht in der Nische SF/Fantasy. Was verspricht sich der Verlag davon, einige eindeutig phantastische Titel außerhalb der diesbezüglichen Reihen anzubieten?

Wir erreichen dort ein breiteres Zielpublikum, also auch Leser, die mit SF und Fantasy weniger zu tun haben, aber viel mit Vampir-Stoffen á lá „Buffy“ anfangen können.

Garth Nix´ Zyklus um „Die Schlüssel zum Königreich“ war ursprünglich als Taschenbuch angekündigt. Umso überraschender, dass die Bände dann, als auch handwerklich sehr liebevoll gestaltete Hardcover, im zum Konzern gehörenden Ehrenwirth Verlag erschienen. Können Sie unseren Lesern erzählen, warum man den in diese Richtung doch ungewöhnlichen Weg des Upgrading gegangen ist?

Das lag daran, dass die Titel bei uns hausintern auf allen Ebenen so gut ankamen. Wir haben uns einfach gedacht, dass ein so gutes Buch einen Hardcover-Vorlauf mehr als verdient hat.

Auffallend ist, dass quer über alle einschlägigen Großverlage diese die Anthologien komplett eingestellt haben. Hat das intelligente Spiel mit dem kurzen Text im modernen Business, das immer dickere, vielbändige Zyklen honoriert keinen Platz mehr?

Fest steht, dass sich Anthologien (auch von sehr erfolgreichen Autoren) grundsätzlich nicht so gut verkaufen wie Romane. Das ist eine altbekannte Tatsache, die ich persönlich schade finde. Ich mag Anthologien sehr und habe sie oft genutzt, um neue Autoren kennen zu lernen.

Vor Kurzem haben wir die Vorschau der Bastei-Lübbe Titel für Herbst/Winter 2007/2008 veröffentlicht. Inwieweit planen Sie als Herausgeber hier voraus? Der Vorlauf ist ja, bedingt durch die Übersetzungen, sicherlich beträchtlich.

Sie können davon ausgehen, dass jedes Buch eine beträchtliche Produktionszeit benötigt. Von der Übersetzung bis hin zur Redaktion, zum Satz, Korrekturlesen und Drucken vergehen im Schnitt acht Monate. Die Bücher werden schon viel früher eingekauft. Hier im Verlag beginnt die Arbeit an dem Buch sehr, sehr früh. Wir befassen uns in den letzten Monaten (seit etwa April 07) mit dem Fantasy-Programm, das im Mai bis Oktober 2008 erscheinen wird.

Können Sie unseren Lesern vielleicht den Mund noch etwas mehr wässrig machen, was danach, also ab dem Frühjahr/Sommer 2008 für interessante Titel in Vorbereitung sind?

Klar, es wird sehr viel Interessantes geben. Vor allem die neue Fantasy-Trilogie von Uschi Zietsch ist zu nennen. Epische Fantasy, deren erster Teil „Dämonenblut“ heißen wird. Darüber hinaus können sich die Leser auf Stephan Russbülts „Die Oger“ freuen, ein Roman, der sehr viel augenzwinkernden Humor aufweist. Wir haben einen neuen „Ringwelt“-Roman von Larry Niven im Programm und auch Alan Dean Fosters Reihe um Pip & Flinx wird fortgesetzt (deutsche Erstveröffentlichungen!).

Vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Haus für die Zukunft alles Gute!


Die Website von Bastei-Lübbe ist hier zu finden.





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