Im Gespräch mit: Urban Hofstetter
Datum: Wednesday, 09.May. @ 19:59:24 CEST
Thema: Interview


Blanvalet ist bekannt und beliebt für sein breites Fantasy-Programm. Romane von Autoren wie George R. R. Martin, Terry Goodkind und Christopher Paolini zählen zu den bekanntesten und beliebtesten des Genres überhaupt. Unser Mitarbeiter Carsten Kuhr hat sich mit Urban Hofstetter, der seit einiger Zeit das Programm als gestaltender Lektor betreut, unterhalten und sich informiert, auf was sich der Leser in den kommenden Monaten freuen kann.

Hallo Herr Hofstetter. Unbemerkt von den meisten Lesern haben Sie schon vor einiger Zeit die Mitbetreuung der Blanvalet Fantasy Edition übernommen, seit dem Wechsel von Herrn Busch zu Egmont im Februar 07 sind Sie Programm gestaltender Lektor bei Blanvalet Fantasy. Können Sie sich unseren Lesern zunächst einmal kurz selbst vorstellen - wie wird man Lektor einer der größten deutschsprachigen Fantasy-Reihen?

Vor etwa sieben Jahren habe ich, noch während meines Studiums, als freier Mitarbeiter für Volker Busch begonnen und hatte vor etwas sechs Jahren das unerhörte Glück, eine Festanstellung als Lektor bei Blanvalet zu erhalten. Dieses Glück wurde schließlich perfekt, als ich vor ein paar Monaten die Fantasy übernehmen durfte, der von frühester Jugend an meine größte Leidenschaft gilt.

Was machen Sie, wenn Sie nicht Ihrer Verlagstätigkeit nachgehen, und was liest Urban Hofstetter, wenn er einmal nicht lesen muss?

Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass Lektoren – gerade weil sie einem sehr erfüllenden Beruf nachgehen – zur Selbstausbeutung neigen. Da bleibt eigentlich kaum noch Zeit für Aktivitäten jenseits des Berufs. Meine Freizeit an den Wochenenden gehört daher ganz meiner Familie. Außerdem stehe ich drei Mal in der Woche um 5 Uhr auf, um den Kopf bei einem ausgedehnten Waldlauf freizubekommen.
Auch privat lese ich vorwiegend Fantasy oder Science Fiction.

Wie sieht Ihr Arbeitstag im Verlag aus - ab in den gemütlichen Lesesessel und bis auf die Unterbrechung des Mittagsmahls schmökern, bis es Zeit wird nach Hause zu gehen - oder wie sieht die vielleicht etwas tristere Wirklichkeit aus?

Ja, das wäre schön … Die Wirklichkeit ist zwar nicht trister, dafür aber wesentlich geschäftiger. Ich bin eigentlich den ganzen Tag mit Kollegen aus dem Haus, Autoren, Literaturagenten oder externen Mitarbeitern im Kontakt. Zeit zum Lesen bleibt da selten – das machen wir Lektoren abends zu Hause.

Während andere Verlage zunehmend auf den deutschsprachigen Autorennachwuchs setzen, dominieren bei Blanvalet nach wie vor die ausländischen Verfasser. Ist Fantasy aus deutschen Landen für Sie kein Thema?

Tatsächlich überwiegen bei Blanvalet bislang Fantasyautoren aus dem englischsprachigen Raum, aber natürlich werden auch wir uns in Zukunft stärker auf die Arbeit mit deutschen Autorinnen und Autoren konzentrieren. So schreibt Claudia Kern, die durch ihre „Maddrax“-Romane bekannt wurde, gerade eine High-Fantasy-Trilogie für uns. Der erste Roman liegt uns bereits vor, und ich kann jetzt schon versprechen, dass da etwas ganz Großes auf die Fantasyfans zukommt.

Monatlich erscheinen ein großformatiges Paperback sowie drei Taschenbücher. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Titel als Paperback besonders herausgestellt werden?

Da Blanvalet – zumindest bislang – anders als unsere Konkurrenz keine Fantasyromane im Hardcover veröffentlicht, ist das Paperbackformat schlicht ein Ausdruck der programmatischen Gewichtung.

Mit Jason Darks Reihe um „Don Harris“ haben Sie eine neue Zielgruppe angepeilt. Früher wären die Romane um den Dämonenjäger wohl eher im Heftbereich publiziert worden - welche Erwartungen stecken hinter dem Start der Reihe?

Jason Dark ist seit vielen Jahren der unumstrittene Meister der deutschen Schauergeschichten. Als wir das Angebot erhielten, seine neue Grusel-Thriller-Serie bei Blanvalet zu veröffentlichen, griffen wir natürlich sofort zu und sind sehr glücklich über dieses Juwel in unserem Programm, das sich immer mehr zum veritablen Diamanten auswächst. Und natürlich freuen wir uns auch sehr über den Erfolg der großartigen „Don-Harris“-Hörspiele bei Random House Audio.

Mit Max Frei haben Sie erstmals einen der aufstrebenden Autoren aus den ehemaligen GUS-Staaten im Programm. Die Romane zeichnen sich dadurch aus, dass sie inhaltlich doch ganz ungewohnte, und damit interessante Kost für den Leser bereithalten. Wie kamen Sie auf die Ukrainierin?

Max Frei wird von einer sehr umtriebigen russischen Agentin betreut, die ihre Romane zunächst einer Kollegin aus der regulären Belletristik anbot. Der fiel Gott sei Dank jedoch schnell auf, dass sie da im wahrsten Sinne des Wortes etwas Fantastisches in Händen hielt, das sie mit wärmster Empfehlung an uns weiterreichte. Und auch wir waren von Max Freis wunderbarem Humor und ihren faszinierend skurrilen Geschichten sofort völlig hingerissen.

Ist es nicht schwierig für solche Werke Lektoren und Übersetzer zu finden - wie informieren Sie als Herausgeber sich hier - sind Sie des Russischen mächtig, oder muss man sich da ganz auf Außenlektoren und Empfehlungen verlassen?

Leider bin ich selbst nicht des Russischen mächtig, aber einer der Vorteile einer großen Verlagsgruppe wie Random House ist, dass man hier viele Kollegen mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen hat, die einem in solchen Fällen gerne unter die Arme greifen.

Namhafte Zugpferde des Programms enttäuschten mit ihren letzten Veröffentlichungen. Irgendwie scheint der Dampf bei Terry Goodkind, den Eddings oder Terry Brooks heraus zu sein. Beim neuen Programm fiel mir dann auf, dass von diesen einstigen festen Hausnummern kein weiterer Band vertreten ist. Werden Sie diese Autoren pflegen, oder setzen Sie stattdessen auf junge, unverbrauchte Talente wie etwa Swainston?

Die großen und renommierten Autoren der Fantasy werden bei Blanvalet auch weiterhin eine prominente Stellung einnehmen. Gerade von Terry Brooks erscheint im April 2008 „Kinder der Apokalypse“, der erste Roman aus einer neuen Trilogie, auf die sich seine zahlreichen Fans und auch ich persönlich sehr freuen. Diese Trilogie erzählt die ultimative Vorgeschichte zur großen „Shannara“-Saga. Terry Brooks beschreibt darin, wie unsere hoch technisierte Zivilisation in den verheerenden „Großen Kriegen“ ausgelöscht wird, und wie aus ihren Ruinen schließlich eine Welt voller Magie und Wunder entsteht.
Aber natürlich setzen wir daneben auch immer auf den Aufbau junger, bislang unbekannter Autoren. Beides hat seine Berechtigung und kann in der Programmarbeit aus unterschiedlichen Gründen sehr befriedigend sein.

Die moderne Fantasy wird dominiert von anglo-amerikanischen Autoren, die oftmals mehr oder minder originell tolkienesque Fantasy scheinbar am Fließband produzieren. Der Markt aber verlangt genau nach dieser austauschbaren Massenware. Nach was für Kriterien wählen Sie Ihre Bücher aus? Ist das für Sie als Herausgeber nicht manchmal frustrierend, wenn sich frische, ungewöhnliche Ansätze und Bücher am Markt bzw. vielleicht schon intern im Vertrieb kaum durchsetzen lassen? Wie erleben Sie hier Ihre Arbeit?

Ich sehe im Moment ehrlich gesagt das umgekehrte Problem: Meiner Ansicht nach führt die klassische heroische Fantasy in den letzten Jahren ein unverdientes Mauerblümchendasein. Kaum ein junger, ernsthafter Fantasy-Autor traut sich derzeit, einen Roman über einen durch und durch guten Helden zu schreiben, der als Einziger imstande ist, seine Welt vor einer dunklen Bedrohung zu retten. Ich halte das für schade und auch für verfehlt, da derartige Geschichten die großen unvergänglichen Mythen und die zeitlosen Sehnsüchte der Menschen widerspiegeln. So etwas kommt derzeit leider wirklich nur „vom Fließband“. Aber Ich hoffe, dass sich dieser Trend bald wieder drehen wird. Die Leser warten auf jeden Fall schon ungeduldig auf moderne, faszinierende Heldensagen.

Ihr Kollege Sascha Mamczak hat davon berichtet, dass die Kaufleute, der Vertrieb immer mehr Einfluss auf die Produktion, aber auch auf die Auswahl der Bücher, die veröffentlicht werden, nehmen. Ist dies bei Blanvalet ähnlich?

Das trifft auf die Fantasy bei Blanvalet Gott sei Dank nicht zu. Wir sind in unseren programmatischen Entscheidungen ziemlich frei. Das mag aber auch daran liegen, dass ich selbst gerne Bücher veröffentliche, die von möglichst vielen Menschen gelesen und geliebt werden – darin bin ich mir mit unserem Vertrieb einig.

Haben Sie Kontakt zu Ihren Kollegen Ruggero Leò, Carsten Polzin und Sascha Mamczak - tauscht man sich hier kollegial aus, oder ist jeder ein Einzelkämpfer?

Mit Carsten Polzin und Sascha Mamczak pflege ich persönlich ein sehr gutes Verhältnis, auch wenn wir, sobald es um unsere Bücher geht, natürlich ausgesprochen kämpferisch sein können. Ruggero Leò habe ich zwar leider noch nicht kennen lernen können, aber dafür ist mein neuer Kollege Holger Kappel, der gerade von Lübbe zu uns gestoßen ist, natürlich bestens mit ihm bekannt.

Wie begegnet Blanvalet dem Trend in Deutschland, dass gerade die jungen Menschen weniger lesen - ist Ihres Erachtens die Publikation von Jugendromanen ein viel versprechender Weg, sich seine späteren Stamm-Leser zu erobern?

Das ist ganz sicher eine der Hauptaufgaben gerade eines Fantasyverlages. Die großen Jugendbucherfolge der letzten Jahre stammen ja beinahe ausschließlich aus der Fantastik. „Eragon“, „Harry Potter“, „Bartimäus“ und „Artemis Fowl“ verführen seit Jahren unzählige Jugendliche und junge Erwachsene zum Lesen und bringen ihnen die wunderbare Welt der Bücher nahe.

Auf welche Titel in Ihrem Programm sind Sie besonders stolz?

Wenn ich aus unserem Programm, auf das ich rundum sehr stolz bin, etwas Besonders herausheben müsste, dann vielleicht das brillante Fantasy-Debüt eines renommierten historischen Autors aus den USA, das wir im Februar 2008 veröffentlichen werden: David Anthony Durham ist es nach Ansicht aller, die sein High-Fantasy-Epos „Acacia“ bislang lesen konnten, auf Anhieb gelungen, der zweite Topautor neben George R. R. Martin zu werden. Wir haben diesen Roman glücklicherweise sehr früh entdeckt und eingekauft und erleben gerade, wie er im Internet und in den Feuilletons mit begeisterten Kritiken geradezu überhäuft wird. David Anthony Durham ist meiner Ansicht nach der Schriftsteller, der die Fantasy des nächsten Jahrzehnts maßgeblich beeinflussen wird.

Immer einmal wieder schleicht sich auch ein SF-Roman - meistens ein „Star-Wars“-Titel - in Ihre Edition. Gibt es Überlegungen, der SF mehr Platz einzuräumen?

Persönlich würde ich Science Fiction zwar gerne veröffentlichen, aber hier bin ich tatsächlich vom Vertrieb eingeschränkt. Die SF ist in Deutschland leider bei weitem nicht mehr so erfolgreich wie in früheren Zeiten. „Star War“s bildet hier jedoch eine rühmliche Ausnahme und wird auch in Zukunft ein Kernbestandteil der Fantasy bei Blanvalet bleiben.

Können Sie uns noch einen kleinen Vorgeschmack auf zu erwartende Programm Highlights geben - was haben Sie im nächsten Buchjahr für die Freunde der Fantasy in petto?

Das ist eine schwierige Frage, da mir an unserem Programm gerade die Vielfalt so gefällt. Aber natürlich wird die Trilogie „Die Feuerreiter Seiner Majestät“ von Naomi Novik, die Peter Jackson in Kürze verfilmen will, für das größte Aufsehen sorgen. Wir werden diese wunderbaren Abenteuerromane um die Freundschaft zwischen einem Mann und seinem Drachen von Juni 2007 an im kurzen Zwei-Monats-Abstand veröffentlichen. Und ab November 2007 werden die Fans sich wieder über eine neue Trilogie von Trudi Canavan freuen können.

Haben Sie ganz herzlichen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Hause für die Zukunft alles Gute!


Blanvalet





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